Keynote – Malte Thießen
Keynote mit anschließender Diskussion
Moderation: Marina Hilber
19.00-21.00
Auf Abstand. Perspektiven einer Gesellschaftsgeschichte der Corona-Pandemie
Malte Thießen (Münster)
Im Frühjahr 2020 veränderte sich unsere Welt. Wir lebten im „lock down“ und arbeiteten im „home office“, wir gingen auf Distanz zur Familie und zu Freunden, wir suchten nach Nudeln und nach Klopapier. Die Corona-Pandemie führte und führt zu massiven Verwerfungen in der Wirtschaft und in der Wissenschaft, in Parlamenten, publizistischen Debatten und in den sozialen Netzwerken, in der Außenpolitik ebenso wie im Alltag.
Es ist daher an der Zeit für eine historische Aufarbeitung der Corona-Pandemie: Was waren ihre Voraussetzungen und Folgen? Ist Corona eine historische Zäsur – oder nur ein weiteres Kapitel in der langen Seuchengeschichte der Moderne? Und wie lassen sich diese Fragen überhaupt beantworten – ist es nicht noch viel zu früh für eine Zeitgeschichte der Corona-Pandemie? Mit seinen Antworten auf diese Fragen eröffnet der Vortrag unterschiedliche Perspektiven auf eine Gesellschaftsgeschichte der Corona-Pandemie und ordnet diese in die Seuchengeschichte des langen 20. Jahrhunderts ein. Eine historische Einordnung ist nicht nur notwendig, um den Wurzeln gegenwärtiger Phänomene nachzuspüren. Darüber hinaus immunisiert eine historische Einordnung vor allzu einfachen Analogien zwischen Corona, „Spanischer Grippe“, Pest und Cholera, wie sie seit mehreren Monaten die Schlagzeilen beherrschen.
Corona ist im Grunde ein sozialer Stresstest auf unterschiedlichen Feldern unserer Gesellschaft. Wenn wir „Corona verstehen“ möchten, brauchen wir daher jede Expertise, die wir nutzen können. Die Sozial-, Kultur- und Medienwissenschaften sind für eine Einordnung der Pandemie ebenso notwendig wie die psychologie und natürlich die Medizin. Eine Gesellschaftsgeschichte der Corona-Pandemie ist damit auch ein Plädoyer für einen intensiveren Austausch unterschiedlicher Disziplinen, für den mein Vortrag neue Impulse geben möchte.
Malte Thießen ist Leiter des Instituts für westfälische Regionalgeschichte beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) in Münster sowie apl. Prof. für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Oldenburg. Er forscht zur Geschichte der Seuchen und des Impfens, zur Geschichte der Digitalisierung, des „Dritten Reichs“ sowie zu europäischen Erinnerungskulturen nach 1945.