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Sandler Willibald: Bewegt vom Heiligen Geist. Der Beitrag von Erneuerungsbewegungen in der katholischen Kirche zum ökumenischen Versöhnungsprozess
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Bewegt vom Heiligen Geist. Der Beitrag von Erneuerungsbewegungen in der katholischen Kirche zum ökumenischen Versöhnungsprozess

Autor:Sandler Willibald
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:Wer nach dem Beitrag von katholischen Erneuerungsbewegungen für die Ökumene fragt, muss mit vorkonziliaren Erneuerungsbewegungen anfangen: Sie haben überhaupt erst die katholische Kirche ökumenefähig gemacht. Weiters behandelt dieser Aufsatz – mit Blick auf österreichische Erneuerungsbewegungen der katholischen Kirche, die in Österreich sind – die Fokolar-Bewegung, das Netzwerk Miteinander für Europa, die Loretto-Bewegung und vor allem die Charismatische Erneuerung. Erarbeitet wird auch ein vom Pfingstereignis her biblisch begründeter Begriff von Erneuerung. Abschließend werden im Blick auf das zweifache Gedenkjahr 2017 – 500 Jahre Reformation und 50 Jahre Charismatische Erneuerung – diese beide „Bewegungen“ in Bezug zueinander gebracht.
Publiziert in:
Datum:2017-10-12

Inhalt

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Einleitung: Ökumenische Erneuerung aus Rom??

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Südafrika im Jahr 1936: Der für seine Geistbegabung und seine rüde Art berühmte pfingstlerische Prophet Smith Wigglesworth betritt das Büro einer Pfingstgemeinde in johannesburg, quetscht einen jungen Gemeindeangestellten an die Wand und beginnt über ihn zu prophezeien:

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„Es kommt eine Erweckung, von der die Welt im Moment nichts weiß. Sie wird durch die Kirchen kommen. Sie wird auf neue Weise kommen. Wenn du siehst, was Gott in dieser Erweckung tut, wirst du zugeben müssen, daß alles, was du bisher gesehen hast, ein Nichts ist im Vergleich zu dem, was noch kommt. Es wird alles überragen, was bisher in der Geschichte erlebt wurde. Leere Kirchen, leere Kathedralen werden wieder voll von anbetenden Menschen sein. Die Gebäude werden den Massen keinen Platz bieten können. Dann wirst du Felder von Menschen sehen, die gemeinsam anbeten und lobpreisen. Gott will dich in dieser Erweckung gebrauchen. Denn du warst lange genug in Jerusalem. Der Herr wird dich an die äußersten Enden der Erde senden. Wenn du treu und demütig bist, wird Gott dich benutzen, und wenn du treu und demütig bleibst, wirst du die großartigsten Ereignisse in der Kirchengeschichte sehen“.
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Was Wigglesworth solcherart mitten in einer Pfingstkirche ankündigte, musste für diese ziemlich irritierend sein: eine mächtige Erweckungsbewegung in den geschichtlich gewachsenen Kirchen, die vom 1900 ausgebrochenen Sturm der Pfingstbewegung überfordert waren und sie zurückgewiesen hatten. Statt einer Erneuerung dieser Kirchen waren neue Pfingstkirchen entstanden. Noch provozierender für den jungen Mann – David de Plessis, den späteren „Mister Pentecost“ – war, dass Wigglesworth sich dabei auch auf die römisch-katholische Kirche bezog.

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Der junge Pfingstler war in der Situation eines Natanael, der auf die verheißungsvollen Worte seines Mitbruders einwendet: „Aus Rom? Kann von dort etwas Gutes kommen?“ (vgl. Joh 1,46). Der Einwand, den de Plessis vorbrachte, war sogar noch härter: „Aber Herr, diese Kirchen sind tot.“ Er bekam die Antwort: „Ich bin es, der die Toten auferweckt.“1 25 Jahre später sollte de Plessis zum Zweiten Vatikanischen Konzil als Beobachter eingeladen werden.

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Diese alte Geschichte kommt mir in den Sinn, wenn ich über das Thema nachdenke, das mir für diesen Aufsatz gestellt wurde: „Der Beitrag der katholischen Erneuerungsbewegungen zum ökumenischen Versöhnungsprozess“. Vor dem Blick auf einige dieser Beiträge im Einzelnen – wie gewünscht mit einem Österreichschwerpunkt – lohnt es, einen Schritt zurückzutreten, um in einer geweiteten geschichtlichen Perspektive sich einfach zu wundern, zu staunen und dem Heiligen Geist für sein Wirken die Ehre zu geben.

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1. Erneuerungsbewegungen in der katholischen Kirche

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1.1 Vorkonziliare Erneuerungsbewegungen machen die katholische Kirche ökumenefähig

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In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als die ökumenische Bewegung schon eine beachtliche Geschichte hinter sich hatte, war die katholische Kirche für die Ökumene ein unerreichbares Bollwerk. Noch 1928 hat Papst Pius XI. in einer Enzyklika „Über die Förderung der wahren Einheit der Religion“ die Ökumene geradezu verteufelt.2 „Die Versuche der Nichtkatholiken zur Wiedervereinigung der christlichen Kirchen“ wurden dort als „große Gottlosigkeit“ bezeichnet; eine Einheit der Liebe mit den getrennten Söhnen könne es nicht geben, sondern nur eine Einheit „auf der Grundlage eines reinen und unverfälschten Glaubens“. Und das heißt allenfalls Rückkehr-Ökumene: „Zum Apostolischen Stuhl also ... mögen die getrennten Söhne kommen“.3

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Vor diesem Hintergrund erscheint es geradezu unfassbar, dass weniger als 40 Jahre später das Zweite Vatikanische Konzil in einem Dekret über den Ökumenismus feierlich feststellte, dass die ökumenische Bewegung „unter der Einwirkung der Gnade des Heiligen Geistes ... entstanden“ ist, und dass sie „von Menschen getragen [wird], die den dreieinigen Gott anrufen und Jesus als Herrn und Erlöser bekennen, und zwar nicht nur einzeln für sich, sondern auch in ihren Gemeinschaften, in denen sie die frohe Botschaft vernommen haben und die sie ihre Kirche und Gottes Kirche nennen“.4

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Möglich wurde dieses Wunder durch vorkonziliare Erneuerungsbewegungen5, die in der katholischen Kirche großteils in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von der Basis her entstanden sind: die liturgische Bewegung, eine katholische Bibelbewegung, eine bündische katholische Jugendbewegung, monastische und mystische Bewegungen, und all dies verbunden mit „Erneuerungsbewegungen“ in der katholischen Theologie. In Leid, Ernüchterung und Desorientierung nach den Weltkriegen kam es zu einem „Erwachen der Kirche in den Seelen“6, das mehr und mehr durch Laienbewegungen getragen wurde. Diese volkskirchlichen Aufbrüche wurden von den Päpsten – gerade auch von dem anti-ökumenischen Pius XI. – als Wirken des Heiligen Geistes erkannt und nach Kräften unterstützt; wohl ohne zu ahnen, was für eine Bewegung dadurch in die starren Strukturen der Kirche kommen würde. Die ökumenische Sprengkraft dieses Geistwirkens zeigte sich schon früh, konnte sich aber durch das strenge lehramtliche Korsett, das von den Protagonisten der Bewegungen weitgehend respektiert wurde, noch nicht breit nach außen entfalten.7 Es entstand so etwas wie ein innerer Erneuerungsdruck, der unter einer starren Oberfläche eine wachsende Zahl von Christen und auch von kirchlichen Vertretern für das große Gnadenereignis einer gesamtkirchlichen Öffnung vorbereitete. Dieser Kairos war das Zweite Vatikanische Konzil, das nicht nur in seinen Ergebnissen, sondern schon in den Umständen seines Entstehens als ein ökumenisches Werk des Heiligen Geistes zu qualifizieren ist. So kam dem fast 80-jährigen Papst johannes XXIII. die – von großen Teilen der römischen Kurie als wahnwitzig eingeschätzte – Idee zur Abhaltung eines Konzils ausgerechnet bei der Teilnahme an der Weltgebetsoktav für die Einheit der Christen.8

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„Der Gedanke tauchte im Hinblick auf die Ärgernis erregende Spaltung der Christenheit auf, so der Papst. Über den Einfall sei er erschrocken gewesen und habe sich gefragt: ‚Stammt die Anregung nicht vom Bösen? Ist das nicht als Versuchung zurückzuweisen?‘ Ein Konzil schien ihm etwas zu Großes und ungeheuer Schwieriges zu sein. Der Papst habe eindringlich um Erleuchtung durch den Heiligen Geist gebetet, weil der Gedanke immer wiederkehrte. Da dieser aber nur noch intensiver wurde, sagte er sich zum Schluss: ‚Die Idee eines Konzils muss eine Eingebung des Heiligen Geistes sein.‘ Daraufhin habe er schnell gehandelt und gleich bei der Vesper am Ende der Weltgebetswoche [am 25. Jänner 1959]9 das Konzil angekündigt.“10
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Die ökumenische Öffnung wird vom Konzil auch theologisch durch ein Wirken des Heiligen Geistes – über die Grenzen der institutionell verfassten römisch-katholischen Kirche hinaus – begründet.11 Und das leitende Verständnis eines „geistlichen Ökumenismus“ – Betroffenheit über die Kirchenspaltungen, Bereitschaft zu Buße und Umkehr, Gebet um Einigung gemeinsam mit den getrennten Geschwistern – all dies atmet jene Art von Bewegung, die der Heilige Geist hervorbringt:

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„Alle Christgläubigen sollen sich bewußt sein, daß sie die Einheit der Christen um so besser fördern, ja sogar einüben, je mehr sie nach einem reinen Leben gemäß dem Evangelium streben. Je inniger die Gemeinschaft ist, die sie mit dem Vater, dem Wort und dem Geist vereint, um so inniger und leichter werden sie imstande sein, die gegenseitige Brüderlichkeit zu vertiefen.
Diese Bekehrung des Herzens und die Heiligkeit des Lebens ist in Verbindung mit dem privaten und öffentlichen Gebet für die Einheit der Christen als die Seele der ganzen ökumenischen Bewegung anzusehen; sie kann mit Recht geistlicher Ökumenismus genannt werden.“12
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Dieser geistliche Ökumenismus ist nicht nur eine Frucht vorausgehender Erneuerungsbewegungen, sondern schuf einen idealen Nährboden für neue Erneuerungsbewegungen. Manche waren schon vor dem Konzil entstanden und konnten sich nun – gestützt durch Päpste und Bischöfe, wie auch diese geistlich stützend – weiter entfalten; andere entstanden als katholische Erneuerungsbewegungen mit ökumenischer Offenheit neu; und überkonfessionelle Bewegungen oder Bewegungen aus anderen Konfessionen konnten sich nun auch unter Katholiken ausbreiten oder katholische Ableger bilden. So zählt die Erzdiözese Wien in einer aktuellen Broschüre 36 geistliche Bewegungen und Laiengemeinschaften mit katholischer Verwurzelung, die in ihrem Raum wirken.13

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Im Folgenden werde ich auf einzelne von ihnen eingehen, um daran exemplarisch herauszuarbeiten, wie Erneuerungsbewegungen für die heutige ökumenische Verständigung und Versöhnung wichtig sind. Entsprechend der Vorgabe für diesen Artikel habe ich Beispiele von Erneuerungsbewegungen ausgewählt, die in der katholischen Kirche Österreichs aktiv sind. Die damit exemplarisch aufgewiesene essentielle Bedeutung für Prozesse ökumenischer Versöhnung ist aber für alle Erneuerungsbewegungen der christlichen Ökumene gegeben, – nicht nur die katholischen, nicht nur die österreichischen und nicht nur die charismatischen.

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1.2 Die Fokolar-Bewegung: Christus über alle Grenzen hinaus im Nächsten finden

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Einige bedeutende Erneuerungsbewegungen – in der katholischen Kirche und mit ökumenischer Öffnung – haben ihre Anfänge bereits vor dem Konzil. Das gilt auf eindrucksvolle Weise für die Bewegung der Fokolare. Im Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs entdeckte eine Gruppe junger Christen – darunter die Gründerin Chiara Lubich – im Christusglauben eine Kraft der Liebe und Solidarität, die stärker als der Tod ist. In der wachsenden Gemeinschaft erwies sich diese Liebe als fähig, Menschen über alle Grenzen hinaus zu verbinden – mit Gläubigen anderer Konfessionen, anderer Religionen und sogar Atheisten.14 Bereits 1958 – vier Jahre vor dem Konzil – nahmen die Fokolarini evangelische und reformierte ChristInnen in ihre Gemeinschaft auf. Dass ihnen daraus vom kirchlichen Amt her keine Schwierigkeiten entstanden, liegt wohl auch daran, dass ihre tiefe und echte katholische Verwurzelung über alle Zweifel erhaben war.

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Auch nach dem Konzil konnte die Praxis der gelebten Liebe einer Einholung dieser Praxis durch die lehramtlich erfasste Wahrheit vorauseilen, ohne dass das erkennbare kirchliche Irritiationen verursacht hätte: Mittlerweile gehören nämlich zur Fokolar-Gemeinschaft nicht nur Christen aus 350 Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, sondern auch mehrere tausend Angehörige und Freunde, „die einer anderen Religion angehören und nach ihren Möglichkeiten die geistlichen Ziele der Bewegung teilen“.15 In Algerien besteht die Fokolar-Bewegung zu über 90% aus Muslimen,16 – ein bemerkenswertes Zeichen des Friedens und der interreligiösen Verständigung in einem Land, das von islamistischen und antiislamistischen Polarisierungen gezeichnet ist.17 Diese Praxis eines liebenden Zusammenlebens über die Grenzen von Religionen hinaus setzt ein Zeichen, welches nicht nur das katholische Lehramt mit seiner scharfen Zurückweisung von pluralistischen Religionstheologien herausfordert, sondern gewiss auch Geschwister in der Ökumene, die sich um eine Relativierung des „solus Christus“ sorgen. Demgegenüber ist einzuräumen: Auch die eindrucksvollste Praxis gelebter Liebe darf nicht ungeprüft als Wegweisung des Heiligen Geistes für viele qualifiziert werden. Es braucht hier eine Unterscheidung der Geister; und dafür ist ein wichtiges Kriterium die Frage, ob und inwieweit sich die Fokolare durch solches Voranschreiten von der katholischen Kirche – und auch von der Ökumene der Kirchen, mit denen sie verbunden ist – abkoppelt. Hier zeigt sich, dass eine solche Entfremdung gegenüber dem katholischen und christlichen Mutterboden nicht geschehen ist. Vielmehr konnten gerade diese Erfahrungen eines grenzüberschreitenden Zusammenlebens aus der Liebe Christi heraus sie zu neuen Aufgaben qualifizierten, die für die katholische Kirche, für die Ökumene und für gegenwärtige politische Herausforderungen – insbesondere eines Europas in der Krise – hochaktuell sind: Seit 1986 wurde die Fokolar-Bewegung gemeinsam mit der Gemeinschaft Sant´ Egidio von johannes Paul II. zur Organisation von internationalen Weltgebetstreffen in Assisi eingesetzt.18 Und seit 1999 – nach der feierlichen Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre – gehören die Fokolare zu den Hauptinitiatoren des Netzwerks „Miteinander für Europa“.

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1.3 Das Netzwerk Miteinander für Europa: „Europa eine Seele geben“ und indirekte Evangelisierung

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Das Netzwerk „Miteinander für Europa“ umfasst mittlerweile mehr als 300 christliche Gemeinschaften und Bewegungen verschiedenster Konfessionen.19 Dieses Netzwerk ist einer der Vorreiter für eine Ökumene, die sich nicht primär selbstreflexiv um eine ökumenische Verständigung untereinander bemüht, sondern miteinander in einen Dienst für die Welt tritt.

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Ein dienstorientiertes Anliegen war eigentlich schon für die Anfänge der Ökumene leitend, als diese im 19. Jahrhundert aus den Bemühungen einer Koordinierung der Mission zwischen konkurrierenden protestantischen Denominationen hervorging. Auch für die gegenwärtige Ökumene spielt das Anliegen einer gemeinsam akkordierten Evangelisierung eine große Rolle. Ein Beispiel für ein überkonfessionell geeintes Christus-Zeugnis ist die internationale Marsch-für-Jesus-Bewegung, die auch mit ihrem Österreich-Ableger eine wachsende ökumenische Bedeutung hat, und aus der das Netzwerk „Weg der Versöhnung – Runder Tisch Österreich“ hervorgegangen ist.

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Über eine solche bezeugend-evangelisierende Dienst-Ökumene hinaus bringt das Netzwerk „Miteinander für Europa“ einen neuen Schwerpunkt ein: Durch einen gemeinsamen Einsatz für Grundwerte, die zugleich christlich zentral und gesellschaftlich bedeutsam sind, übernehmen christliche Bewegungen – mit Repräsentantinnen aus verschiedenen Nationen und Kulturen – miteinander Verantwortung für eine wertebezogene europäische Einheit, um so „Europa eine Seele zu geben“.

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Von bisher vier europaweiten Großveranstaltungen fand das jüngste Treffen vom 30. Juni bis 1. Juli 2016 zufällig genau eine Woche nach dem Abstimmungsergebnis Großbritanniens für einen „Brexit“ statt: Seine Botschaft traf mitten in eine Grundlagenkrise der EU, die die Frage nach einer Wiedergewinnung der anfänglichen Werteorientierung der Europäischen Union von vielen Seiten aufwarf. Hier zeigen sich die hohe politische Relevanz und Aktualität des ökumenischen Netzwerks christlicher Bewegungen. Angesichts eines sich verbreitenden Populismus, der gemeinschaftliche Identität vorrangig durch einigende Gegnerschaften zu stärken sucht, eröffnet die im christlichen Glauben gründende werteorientierte „Pro-Haltung“ verantwortbare Perspektiven: Miteinander für Europa, mit einem gemeinsamen Einsatz für sieben Ja: Ja zum Leben, Ja zu Ehe und Familie, Ja zu einem achtsamen Umgang mit der Schöpfung, Ja zu einer personbezogenen Wirtschaft, Ja zur Solidarität mit Armen und Benachteiligten, Ja zum Frieden, Ja zur Verantwortung für unsere Gesellschaft.20

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Dass die RepräsentantInnen der Bewegungen des Netzwerks Jesus Christus der ermöglichende Grund für ein zutiefst positiv-bezogenes Engagement ist – als Gegengift zu einer negativ-grenzenden, letztlich teuflischen „Logik der Verneinung“21 – darüber lassen ihre Botschaften keinen Zweifel.22 Aber bei den Treffen geht es nicht primär um Evangelisierung oder um das Einnehmen öffentlicher Räume für Christus, sondern um ein fundiertes Zeugnis für die Früchte dieses Glaubens. „Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung“ (Gal 5,22f) werden nicht nur demonstriert, sondern ein solcher Geist ist auf den Treffen atmosphärisch wahrnehmbar. Angesichts eines grassierenden Populismus, der im Gegensatz dazu die „Werke des Fleisches“ (Gal 5,19-21) widerspiegelt, wird diese „Frucht des Geistes“ von immer mehr politischen und gesellschaftlichen RepräsentantInnen verschiedenster Ausrichtung als dringend benötigt erkannt und dankbar zur Kenntnis genommen. So erhielten die bisherigen internationalen Treffen Aufmerksamkeit und Zustimmung nicht nur von kirchlichen, sondern auch von politischen Führungspersönlichkeiten erregt, – vom Papst und dem ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel bis zu Angela Merkel, Jacques Delors und Romano Prodi. Trotz des klaren Christusbekenntnisses mussten politische RepräsentantInnen offenbar keine Sorge haben, religiös vereinnahmt zu werden.23

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So verwirklicht „Miteinander für Europa“ ein indirektes Christuszeugnis. Die beteiligten Bewegungen proklamieren nicht nur bestimmte Werte, sondern bezeugen ihren gelebten Einsatz dafür, – in einem gemeinsamen Zeugnis über die Bruchlinien unterschiedlicher Kulturen und Interessen hinweg. Schon allein das Faktum, dass ein solches einiges und versöhntes Handeln über ethnische, kulturelle und konfessionelle Gräben hinweg möglich ist, bezeugt die Grunderfahrung einer „Wirklichkeit, die, um zu sein, es nicht nötig hat, sich entgegenzusetzen24. Dass diese Wirklichkeit den Namen Gott trägt, ihre Erreichbarkeit den Namen Christus hat und ihr Aufflammen ein Kennzeichen des Heiligen Geistes ist, mag nichtchristlichen Beobachtern unzugänglich sein. Aber viele von ihnen wissen, dass sie eine solche in sich positive Wirklichkeit brauchen, um den diabolischen Fängen einer „Logik der Verneinung“ zu entkommen, die die Menschen dazu verurteilt, das erkannte Böse – zum Beispiel eines demagogischen Rechtspopulismus – entweder resignierend zuzulassen oder es gewaltsam zu bekämpfen und auf diese Weise in anderer Gestalt zu reproduzieren.25 Nur wer in der Erfahrung göttlicher Gnade und Rechtfertigung gründet, kann den „schmalen Weg“ (Mt 7,14) zwischen den Straßengräben einer resignativen Duldung und einer aggressiven, die Gewalt fortschreibenden Bekämpfung des bei anderen identifizierten Bösen finden und so gemeinsam mit ehemaligen Gegnern das „enge Tor“ (Mt 7,13) der Versöhnung durchschreiten: und zwar immer wieder in unterschiedlichsten konkreten Herausforderungen als Versöhnung mit Gott und so der Versöhnung mit Gegnern über die Gräben zwischen Konfessionen, politischen Parteien, Nationen, Ethnien und innerkonfessionellen Polarisierungen hinweg.

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Die Dringlichkeit, solche Auswege zu finden, wird angesichts der weltweit sich verschärfenden Krisen von mehr und mehr Menschen – gleich welcher Religion oder Weltanschauung, ob ohne besondere Bildung oder zu den intellektuellen Eliten gehörend – erkannt. Vielleicht ist es übertrieben zu behaupten, dass die heutige Welt Gott braucht wie noch nie. Nicht übertrieben ist aber, dass die gegenwärtige mehr und mehr säkularisierte Gesellschaft auf dem Weg ist, wie noch nie zu erkennen, dass sie die Früchte Gottes braucht. Und die leuchten durch eine christliche Ökumene auf, die über unmöglich erscheinende Grenzen hinweg versöhnt und zu einem selbstlosen Einsatz fähig ist, ohne sich dafür gegen andere profilieren zu müssen. Ist die Einsicht, diese Früchte für sich zu brauchen und von daher die Sehnsucht, sie zu bekommen, erst geweckt, dann ist auch der Schritt zum Glauben an Gott kein großer mehr.

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Diese Form einer indirekten Evangelisierung hat in verschiedenen christlichen Bewegungen eine lange Tradition: Zwei davon sind die Fokolar-Bewegung und der evangelisch-freikirchlich ausgerichtete Christliche Verein Junger Menschen (CVJM, englisch: YMCA), der mit 45 Millionen Mitgliedern die weltweit größte Jugendorganisation ist und bereits im 19. Jahrhundert gegründet wurde. Dessen Münchener Leiter Helmut Nicklas und die Fokolare-Gründerin Chiara-Lubich gehörten 1999 zu den Gründerpersönlichkeiten von „Miteinander für Europa“ und konnten das jahrzehntelang gewachsene Charisma ihrer Bewegungen in das „Bündnis der Liebe“, das zwischen den Mitgliedern des Netzwerkes geschlossen wurde, einfließen lassen.

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1.4 Die Loretto-Bewegung: Interkonfessionelle und innerkonfessionelle Ökumene

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Seit ihrer Entstehung im Jahr 1987 hat die Loretto-Bewegung eine wachsende Bedeutung in Österreich. Sie entstand, nachdem einige Jugendliche – darunter der Gründer Georg Mayr-Melnhof – in Medjugorje den Ruf „Gründet Gebetskreise“ aufgenommen hatten.26 Von Anfang an wurde die Loretto-Gemeinschaft von Wiener Bischöfen unterstützt, – anfangs vor allem von Kardinal Groer. Diese Ausgangsbedingungen würden für Loretto eine eher enge traditionell-katholische Ausrichtung vermuten lassen. Dass die Bewegung dennoch von Anfang an tief ökumenisch verwurzelt war, ist wohl einem mutigen Rat des damaligen Weihbischofs Christoph Schönborn zu verdanken. Er empfahl der nach Wegweisung suchenden Gruppe, sich von Bruce Clewett von Jugend mit einer Mission in einem „Jüngerschaftsaufbauseminar“ schulen zu lassen. Diese erstaunliche bischöfliche Empfehlung kam wohl auch daher, dass Vergleichbares in der katholischen Kirche damals nicht angeboten wurde. Das Risiko, das Schönborn einging, nämlich dass einige hochmotivierte Jugendliche der katholischen Kirche entfremdet würden, bewahrheitete sich nicht. Im Gegenteil, wie Maxi Oettingen, der gegenwärtige Leiter der Loretto-Bewegung bezeugt: „Durch Bruce – interessanterweise durch einen Protestanten – haben wir viele Schätze der katholischen Kirche erst als solche wahrgenommen.“27

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Inzwischen organisiert die Loretto-Gemeinschaft jährlich zu Pfingsten ein „Fest der Jugend“, an dem 7000 Personen, größtenteils Jugendliche, teilnehmen und zu den Pfingst-Festgottesdiensten im riesigen Salzburger Dom nicht die Sitzplätze, sondern jedes Fleckchen am Boden füllen. Die Sitzplätze bleiben den Salzburgern vorbehalten, die sich damit durch die für Christus brennenden Jugendbewegung nicht verdrängt, sondern geistlich bereichert erfahren.

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So erfüllt sich hier nicht nur die eingangs zitierte Prophetie von Smith Wiggelsworth: – „leere Kathedralen werden wieder voll von anbetenden Menschen sein“. Es verwirklicht sich auch ein Stück innerkonfessionelle Ökumene, indem Christen mit völlig verschiedenen Spiritualitäten – hier aus Erneuerungsbewegungen und alteingesessenen Pfarren – zusammenfinden und miteinander Gott loben.28 Diese „Pfingstfeste der Jugend“ verbinden sich nicht nur mit dem traditionellen Katholizismus, sondern sind zugleich ökumenisch offen. Durch die Einladung berühmter Sprecher aus anderen Konfessionen – wie etwa Pete Greig oder Nicky Gumbel – wird für die teilnehmenden Jugendlichen erfahrbar, dass der gleiche Heilige Geist in verschiedenen Konfessionen wirkt.

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Inzwischen führt die Loretto-Gemeinschaft in ökumenischer Zusammenarbeit mit Bruce Clewett selber mehrmonatige Jüngerschaftskurse durch. Und seit einigen Jahren hat die Loretto-Bewegung das Charisma der von Pete Greig gegründeten „24-7“-Rund-um-die-Uhr-Gebetsbewegung entdeckt und verbindet es – über die Grenzen verschiedener Gebetshaus-Spiritualitäten hinweg – mit einem die Jugend ansprechenden „Harp-and-Bowl-Lobpreis“ nach dem Vorbild des International House of Prayer (IHOP) aus Kansas sowie in Europa des von johannes Hartl geleiteten Gebetshauses in Augsburg. Im Jahr 2015 konnte Loretto mitten in Salzburg von einem Orden ein geräumiges ehemaliges Studentenheim übernehmen und es nun für Jüngerschaftskurse, 24-7-Gebet sowie Lobpreis-Leiter-Ausbildung nutzen. Damit wurde die Loretto-Bewegung zu einem wichtigen Teil in einer gegenwärtig geradezu explodierenden internationalen Gebetshaus-Bewegung mit hohem ökumenischem Potential.

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Ein weiterer zentraler Aufgabenbereich in dem geräumigen mehrstöckigen, aufwendig renovierten Salzburger „Home-Base“ ist die Betreuung und Seelsorge für Randgruppen und Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Für diese Aufgabe, die die Loretto-Gemeinschaft zusammen mit dem Haus von den Barmherzigen Schwestern übernommen hatte, war sie durch ein Charisma vorbereitet, das einige Jahre zuvor unerwartet aus der 24-Stunden-Anbetung freigesetzt wurde. Bewegt durch die dort erfahrene Liebe Gottes schwärmten einige Jugendliche mitten in der Nacht in die Stadt aus, um jungen Menschen, die verloren oder alkoholisiert herumirrten, zu begegnen, ihnen die Liebe Christi weiterzugeben und sie in den Gebetsraum einzuladen. Mancher „abgestürzte“ Jugendliche traute seinen Augen nicht, als er am nächsten Tag in heiliger Atmosphäre, mit dem Blick auf die ausgesetzte Monstranz aus seinem Rausch erwachte. Manche Bekehrung ist daraus entstanden.29

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Katholisch, marianisch, eucharistisch, charismatisch und ökumenisch: Das sind Schlagworte, mit denen die Loretto-Bewegung ihre Ausrichtung beschreibt. Dazu ist zu ergänzen: sozial-karitativ. Diese so verschiedenen Qualifikationen, die aus der gemeinsamen Mitte einer innigen Christuserfahrung entspringen sprengen die üblichen Schemata von konservativ-traditionsorientiert und liberal-progressiv, längs derer die katholische Kirche in weiten Bereichen polarisiert ist. Nach Jahren einer kritischen Reserve von seiten eher liberaler kirchlicher Einrichtungen kommt es mittlerweile zu einer größeren Annäherung zu den Erneuerungsbewegungen, vor allem im Bereich der kirchlich organisierten Jugendarbeit. Das gilt nicht nur für Loretto, sondern auch für andere Erneuerungsbewegungen.

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Auch diese Entwicklung hat eine große ökumenische Bedeutung. Ein Grundproblem der Ökumene besteht nämlich darin, dass ökumenische Annäherungen – wie sie etwa durch Konvergenzdokumente besiegelt werden – eine nachfolgend einzulösende Veränderung der beteiligten Kirchen erfordert. Ohne eine solche Positionsänderung würden gemeinsame ökumenische Erklärungen bloß theoretisch bleiben. Kommt es hingegen zu Positionsänderungen – etwa durch eingelöste Selbstverpflichtungen der Kirchen – dann entsteht die Gefahr, dass Spaltungen sich von interkonfessionellen Bruchlinien zu innerkonfessionellen Bruchlinien verlagern. Bestehende Polarisierungen in den Konfessionen und Gemeinden können durch ökumenische Fortschritte verschärft werden. Umgekehrt werden für innerkirchliche Konsolidierungen – im Bemühen um eine Stärkung konfessioneller Identität – nicht selten um den Preis von Rückschlägen in der Ökumene erkauft.30

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Zwischen den „ökumenischen Straßengräben“ eines konfessionellen Identitätsverlustes durch Öffnung nach außen und einer konfessionellen Identitätssicherung durch Abgrenzung gegenüber anderen weist der Heilige Geist den schmalen, aber starken Mittelweg eines „geistlichen Ökumenismus“: Getrennte Kirchen blühen in ihrem Eigensten neu auf, indem sie sich zugleich auf ihre Schwesterkirchen hin öffnen, – und zwar nicht zuletzt dadurch, dass sie die Anstöße zum wesentlichsten Eigenen von den Anderen empfangen.31 Dadurch erweist sich Gott als der unfassbar Größere, der sich von Sich her für die Menschen und Kirchen angreifbar macht. Das ist die Umkehrung vom eifersüchtig beanspruchten geistlichen Besitz – „Wir haben den wahren Gott“ – zur demütig von den Anderen empfangenen Gabe: „Der wahre Gott hat uns“. So offenbart sich eine größere Tiefe, die zugleich größere Weite ist, – das Geschenk einer unerwarteten, von Menschen niemals machbaren starken Mitte, an der sich das Wirken des Heiligen Geistes ausweist.

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2. Der Heilige Geist schafft Bewegungen, Ökumene, Versöhnung

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Es ist noch die Bedeutung der Charismatischen Erneuerung – und damit der pfingstlich-charismatischen Strömungen – für die Ökumene zu besprechen. Dazu ist ihr Verhältnis zu den Erneuerungsbewegungen zu klären. Aus verschiedenen, noch zu besprechenden Gründen ist es unzureichend, sie als Bewegungen neben anderen zu behandeln. Sie im Unterschied zu anderen Bewegungen als „Bewegung des Heiligen Geistes“ zu bestimmen, würde hingegen konkrete charismatische Organisationen überschätzen, – verbunden mit einer vergleichsweisen Abwertung des Wirkens des Heiligen Geistes in nicht explizit charismatischen Erneuerungsbewegungen wie auch in den geschichtlich gewachsenen Kirchen.

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2.1 Was ist eine Bewegung?

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Um einen schmalen, starken Mittelweg zwischen diesen beiden Straßengräben zu finden, brauchen wir einen Begriff von Bewegung (im geistlichen und kirchlichen Sinn), der den Weg von einer geistgewirkten Bewegung menschlicher Herzen bis zur Entstehung konkreter kirchlicher Gemeinschaftsformen durchmisst; und zwar, so dass von daher Erneuerungsbewegungen und pfingstlich-charismatische Strömungen in ihrer Unterschiedenheit und Bezogenheit zueinander, sowie im Verhältnis zu anderen kirchlichen Gemeinschaftsformen verständlich gemacht werden können. Dazu schlage ich vor, vier Begriffe von „Bewegung“ zu unterscheiden und einander zuzuordnen:

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Der Anfang jeder Bewegung besteht darin, dass der Heilige Geist das Herz eines Menschen bewegt (= Bewegung 1: als auf Menschen einwirkende Bewegung des handelnden Gottes).32 Daraus entsteht eine geistgeführte Bewegung des Menschen, wenn er im Einklang mit dieser inneren Bewegung des Heiligen Geistes handelt (= Bewegung 2: als individuell menschliche Bewegung, die vom Heiligen Geist geführt ist). Vermittels einer solchen geistgeleiteten menschlichen Bewegung kann der Heilige Geist auch andere Menschen bewegen. Das kann dazu führen, dass sich viele Menschen in eine ähnliche geistgeleitete Richtung bewegen – auch über viele Schritte, die sich auf der Ebene von Strukturen auswirken –, so dass Altes erneuert wird und Neues entsteht, unter Umständen in der Form von geistgeführten Vereinigungen (= Bewegung 3: als gemeinschaftliche Bewegung, die vom Heiligen Geist geführt ist). Wenn auf diese Weise durch Gottes die Herzen bewegendes Handeln (Bewegung 1) und ein gläubig-zustimmendes menschliches Mittun (Bewegung 2, die wiederum in jedem Schritt von Gottes Gnade getragen ist) Kirche, kirchliche Gemeinschaften, Erweckungen, charismatische Aufbrüche und Erneuerungsbewegungen (Bewegung 3) entstehen, so sind diese nicht das Resultat eines synergistisch-gleichrangigen Zusammenwirkens von Gottes Gnade und menschlicher Freiheit, sondern ganz Gottes die Kirche bewegendem Handeln zuzuschreiben (= Bewegung 4: als Gottes Gemeinschaft stiftendes heilsgeschichtliches Handeln): Der Heilige Geist schafft Erneuerungsbewegungen, Erweckungen und pfingstlich-charismatische Aufbrüche.

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Von daher lässt sich sagen: Was wir zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten als Erneuerungsbewegung oder organisierte Charismatische Erneuerung wahrnehmen, ist wie eine Serie von Momentaufnahmen einer dynamischen Bewegung, die vom Heiligen Geist über Zeit und Raum hinweg auf differenzierte Weise ausgegossen wird (also: Bewegung 4). Eine angemessene Einschätzung konkreter Bewegungen erfordert ein – im Sinne einer Unterscheidung der Geister – zusammenschauendes „Durchblicken“ von den äußerlich wahrnehmbaren Phänomenen auf eine verborgene Tiefendimension göttlichen Wirkens, die diesen Phänomenen zugrundeliegt und von ihnen mehr oder weniger vergegenwärtigt oder auch verdeckt und behindert werden.
Der Sinn einer solchen unterscheidenden Wahrnehmung von bestimmten kirchlichen und gemeinschaftlichen Formen liegt nicht so sehr in einer möglichst präzisen Kartographie, sondern in einem Orientierungswissen, das dazu dient, der Bewegung des Heiligen Geistes (im Sinn von Bewegung 1 und Bewegung 4) immer besser zu entsprechen: auf dass Sein Reich komme. So muss meiner Meinung nach auch die hier versuchte Aufgabe angegangen werden, den Beitrag von Erneuerungsbewegungen für ökumenische Versöhnungsprozesse darzustellen.
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2.2 Pfingsten als Urform von Bewegung

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Die Urform einer so verstandenen Ausgießung des Heiligen Geistes geschah zu Pfingsten in Jerusalem und ist in der Apostelgeschichte bezeugt. Vermittelt durch eine unbeirrt freimütige Predigt des geisterfüllten Petrus bewegte der Heilige Geist die Herzen der Zuhörer:

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„Als sie das hörten, traf es sie mitten ins Herz ...“ (Apg 2,37: Bewegung 1).
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Sie hätten sich dieser Bewegung auch widersetzen können, aber sie ließen sich darauf ein:

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„... und sie sagten zu Petrus und den übrigen Aposteln: Was sollen wir tun, Brüder? Petrus antwortete ihnen: Kehrt um, und jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi taufen zur Vergebung seiner Sünden; dann werdet ihr die Gabe des Heiligen Geistes empfangen.“ (Apg 2,37f)
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Viele, wenn auch nicht alle, folgten dieser Einladung:

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„Die nun, die sein Wort annahmen, ließen sich taufen. An diesem Tag wurden (ihrer Gemeinschaft) etwa dreitausend Menschen hinzugefügt.“ (Apg 2,41)
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Das war der Übergang von Bewegung 1 über Bewegung 2 zu Bewegung 3, der eigentliche Anfang von Kirche als bewegendes Wirken des Heiligen Geistes (Bewegung 4). Möglich war dieses Pfingstereignis dadurch geworden, dass die Jünger gemeinsam mit Maria sich im Obergemach von Gott vorbereiten ließen (Apg 1,13). Im gemeinsamen Gebet und Lobpreis war der Heilige Geist schon längst am Wirken, indem er sie immer tiefer auf den Auferstandenen ausrichtete (Bewegung 1, 2 und 3). Langsam stieg die „Reaktionstemperatur“ in ihren Herzen, bis das Dach und die Mauern des Obergemachs, in dem sie sich zuerst schützend zurückgezogen hatten, wie weggeblasen schien und – am jüdischen Pfingstfest – auf einmal alle sahen und hörten, wie die Jünger „in fremden Zungen“ Gottes Taten priesen (Apg 2,2.6). Hier war im Kleinen bereits Geistausgießung (von Bewegung 1 bis Bewegung 3) vorbereitet, mit der Wirkung, dass die Jünger sich von den wechselnden Reaktionen des Volkes – zwischen Spott und Bestürzung – ebensowenig beirren ließen wie von der unberechenbar drohenden Gewaltneigung des Mobs. Als Petrus zu sprechen begann, ließ er sich weder von Angst noch von Aggression hinreißen. Seine Rede war maximal konfrontativ (Apg 2,23.36) und zugleich so solidarisch (Apg 2,29: „Brüder“)33, dass die „in ihrem Herzen getroffenen“ Menschen die sie kritisierenden Jünger fragten: „Was sollen wir tun, Brüder?“ (Apg 2,37). So konnte das Feuer des Heiligen Geistes auf viele übergreifen.

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2.3 Bewegungen in der Kirche: Orden und Erweckungen

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Seither hat der Heilige Geist immer wieder auf unterschiedliche Weise gewirkt (Bewegung 4), um die Kirche zu vergrößern, zu erneuern und zu versöhnen. Seit dem Mittelalter sind Ordensgemeinschaften in der katholischen Kirche entstanden. Es gab gewaltige Erweckungen in den protestantischen Kirchen, und im Zwanzigsten Jahrhundert begannen Laienbewegungen eine klerikal fixierte katholische Kirche aufzubrechen.34

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3. Ein neues Pfingsten: Die ökumenische Bedeutung von pfingstlich-charismatischen Aufbrüchen

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3.1 Entstehung von Pfingstkirchen und eine charismatische Erneuerung in den protestantischen Kirchen

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Dazu kam wie ein neues Pfingsten eine gewaltige Ausgießung des Heiligen Geistes im 20. Jahrhundert. Am 1. Jänner 1901 hatte Papst Leo XIII. mit einem feierlichen „Veni creator spiritus“ das neue Jahrhundert dem Heiligen Geist geweiht, knapp drei Jahre nachdem er eine Enzyklika über den Heiligen Geist herausgebracht hatte. Bei beidem ließt er sich von einer einfachen Ordensschwester (Elena Guerra) beeinflussen, deren geistgeführtes Anliegen eine Erneuerung der damals ziemlich geistvergessenen katholischen Kirche durch eine Rückkehr zum Heiligen Geist war. Dass am selben 1. Jänner 1901 einige Stunden später im fast 10.000 km entfernten Texas eine erste pfingstlich-charismatische Erweckung ausbrach, kann die katholische Kirche dankbar, aber mit aller Demut bekennen. Denn bis sie selber Anteil an diesen Erweckungen erhielt, waren zwei Drittel des dem Heiligen Geist geweihten Jahrhunderts vergangen. Und die katholische Kirche war gerufen, diese Erweckung demütig aus der Hand einfacher – und selber demütiger35 – protestantischer Christinnen zu empfangen, nachdem sie auf anderen Wegen durch den Heiligen Geist tief verwandelt und so für eine Aufnahmefähigkeit dieser Geistgabe vorbereitet wurde (vgl. Kapitel 1.1).

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3.2 Die Charismatische Erneuerung in der katholischen Kirche

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Vom 17. bis 19. Februar 1967 – fünfzehn Monate nach Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils – empfingen fünfundzwanzig Studenten gemeinsam mit zwei Universitätsprofessoren und einem Universitätsseelsorger auf Einkehrtagen eine tiefe Liebe zum dreifaltigen Gott, zur Heiligen Schrift und auch zu den kirchlichen Gnadenschätzen, verbunden mit einer Freisetzung von Charismen.36 Ausgehend von dieser charismatischen Initialzündung verbreitete sich die Erfahrung einer „Taufe im Heiligen Geist“ innerhalb der katholischen Kirche wie ein Flächenbrand, – zunächst über bestehende Vernetzungen vor allem der Cursillo-Bewegung. Dabei erwies sich das Lehr- und Leitungsamt der katholischen Kirche – dank vorkonziliarer Erneuerungsbewegungen, des Zweiten Vatikanischen Konzils und prominenter Fürsprecher bis hinaus zu den Päpsten – gegenüber einer früheren katholischen Bollwerkmentalität als so verwandelt, dass es der charismatischen Laien- und Basisbewegung keinen Widerstand entgegensetzte, sondern selber zu Kanälen für ihre Verbreitung in der ganzen Kirche wurde. Weniger als sieben Jahre dauerte es, bis ein inzwischen konstituiertes internationales Koordinationsteam der expandierenden Charismatischen Erneuerung vom Konzilspapst Paul VI. in Privataudienz empfangen wurde. Seitdem erhielt die Charismatische Erneuerung von allen Päpsten und zahlreichen Bischöfen Ermutigung, Fürsprache und Unterstützung.37

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Nächstes Jahr (2017) feiert die Charismatische Erneuerung ihr 50-jähriges Bestehen. Inzwischen sind von 1,25 Milliarden Katholiken ca. 120 Millionen charismatisch ausgerichtet. Und von 2,26 Milliarden Christen sind geschätzte 600 Millionen, also mehr als ein Viertel pfingstlerisch oder charismatisch orientiert. Zudem sind dies die am stärksten wachsenden Anteile unter Christen und Katholiken. Allerdings sind Anteil und Bedeutung charismatischer Christen in den deutschsprachigen Großkirchen wesentlich geringer als in anderen Teilen der Welt.

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3.3 Entwicklung der Charismatischen Erneuerung in Österreich

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Nach einem aufsehenerregenden Wachstum in den 70er Jahren stagnierte die Ausbreitung der Charismatischen Erneuerung Österreichs in den 80er Jahren und begann zurückzugehen. Auch der Vision, sich in eine umfassende charismatische Prägung der ganzen katholischen Kirche hinein aufzulösen,38 kam die Charismatische Erneuerung nicht näher, da viele Christen und kirchliche Vertreter den emotionalen Erscheinungsformen des Charismatischen gegenüber ausgesprochen reserviert blieben. Diese Entwicklung hatte auch mit Auswirkungen geistlicher Unreife zu tun, die überzogene Erwartungen – von immer größeren Aufbrüchen wie auch der Heilung von Kranken, wenn nur der Glaube groß genug ist – nährte und zu Enttäuschungen und seelischen Verletzungen führte. An vielen Orten wurde charismatischer Wildwuchs durch eine Klerikalisierung und Marianisierung in einem engen Sinn bekämpft. Anstatt das oft missverstandene und missbrauchte Charisma der Prophetie durch eine geschulte Unterscheidung der Geister zu schützen, wurden anstehende Entscheidungen in nicht wenigen Gebetskreisen Priestern überantwortet, – in der geradezu abergläubischen Gewissheit, dass deren „Amtsgnade“ ihnen eine gewisse Unfehlbarkeit geben würde. Im Gegenzug formierten sich charismatische Gruppen und AnhängerInnen, die meinten, die Anliegen von Laienbewegung und ökumenischer Offenheit durch eine Reserviertheit gegenüber katholischen Charakteristika wie Amt, Sakramente und Marienverehrung schützen zu müssen,39 was ebenso im Gegensatz zu den Anfängen der Charismatischen Erneuerung stand, in denen Laien, Theologen und Priester miteinander die gleichen Grunderfahrungen teilten. Und nicht wenige wanderten aus der katholischen Kirche in Pfingstkirchen und „nichtkonfessionelle charismatische Kirchen und Netzwerke“40 ab.

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Solche Verengungen und daraus resultierende, weitere Verengungen produzierende Polarisierungen kamen in unterschiedlichem Ausmaß an der „Basis“ vor – in Gebetskreisen und einzelnen Bezirken – weniger auf der Ebene der DiözesanvertreterInnen und gar nicht auf der Ebene der Österreich-Leitung, die durchgängig aus erfahrenen und auch ökumenisch gut vernetzten Personen bestand (vgl. unten, Kap. 3.5).

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3.4 Selbstverständnis der charismatischen Erneuerung mit den „vier E“

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In einer vom Österreich-Leitungsdienst herausgegebenen Broschüre41 und in zahlreichen Seminaren wurde das zugleich katholische und ökumenisch weltoffene Selbstverständnis der Charismatischen Erneuerung Österreichs didaktisch eingängig durch „vier E“ akzentuiert:

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Empfangen: Dieses die anderen drei Prinzipien begründende und freisetzende Fundamentalprinzip bezieht sich auf die anfangs empfangene charismatische Grundgnade einer Aufsprengung des Herzens zu einer bisher ungekannten Liebesverbindung mit dem dreifaltigen Gott. Eine brennende Sehnsucht treibt zur immer neuen und tieferen Begegnung mit Christus in Gebet und Lobpreis, in der Lektüre der Heiligen Schrift und in der Feier der Sakramente. Diese persönliche Pfingsterfahrung wird in Übereinstimmung mit dem biblischen Sprachgebrauch, der Wortwahl von Päpsten und zugleich im Einklang mit den konfessionsübergreifenden pfingstlich-charismatischen Strömungen Taufe im Heiligen Geist genannt.42

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Erneuerung: Aus dem anfänglichen und immer wieder neu vollzogenen Empfangen der persönlichen Geistausgießung erwächst als Frucht eine persönliche Erneuerung. Man erfährt sich in vertiefter Weise als befähigt und bereit zur Umkehr und zur Heiligung der eigenen Lebensführung. Analog zum oben (in Kap. 2.1) behandelten Übergang von Bewegung 1 über Bewegung 2 zu Bewegung 3 erwächst aus dieser persönlichen Erneuerung eine gemeinschaftliche Erneuerung,43 die auf Kirche und Gesellschaft übergreift. Früchte von der und für die Erneuerung sind auch die verschiedenen Charismen.

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Einheit: Der Heilige Geist führt zu einer tiefen Christuszentrierung, und Jesu Wille, dass alle eins sein sollen (Joh 17,21) wird immer mehr zur eigenen Sehnsucht. Leiden an Spaltung und Unversöhntheit, demütiger Einsatz zur Versöhnung und ein vertieftes Bewusstsein eigener Schuld wie auch der Schuld der eigenen Vorfahren, von denen man sich nicht distanziert, sondern für die man stellvertretend eintritt: Dies sind Grundkräfte zu einem geistlichen Ökumenismus, der im Ökumenismusdekret des Zweiten Vatikanums als Seele der ökumenischen Bewegung vorausgesetzt werden und die durch die immer wieder erneuerte persönliche und gemeinschaftliche Pfingsterfahrung spontan aufbricht und immer tiefer im Herz von Christen verankert wird.

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Evangelisierung: Wer durch die Ausgießung des Heiligen Geistes im eigenen Innersten verwandelt wurde, kann gar nicht anders, als hinauszugehen und die übernatürliche Liebe anderen weiterzugeben. Weil der Heilige Geist einem Christus im Nächsten erschließt, und zwar so, dass der Nächste ganz als er selber wahrgenommen und geliebt wird, verwandelt sich auch die Art des Evangelisierens. Der Heilige Geist zeigt einem die tiefe, unter Umständen verschüttete Schönheit des begegnenden Nächsten. Diese übernatürliche, staunende Wertschätzung, die ein Empfangen Christi im Anderen ist, kann in ihm oder ihr ein zuvor vielleicht gebrochenes Grundvertrauen wiederherstellen (innere Heilung!), und auch eine innere Öffnung bewirken, dass sie Christus von ihr selber her empfangen und bezeugen kann. So erwächst als Zeichen für ein authentisches Geistwirken zwischen den Straßengräben einer herablassenden Belehrung und einer Preisgabe der Botschaft Christi die starke Mitte einer Evangelisierung auf Augenhöhe: Evangelisierende und Evangelisierte finden sich beim Evangelisieren miteinander vor dem größeren Gott, der sich ihnen gemeinsam zuspricht.44

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3.5 Ökumenische Vernetzung und Aktivitäten der Charismatischen Erneuerung Österreichs

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In den 20 Jahren, seit der österreichischen Leitungsdienst in der gegenwärtigen Form besteht, sind seine VertreterInnen auf vielfältige Weise weltkirchlich und ökumenisch vernetzt. Sie stehen in Verbindung mit der zugleich ökumenisch offenen und kirchlich verankerten internationalen Serviceorganisation ICCRS, sind Mitglieder von mehreren ökumenischen Initiativen (v.a. Runder Tisch und Miteinander für Europa) und nehmen an den Österreichtagungen der Geistlichen Gemeinde-Erneuerung in der evangelischen Kirche Österreichs teil.

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In Abstimmung mit der Versammlung der DiözesanvertreterInnen organisiert der österreichische Leitungsdienst der CE alle zwei bis drei Jahre als größte Veranstaltung eine Sommerwoche („Frei-Zeit mit Jesus“) sowie in den Zwischenzeiten jährliche Sommertagungen, um die charismatische Grunderfahrung mit ihren Auswirkungen zu erhalten und neu zu beleben. Diese Veranstaltungen sind durchwegs ökumenisch geprägt. Auf den Sommertagungen und den „Frei-Zeiten mit Jesus“ wurden immer wieder ReferentInnen aus anderen Konfessionen als Hauptredner eingeladen: aus der evangelischen Kirche aus Freikirchen, evangelikalen Gemeinden, Pfingstkirchen und einem messianischen Juden. Seit 2006 befindet sich ein Baptist (Elmar Otto vom Schloss Klaus) im Kernteam für die „Freizeit mit Jesus“.

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Ökumenisch verbindend ist auch die Durchführung von Alpha-Kursen, Alpha-Ehekursen und Alpha-Gefängnis-Kursen in mehreren Pfarren mit Teilnehmern aus unterschiedlichen christlichen Denominationen. Im Alphabüro Österreich arbeiten katholische und freikirchliche Leiter-Innen zusammen.

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In all dem Genannten äußert sich eine tiefe und umfassende ökumenische Ausrichtung der Charismatischen Erneuerung, die sich längs der „vier E“ durchbuchstabieren ließe: ein Empfangen der christlichen Grunderfahrung, das auch ökumenisch geprägt ist; eine Erneuerung, die eine ökumenische Öffnung beinhaltet; Einheit als ökumenisches Anliegen und eine fortgesetzte Neuevangelisierung, die nicht nur Menschen anderer Konfessionen inkludiert, sondern auch von ihnen Impulse zur Selbstevangelisierung empfängt.

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Durch die ausgeprägte ökumenische Prägung der genannten Bildungsangebote werden die HörerInnen fortlaufend ökumenisch geöffnet. Dies ist ein nicht zu unterschätzender Beitrag zur konkreten Verwirklichung jener ökumenischen Weichenstellungen, die durch Konvergenzerklärungen von Entscheidungsträgern aus verschiedenen Konfessionen gesetzt werden. Nicht nur die entsandten VertreterInnen der Konfessionen, sondern die einzelnen Christen der verschiedenen Konfessionen müssen reif für Schritte zur ökumenischen Versöhnung sein. Darin besteht eine gewaltige Herausforderung, die durch die verschiedenen Bewegungen wahrgenommen werden kann: nicht nur quantitativ durch ihre zum Teil großen Teilnehmerkreisen, sondern auch qualitativ durch eine angenommene Geisterfahrung, die auch einfache Christen zu potenten Christuszeugen macht.

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3.6 Das bleibende Potential der Charismatischen Erneuerung für die Ökumene

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Wir stellten fest, dass die charismatische Erneuerung Österreichs (und nicht nur Österreichs) seit den 80er Jahren in eine gewisse Stagnation und Krise geriet.45 Auch wenn manche der angeführten Probleme bis heute weiterwirken, gibt es seit einigen Jahren Anzeichen für einen neuen Aufschwung. Vor allem aber scheint mir eines zu berücksichtigen, um die bestehende Lebendigkeit und das Potential der charismatischen Aufbrüche für ökumenische Versöhnungsprozesse nicht zu unterschätzen: Die besonderen Gaben der charismatische Erneuerung sind zwar nicht wie erhofft in die Pfarrgemeinden und Diözesen hinein diffundiert, wohl aber in zahlreiche Erneuerungsbewegungen. Die in den „vier E“ beschriebenen Merkmale scheinen in einem hohen Maß auch in den im 2. Kapitel exemplarisch behandelten Erneuerungsbewegungen auf. Besonders augenfällig ist das unter den dargestellten Bewegungen bei der Loretto-Bewegung. Diese empfing ihre (oben nicht eigens ausgefaltete) charismatische Grundausrichtung unter anderem durch die charismatische Prägung des „Jüngerschaftsaufbauseminars“ von Jugend mit einer Mission unter der Leitung von Bruce Clewett.

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Unter den 36 von der Erzdiözese Wien angeführten Erneuerungsbewegungen und geistlichen Gemeinschaften sind nicht wenige von Grund auf charismatisch geprägt. Und auch jenen, die sich nicht explizit als charismatisch verstehen – exemplarisch habe ich dazu die Fololar-Bewegung besprochen – findet sich viel von dem unter den „vier E“ inhaltlich Beschriebenen. Das muss auch so sein. Denn das besondere Kennzeichen der Charismatischen Erneuerung besteht nicht in ihren äußeren Erscheinungsformen – etwa den emotional erhobenen Händen und der ekstatischen Zungenrede – sondern in der persönlichen Pfingsterfahrung der Geisttaufe, und deren Essenz ist das, was ich in den Kapiteln 2.1 und 2.2 als Urform von Bewegung beschrieben habe. Diese Urform finden wir in jeweils unterschiedlichen Gestalten auch in vorkonziliaren katholischen Erneuerungsbewegungen, in Texten des Zweiten Vatikanischen Konzils, in der Grunderfahrung einer in der Begegnung mit dem Nächsten aufbrechenden Christusliebe bei der Fokolare und natürlich in den charismatisch ausgerichteten Bewegungen wie etwa den Lorettos. Mehr noch: Es ist die Grunderfahrung, die in die Wurzel des Christentums und auch in den tiefsten authentischen Wurzelgrund jeder christlichen Konfession eingesenkt ist, – manchmal auch ziemlich verschüttet, wie wir im Kapitel 1.1 am beklemmenden Antiökumenismus des vorkonziliaren Katholizismus gesehen haben. Aber wir haben auch gesehen, wie der Heilige Geist die hierarchischen Strukturen der katholischen Kirche, die eine beginnende ökumenische Öffnung zuvor über Jahrzehnte blockiert hatten, in wenigen Jahren zu einem Instrument der Geist-Ausbreitung geradezu umpolen konnte. Wenn so etwas möglich war, was wird dem Heiligen Geist dann wohl noch alles möglich sein – gerade auch im Hinblick auf anstehende ökumenische Versöhnungsprozesse? Ähnliche Aufbrüche wie hier für die katholische Kirche aufgezeigt dürften sich auch bei anderen Konfessionen aufzeigen lassen.

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Der eingangs erwähnte Einwand des jungen Pfingstlers – „Aber Herr, diese Kirchen sind tot“ – bezog sich auch auf die geschichtlich gewachsenen Kirchen der Reformation. Auch ihnen galt somit die prophetische Entgegnung: „Ich bin es, der die Toten auferweckt.“ Im Wurzelgrund jeder kirchlichen Gemeinschaft befindet sich – mehr oder weniger verschüttet oder verhärtet – der Wurzelgrund einer authentischen Christusbeziehung. Ich glaube, dass der Heilige Geist die besondere pfingstlich-charismatische Grunderfahrung so vielen Christen aus verschiedenen Denominationen geschenkt hat, weil diese Menschen – gerade mit ihrer ungebremsten Emotionalität – eine vibrierende Gottesliebe ausstrahlen, die hart gewordene Herzen bis zum Aufbrechen in Resonanz bringen kann. Und wer eine solches Aufbrechen des Herzens erfährt, findet die von anderen bezeugte Gnade in den eigenen Wurzeln wieder. Das ist das Geheimnis einer starken Ökumene, einer „Maximalökumene“, in der die Christen verschiedener Konfessionen ihre eigene tiefste Identität – in Christus – durch die Begegnung mit den (zuvor) getrennten Anderen nicht relativieren müssen, sondern neu finden: nicht nur für sich, sondern zur Bereicherung auch der Anderen. So ist die größere Tiefe (des Christusbezugs) die größere (ökumenische) Weite.

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4. Das zweifache Gedenkjahr 2017: Rechtfertigungs-Glaube und Taufe im Heiligen Geist als zwei aufeinander bezogene „Grund-Bewegungen“

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Es ist der Heilige Geist, der Menschen und kirchlichen Gemeinschaften immer neu auf Gott hin aufbricht und sie so reinigt und einigt. Diese göttliche Handlungsinitiative ist der Ursprung jeder Erneuerungsbewegung im christlichen Sinn. Was wir heute als Erneuerungsbewegungen bezeichnen, sind gemeinschaftliche Ausformungen dieses ursprünglich bewegenden Geistwirkens. Sie entstanden und entstehen dadurch, dass Menschen mit der souverän von Gott zu Seiner Zeit gewirkten Herzensbewegung mitmachen und so füreinander zu Instrumenten des Heiligen Geistes werden. Seit dem Pfingstereignis der Apostelgeschichte – und schon zuvor in den Sammlungen des jüdischen Gottesvolkes, wie sie im Alten Testament bezeugt werden – ist das die Kirche bildende „Ur-Bewegung“. Weil sie immer wieder durch menschliches Versagen ins Stocken geriet, kam es zu Rissen und Spaltungen. Diese werden geheilt durch von Menschen mitvollzogene Ereignisse der Erneuerung dieser geistgewirkten Ur-Bewegung. Durch solche Anstöße – von innen wie auch von außen – werden kirchliche Gemeinschaften gereinigt und geeinigt: gereinigt vor allem durch kirchliche Erneuerungsbewegungen und geeinigt vor allem durch ökumenische Bewegungen, wobei beides in einer unauflösbaren Ursprungsbeziehung miteinander verbunden ist. Beide Formen – Erneuerungsbewegungen und ökumenische Bewegungen – haben das 20. Jahrhundert auf eindrucksvolle Weise geprägt. Jesu testamentarischer Wille, dass alle eins seien (Joh 17,21), kann von jener interkonfessionell und innerkonfessionell zerspaltenen christlichen Kirche, die Gott von Anfang an als eine gemeint hat, nur dann verwirklicht werden, wenn die mittlerweile viele Jahrzehnte alten Ökumene- und Erneuerungsbewegungen sich immer wieder selber erneuern lassen: durch die demütige Bereitschaft, die Ur-Bewegung des Heiligen Geistes auch voneinander zu empfangen. So sind die ökumenischen Versöhnungsprozesse, wie sie durch ökumenische Dialogkommissionen auf den Weg gebracht werden, auf Erneuerungsbewegungen angewiesen, die sich selber von den Wurzeln eines geistgewirkten Bewegens her erneuern lassen – und zwar auch ökumenisch-interkonfessionell von einander empfangend. „Entfache die Gnade Gottes wieder“ (2 Tim 1,6) und „kehr zurück zu deinen ersten Werken“ (Offb 2,5), die du im demütigen Mittun mit Gottes Gnade wirken durftest. Diese biblischen Ermahnungen sind für das kommende große Erinnerungsjahr 2017 von besonderer Aktualität.

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4.1 Das 500-Jahr-Gedenken der Reformation

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Beten wird darum, dass die mittlerweile fünfhundert Jahre wirkende Reformation für jede der noch getrennten Kirchen das werden kann, als was sie von Gott ursprünglich gedacht war: eine reinigend-einigende Erneuerungsbewegung auf dem Fundament einer radikal christozentrischen Ausrichtung auf eine Rechtfertigung, die vom Menschen niemals aus seinem (von Gott noch irgendwie losgelöst verstandenen) Eigenen heraus geleistet werden kann, sondern stets ganz von Gott gewirkt ist, – gerade auch dort, wo es Menschen glückt, im Vollzug des Rechtfertigungs-Glaubens und in einem diesem Glauben entsprechenden Handeln mit Gottes Gnade zustimmend mitzuwirken. Die damit angesprochenen drei „Soli“ (= „Allein ...“) – „solus Deus“, „solus Christus“ und „sola gratia“ – gelten für alle Formen eines göttlichen Heilswirkens; – auch für Erneuerungsbewegungen, die vom auslösenden Grundimpuls (als „Bewegung 1“)46 bis zum resultierenden Gesamtprozess („Bewegung 4“) als göttliches Gnadenwirken in Jesus Christus zu verstehen sind. Mit diesem Akzent kann die Bewegung der Reformation im besten Sinn als eine die Eigenart von Bewegungen akzentuierende Grund-Bewegung verstanden werden. Anders formuliert: In jeder authentischen Bewegung müsste sich ein authentisches Moment von recht verstandener Rechtfertigung aufweisen lassen.

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Ich unterscheide hier also:
(1) eine „Ur-Bewegung“, die von der souveränen göttlichen Gnadeninitative („Bewegung 1“) bis zur resultierenden, die Kirche erneuernden Bewegungen („Bewegung 4“) ganz Gottes Wirken durch Christus im Heiligen Geist ist;
(2) „Grund-Bewegungen“ im Sinn von leitenden Mustern, die sich im Ursprung aller konkreten Bewegungen aufweisen lassen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit beschreibe ich in diesem Aufsatz Rechtfertigungs-Glaube und Taufe im Heiligen Geist als solche Grund-Bewegungen. Damit meine ich nicht, dass sie strukturell direkt vergleichbar wären und so auf einer gleichen Ebene stehen, sondern nur (wie beschrieben), dass sie auf augenfällige Weise Grundmuster repräsentieren, die sich in vielen (oder allen) Bewegungen auffinden lassen.
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4.2 Das 50-Jahr-Gedenken der Charismatischen Erneuerung in der katholischen Kirche

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Auch in den Aufbrüchen der pfingstlerischen und charismatischen Strömungen zeigt sich eine – in verschiedenen Konfessionen als Taufe im Heiligen Geist aufleuchtende – Grund-Bewegung: Menschen werden zu einer Erfahrung radikalisierter Gottesliebe entzündet, die zuallererst eine Liebe von Gott her ist und als solche eine bisher ungekannte Liebe zu Gott und all seinen Geschöpfen aufflammen lässt. Gewiss ist dieses als „Taufe im Heiligen Geist“ beschriebene Ereignis mit seiner spezifischen Gestalt und Intensität nicht explizit in jeder Bewegung gegeben. Aber jede Bewegung gründet in einer ähnlichen Herzensbewegung, die vom Ursprung bis in all seine Auswirkungen als Gnadenwirken Gottes in Jesus Christus zu verstehen ist. Es ist der Heilige Geist, der auf diese Weise ganz auf Christus verweist, so dass – in Ihm – Gott allein alle Ehre gebührt. So gibt es zwischen einem recht verstandenen Rechtfertigungs-Glauben und einer recht verstandenen Taufe im Heiligen Geist eine tiefe innere Verwandtschaft. Von diesem im Geheimnis der Dreifaltigkeit gründenden Zusammenhang zweier aufeinander verweisender „Urbewegungen“ her könnten die teils stockenden Prozesse einer ökumenischen Versöhnung neu in Bewegung versetzt werden. Möge dieses doppelte Gedenkjahr dafür ein Gnadenjahr werden!

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Anmerkungen

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1 Vgl. Hocken, Ein Herr, ein Geist, ein Leib, Münsterschwarzach 1993, 27f.

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2 Pius XI., Enzyklika Mortalium animos. Über die Förderung der wahren Einheit der Religion (1928). Zitate nach Ulrich Winkler, Mehr als Toleranz. Die Entdeckung des Heiligen Geistes in den anderen Kirchen und Religionen, in: Egger-Wenzel, Renate (Hg.), Geist und Feuer. FS Erzbischof Alois M. Kothgasser (Salzburger Theologische Studien 32), Innsbruck/Wien 2007, 397-430, hier: 415-417.

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3 Ebd. 416.

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4 Zweites Vatikanisches Konzil, Unitatis Redintegratio. Dekret über den Ökumenismus, Nr. 1.

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5 Diesen Begriff verwendet Walter Kasper, Katholische Kirche. Wesen – Wirklichkeit – Sendung. Freiburg – Basel – Wien 2011, 22-24.

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6 Vgl. Romano Guardini, Vom Sinn der Kirche, in: Hochland 19 (1922), 257-267.

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7 Vgl. im selben Band, Peter Hocken, Zwei Pioniere aus Frankreich, über Abbé Paul Couturier, der bereits 1936 die Gebetswoche für die Einheit der Christen begründete.

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8 Diese war vom katholischen Ökumene-Vorreiter Abbé Couturier eingeführt worden. Vgl. die vorige Anmerkung.

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9 Anmerkung W. S.

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10 Dietmar Winkler, Wann kommt die Einheit? Ökumene als Programm und Herausforderung, Wien 2014. Winkler bezieht sich auf Erinnerungen von Kardinal Franz König.

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11 Damit lässt sich bei aller Wandlung auch eine Kontinuität zur vorkonziliaren katholischen Kirche halten: Die Erneuerung geschah nicht als Bruch gegenüber einer früheren, sich christomonistisch-hierarchisch verstehenden Kirche, sondern durch Wiederentdeckung eines Wirkens des Heiligen Geistes in Kirche und Welt. Dass „Charisma und Macht“ sich nicht zwangsläufig feindlich gegenüberstehen, sondern im tiefsten Grund ebenso kohärent sind, wie Christus und der Heilige Geist, die aufeinander verweisen, wurde durch die Realität der vorkonziliaren katholischen Erneuerungsbewegungen sichtbar demonstriert.

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12 Unitatis Redintegratio (s. Anm. 4), Nr. 7-8. Hervorhebungen W. S.

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13 Vgl. Pastoralamt der Erzdiözese Wien, Kirchliche Bewegungen & Neue Geistliche Gemeinschaften in der Erzdiözese Wien, Stand: September 2013, online: http://www.erzdioezese-wien.at/dl/uustJKJLkOMlJqx4KJK/Erneuerungsbeweg_9_2013_gesamt_v6_7_3_web2.pdf, S. 12. Im Unterschied zu den dort angeführten 36 Bewegungen und geistlichen Gemeinschaften werden 47 Mitglieder des Forums Kirchliche Bewegungen und Neue Geistliche Gemeinschaften auf der folgenden – vermutlich aktuelleren – Webseite genannt: http://www.erzdioezese-wien.at/pages/inst/14431715/informationenueber/erneuerungsbewegungen/forum

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14 Chiara Lubichs Bruder Gino war über viele Jahre eine wichtige Persönlichkeit in der kommunistischen Partei Italiens. Ihre Liebe zu ihm legte mit den Grund für eine Offenheit zu Menschen nicht nur aus anderen Konfessionen und Religionen, sondern auch zu Atheisten.

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17 Vgl. dazu Sandler, Globale Gewalt und das Ringen um den Frieden: Der Beitrag von Assisi. Gekürzt in: J. H. Tück / R. Siebenrock (Hg.), Selig, die Frieden stiften. Assisi – Zeichen gegen Gewalt. Freiburg i. Br.: Herder 2012, 102-120. Ungekürzt im Innsbrucker Theologischen Leseraum: http://theol.uibk.ac.at/itl/960.html

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18 Vgl. Sandler, Globale Gewalt, Kap. 2.3.

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21 Vgl. dazu W. Sandler, Freunde der offenen Gesellschaft – Wie dem aktuellen Rechtspopulismus in Österreich begegnen? Eine Replik auf Christian Bauer, im Innsbrucker Theologischen Leseraum: http://theol.uibk.ac.at/itl/1148.html sowie auf http://www.feinschwarz.net/leserbriefe-zu-feinde-der-offenen-gesellschaft

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22 Vgl. etwa die jüngste Botschaft „Miteinander für Europa 2016“: http://www.together4europe.org/de/about/messaggio-insieme-leuropa-2016

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23 Die genannten Spitzenpolitiker sind zwar alle Christen. Aber auch als solche sind sie gewohnt, sich vor Vereinnahmungen zu schützen. Das mutige Bekenntnis und zugleich die offene Dialogbereitschft mit Andersdenkenden wie in „Miteinander für Europa“ stärkt PolitikerInnen den Mut, bei gleichzeitiger Offenheit für eine plurale Gesellschaft christliche Werte in der Politik zu vertreten.

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24 Henri de Lubac, Katholizismus als Gemeinschaft, Köln 1943, 263.

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25 Vgl. W. Sandler, Freunde der offenen Gesellschaft (vgl. oben, Anm. 21).http://www.feinschwarz.net/leserbriefe-zuH-feinde-derH-offenen-gesellschaft

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26 Vgl. G. Mayr-Melnhof, M. Oettingen: Pläne des Heils, online: http://mirror.lausa.at/BuchPlaenedesHeils.pdf

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27 Ebd. 20.

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28 Dies wird an den Salzburger Pfingstgottesdiensten erfahrbar durch die musikalische Gestaltung, wo sich die Worship-Band der Erneuerungsbewegung und der Domchor abwechseln und an bestimmten Stellen des Gottesdienstes sogar zusammenwirken.

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30 Ein aktuelles Beispiel dafür ist der Grundlagentext Rechtfertigung und Freiheit, der von der Evangelischen Kirche Deutschlands zum kommenden 500-Jahre-Reformationsgedenken im Jahr 2014 erstellt wurde (online: https://www.ekd.de/EKD-Texte/93085.html). Da das Gedenken ja ökumenisch gefeiert werden sollte, hat es für massive Irritationen bei katholischen Vertretern geführt, dass in dem 115-seitigen Text das ökumenische Ereignis der Gemeinsamen Erklärung der Rechtfertigungslehre nicht ein einziges Mal erwähnt wurde.

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31 Vgl. oben die Aussage von Maxi Oettingen über die Vertiefung in ihre authentisch-katholischen Wurzeln, die die Loretto-Bewegung von einem ökumenischen Dienst aus einer anderen Konfession empfangen hatte.

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32 In diesem Sinn spricht Ignatius von Loyola von „mociones spirituales“, d.h. von geistlichen Bewegungen, die in einer Unterscheidung der Geister unterschieden werden sollen. Als solche Bewegungen bespricht er Trost und Trostlosigkeit. Trost ist eine gefühlte Zunahme von Hoffnung, Glaube und Liebe, die sich auch in einem inneren Frieden äußern kann. Wenn ein solcher Friede nicht auf äußere Umstände zurückzuführen ist – Ignatius nennt das Tröstung ohne Ursache –, dann ist das ein deutlicher Hinweis darauf, dass der Heilige Geist einen Menschen in seinem Inneren bewegt hat. Einem solchen Weg der Unterscheidung ist Papst johannes XXIII. gefolgt, als er zum Schluss kam, dass sein Eindruck, ein Konzils einberufen zu sollen, eine innere Bewegung durch den Heiligen Geist war. Vgl. dazu oben, Kapitel 1.1.

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33 Zu diesem geistgewirkten Zueinander von gesteigerter Solidarität mit gesteigerter Konfrontation vgl. W. Sandler, Streiten im Heiligen Geist. Einige Grundlagen für eine christliche Konfliktkultur (2011), online: http://theol.uibk.ac.at/itl/940.html.

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34 Vgl. oben, 1. Kapitel.

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35 Beeindruckend ist folgendes Zeugnis aus der baptistisch-neupfingstlichen Gebetsgruppe, die die katholischen Universitätsprofessoren für die katholisch-charismatische Erweckung vorbereiteten: „Es war üblich, am Ende der Gebetsstunde einen Stuhl zu holen und für jene in die Mitte des Raumes zu stellen, die um Gebet für ein besonderes Anliegen baten. Aber an diesem Abend hatte Flo den Eindruck, als bitte sie der Herr, diese Gewohnheit auszulassen. Sie erinnerte sich an die Stelle aus Jesaja: ‚Denn ich will meine Ehre keinem andern lassen‘. Flo wollte dieser Eingebung des Herrn folgen und an diesem Abend niemandem die Hände auflegen. Es war wichtig, dass keiner der Gebetsgruppenmitglieder es sich sozusagen als Verdienst anrechnen würde, wenn sie den katholischen Besuchern zum Empfang der Taufe im Heiligen Geist die Hände aufgelegt hätte.“ Patti Gallagher Mansfield, Wie ein neues Pfingsten. Der aufsehenerregende Anfang der Charismatischen Erneuerung in der Katholischen Kirche. Münsterschwarzach 1993, 42f.

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36 Vgl. zu diesem „Gründungsereignisses“ der charismatischen Erneuerung in der katholischen Kirche die Dokumentation: Mansfield, Wie ein neues Pfingsten (vgl. vorige Anm.).

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37 In vielen Weltgegenden war es zeitweise so, dass die Unterstützung charismatischer Aufbrüche von oben nach unten eher abnahm: am besten durch den Papst und bestimmte Kardinäle, geringer durch den Lokalbischof und am schwierigsten in den jeweiligen Pfarren.

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38 Vgl. die Aussage von Kardinal Suenens aus dem Jahr 1975: „Möge die Charismatische Erneuerung als solche verschwinden und zu einer Pfingstgnade für die ganze Kirche werden: um seinem Ursprung treu bleiben zu können, muss der Fluss in den Ozean fließen.“ Papst Franziskus zitierte diese Aussage von Kardinal Suenens zustimmend in seiner Ansprache an die charismatische Erneuerung am 3. Juli 2015. Vgl. http://w2.vatican.va/content/francesco/de/speeches/2015/july/documents/papa-francesco_20150703_movimento-rinnovamento-spirito.html

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39 Damit konnte mancherorts auch der marianische Bezug, der beim auslösenden Duqesne-Wochenende mit einer ökumenischen Verdanktheit auf erstaunlich harmonische Weise verbunden war, zu einem Spaltpilz werden. Vgl. W. Sandler, Charismatisch – Marianisch – Ökumenisch, in: http://www.cetirol.org/texte/charismatisch-marianisch-%C3%B6kumenisch-willibald-sandler

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40 Vgl. dazu: P. Hocken, The challenges of the Pentecostal, Charismatic, and Messianic Jewish movements. Aldershot 2009, 29-52.

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41 Charismatische Erneuerung – Wesen und Auftrag. Hrsg. vom Österreichischen Leitungsdienst der Charismatischen Erneuerung, Privatdruck 2009.

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42 Vgl. International Catholic Charismatic Renewal Services (ICCRS) – Taufe im Heiligen Geist, Maihingen 2013.

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43 Wobei rückwirkend die gemeinschaftliche Erneuerung mitreißt zu einer vertieften Sehnsucht nach Gott und nach persönlicher Erneuerung.

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44 Vgl. dazu W. Sandler, Gottesrede und die Fallen der Evangelisierung. In: M. Lintner (Hg.), God in Question. Religious Language and Secular Languages. Brixen: A. Weger 2014, 323-337. Im Innsbrucker theologischen Leseraum: http://theol.uibk.ac.at/itl/1038.html

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45 Das zeigt sich auch daran, dass die Literatur zur charismatischen Erneuerung seit der Jahrtausendwende ziemlich zurückging. Hingegen wird sehr viel publiziert zu nichtkonfessionellen Bewegungen der sogenannten „Dritten Welle“. Die konfessionelle Bindung von Christen scheint auch im charismatischen Umfeld weiter abzunehmen.

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46 Vgl. oben, Kapitel 2.1.

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