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Wandinger Nikolaus: "Du bist mein geliebter Sohn"
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"Du bist mein geliebter Sohn"
(Gedanken zum Fest der Taufe des Herrn 2006 (LJ B))

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:# Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2006-01-16

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Lesungen: Jes 42,5a.1-4.6-7; Mk 1,7-11

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 Liebe Gläubige,

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dem vergangenen langen Advent folgt in diesem Jahr eine kurze Weihnachtszeit: heute schon endet sie liturgisch mit dem Fest der Taufe Jesu. Innerhalb von nur zwei Wochen springen wir vom neugeborenen Kind in der Krippe zum erwachsenen Jesus, der sich am Anfang seines öffentlichen Auftretens von johannes im Jordan taufen lässt. Diese Taufszene findet ihren Höhepunkt darin, dass der getaufte Jesus den Heiligen Geist auf sich herabkommen sieht und eine Stimme aus dem Himmel ihn – für andere unhörbar – direkt anspricht: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden.“ (Mk 1,11)

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Wie muss man sich fühlen, wenn einem dies geschieht? Stellen Sie sich vor, Sie würden direkt angesprochen von einer himmlischen Stimme, die außer Ihnen niemand hört, und diese Stimme sagt zu Ihnen „Du bist mein geliebter Sohn / meine geliebte Tochter, an dir habe ich Gefallen gefunden“? Wie würden Sie reagieren? Vielleicht könnte man denken: Bin ich denn verrückt, dass ich auf einmal Stimmen höre, die sonst niemand wahrnimmt? – Was aber, wenn die innere, psychische Erfahrung, die mit dieser Stimme einherging, so überwältigend wäre, dass Ihnen ein Zweifel an ihrer Echtheit gar nicht in den Sinn käme? Sie fühlen sich angenommen, Sie erleben den Gefallen, den der Himmel an Ihnen gefunden hat. Sie spüren leibhaftig, wie sie von einer himmlischen Macht beseelt werden und geborgen sind, und dadurch auch einen Auftrag erhalten, von dem noch nicht ganz klar ist, was er alles beinhalten wird.

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Jesus war von dieser Erfahrung so überwältigt, dass er sich vierzig Tage in die Wüste zurückzog, um sich darüber klar zu werden, was sie bedeuten könnte. Er brauchte Ruhe und Abstand zu seinem Alltag, um sich seines Weges zu vergewissern. Es ist nicht zu weit hergeholt, wenn wir vermuten, dass er in diesen Tagen auch die Schriften der Propheten meditierte, dabei auf die heutige Lesung aus dem Buch Jesaja stieß und sich von ihr konkreter sagen ließ, worin denn sein Auftrag bestehe. So wie er selbst gerade als geliebter Sohn angesprochen worden war, so spricht Gott bei Jesaja seinen Knecht an mit den Worten: „Ich, der Herr, habe dich aus Gerechtigkeit gerufen, ich fasse dich an der Hand. Ich habe dich geschaffen und dazu bestimmt, der Bund für mein Volk und das Licht für die Völker zu sein“ (Jes 42,6). Der Bund, das Fundament und der Inbegriff der Beziehung zu Gott, das sollte dieser Knecht sein – gerade das ist Christus geworden, dazu wurde er als Mensch von Gott geschaffen, dazu wurde er als Gott in die Welt gesandt. Hier wird auf engstem Raum zusammengefasst, was Weihnachten eigentlich bedeutet: Gott wird in einem Menschen einer von uns, wird uns in diesem Menschen so nah, dass dieser Mensch das Fundament und der Inbegriff der Beziehung zu Gott, der neue Bund, wird – und jede der Aussagen, die Jesaja macht, konkretisiert das. Ich möchte nur zwei davon herausgreifen:

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„Er schreit nicht und lärmt nicht“ (Jes 42,2): Es ging Jesus nicht darum, das Volk aufzuwiegeln und Radau zu machen, und doch hatte er keine Scheu vor vielen Menschen zu sprechen und ihnen vom nahen Gottesreich zu erzählen.

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„Das geknickte Rohr zerbricht er nicht, und den glimmenden Docht löscht er nicht aus“ (Jes 42,3): Anders als viele Moralprediger, anders als wir modernen Menschen heute, steht er nicht auf dem Standpunkt „alles oder nichts“. „Entweder der Docht muss brennen oder ich lösche ihn aus!“, so würden wir sagen. Entweder richtig oder gar nicht. Entweder du tust alles, was der Papst sagt, oder bist sein Gegner. Nicht so der Knecht Gottes: Ein glimmender Docht kann vielleicht wieder entflammt werden; ein geknicktes Rohr kann sich vielleicht wieder aufrichten. Die Gerechtigkeit Gottes manifestiert sich nicht, indem sie das Unvollkommene ausmerzt, sondern indem sie ihm eine neue Chance, eine neue Hilfestellung gibt.

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Genau dafür ist die Taufe Jesu das deutlichste und massivste Zeichen: Wer lässt sich da taufen? – Das Kind von Bethlehem, der Sohn Gottes, der Sündenreine. Und was bedeutet es, sich taufen zu lassen? Es heißt, seine Sünden zu bekennen und umzukehren. Von Jesus wird, anders als von den anderen, die sich taufen ließen, nicht berichtet, dass er irgendwelche Sünden bekannte (vgl. Mk 1,5 und Mk 1,9) – welche hätte er auch gehabt? Aber er ließ sich taufen mit all den Sündern, die zu johannes hinaus zogen. Gott hat sich schon in der Geburt Jesu mit allen Menschen, so wie sie sind, verbunden; der erwachsene Jesus macht in seiner Taufe noch einmal eindeutig klar: er hat sich dadurch mit den sündigen Menschen verbunden und solidarisiert, mit den unvollkommenen, mit denen, die manche Moralisten gerne ausmerzen wollen, um die Welt besser zu machen.

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Gott will die Welt auch besser machen, aber gerade nicht, indem er die Unvollkommenen ausmerzt, sondern indem er sich mit ihnen solidarisiert. Damit kein Missverständnis aufkommt: Er solidarisiert sich nicht mit der Unvollkommenheit der Menschen, nicht mit der Sünde; er will die Sünde überwinden und die Menschen vollkommen machen. Aber eben, indem er sich mit den unvollkommenen Sündern und Sünderinnen identifiziert und solidarisiert, indem er sie aus dem Kerker ihrer Verstrickung in das Böse herausholt, indem er sie aus der Haft ihrer Ängste und der daraus entspringenden Egoismen befreit, indem er ihre Augen öffnet dafür, dass auch sie von Gott geliebte Töchter und Söhne sind – auch wenn Gottes Gefallen an ihnen nicht immer ungetrübt sein kann.

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Die himmlische Stimme, die Jesus so intensiv erfährt, ertönt, nachdem er sich mit den Unvollkommenen, den Sündern und Sünderinnen – mit uns – in der Taufe zur Vergebung der Sünden solidarisiert hat. In unserer Taufe im Heiligen Geist hat er uns Macht gegeben, auch Kinder Gottes zu werden (vgl. Joh 1,12).

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 Liebe Gläubige,

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ich habe Sie vorhin aufgefordert, sich vorzustellen, wie es wäre, wenn Sie eine solche Stimme hören würden. Jetzt möchte ich Sie ermutigen: Lassen Sie das Wenn und den Konjunktiv weg. Die Worte der himmlischen Stimme an Jesus sind durch ihn auch Worte des Vaters an uns geworden – nicht weil wir so vollkommen und großartig sind, sondern weil das ganze Unternehmen „Weihnachten“, das Unternehmen „Menschwerdung“, darum ging, dass Gott sich um die Unvollkommenen kümmert und sich mit den Schwachen solidarisiert. Er sagt auch zu uns heute: „Du bist mein geliebter Sohn / meine geliebte Tochter, an dir habe ich Gefallen gefunden“!

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Ich wünsche uns, dass wir in der Eucharistie, in der Christus sich selber uns ganz schenkt, dieses Angenommensein durch Gott leibhaftig spüren und dass uns der Geist Gottes führt, damit wir die Aufgabe, die Gott uns im Leben zugedacht hat, mit seiner Kraft erfüllen können.

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