NS-Medizin, ihre Kontexte und Nachgeschichte. Das Beispiel Burghard Breitner (1884–1956)
Ringvorlesung | dienstags, 18:30–20:00 Uhr | Online-Veranstaltung
Burghard Breitner, Vorstand der Innsbrucker Chirurgischen Universitätsklinik von 1932 bis 1955, war Zeit seines Lebens in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen aktiv: Von seinem medizinischen Ruf, den er als Arzt in Kriegsgefangenschaft bereits im Ersten Weltkrieg erworben hatte, über seine schriftstellerischen Tätigkeiten, die er seit seiner Jugendzeit verfolgte, bis hin zur Kandidatur für die Bundespräsidentschaft 1951. An der Universität Innsbruck wurde er im Studienjahr 1952/53 zum Rektor gewählt, ab 1950 war er Präsident des Österreichischen Roten Kreuzes. Seine NSDAP-Mitgliedschaft ab 1939 versuchte der zeitlebens deutschnational orientierte Breitner in der Nachkriegszeit als ihm unbekannt darzustellen. Nichtsdestotrotz war er als Klinikvorstand mit der Einführung des Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses 1940 zur Zwangssterilisierung von männlichen Zivilpersonen und Strafgefangenen sowie zu sogenannten freiwilligen Entmannungen offiziell „ermächtigt“ worden. Diese wurden an der Chirurgischen Klinik auch durchgeführt – nach aktuellem Forschungsstand nicht von Breitner selbst, doch die Verantwortung lag bei ihm.
Breitner bekam ein städtisches Ehrengrab in Innsbruck, dessen Sonderstatus mittlerweile aberkannt wurde. Auch eine Straße im Stadtteil Reichenau wurde nach ihm benannt.
Die Vorlesung versammelt ExpertInnen aus verschiedenen Disziplinen und beleuchtet aus unterschiedlichen Blickwinkeln die Person Burghard Breitners im Kontext ihrer Zeit und ihrer verschiedenen Tätigkeitsfelder sowie den erinnerungskulturellen und geschichtspolitischen Umgang mit ihr.
Programm:
05.10.2021 Ina Friedmann, lukas Morscher & Dirk Rupnow (LFUI)
Einleitung: Erinnerungskultur und Geschichtspolitik in Innsbruck und Tirol
12.10.2021 Florian Wenninger (Wien)
Straßenumbenennungen als Medien von Vergangenheitspolitik
19.10.2021 Ina Friedmann (LFUI)
Zwangssterilisationen im NS-Gau Tirol-Vorarlberg
09.11.2021 Gabriele Czarnowski (Graz)
Zwangssterilisationen in Österreich in der NS-Zeit
16.11.2021 Ina Friedmann & Dirk Rupnow (LFUI)
Die Universität Innsbruck in der NS-Zeit. Geschichte – Nachgeschichte – Erinnerungskultur
23.11.2021 Siegfried Hetz (Mattsee)
Zwischen den Welten. Zur Biographie Burghard Breitners
30.11.2021 Dietmar Öfner-Velano (MUI)
Die Rolle Burghard Breitners in der chirurgischen Gemeinde
07.12.2021 Volker Schönwiese (LFUI)
Das verdrängte Erbe der NS-Medizin und die Entwicklung der Behindertenhilfe in Österreich
14.12.2021 Oliver Seifert (Innsbruck)
Vom Umgang mit Menschen mit Beeinträchtigungen in der NS-Zeit am Beispiel der Heil- und Pflegeanstalt Hall i. T. Auswirkungen – Nachwirkungen – Gedenken
11.01.2022 Herwig Czech (Wien)
Entnazifizierung in der Medizin – Zwischen Kontinuität, Restauration und Neubeginn
18.01.2022 Gabriele Werner-Felmayer (MUI)
Burghard Breitners „Ärztliche Ethik“ (1947/48) aus Sicht der heutigen Medizinethik
25.01.2022 Bettina Toth (MUI)
Sterilisierung und Verhütung heute
01.02.2022 Georg Willi (Innsbruck), Tilmann Märk (LFUI), Wolfgang Fleischhacker (MUI), Ina Friedmann (Wissenschaftsbüro Innsbruck), lukas Morscher (Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck) & Dirk Rupnow (LFUI)
Podiumsdiskussion @ Ursulinensäle (hybrid)
Konzept und Organisation:
Michael Bauer, Stadt Innsbruck
David Bullock, Medizinische Universität Innsbruck
Ina Friedmann, Wissenschaftsbüro Innsbruck
Barbara Hoffmann-Ammann, Medizinische Universität Innsbruck
lukas Morscher, Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck
Dirk Rupnow, Institut für Zeitgeschichte / Universität Innsbruck
Kontakt:
Univ.-Prof. Mag. Dr. Dirk Rupnow
Institut für Zeitgeschichte
Universität Innsbruck
Innrain 52d, 6020 Innsbruck
+43 512 507–44007, Sekretariat: +43 512 507–44010
dirk.rupnow@uibk.ac.at
Bild: © Universität Innsbruck