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Hell Silvia: Allgemeines Priestertum - Ordination und/oder Beauftragung
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Allgemeines Priestertum - Ordination und/oder Beauftragung

Autor:Hell Silvia
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:
Publiziert in:# Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2006-10-23

Inhalt

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Es gibt in der evangelisch-lutherischen Kirche zur Zeit heftige Auseinandersetzungen um das kirchliche Amtsverständnis. Die evangelische Kirche sieht sich mit massiven gesellschaftlichen Veränderungen konfrontiert, die eine differenziertere Betrachtung des Amtes erforderlich machen. Nach VELKD gehe es darum, „zwischen bleibend gültigen theologischen Gründen und zeitgeschichtlich bedingten Gründen für die Gestaltung des kirchlichen Amtes“ (1) zu unterscheiden. Ich gliedere die Darstellung unter einem dreifachen Aspekt: Zunächst soll angeführt werden, was nach evangelisch-lutherischer Auffassung zu den bleibend gültigen theologischen Gründen für die Gestaltung des kirchlichen Amtes (= reformatorische Grundprinzipien) gehört (1.), dann die zeitgeschichtlich bedingten Gründe (2.). Schließlich erfolgt eine kritische Wertung aus römisch-katholischer Sicht.

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1. Reformatorische Grundprinzipien

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Das einzige Kennzeichen wahrer sichtbarer Kirche ist die Evangeliumsgemäßheit der Wortverkündigung und der Darreichung der Sakramente (CA VII). Neben dem ordinationsgebundenen Amt gibt es einen allgemeinen Verkündigungsauftrag, der allen Glaubenden aufgetragen ist. Aus ihm resultiert die priesterliche Würde aller Getauften. „Durch die im Rechtfertigungsgeschehen begründete Anteilhabe am Werk Christi eignet allen Gläubigen die ‚Priesterwürde‘, in direkte Gemeinschaft mit Gott berufen zu sein und sich im Gebet unmittelbar an Gott wenden zu können.“ (2)

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Zum einen kommt allen Christen eine priesterliche Würde zu, die sie im privaten Bereich auch ausüben. Zum anderen braucht es darüberhinaus eine besondere Beauftragung, dieses jedem Getauften zukommende Priesterrecht im Namen aller und für alle auszuüben. Mit der Ordination wird zur öffentlichen Verkündigung beauftragt. Dieser Auftrag läßt sich nicht aus der Gemeinde ableiten (gegen eine Delegationstheorie), sondern geht auf eine Stiftung von Seiten Christi bzw. Gottes zurück. Die Ordination gilt als ein gottesdienstlicher Vollzug und geschieht unter Gebet und Handauflegung.

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2. Zeitgeschichtlich bedingte Gründe für die Ausgestaltung des Amtes

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Die evangelische Kirche ist sich der Veränderungen seit der Reformationszeit bewußt: „Die Bedingungen, unter denen das Allgemeine Priestertum wie das mit der Ordination übertragene Amt ihre jeweils angemessene Gestalt finden müssen, haben sich seit der Reformationszeit in mehreren Hinsichten erheblich verändert.“ (3) Unter den veränderten Bedingungen ist u.a. auch die finanzielle Lage zu sehen: Es ist zunehmend nicht mehr möglich, „alle Gemeinden mit besoldeten Pfarrern auszustatten, die ein Theologiestudium absolviert haben“ (4) . Das VELKD-Papier (2004) sucht nach Lösungsmöglichkeiten. Zwei werden genannt:

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Erstens wird im VELKD-Papier eine Unterscheidung eingeführt, die allerdings - laut Sondervotum von D. Wendebourg, der Vorsitzenden des Theologischen Ausschusses der VELKD, - nicht konform ist mit der lutherischgen Theologie, insbesondere mit den reformatorischen Bekenntnisschriften. Es wird im VELKD-Papier zwischen Ordination und Beauftragung unterschieden. „Personen, die die öffentliche Wortverkündigung und die Sakramentsverwaltung uneingeschränkt wahrnehmen sollen, sind zu ordinieren. Personen, die einen - zeitlich, räumlich oder inhaltlich - eingeschränkten Dienstauftrag zur öffentlichen Wortverkündigung und / oder Sakramentsverwaltung erhalten, sind hierzu ordnungsgemäß zu beauftragen.“ (5) Beide Formen, Ordination und Beauftragung, haben mit Öffentlichkeit zu tun. Was beide unterscheidet, sind Art und Umfang der Ausübung (zeitlich, räumlich oder inhaltlich begrenzt).

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Zweitens wird an die bereits weitgehend eingeführte Praxis einer Ordination zu einem ehrenamtlich wahrgenommenen Dienst in Erinnerung gerufen. “Wenn ein kirchliches Interesse und ein Dienstauftrag vorliegen, wenn die Voraussetzungen einer abgeschlossenen Ausbildung gegeben sind und die Dienstaufsicht sowie die Einbindung in die Gemeinschaft der Ordinierten geregelt sind und wenn schließlich der Lebensunterhalt der betreffenden Person anderweitig gesichert ist, können Personen ordiniert werden, die ihren Dienst ehrenamtlich wahrnehmen.” (6) Die Ordination war zwar faktisch lange Zeit mit der Übertragung eines dauerhaften Broterwerbs verbunden, ergibt sich aber, so das VELKD-Papier, nicht mit Notwendigkeit aus einer reformatorischen Amtstheologie. “Um einer kirchlichen Arbeit willen, die sich den Herausforderungen unserer Lebenswelt stellt, wird es in Zukunft erforderlich sein, neben dem Dual von Hauptamt oder Ehrenamt über eine Mehrzahl von unterschiedlichen Verbindungen und ‚Mischungsverhältnissen’ nebenamtlicher Tätigkeit im Pfarramt, also Kombinationen von Pfarramt und ‚weltlichem’ Beruf, der dem Broterwerb dient, nachzudenken, sie zu erproben und - soweit sie sich bewähren - im Kirchenrecht und der kirchlichen Praxis umzusetzen.” (7)

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3. Kritische Wertung

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Sowohl die evangelischen Kirchen als auch die römisch-katholische Kirche stehen heute vor einer veränderten Situation. Finanzielle Probleme machen beiden Seiten zu schaffen. Hinzu kommt, dass sich vor allem für die römisch-katholische Kirche das Kirchenbewußtsein geändert hat. Es sind neue Kompetenzen entstanden. Nicht nur die Ordinierten sind theologisch qualifiziert. Es gibt zahlreiche neue Berufe im kirchlichen Dienst. PastoralassistentInnen üben praktisch Seelsorge aus, auch wenn die römisch-katholische Kirche immer wieder betont, dass die Leitung von Gemeinden in der Hand von Priestern liegt und die Nichtordinierten bloß an der Leitung mitwirken können („cooperari”). (8) Die Schwierigkeit einer theologischen Bewertung von solchen Ämtern, die von Nichtordinierten ausgeübt werden, kennt auch die römisch-katholische Kirche. Die Frage ist, ob der im VELKD-Papier gemachte Lösungsvorschlag hilfreich ist.

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Zunächst zur Unterscheidung von „Ordination” und „Beauftragung”: Diese Unterscheidung ist m.E. sehr problematisch - zum einen, weil damit Ergebnisse, die im ökumenischen Dialog erzielt worden sind, außer kraft gesetzt werden, zum anderen, weil damit der Boden der evangelisch-lutherischen Tradition verlassen wird. (9) Ordination ist zwar nach evangelischem Verständnis nicht dentisch mit der Weihe in der römisch-katholischen Theologie, aber dennoch ist auch evangelischerseits Ordination mehr als nur eine Beauftragung. Die Schwierigkeit ergibt sich, wenn Ordination und Beauftragung faktisch die gleiche Wirkung haben. Laut VELKD-Papier bevollmächtigt beides zur öffentlichen Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung. Es ist theologisch nicht nachzuvollziehen, warum in dem einen Fall ordiniert, im anderen Fall bloß beauftragt wird. Die Unterscheidung zwischen einer uneingeschränkten Wahrnehmung des Dienstauftrags der öffentlichen Wortverkündigung und Sakramentsverwaltung und einem zeitlich, räumlich oder inhaltlich eingeschränkten Dienstauftrag zur öffentlichen Worverkündigung und/oder Sakramentsverwaltung tangiert nämlich nicht das Wesensmerkmal des Amtes, nämlich Öffentlichkeit, lediglich die Art der Ausübung: zeitlich, räumlich oder inhaltlich eingeschränkt.

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Zur Qualifikation: Die Unterscheidung zwischen ordinierten und bloß beauftragten Personen darf nicht zu „zwei-Klassen” von Theologen führen, zu den besser ausgebildeten und daher ordinierten Theologen und den auf kürzerem Weg ausgebildeten und daher nur beauftragten Theologen. Das öffentliche kirchliche Dienstamt erfordert best ausgebildete Theologen, die fähig sind, ihrem Auftrag gerecht zu werden. (10) Das gilt auch für die Ordination zu einem ehrenamtlich wahrgenommenen Dienst.

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Zur eingeschränkten Ausübung: Der zweite Vorschlag, den das VELKD-Papier macht, ist bedenkenswert. Ordination besagt nicht eo ipso hauptamtliche Tätigkeit und damit Versorgung. Es ist durchaus zu überlegen, inwieweit die in manchen Ländern bereits vorhandene Praxis (z.B. in Frankreich) auch in unseren Regionen Fuß fassen könnte. Es könnten durchaus Personen ordiniert werden, die ihren Dienst entweder teilweise oder ganzheitlich ehrenamtlich ausüben. Der Lebensunterhalt der betreffenden Person müßte dann anderweitig gesichert sein. Auf die theologische Kompetenz ist zu achten. Das heißt, dass auch diejenigen Personen, die teilweise oder ganzheitlich einen ehrenamtlichen Dienst ausüben, theologisch entsprechen qualifiziert sein müssen.

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Für eine Überarbeitung des VELKD-Papiers wäre es hilfreich, den zwei Jahre älteren Text, der schon den Verfassern des VELKD-Papiers vorgelegen ist, wieder heranzuziehen - nämlich die Erklärung der Konsultation lutherischer Teilnehmer an den internationalen ökumenischen Dialogen, an denen der LWB beteiligt ist (Konsultation 16.-21. November 2002 / Malta). In dieser Erklärung, die sich vornehmlich dem bischöflichen Amt widmet, wird deutlich, was nach evangelischem Verständnis „Ordination” bedeutet: „Die Ordination verleiht den Auftrag und die Vollmacht, öffentlich das Wort Gottes zu verkündigen und die heiligen Sakramente zu verwalten.” (11) Und noch deutlicher: „Das ordinationsgebundene Amt gehört zu den Gaben, die Gott der Kirche verliehen hat und die wesentlich und notwendig sind, damit die Kirche ihre Sendung erfüllen kann. Das öffentliche Predigtamt in der Kirche erfordert eine/n mit Vollmacht ausgestattete/n Prediger/Predigerin und die Verwaltung der Sakramente erfordert eine/n mit Vollmacht ausgestattete/n Liturgen/Liturgin. Das besondere Amt, das durch die Ordination übertragen wir, ist konstitutiv für die Kirche.” (12)

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Von „Beauftragung” ist nur ganz kurz die Rede: „Die Ordination verleiht den Auftrag und die Vollmacht, öffentlich das Wort Gottes zu verkündigen und die heiligen Sakramente zu verwalten. Einige Kirchen, die unter besonderen Bedingungen leben, segnen oder beauftragen getaufte Christen und Christinnen in unterschiedlicher Weise, damit sie bestimmte Aspekte des ordinationsgebundenen Amtes übernehmen können.” (13) Aus obiger Kritik ist bereits deutlich geworden, dass Ordination und Beauftragung deutlich voneinander zu unterscheiden sind.

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Anmerkungen:  

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 1.

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 VELKD-Papier, „Allgemeines Priestertum, Ordination und Beauftragung nach evangelischem Verständnis - Eine Empfehlung der Bischofskonferenz der VELKD“ , in: Epd Dokumentation Nr. 12 (15. März 2005) 5-23 und abrufbar aus dem Internet.

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2.

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  Ebd. Abschn. 3.2.1.

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3.

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  Ebd. Abschn. 4.1.

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4.

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  Ebd. Anm. 51.

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5.

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  Ebd. Abschn. 4.5. Hervorheb. S.H.

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6.

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  Ebd. Abschn. 4.6.

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7.

30
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  Ebd. Abschn. 4.7.

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8.

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  Siehe z.B. c. 519 / CIC 1983.

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9.

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 Siehe dazu: S. Hell, Kritische Anmerkungen zum VELKD-Papier „Allgemeines Priestertum, Ordination und Beauftragung nach evangelischem Verständnis“, in: Una Sancta 60. Jg., 3 (2005), 282-291.

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10.

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 VELKD-Papier, „Allgemeines Priestertum, Ordination und Beauftragung nach evangelischem Verständnis - Eine Empfehlung der Bischofskonferenz der VELKD“, Abschn. 4.2 - Kompetenzbeschreibung von Ordinierten und - auffallend kurz - von Beauftragten.

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11.

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 „Das bischöfliche Amt im Rahmen der Apostolizität der Kirche” - Die vorliegende Erklärung ist das Ergebnis einer Konsultation lutherischer Teilnehmer an den internationalen ökumenischen Dialogen, an denen der LWB beteiligt ist. Die Konsultation fand vom 16. bis 21. November 2002 auf Malta statt. Internet-Ausdruck vom 10.10.2006, Abschn. III.

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12.

40
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  Ebd.

41
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13.

42
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  Ebd.

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