Internationales
INTRAWI unterwegs: Erfahrungsberichte
Mein Auslandssemester an der Uniwersytet Wrocławski
Anna-Marie Parnitzke
erasmus in Wrocław (Breslau), Wintersemester 2016/17
Meine Masterarbeit im Ausland schreiben – warum eigentlich nicht? Bevor ich mich für einen Auslandsaufenthalt in Breslau entschied, hatte ich bereits mit dem Gedanken gespielt, mein Interesse für Polnisch auch in meine Masterarbeit einfließen zu lassen. Wie gut, dass ich in Michael Ustaszewski nicht nur den richtigen Masterarbeitsbetreuer fand, sondern er als erasmuskoordinator für Breslau es mir gleich auch noch ermöglichte, dort meine Arbeit zu schreiben.
Im Vorfeld hatte ich zwar bereits einen Polnischkurs an der Slawistik in Innsbruck besucht, aber da es alternativ die Möglichkeit gibt, schon vor Beginn des Semesters vor Ort einige grundlegende Kenntnisse im Polnischen zu erlangen, ist das mit Sicherheit keine Voraussetzung. Allgemein ist es vor Ort möglich, auf Englisch oder sogar Deutsch durchzukommen; mehr Spaß macht es aber, wenn man sich zumindest ein bisschen auf Polnisch ausdrücken kann (es ist auch hilfreich, wenn man mal an der falschen Station ausgestiegen ist). Übrigens: Russisch und Polnisch sind zwar in manchen Strukturen ähnlich, aber das bedeutet noch lange nicht, dass man Russisch reden sollte. Das ist mir nur einmal bei meiner allerersten Taxifahrt passiert und ich bin mir nicht sicher, ob der Taxifahrer mit dem Gedanken gespielt hat, mich sofort aussteigen zu lassen.
Ich war über eine internationale Kirchengemeinde privat in einer WG untergebracht, ein echter Glücksgriff, wie ich feststellen durfte, da ich so ganz andere Ecken der Stadt, die doch um einiges größer war, als ich anfangs angenommen hatte, kennenlernen durfte. Aber was man so hört, war auch das Leben in den beiden Wohnheimen Kredka und Ołówek (Bunt- und Bleistift, was sich architektonisch erklärt) zumindest abwechslungsreich und spannend und zudem eine gute Gelegenheit, andere erasmusstudierende kennenzulernen.
Das universitäre Leben gestaltet sich etwas anders als an der Uni Innsbruck. Als ich dort war, war Onlinebanking noch ein Fremdwort, aber vielleicht hat sich das inzwischen geändert. Auch das Beantragen eines Bibliotheksausweises hat einiges an Zeit in Anspruch genommen. Tipp: Einfach im erasmusbüro nachfragen, die kennen sich aus, die Informationen auf der Website sind manchmal etwas mit Vorsicht zu genießen.
Da ich schon in den letzten Zügen meines Masterstudiums war, habe ich nicht mehr viele Kurse besucht. Es finden sich aber einige spannende Kurse an der Anglistik und der Germanistik, die als Wahlfächer auch für uns interessant sind. Übersetzungs- oder gar Dolmetschkurse solltest du aber nicht erwarten, außer du sprichst bereits fließend Polnisch.
Während meine Polnischkurse es mir auch erlaubt haben, Kontakte zu anderen zu knüpfen, waren die Kurse, die ich ansonsten besucht habe, nicht so sehr dafür geeignet. Das ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die Studierenden beinahe alle ihre Stunden gemeinsam haben und sich sehr gut kennen. Für einige wenige Stunden dazu zu kommen, ist also anfangs ein bisschen seltsam. Trotzdem sind mir alle sehr freundlich und aufgeschlossen begegnet.
Breslau selbst ist zu einer meiner absoluten Lieblingsstädte geworden. Die Mischung aus kommunistischen Wohnblöcken und wunderschöner Architektur, die auf die jahrhundertelange bewegte Geschichte des Landes schließen lässt, macht die Stadt sehr reizvoll. Es ist definitiv einer der schönsten Orte, um sich zu verlaufen und um die nächste Straßenecke ein neues, gemütliches Café zu entdecken. Breslau hat eine unglaubliche Vielfalt an Lokalen, Restaurants und den besagten Kaffeehäusern. Außerdem: Unbedingt Krapfen essen! So viele du kannst! Alles ist ein bisschen billiger als in Österreich, nicht zuletzt aufgrund des Wechselkurses. Die erasmusförderung hat bei mir genau ausgereicht, um die Miete zu decken, im Studentenwohnheim bleibt sicher noch ein bisschen mehr Geld übrig.
Die Stadt ist einerseits geschichtsträchtig und das Stadtzentrum wirkt, als wäre es in der Vergangenheit stecken geblieben, andererseits kann sie auch modern – nämlich mit extrem vielen Einkaufszentren. Die Geschichte Breslaus ist unglaublich spannend, die Stadt war österreichisch und deutsch, wurde im 2. Weltkrieg zerstört und wieder aufgebaut und ist heute eine polnische Stadt mit vielen internationalen Firmen, die hier ansässig sind. Von hier aus lassen sich auch andere Städte wie das wunderschöne Krakau oder auch Warschau und Danzig (Stichwort: Ryanair!) entdecken.
Einen Aufenthalt in Breslau kann ich nur empfehlen. Am besten reist man schon einige Wochen früher an, sucht sich eine Unterkunft, erkundet die Stadt und besucht Polnischkurse, so hat man die besten Startvoraussetzungen. Mit allem, was hier so anders ist als in Innsbruck, muss man sich ein wenig spielen, aber im Grunde gilt auch hier: Mit ein bisschen Mut und Freude an (Verwaltungs-)Abenteuern lässt sich der Aufenthalt in Breslau gut meistern.
Text: Anna-Marie Parnitzke