Michael Wolf
Derzeitige Tätigkeit:
Ich arbeite seit Juli 2020 im Amt der Tiroler Landesregierung in der Abteilung Südtirol, Europaregion und Außenbeziehungen und wurde von dort aus ab Oktober 2021 dauerhaft in das EU-Verbindungsbüro der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino nach Brüssel entsandt.
Studium:
Ich habe von 2010 bis 2013 meinen Bachelor Politikwissenschaften absolviert und graduierte im Sommer 2016 im Masterstudiengang „Europäische Politik und Gesellschaft“, inklusive eines erasmus-Semesters in Warschau im Wintersemester 2013/14. Im Anschluss begann ich dann ein Doktoratsstudium der Politikwissenschaften, welches ich seit 2018 berufsbegleitend weiterverfolge.
- Warum hast Du Dich/haben Sie sich für das Studium der Politikwissenschaft entschieden? Welche Alternativen gab es für Dich/Sie sonst noch?
Ganz ursprünglich, während meiner Oberstufen-Gymnasialzeit, hatte ich die Überlegung, nach meiner Matura Journalismus zu studieren. Da man für Medienberufe aber vor allem einen guten, analytischen Gesamtüberblick über die Funktionsweise einer Gesellschaft benötigt, waren die Sozialwissenschaften dann für mich – eingedenk dieser Überlegungen – doch die interessanteste Wahl. Aufgrund der Tatsache, dass ich mich bereits während meiner Kindheit und Jugend sehr für das politische Weltgeschehen interessiert und sowieso schon täglich die verschiedensten Medien konsumiert habe, konnte ich somit also eine Leidenschaft tatsächlich zum Beruf machen.
- Wofür hast Du Dich/haben Sie sich im Studium am meisten begeistert?
Der gesamte Bereich der zwischenstaatlichen Diplomatie hat mich spätestens seit dem ersten Einführungskurs in die „internationalen Beziehungen“ von Prof. Gerhard Mangott besonders gefesselt. Entsprechend habe ich dann bereits während meines Bachelorstudiums begonnen, dieses Wissen auch abseits des offiziellen Curriculums u.a. in der überparteilichen Organisation „Akademisches Forum für Außenpolitik“ mit gleichgesinnten Kommiliton:innen weiter zu vertiefen. Meiner Begeisterung für Journalismus konnte ich indes mittels meines jahrelangen Engagements im Redaktionskernteam der „UNIpress“ Ausdruck verleihen. Tatsächlich habe ich ganz selten „nur“ auf eine Prüfung gelernt. Vielmehr hatte ich stets den Drang, die vielfältigen Theorien und Methoden aus den einzelnen Uni-Vorlesungen gemeinsam mit Kolleg*innen zu diskutieren und in unterschiedlichsten Formaten möglichst praxisbezogen zu testen. Auf die Co-Gründung einer studentischen Wissenschaftsplattform für die Innsbrucker Sozialwissenschaften während meines Bachelor-Studiums bin ich auch heute noch sehr stolz. Mit einigen Gründungsmitgliedern von „Nihil Addendum: Innsbruck Journal of Political Science and Sociology“ bin ich selbst zehn Jahre später noch in Kontakt. Insgesamt war es also die Vertiefung und interdisziplinäre Vernetzung der jeweils spannenden Vorlesungsinhalte, welche mich am meisten begeistert hat.
- Hattest Du/hatten Sie zu Beginn des Studiums bereits eine Idee, wo Du/Sie nachher landen würdest/würden?
Zu Beginn meines Studiums hätte ich einiges darauf gewettet, eines Tages hauptberuflich als Journalist tätig zu sein. Als langjähriger studentischer Mitarbeiter meines sodann überaus wichtigen akademischen Mentors Prof. Andreas Maurer, einer wahren Koryphäe der EU- und Parlamentarismusforschung, erkannte ich dann während meines Masterstudiums die enorme Bedeutung der Europäischen Union, die auch als Forschungsobjekt eine immer größere Faszination in mir auslöste. Spätestens 2019 wollte ich dann unbedingt in Brüssel arbeiten. Nach vielen dutzend erfolglosen Bewerbungen konnte ich dieses Ziel dann zum Glück doch erreichen. Ein Meilenstein und Wendepunkt in meinem Leben.
- Und wie bist Du/sind Sie zu der jetzigen Stelle gekommen?
Mit einer guten Portion Hartnäckigkeit oder auch Sturheit. Über 200 erfolglose Initiativbewerbungen für eine EU-Abgeordneten-Assistenzstelle nach den Europawahlen 2019 haben mich nicht davon abgebracht, stets nach weiteren Optionen zu suchen, um hoffentlich doch irgendwann in meiner Traumstatt Brüssel arbeiten zu dürfen. Am Ende war es dann ausgerechnet meine Heimatverwaltung, das Amt der Tiroler Landesregierung, dessen Stellenausschreibung für das „Tirol-Büro in Brüssel“ eine quasi maßgeschneiderte Offerte für mich darstellte. Dass ich mir bereits während meiner Zeit im Referat für Außenbeziehungen in der Innsbrucker Stadtverwaltung (von 2018 bis 2020) viel an Verwaltungswissen sowie gute Netzwerke aufbauen konnte war – so wie das Fachwissen aus meinem Masterstudium der „Europäischen Politik und Gesellschaft“ – dann letztlich meine Eintrittskarte für ein Leben in einer der internationalsten und vielfältigsten Städte der Welt. All dies basiert aber letztlich vor allem auf der Unterstützung meiner Familie und besten Freunde, die mir auch in schwierigen Phasen bzw. Zeiten der Unsicherheit stets Mut zugesprochen und mich in meinem Handeln immer vorbehaltlos bestärkt haben.
- Was hat Dir/Ihnen im Nachhinein besonders geholfen, nach dem Studium einen Job zu finden?
Im Wesentlichen waren dies drei Dinge: meine während des Studiums gesammelten Berufserfahrungen, die in diesem Zusammenhang aufgebauten Netzwerke und eine gute Portion Hartnäckigkeit. Die verschiedenen Praktika und ehrenamtlichen Engagements während meines Studiums haben mich mit jenen Menschen zusammengebracht, die mir auf unterschiedlichste Art und Weise den Einstieg in mein Berufsleben erleichtert haben. Selbst wenn ich allein schon aufgrund meines ordentlichen Uniabschlusses früher oder später sicherlich einen respektablen Job gefunden hätte, wären mir die wirklich spannenden internationalen Tätigkeiten aber ohne meine extracurricularen Tätigkeiten zweifellos versperrt geblieben.
- Was machst Du/machen Sie in Deinem/Ihrem Job?
In einem einzigen Satz zusammengefasst geht es darum, die Interessen des Landes Tirols bzw. der Tiroler Landesregierung gegenüber den EU-Institutionen in Brüssel möglichst erfolgreich einzubringen und zu vertreten. Methodisch ist das allerdings alles andere als ein geradliniger Prozess, sondern setzt die aktive und zielgerichtete Auseinandersetzung mit unzähligen regionalen, nationalen und supranationalen Akteur:innen – wie etwa internationalen Organisationen, einzelnen gewählten Politiker:innen, Verwaltungsbediensteten und Interessensvertreter:innen – voraus. Es gilt dabei aber nicht nur täglich auf konkrete Legislativvorhaben der EU-Kommission konstruktiv Einfluss zu nehmen, sondern insgesamt darum, die Wahrnehmung Tirols und sämtlicher regionaler Entitäten in Europa zu stärken und möglichst positiv zu definieren.
- Inwieweit hat Dir/Ihnen das Studium geholfen?
Ohne mein langjähriges Studium der Sozialwissenschaften wäre ich – ich muss es so ehrlich sagen – im Brüsseler Europaviertel schon lange verloren gegangen. Speziell durch mein Masterstudium konnte ich sämtliche „hard facts“ rund um den politischen Betrieb innerhalb und zwischen den EU-Institutionen verinnerlichen, meine erasmus-Erfahrung, Praktika und ehrenamtlichen Engagements im diplomatischen Bereich lehrten mir hingegen die gleichermaßen notwendigen „soft skills“. Während Erstere mir tagtäglich dabei helfen, mich im komplexen System aus Verträgen, Institutionen und Rechtsetzungsprozessen zurechtzufinden, sind Letztere vor allem im zwischenmenschlichen Bereich überlebenswichtig. Den sicheren Auftritt am diplomatischen Parkett und bei Konferenzen konnte ich hauptsächlich durch meine extracurricularen Aktivitäten einüben, das Grundwissen über politische Abläufe aus dem Studium sind aber zweifellos jene „conditio sine qua non“, ohne die ich meinen Job natürlich nie bekommen hätte.
- Was sind die wichtigsten Erfahrungen aus Deiner/Ihrer Studienzeit?
Im Gegensatz zur Schulzeit setzt ein erfolgreiches Studium ein hohes Maß eigeninitiativen und strategischen Handelns voraus. Dabei geht es oder sollte es aus meiner Sicht vor allen Dingen um Fragen wie „wie kann ich meine Fähigkeiten am besten in die Gesellschaft einbringen“, „welches berufliche Ziel verfolge ich nach meinem Abschluss“, „wie kann ich andere begeistern und von meinen Ideen und Vorstellungen überzeugen“ und „in welchen Bereichen sollte ich mich noch speziell verbessern, um meine Ziele wirklich erreichen zu können“ gehen. Der Abschluss in „Mindeststudienzeit“, das Primat des „perfekten Notendurchschnitts“ oder der Erwerb möglichst vieler akademischer Titel sind aus meiner Sicht die falschen Prämissen, um beruflich erfolgreich zu werden. Das zielgerichtete Sammeln praktischer Erfahrungen sowie freundschaftlich-kollegiale Verdichten der eigenen Netzwerke scheint mir auch aus heutiger Sicht noch wesentlich sinnvoller.
- Woran denkst Du/denken Sie besonders gern zurück?
Am schönsten in Erinnerung geblieben sind mir neben der Freiheit, das eigene Leben endlich voll und ganz selbst organisieren zu können, vor allem auch die unzähligen Begegnungen mit meinen Kommiliton:innen. Während verpflichtende Gruppenarbeiten (z.B. in Seminaren) oft durch manch unmotivierte Kolleg:innen tendenziell eher suboptimale Ergebnisse geliefert haben, war der unternehmerische Geist einiger anderer geradezu begeisternd und ansteckend. Meine Mitwirkung in unterschiedlichsten studentischen „bottom-up“-Initiativen hat mich mit Menschen zusammengebracht, die mir ob ihrer Kreativität und ihres eigentlich nicht „prüfungsrelevanten“ Engagements zumindest enorm viel für das wahre Leben beigebracht haben, manchmal aber sogar gut zehn Jahre später noch privat und/oder beruflich nahestehen. Eigentlich waren es fast immer die gleichen – gefühlt – 10 bis 15 Prozent an Studierenden, die bei jeder Initiative dabei sein wollten und einfach das Maximum aus ihrer Studienzeit herausholen wollten.
- Was würdest Du/würden Sie heute anders machen bzw. bereust Du/bereuen Sie im Zusammenhang mit dem Studium etwas besonders?
Aus heutiger Sicht würde ich versuchen, noch mehr Auslandspraktika und -aufenthalte in mein Studium zu integrieren. Das Erlernen neuer Sprachen und der Umgang mit unterschiedlichen Kulturen ist ja gerade für zukünftige Sozialwissenschaftler von besonderer Bedeutung. Glücklicherweise konnte ich nach meinem erasmus-Studium in Warschau auch noch während meines Doktorats die ein oder andere spannende Summer School im Ausland absolvieren. Dennoch kann man für derlei Erfahrungen eigentlich nie zu früh dran sein. Aber auch ein disziplinierteres Forschen während meines Doktoratsstipendiums hätte mir jedenfalls nicht geschadet. Mitten im Berufsleben bleibt zum konzentrierten Arbeiten an einer Dissertation leider de facto wirklich wenig Zeit.
- Zu guter Letzt: Gibt es einen Rat, den Du/Sie aktuellen Studierenden für ihren Einstieg in die Berufswelt mitgeben möchtest/möchten?
Der Einstieg ins Berufsleben beginnt spätestens mit der Wahl des Studiums, nicht erst mit dem Abschluss desselbigen. Wer sich erst nach der eigenen Graduierung über das Berufsleben Gedanken macht, hat im Wettkampf um die spannendsten Tätigkeiten schon lange verloren. Die Führungskräfte von morgen haben sich, jedenfalls meiner Meinung nach, spätestens nach dem dritten Bachelor-Semester einen konkreten Plan zurechtgelegt, wie sie ihre beruflichen Ziele mittels eines leidenschaftlich bestrittenen Studiums erreichen werden. Und wenn das Glück und die passende Chance dann trotzdem noch etwas auf sich warten lässt, dann einfach konzentriert und noch hartnäckiger weiter dafür arbeiten!
Stand: 6. November 2023