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Vorgestellt: Schriftliches Streiten – Universität Innsbruck
Dirk Rose vom Institut für Germanistik
Dirk Rose.

Vor­ge­stell­t: Schrift­li­ches Strei­ten

Der Literaturwissenschaftler Dirk Rose beschäftigt sich mit den Überschneidungen von Literatur und Medien. Dabei gilt sein großes Interesse der Medienkritik und der Polemik, über die er bereits ein umfangreiches Buch verfasst hat.

Für Dirk Rose begann die Laufbahn an der Universität Innsbruck bereits im März 2018, als er eine befristete Professur für neuere deutsche Literatur und Medien am Institut für Germanistik antrat. 2021 wurde diese Professur erneut ausgeschrieben, diesmal als unbefristete Stelle, auf die Rose sich mit Erfolg bewarb. Seitdem ist er permanent in der Lehre und Forschung an der Universität Innsbruck tätig.

Hier geht er in seiner Arbeit dem Verhältnis von Literatur und Medien nach. Dabei ist unter anderem die Polemik ein Thema, mit dem er sich bereits seit Jahren beschäftigt – so hat er dazu auch seine Habilitation, ein 700-Seitiges Buch, verfasst. Darin wird die Polemik als eine literarische Kommunikationsform vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart untersucht.

„Mit den drei Jahren Vorlauf, die ich bereits an der Universität Innsbruck hatte, kann ich mit großer Sicherheit sagen, dass es ein toller Standort für meine Forschung ist“, sagt Rose. „Das liegt einerseits daran, dass ich hier eng mit den Kolleg*innen aus der Medienlinguistik zusammenarbeiten kann, was für das Forschungsgebiet der Polemik sehr nützlich ist. Andererseits sammelt das Innsbrucker Zeitungsarchiv am Institut für Germanistik den massenmedialen Diskurs über Literatur seit den 1960er Jahren. Das hilft mir in meiner Forschung sehr weiter, und ich bin froh, hier in einem so großen Studiengang wie dem Master Medien meine wissenschaftlichen und beruflichen Erfahrung vertiefen und weitergeben zu können.“

Polemik für die Gemeinschaftsbildung

„Eine erste Hochphase der Polemik setzte mit dem Buchdruck ein, vor allem in den Religionsstreitigkeiten des 16. Jahrhunderts“, erzählt Rose zum geschichtlichen Kontext der Polemik. „Das hat teilweise schon Social-Media-verdächtige Dimensionen angenommen, was auch daran liegt, dass eine Reihe dieser Schriften anonym gedruckt wurden. Man findet auch in der frühen Neuzeit und später immer wieder belege dafür, dass Anonymität die Polemik fördert.“

Im 19ten und 20ten Jahrhundert, in einem Zeitalter extremer politischer Positionierung, dient die Polemik dazu, so Rose, eine Anhängerschaft hinter sich zu scharen. Ein Beispiel dafür sind Texte von Joseph Goebbels zur Reichstagswahl 1928, in denen er sich der Öffentlichkeit mit seinen Vorstrafen und laufenden Gerichtsverfahren vorstellt und diese als Ausweis seiner antidemokratischen Haltung präsentiert. „Ähnliche Beispiele finden sich auch in unserer Gegenwart“, sagt Rose. „Die Polemik wird offen eingesetzt, um eine emotionale Gemeinschaft in einer modernen Welt zu bilden, die von Massenmedien geprägt ist.“

Schrift, die mit sich selbst kommuniziert

Diese Wechselwirkungen zwischen Öffentlichkeit und Massenmedien bilden einen wichtigen Bestandteil von Roses aktueller Lehre und Forschung im Bereich der Medienkritik. „Bei der Medienkritik, mit der ich mich beschäftigte, geht es um einen grundsätzlichen Vorbehalt gegen Medialität, oder genauer gesagt gegenüber einer vermittelten Kommunikation und den Medien, die es dazu braucht“, erklärt Rose. Der wichtigste und älteste Kritikpunkt sei dabei, dass eine solche Kommunikation unter körperlich Abwesenden stattfinde und deswegen zahlreichen Einschränkungen unterliege, die wiederum durch die Logik des jeweiligen Mediums bestimmt würden. „Die Schriftkommunikation tritt an die Stelle einer persönlichen Interaktion, die Schrift kommuniziert sozusagen mit sich selbst. Auf Schrifttexte folgen Schrifttexte folgen Schrifttexte. Dies ist für eine, wie es Derrida genannt hat ‚logozentrische‘ Kultur, welche dem gesprochenen Wort unter Anwesenden den Vorzug gibt, immer wieder ein Stein des Anstoßes.“

Eine weitere zentrale Fragestellung der Medienkritik betrifft den Begriff der Öffentlichkeit. Hier lautet die Frage: Wer genau wird durch Öffentlichkeit abgebildet, wer hat überhaupt zu ihr Zugang? „Und selbst wenn alle Zugang zur Öffentlichkeit haben sollten, bleibt die Frage, was genau sie darstellt“, sagt Rose. „Eine Kommunikationsgemeinschaft? Oder nur einen bestimmten Mediengebrauch? Antworten darauf gewinnen gerade in Zeiten von Social Media eine nicht zu unterschätzende gesellschaftliche Relevanz.“ Für Rose, der sich auch mit dem 17ten und 18ten Jahrhundert beschäftigt, ist es interessant zu beobachten, dass die Frage des Mediengebrauchs und eine entsprechende Medienkritik bereits zu dieser Zeit eine große Rolle spielten.

Poesie auf Lumpen

Eine dieser historischen Medienkritiken taucht auch in einem weiteren von Roses Forschungsbereichen auf: mediale Sammlungsformen, insbesondere Anthologien. In den 1770er Jahren veröffentlichte Johann Gottfried Herder eine Sammlung, die später unter dem Namen „Stimmen der Völker in Liedern“ bekannt wurde – ein falscher Titel, der erst nach Herders Tod geprägt wurde. Rose hat mehrere Forschungsarbeiten zu diesem ursprünglich „Volkslieder“ genannten Buch veröffentlicht, in dem Liedtexte aus verschiedenen europäischen Kulturräumen gesammelt wurden, die bis dahin in großen Teilen nur mündlich kursierten. „Herder war sich bewusst, dass ein Buch dafür eigentlich das falsche Medium ist, weil die Texte gerade durch ihre mündliche Verbreitungsform für ihn von Interesse gewesen sind. Er sammelte und druckte also Texte, die unter anderen Umständen niemand hätte drucken wollen; im Gegensatz zu Sammlungen zeitgenössischer Dichtungen, für die Herder eine gehörige Portion Verachtung übrighatte. Er sprach von ihnen als einer "nichtswürdigen Poesie auf den Lumpen unseres Papiers". Denn Papier wurde damals oft noch aus Lumpen, also Kleiderresten, hergestellt. „Bei Herder fallen Polemik und Medienkritik in Form einer Anthologie zusammen“, so Rose und ergänzt: „Also quasi meine drei Forschungsschwerpunkte in einem Buch.“

Die Forschungen zu Anthologien möchte Rose nun weiter intensivieren; unter anderem ist dafür im November 2022 eine Tagung an der Universität Innsbruck geplant, in der Anthologien in ihrer Funktion als Gründungsdokumente und Kanoninstrumente für einzelne europäische Nationalpoesien diskutiert werden sollen.

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