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Niewiadomski Jozef: Der Geist und die Geister. Pfingsten (nicht nur, aber auch) in den Zeiten des Terrors. Predigt am Pfingstsonntag 2017
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Der Geist und die Geister. Pfingsten (nicht nur, aber auch) in den Zeiten des Terrors. Predigt am Pfingstsonntag 2017
(Predigt am Pfingstsonntag, 4. Juni 2017, gehalten in der Jesuitenkirche um 11.00 und um 18.00 Uhr.)

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2017-06-06

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

1
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Alles im Eimer! Die ganzen Pläne und Hoffnungen zerplatzten wie eine Seifenblase. Von heute auf morgen standen sie ja vor dem Nichts. Kapselten sich deswegen auch ab. Verriegelten die Türe ihres Zimmers und auch die Türen ihrer Herzen. Nur noch trauern.., Wunden lecken! Das wollten sie: sich von der Macht der Vergangenheit fesseln zu lassen, in Erinnerungen zu schwelgen oder aber der Depression zu verfallen. Der Geist der Verzagtheit und der Geist der Resignation prägte den Alltag dieser Tage. Waren es wirklich 50 Tage, oder nur eine Woche, gar ein einziger Tag? Im Grunde ist das zweitrangig. Jeder Mensch, der einen ähnlichen Absturz bereits erlebt hat, weiß, dass die Zeit vollkommen unwichtig wird, dass da ein Monat zu einem Tag gerinnen, eine Sekunde zur Ewigkeit mutieren kann.

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Liebe Schwestern und Brüder, das Szenario von Pfingsten bleibt einer ganz konkreten historischen Situation verpflichtet. Es sind dies jene Tage, in denen die enttäuschten und von Angst gelähmten Aposteln der Resignation verfielen, im Grunde orientierungslos wurden und in Gefahr standen sich zu ideologisieren. Das Szenario von Pfingsten stellt aber auch eine Bühne dar, die landauf landab und dies zu allen Zeiten zu einem Ort werden kann, an dem Menschen ähnliche Erfahrungen machen. Die verzagten, von Furcht und Depression geplagten Jüngerinnen und Jünger im verriegelten Abendmahlsaal werden da nicht nur zu Mustern, an denen wir alle unsere eigenen Abstürze, unsere Hilflosigkeit und auch unsere Suche nach Auswegen aus Sackgassen ablesen können. Als Glieder der communio sanctorum, als Glieder einer Gemeinschaft, die die Grenzen des Todes überschreitet, als Glieder der Kirche bleiben diese Aposteln auch Fürsprecher – unsere Anwälte sozusagen –, die auch für uns jene Lösung der Schwierigkeiten erbitten, die ihnen selbst zuteil wurde: damals in Jerusalem. Deswegen ist es sinnvoll nach Parallelen zu suchen und zu fragen:

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Wie oft saßen wir schon in unserem abgeriegelten Abendmahlsaal? Gefangengenommen von zerplatzten Träumen, gefangengenommen von vergangenen Tagen, vom Damals, als alles noch bergauf ging, weil mir alle Türen offen zu stehen schienen? Während jetzt nur noch der sprichwörtliche Tunnelblick meine Perspektive einengt! Wie oft haben wir schon gebetet, dass ein anderer Geist sich meines Gemütes bemächtigt? Dass Geister der Resignation und des Kleinmuts, dass Gespenster des schlechten Gewissens weichen. Dass die verbarrikadierten Türen meines Herzens sich öffnen und ich den Schritt ins normale Leben wage. Und wie oft gelang es uns, den Tunnelblick zu sprengen, die Lähmung hinter uns zu lassen, die Resignation zu überwinden? Dies aber nur, weil sich unser Blick auf die angeblich Schuldigen geheftet hat. Auf jene, die mein Schicksal zu verantworten hatten. Scheinbar hatten.

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Die wohl erfolgreichste Methode der Überwindung der Geister der Verzagtheit und der Resignation besteht ja darin, diese Geister durch Gespenster der Feindschaft zu vertreiben, sich vom Geist der Selbstaggression und vom Geist der Gewalt gegen Andere treiben zu lassen!

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Liebe Mitchristen, der nüchtern-realistische Blick auf unsere Welt sagt: die Pläne der Selbstvernichtung und Pläne gewaltsamer Zerstörung von meist unbekannten Mitmenschen werden in geschlossenen „Abendmahlsälen” geschmiedet. Von Menschen, die enttäuscht sind. Sie werden in den abgeriegelten – vom Hass erfüllten – Kammern menschlicher Herzen geboren. Wir wissen eben nicht, ob auch nicht damals den verzagten und tief enttäuschten Jüngern in Jerusalem etwa die Geschichte von Simson in den Sinn kam, jene uralte Story, deren Logik gerade in unseren Tagen aktuelle wurde und dies auch weltweit: stellt doch der Simson nichts anderes dar als den Prototypen eines Selbstmordattentäters, eines Menschen, der durch seinen eigenen Tod viel mehr Menschen in den Tod mitreißt, als durch all seine Gewalttage seines „heldenhaften” Lebens. Dieser Simson, der sich vom Geist Gottes erfüllt glaubte, überwand ja seinen eigenen Absturz, er überwand seine Verzagtheit und Hilflosigkeit, indem er sich der selbstmörderischen Gewalt verschrieb und sich selber und seine Gegner vernichtete, dadurch auch ganzen Generationen seiner Bewunderer einen Funkten Hoffnung in ihre hoffnungslose Situation schenkte – einen Funken allerdings, der bloß neue Brände entfachte und neue Abstürze provozierte. Warum dieser Abstecher in die damalige alttestamentliche Welt, in die uralte menschliche und allzu menschliche Logik, die in den islamistischen Träumern wieder lebendig wurde?

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Wohl zuerst deswegen, weil die Lösung, die den Aposteln geschenkt wurde, eine radikal andere war. Weil der Geist, der sie am Pfingsttag erfüllte, der göttliche Geist war: der Geist der Gewaltüberwindung, der Geist der Versöhnung und der Geist des tiefen inneren Friedens. Der Abstecher auf die archaischen Wege menschlichen Lebens ist aber auch deswegen sinnvoll, weil man Pfingsten 2017 kaum feiern kann, ohne sich dessen gewahr zu werden, dass die modernsten „Abendmahlsäle” in Flüchtlingslagern, in Gefängnissen zu suchen sind, in der Anonymität unserer Großstätte, gar in unseren Wohnungen: eben überall dort, wo sich die zerplatzten Träume der Moderne verdichten, wo Menschen die Türen ihrer Herzen verriegeln, weil sie frustriert sind. Wo sich Menschen höchstens mit den Schicksalsgenossen verbinden, gemeinsam Wunden lecken, bloß Ressentiments gegen diese ungerecht und kalt gewordene Welt pflegen, sich also im Selbsthass radikalisieren oder aber total resignieren.

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Liebe Mitchristen, in eine derartige Landschaft der Extreme hineingestellt, wird Pfingsten zu einem wahrhaft revolutionären Fest, zu einer zutiefst persönlichen und zugleich höchst politischen Angelegenheit. Deswegen müßte eigentlich Pfingsten als wichtigstes christliches Fest für die globalisierte Welt bewertet werden. Pfingsten feiert nämlich den Geist, der die Herzen verwandelt und erst dadurch das Antlitz der Erde erneuert: dieser Erde, so ungerecht diese unsere Welt auch sein mag. Pfingsten feiert den Geist, der die orientierungslos gewordenen Menschen, jene die nur noch Wunden lecken können und Ressentiments pflegen, sich deswegen radikalisieren oder der Depression verfallen, dazu bringt, den Schritt nach draußen zu wagen, die Tür des Herzens zu öffnen und auch die Tore der gepanzerten politischen und bürgerlichen „Abendmahlsäle” zu sprengen. Die aber nicht deswegen, um Schläge auszuteilen, die Menschen zu verletzen oder gar zu töten, sondern um Schritte der Versöhnung zu wagen.

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„Wem ihr die Sünden vergibt, dem sind sie vergeben” – sagte Jesus damals im Abendmahlsaal zu den verdutzten Aposteln. Verdutzt waren sie schon deswegen, weil er sie darauf aufmerksam machte, dass wenn sie dies nicht tun, sie weiterhin vom Geist des Ressentiments und der Unversöhntheit gefangen gehalten werden, selbst dann, wenn sie die verschlossenen Türe aufmachen und bis an die Grenzen der Erde gehen. Von dieser Sackgasse kann gerade die Kirche ein Lied singen, die diesen jesuanischen Zuspruch als Befehl zur Reglementierung von Menschen, bloß als eine nochmalige Ermächtigung zum Binden und Lösen missverstanden hat, deswegen die Mahnung zur Versöhnung zur Quelle neuer Ressentiments macht (und auch heute noch weiterhin macht).

9
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Pfingsten zu feiern, Pfingsten 2017 selbstbewusst zu feiern, heißt sich zu öffnen: auf diesen einen Geist, den Geist, der vom Auferstandenen gerade unserer globalisierten Welt geschenkt wird, den Geist, der die Geister der Resignation, die Geister der Selbstaggression und die Geister der Feindschaft vertreibt, weil er diese durch die Geister einer gesunden Selbstliebe, den Geist der Nächstenliebe, gar den Geist der Feindesliebe ersetzt. Dass so etwas möglich ist, dafür gibt es glaubwürdige Zeugen – eine ganze Menge von Zeugen, angefangen von jenen Aposteln, die sich damals im historischen Abendmahlsaal in Jerusalem den wahren Geist Gottes schenken ließen, deswegen auch diese – auch von bösen Geistern und Gespenstern bevölkerte – Welt verwandelt haben. Und die uns allen auch heute unsere Weggenossen bleiben, gar unsere Fürsprecher in der einen Kirche, die ja communio sanctorum ist: eine Gemeinschaft von jetzt Lebenden und der längst in der Ewigkeit vollendeten Verstorbenen. Vollendet in der Gemeinschaft des dreifaltigen Gottes, der ja selber nichts anderes ist als Liebe: eine alles versöhnende und heilende Liebe.

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