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| Christliche Kirchen in Südafrika - Ein Gegenpol zur Globalisierung?Autor: | Weber Franz |
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Veröffentlichung: | |
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Kategorie | artikel |
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Abstrakt: | Die christlichen Kirchen Südafrikas haben sich vor allem seit dem berühmten Kairos-Dokument von 1985 ihrer historischen Verantwortung gestellt und einen entscheidenden Beitrag zum Ende der Apartheid geleistet. Sie stehen heute vor neuen und schwierigen Herausforderungen. Der folgende Aufsatz basiert auf dem unmittelbaren Erleben südafrikanischer Kirchenwirklichkeit während eines Studienaufenthalts im Rahmen des Forschungsprojekts "Interkulturelle Theologie". |
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Publiziert in: | Missionszentrale der Franziskaner (Hg.), "Porto Alegre" in Afrika.
Alternativen zur neoliberalen Globalisierung im Südlichen
Afrika (Berichte - Dokumente - Kommentare 86), Bonn 2002, 71--84. |
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Datum: | 2002-04-12 |
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Inhalt1
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Die Kirchen befinden sich nach dem Ende der Apartheid in der gegenwärtigen Situation Südafrikas auf einer Gratwanderung zwischen konstruktiv-kritischer Zusammenarbeit mit Reformbestrebungen der Regierung und der Notwendigkeit, sich von jeder Art von Instrumentalisierung und Vereinnahmung durch die neuen Inhaber der politischen Macht zu distanzieren und in prophetischem Dissens immer wieder den Mut aufzubringen, freimütig, klar und leidenschaftlich für die Opfer der neuen sozialen und ökonomischen Apartheid einzutreten. Sie haben in den letzten Jahrzehnten - bei allen in ihnen weiter bestehenden rassistischen Vorurteilen und Verhaltensweisen vieler ihrer Mitglieder und bei aller diplomatischen Halbherzigkeit in manchen ihrer Stellungnahmen - doch eine Reihe schmerzlicher, kontinuierlicher Lernprozesse durchgemacht, die jeden und jede, der oder die sich "von außen damit befasst", mit großem Respekt erfüllen.
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Vor allem ist es das Lebens- und Blutzeugnis so vieler Christinnen und Christen, die der Gewalt durch ihren unbesiegbaren Glauben an die befreiende und gesellschaftsverändernde Kraft der Botschaft Jesu getrotzt haben und die letztlich Veränderungen in die Wege geleitet haben, die nur wenige für möglich hielten und die zum Hoffnungszeichen für ganz Afrika wurden.
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Weil die Länder des südlichen Afrika und des gesamten afrikanischen Kontinents besonders betroffene Opfer neoliberaler Globalisierung sind, werden auch und gerade die Kirchen dort gefragt sein, wenn es darum geht, Widerspruch zu erheben und sich für gangbare Alternativen einzusetzen. Globalisierung ist auch eine gesamtafrikanische Realität und bedeutet für große Teile der afrikanischen Völker nicht nur den Verlust kultureller Identität, sondern bringt zahlreiche lebensbedrohende und lebensvernichtende Prozesse in Gang. Die nigerianische Theologin Teresa Okure hat jüngst auf deren tödliche Folgen hingewiesen und festgestellt, dass die moderne Globalisierung im Grunde genommen auf den Fundamenten der Ausbeutung Afrikas - vor allem im Sklavenhandel - aufbaut, und dass heute wiederum von einer Plünderung Afrikas von weltweitem Ausmaß, von einem "global pillage" (T. Radcliff) gesprochen werden müsse. (1) Frau Okure ortet in Afrika aber auch Zeichen des Widerstands gegen diese neue Art kolonialer Globalisierung und spricht in diesem Zusammenhang vom "Projekt einer afrikanischen Renaissance". Sie nennt diesbezüglich insbesondere eine Vielzahl von Initiativen in Kirche und Theologie, in denen man bestrebt ist, "den Menschen Kenntnisse und Stolz auf ihre eigenen Kulturen zu vermitteln" (2). Bedeutet das, dass die Kirchen zwar dem Kulturverlust entgegen wirken können, allen anderen Formen ausbeutender Globalisierung jedoch tatenlos zusehen müssen?
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Unter Intellektuellen und führenden Politikern des afrikanischen Kontinents ist in den letzten Jahren immer wieder davon die Rede, dass nach der Apartheid in Südafrika, dem Völkermord in Ruanda, der Diktatur im Kongo und den Bürgerkriegen in Uganda und Zaire in politischer, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht in vielen Ländern Afrikas von Zeichen der Hoffnung gesprochen werden könne. Yoweri Museveni kündigt eine "Wiedererweckung" Afrikas an, und der südafrikanische Präsident Thabo Mbeki glaubt von einer "Afrikanischen Renaissance" sprechen zu können. Was er vor einigen Jahren den zu einer großen Konferenz in Johannesburg versammelten afrikanischen Intellektuellen zu diesem Thema zu sagen hatte, (3) war seinerseits wohl nicht nur als akademischer Diskurs gedacht, sondern als Botschaft der Hoffnung an die gesamte Bevölkerung, die auf's erste sehr verheißungsvoll klang: "Unsere Sicht von 'African renaissance' muss als eines ihrer zentralen Ziele die Sorge um ein besseres Leben dieser Massen von Menschen im Blick haben, die zu ihrem Recht kommen müssen, selbst über ihre Zukunft bestimmen zu können." (4) Zwar war auf diesem Kongress auch viel von moralischer Erneuerung und afrikanischen Werten, von Kultur und Bildung die Rede. (5) Das Hauptaugenmerk der politischen und intellektuellen Eliten galt aber zweifelsohne der ökonomischen Transformation, der Wissenschaft und Technologie und der Zukunft der Medien und Telekommunikation. (6)
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Für afrikanische Theologen besteht deshalb kein Zweifel daran, dass Politiker wie Museveni und Mbeki diese "Wiedererweckung" und "Wiedergeburt" Afrikas primär in wirtschaftlichen Kategorien als Liberalisierung des Marktes, als Modernisierung und Industrialisierung denken, wobei sich die afrikanischen Staaten natürlich vorbehaltlos der beherrschenden Ideologie ökonomischer Globalisierung zu unterwerfen haben. (7) "Was ist eigentlich der Unterschied zwischen dieser neuen Ideologie und den voran gegangenen Ideologien, die Afrika auf verschiedene Art und Weise von außen als 'terra nullius', als 'dunklen Kontinent', als 'Dritte Welt' definiert haben", fragt der Theologe Emmanuel Katongole mit Recht. Er konkretisiert und personalisiert das Problem, indem er die Frage stellt: "Wo steht meine ungebildete Mutter auf dem Land in dieser Wiedergeburt Afrikas? Ihr ist versprochen worden, dass sich ihr Leben durch Liberalisierung der Wirtschaft, freien Handel, Industrialisierung […] und durch […] ausländische Investoren wesentlich verbessern wird […] Ich fürchte, dass sie in ihrem Leben noch keine 'Renaissance' erfahren hat." (8) Aufgabe einer christlichen afrikanischen Theologie sei es, so fordert Katongole, den Geschichten von oben, wie sie von politischen Führern erzählt werden, die konkreten Lebensgeschichten von unten entgegen zu setzen und die Leute selbst jene anderen Geschichten erzählen zu lassen, die von Marginalisierung und Ausbeutung, vom skandalösen Wohlstand einer dünnen Oberschicht und der Verarmung der Mehrheit der Bevölkerung handeln, die Geschichten der Arbeitslosigkeit und der Heimatlosigkeit einer wachsenden Zahl von Kindern und Jugendlichen.(9) Es lässt aufhorchen, wenn ein Theologe wie Katongole sich aber auch gegen eine oberflächliche Theologie der Afrikanisierung wendet, die nach ihm auch weithin eine "Theologie von oben nach unten" geblieben sei, weil sie den Mythos einer reinen und exotischen afrikanischen Kultur der Vergangenheit geschaffen habe. "Es sind die Tragödien von heute, die Kämpfe, Ängste und Konflikte, die der Platz sind, wo Kultur geboren wird. Afrikanische Kultur ist ,was wir heute leben", schreibt Katongole. Er wendet sich entschieden dagegen, dass die Beschäftigung mit den kulturellen Traditionen zum Alibi wird, sich in der theologischen Reflexion vor einer Auseinandersetzung mit den konkreten historischen Herausforderungen und den aktuellen Widersprüchen der afrikanischen Gesellschaften zu drücken.(10) Was hier für die Theologie gesagt ist, gilt natürlich vor allem auch für die kirchliche Praxis vor Ort, die zwar auch noch viel an Inkulturation von Glaube und Liturgie in die traditionellen afrikanischen Kulturen und Lebenswelten nachzuholen hat, deren primäre pastorale Herausforderung aber darin besteht, im Geiste des 2. Vatikanischen Konzils "die Freude und Hoffnung, Trauer und Angst […] der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art" (11) wahrzunehmen.
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Wer als theologischer Beobachter von außen den Weg, den die christlichen Kirchen in Südafrika in den letzten Jahrzehnten im und nach Ende des Apartheidsystems zurückgelegt haben, im Überblick unbefangen zu betrachten versucht, kann jedoch weder der dort betriebenen Theologie noch der Kirchenpraxis vor Ort allgemein und differenziert vorwerfen, sie hätten sich überhaupt nicht "dem Gebot der Stunde" gestellt. Nicht erst seit dem berühmten Kairos-Dokument von 1985, sondern schon vorher in der "bekennenden" und der "schwarzen Theologie"(12) haben sich südafrikanische Theologen (und später auch Theologinnen) kann die Theologie in Südafrika den Anspruch erheben, kontextuelle Befreiungstheologie gewesen zu sein: "How can the gospel be good news for the poor?" Diese Frage, die alle BefreiungstheologInnen in Lateinamerika und anderswo von Anfang an zutiefst beunruhigte und den Ausgangspunkt ihres theologischen Nachdenkens bildet, war in Südafrika nicht nur eine Frage für Albert Nolan (13), sondern für viele andere TheologInnen und ChristInnen, die eine Theologie von unten betrieben, deren "Sitz im Leben" der tägliche "struggle", vor allem in den schwarzen Townships war (14): Es war in der Tat eine oft am eigenen Leib erlittene und mit dem eigenen Leben verbürgte "Basistheologie", die aus dem Glauben an die Macht des gekreuzigten und auferstandenen Christus die Kraft zum gewaltlosen Widerstand bezog, eine theologische Reflexion, die deshalb so "radikal" sein konnte, weil sie nicht nur in der biblischen Botschaft verwurzelt war, sondern vielfach auch im Leben der Gemeinden vor Ort.
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Natürlich haben bei weitem nicht alle Theologen in gleicher Weise im Widerstand gegen das Apartheidsystem Position bezogen. In einem Großteil der Gemeinden vor Ort haben sich Christinnen und Christen aus Angst vor der Repression und aus Sorge um ihre Familien zurückgehalten und zum Unrecht geschwiegen. Die meisten Gliedkirchen des südafrikanischen Kirchenrates öffneten sich nur langsam für das Programm zur Bekämpfung des Rassismus. (15) Viele weiße, aber auch schwarze Priester ließen ihre Gemeinden in gefährlichen Situationen im Stich. Sie haben zum Teil mit dem Apartheidregime kollaboriert oder sich aus dem schmerzlichen Ringen der Kirche um eine glaubwürdige Präsenz und Positionierung bequem heraus gehalten.(16) Wie schwer es den Kirchen und ihren offiziellen Verkündern gefallen ist, zur Mitverantwortung der Gesamtheit der Kirchen an der Apartheid zu stehen, bewies u.a. auch die schwache Reaktion auf eine vom "Ökumenischen Büro" initiierte Briefaktion, auf die von 12.000 angeschriebenen Pastoren nur 600 Rückmeldungen erfolgten, von denen sich wiederum nur die Hälfte mit einem ausdrücklichen Schuldbekenntnis identifizieren konnten. (17) Am Umgang mit der eigenen Schuldgeschichte hat sich freilich nicht nur in Südafrika, sondern überall auf der Welt in Zukunft verstärkt die Glaubwürdigkeit der christlichen Kirchen zu bewähren.
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Dass die Geschichte Südafrikas eine Unterdrückungsgeschichte war, an der auch das Christentum seinen schuldhaften Anteil besitzt, ändert nichts an der historischen Tatsache, dass die christlichen Kirchen ein Stück Befreiungsgeschichte entscheidend mitgeschrieben und mitgestaltet haben, die ohne ihren Beitrag ganz gewiss nicht so verlaufen wäre, wie sie tatsächlich vor sich gegangen ist. Die Kirchen haben durch die offizielle Unterstützung des Kampfes gegen die Apartheid ganz wesentlich an deren Abschaffung mitgearbeitet und dann vor allem in der Übergangszeit von 1990 bis 1994 eine zentrale Rolle gespielt. Nach einer Art "Identitätskrise" in den Jahren unmittelbar nach den demokratischen Wahlen im April 1994 (18) befinden sich die Kirchen seither in einem schwierigen, aber - wie mir scheint - durchaus glaubwürdigen Prozess, der von einem Bemühen um eine ihnen von ihrer ursprünglichen Sendung her vorgegebene und aufgegebene konstruktiv-kritische Präsenz in der südafrikanischen Gesellschaft gekennzeichnet ist.
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Ein genauerer Blick auf die religiös-kirchliche Landschaft in Südafrika ist schon allein deshalb hilfreich und notwendig, weil gerade BeobachterInnen aus dem deutschsprachigen Raum, wo die Kirchen bei uns ohne Zweifel ganz gewaltig an gesellschaftlichem Prestige und Einfluss verloren haben, zu schnell geneigt sind, ihre pessimistische Kirchenanalyse auf Länder im Süden zu übertragen. Die im Jahre 1996 durchgeführte Volkszählung und die im Anschluss daran erfolgte religions-soziologische Untersuchung der Entwicklungstrends in den verschiedenen christlichen Kirchen und religiösen Gruppierungen geben einen auch pastoraltheologisch höchst relevanten Aufschluss darüber, in welche Richtung in Zukunft deutliche Schwerpunktverlagerungen zu erwarten sind. (19) Die Reformierten Kirchen bilden mit einer Gesamtzahl von nahezu 4 Millionen von Gläubigen noch immer die größte der "Mainline Churches". Die römisch-katholische Kirche weist im Vergleich dazu lediglich eine halbe Million weniger Mitglieder auf und hat nach mehreren Jahrzehnten der beständigen Zunahme in den letzten Jahren einen leichten Rückgang unter Weißen und Schwarzen zu verzeichnen. (20) Als Megatrend zeichnet sich allgemein sehr klar eine Abnahme der Mitgliederzahlen bei allen historischen Kirchen (Anglikaner, Methodisten, Lutheraner und Presbytherianer) ab. (21) Die Tatsache, dass sowohl die vielen verschiedenen Pfingstkirchen als vor allem auch die Unabhängigen Afrikanischen Kirchen (sie zählen inzwischen weit über 10 Millionen Mitglieder, also mehr als Reformierte, Anglikaner, Lutheraner und Katholiken zusammen) rapide zunehmen, lässt genau so auf tief greifende Veränderungen auf der religiösen Landkarte und auf eine stark veränderte gesellschaftliche Präsenz von Religion schließen wie das Faktum, dass sich inzwischen jeweils mehr als eine halbe Million Menschen in Südafrika zum Islam bzw. zum Hinduismus bekennen. (22) Von daher wird der gesellschaftliche Einfluss der christlichen Kirche in Südafrika nicht nur von ihrer Bereitschaft zu einem ökumenischen Miteinander, sondern zunehmend auch von ihrer Dialogfähigkeit mit nichtchristlichen Religionen abhängen.
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In der Auswertung der Daten der Volkszählung von 1996 kommen südafrikanische Theologen und Religionssoziologen zu Schlussfolgerungen, die für die künftige Rolle der Kirchen in der südafrikanischen Gesellschaft und für deren Pastoral sehr bemerkenswert sind: Wirtschaftliche Macht, Wohlstand von wenigen und Individualismus hätten - so die Wissenschaftler - ihren Tribut gefordert. Der Rückgang von Gläubigen in den "Mainline"-Kirchen und das Wachstum pentecostaler und unabhängiger afrikanischer Kirchen sei darauf zurückzuführen, dass die Armen eine Kirche bevorzugen, in der in kleinen Gemeinden auf ihre Basisbedürfnisse eingegangen und wo ihnen geholfen werde, mit den Schwierigkeiten des alltäglichen Lebens fertig zu werden. Aus soziologischer Sicht wird den traditionellen Kirchen vorgeworfen, sie würden vor allem auf der Ebene der religiösen Primärsozialisation scheitern, weil sich in ihnen das Gewicht zur sehr von der Orthopraxie zur Orthodoxie verschoben habe. (23) Die unabhängigen afrikanischen Kirchen würden dagegen als "Basiskirche" leben, wo Christen in kleinen Gemeinschaften des Glaubens einander helfen und ihre Gaben gegenseitig teilen. Sie würden einander aber auch in wirtschaftlichen Belangen durch die Schaffung informeller Kreditorganisationen und die Förderung kleiner Geschäftsleute und Unternehmer zur Seite stehen. (24)
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Aus der religionssoziologischen Analyse der Veränderungen in der religiösen Landschaft Südafrikas wird abschließend auch gefolgert, dass der Umgang mit historischer Schuld von entscheidender Bedeutung für die Zukunft aller Kirchen sein würde: "Wenn Südafrika die Zukunft in Angriff nehmen und eine Zukunft haben will, muss es zuerst seine Vergangenheit in Angriff nehmen."(25) Die vielen Herausforderungen, die den Kirchen in Südafrika ins haus stehen, sollen im Folgenden in der Frage nach ihrer Nähe zu und der Option für die Armen und ihres Beitrages zu konkret gelebter Versöhnung und Vergebung gebündelt werden.
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Die Diskussion um den pastoral-theologischen Stellenwert der viel zitierten Option für die Armen zielt nicht nur auf die Frage, wie nahe oder ferne die Kirche jeweils vor Ort den Armen ist und was sie dort für sie tut, sondern ob sie auch vor und in der Gesellschaft Partei für die ergreift, die in der globalisierten Welt von heute systematisch und systembedingt zu Millionen von einem menschenwürdigen Leben ausgeschlossen werden. Papst Johannes Paul II. hat in seiner Soziallehre und in vielen anderen seiner Stellungnahmen zum einen keinen Zweifel an der Verbindlichkeit der vorrangigen Option für die Armen für jeden Christen gelassen. Er hat zum anderen aber auch den Neoliberalismus als ein "System, das […] den Gewinn und die Gesetze des Marktes als absoluten Maßstab betrachtet" und zu "einer ideologischen Rechtfertigung von […] Verhaltensweisen im sozialen und politischen Bereich geworden ist, die die Marginalisierung der Schwächsten hervorruft" (26), massiv in Frage gestellt. Distanz und Nähe, Abscheu und Zuneigung, Abstand und Solidarisierung, bloßes Almosen und Parteinahme für die Armen charakterisieren auch ohne Zweifel den Weg der Kirche durch die Zeit und ihr Ringen um glaubwürdige Optionen und ihr Scheitern an deren Verwirklichung.(27) Johannes XXIII. hatte bereits vor dem Konzil die Vision von einer "Kirche der Armen", die leider auf dem Konzil selbst nur von einer kleinen Gruppe von Bischöfen in den Blick genommen wurde. (28) Doch die Kirche der Armen ist in der Welt von heute keine Vision, sondern - global gesehen - fast der "Normalfall von Kirche". Viele Basisgemeinden und "Small Christian Communities" werden von Armen gebildet und von Armen geleitet. Und trotzdem ist und bleibt die Frage, ob die christlichen Kirchen eine Option oder keine Option für die vom globalen Wirtschaftssystem Ausgeschlossenen haben, auch und gerade für deren Präsenz im südlichen Afrika von entscheidender gesellschaftlicher Bedeutung.
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Schon 1992 hatten die katholischen Bischöfe in ihrem Pastoralbrief "Ein Ruf zum Aufbau eines neuen Südafrika" festgestellt, dass eine Demokratie, die lediglich politische Freiheit gewährt, aber zu keiner fairen Verteilung des Wohlstands auf alle im Land führe, die Probleme Südafrikas nicht lösen könne. "Wir haben gegenwärtig", so schrieben die Bischöfe damals, "eine Gesellschaft, in der ein sündhafter Unterschied zwischen den ganz Reichen und den ganz Armen besteht."(29) Ein weiteres Pastoraldokument der südafrikanischen Bischofskonferenz zu Fragen der wirtschaftlichen Gerechtigkeit von 1999 spricht explizit von der vorrangigen Option für die Armen als einem "special commitment" der Kirche, (30) die in diesem Text sehr konkret zur Wirtschaft Südafrikas und zur Weltwirtschaft und Globalisierung und deren Auswirkungen auf die Armen Stellung bezieht. (31)
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So sehr sich die katholische Kirche also in der päpstlichen Soziallehre und in zahlreichen regionalkirchlichen und ortskirchlichen und in ökumenischen Stellungnahmen (32) in letzter Zeit auch kritisch zu den lebensbedrohend-tödlichen Folgen der Globalisierung äußert, so weit scheinen kirchliche Amtsträger, aber auch viele Gläubige in den Pfarrgemeinden nach wie vor von denen entfernt zu sein, die tatsächlich Tag für Tag Opfer der Ausgrenzungsmechanismen der neoliberalen Weltwirtschaft werden. Auf ihrer Versammlung in Medellín hatten die Vertreter des lateinamerikanischen Episkopats seinerzeit im Jahre 1968 selbstkritisch die Kluft benannt, die Bischöfe, Priester und Ordensleute allein schon durch ihren Lebensstil und ihr pastorales Verhalten von den wirklich Armen trennt. (33) Der Abgrund zwischen Hierarchie und gutbürgerlichen Pfarreien der Oberschicht und der Mittelklasse einerseits und den inzwischen noch mehr an den Rand gedrängten verarmten Masse der Bevölkerung hat sich nicht nur in Lateinamerika, sondern allgemein in der Weltkirche wahrscheinlich weiterhin vertieft, weil in vielen Ortskirchen die Option für die Armen nicht mehr oder nur sehr halbherzig praktiziert wird und weite Teile der Hierarchie und manche neue geistliche Bewegungen dem Papst in der Umsetzung seiner Soziallehre vor allem in der gesellschaftspolitischen Prophetie die Gefolgschaft verweigern.
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Wer in Südafrika das reale Gemeindeleben von weißen, aber auch mancher schwarzer Pfarreien unbefangen wahrzunehmen versucht, wird bald feststellen, dass es bei einem Großteil der Gläubigen um die Wahrnehmung der tatsächlichen Situation der Globalisierungsverlierer und um die Entwicklung eines von der biblischen Befreiungsbotschaft geschärften sozialen Gewissens nicht gerade gut bestellt ist. Der Generalsekretär des südafrikanischen Kirchenrates hat deshalb in seinem Beitrag zu dieser Publikation nicht umsonst gefordert, die Kirchen sollten die Mittel und Wege ihrer Wahrnehmung von Armut und sozialer Ausgrenzung verbessern und in kritischem Widerspruch zu dem, was die Medien an heiler Welt vorspielen, die Sinne für das wirkliche Leid und die eigentliche Qual der Armut schärfen. Die 1994 von der katholischen südafrikanischen Bischofskonferenz herausgegebene pastorale Wegweisung zur Mitverantwortung in der Kirche erwartet sich den Einsatz für eine gerechtere Gesellschaftsordnung - übrigens ganz im Sinne der aus der religionssoziologischen Analyse der südafrikanischen Kirchensituation gezogenen Schlussfolgerungen - vor allem von den Small Christian Communities, weil dort Glaube und reales Leben enger miteinander in Beziehung gesetzt werden.(34) Damit ist wohl auch gesagt, dass gerade in diesen kleinen Gemeinden auch die Wahrnehmung der verschiedenen Formen von Ungerechtigkeit und Marginalisierung und somit auch eine gesellschaftspolitische Bewusstseinsbildung offensichtlich leichter in die Wege geleitet werden kann als in vielen traditionellen Pfarreien der Ober- und Mittelschicht. Doch nicht nur an ihrer konkret gelebten Hinkehr und Nähe zu den sozial Schwachen und Ausgegrenzten und an ihrer Parteinahme für die Globalisierungsopfer wird sich die Glaubwürdigkeit der Kirche in Südafrika zu bewähren haben. Sie wird im Land selbst und weltweit vor allem auch daran gemessen werden, wie weit sie den Schatten des Rassismus, in dem sie selbst steht, wahrzunehmen bereit ist und wie tief sie sich durch die Kraft gottgeschenkter Versöhnung und Vergebung von innen her reformieren lässt.
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Der Rassismus hat sich - und das ist auch für jeden wahrnehmbar, der bei einem Besuch in Südafrika möglichst unvoreingenommen das Gespräch mit Menschen verschiedener Hautfarbe sucht - tief in das Bewusstsein von Christinnen und Christen eingenistet. Er hat auch bei vielen, die ihren Glauben in einer der großen christlichen Kirchen bewusst zu leben versuchen und sich in einer Gemeinde vor Ort engagieren, oft ein "Herz aus Stein" geschaffen, das sich nur schwer in ein "Herz aus Fleisch" verwandeln lässt. Die Kriminalität, die in Südafrika in den letzten Jahren in erschreckendem Maß zugenommen hat, verstärkt die Angst vor einander und führt auch bei vielen Gläubigen zu einer neuen "Verhärtung der Herzen", die die Annahme und Umsetzung christlicher Versöhnungsbotschaft verweigert. Man traut einander nicht und hat vor einander Angst. Um so wichtiger sind hier klare und richtungsweisende Worte und Taten der christlichen Kirchen, deren wertvollster und wirksamster Dienst an der jüngsten Geschichte Südafrikas zweifellos der der Versöhnung war und ist.
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Es kann kein Zweifel daran bestehenden, „dass die Kirche, um versöhnend zu wirken, bei sich selbst beginnen muss, eine versöhnte Kirche zu sein". (35) Was Papst Johannes Paul II. mit diesen Worten in seinem Apostolischen Schreiben im Anschluss an die Bischofssynode 1984 zum Thema Versöhnung und Busse zuerst von der Kirche selbst verlangt, geht erfahrungsgemäß in ihrem eigenen Leben und Handeln, in ihren Leitungsinstanzen und in den Gemeinden oft ins Leere. In Südafrika ist diese mangelnde Bereitschaft zu einer tatsächlichen Akzeptanz des jeweils anderen als Voraussetzung für ein neues Miteinander von Schwarz und Weiß offensichtlich ein sehr schmerzliches erfahrenes kirchliches Grundproblem, dass es vor allem vielen schwarzen KatholikInnen schwer macht, sich in ihrer Kirche wirklich „zu hause zu fühlen". In einem Workshop über "Kirche und Rassismus" im Rahmen des Forums der NGOs, das vor der Weltrassismuskonferenz in Durban stattfand, machte der schwarze katholische Priester Dabula Mpako unter anderem auch darauf aufmerksam, wie stark die ersten Missionare in Südafrika die Ideologie weißer europäischer Superiorität akzeptiert hatten und wie eng die Beziehung zwischen Kolonialisierung und Missionstätigkeit gewesen war. Noch heute herrsche unter Missionaren und weißen Priestern oft noch die Vorstellung, dass die Afrikaner als Kinder zu betrachten seien, die so lange unter der Schirmherrschaft der Weißen zu stehen hätten, bis diese sie zur Übernahme der vollen Verantwortung für ihr Leben für fähig hielten und ihnen auch leitende Aufgabe in der Kirche anvertrauen könnten. (36)
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Diese andauernde Bevormundung wird von vielen Afrikanerinnen und Afrikanern mit Recht als eine Form von Rassismus empfunden. Traurigkeit und Bitterkeit sprechen aus jüngsten Stellungnahmen des "African Catholic Priests Solidarity Movement" (ACAPSM), die nicht übergangen werden können, wenn es um die Wahrnehmung und Aufarbeitung des historisch nicht zu leugnenden und offen oder latent weiter existierenden Rassismus innerhalb der katholischen Kirche geht. Aus Gesprächen mit Vertretern dieser Solidaritätsbewegung schwarzer Priester in Südafrika habe ich den Eindruck gewonnen, dass hier aus persönlicher Betroffenheit und in Sorge um eine neue Gestalt von Kirche auf Wunden und Verwundungen aufmerksam gemacht wird, die wohl nicht "mit der Zeit" von selber heilen werden, sondern einer genauen Diagnose und einer sensiblen Behandlung bedürfen.
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Die Bewegung hatte sich schon im Februar 1999 mit einem Memorandum an die Südafrikanische Bischofskonferenz gewandt, (37) in dem zum einen die Stellungnahmen der Hierarchie gegen das Apartheidsystem und die Rolle der Bischöfe in der Übergangszeit zur Demokratie sehr positiv gewürdigt werden,< (38) in dem aber auch nüchtern festgestellt wird, dass in vielen Diözesen weiterhin eine überwiegend weiße Kirche neben der Kirche der Schwarzen weiter existiere. Eine ähnliche Kluft zwischen Weißen und Schwarzen konstatieren die Autoren auch im Klerus und unter den Seminaristen. Den Bischöfen wird vorgeworfen, sie hätten in ihrem Bericht an die "Wahrheitskommission" zwar von "Spuren der Apartheid" innerhalb der Kirche gesprochen, selbst aber nichts unternommen, um einen Prozess in Gang zu bringen, in dem diese Spuren zum Verschwinden gebracht würden. (39) Die katholische Kirche sei noch immer von ihrer kolonialen Vergangenheit geprägt und in ihrer alltäglichen Pastoral noch sehr von ihrem früheren stillschweigenden Einverständnis mit dem Apartheidsystem beeinflusst.(40) Die schwarzen Priester nennen es Rassismus und leiden offensichtlich darunter, wenn sie wie die anderen schwarzen Mitglieder der Kirche als Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Sie sprechen von einer sich vertiefenden Kluft zwischen den Hirten und der schwarzen Mehrheit in der katholischen Kirche. (41)
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Was in diesem Dokument als Grundstimmung zum Ausdruck kam, dass schwarze Priester nämlich ihre Ortskirche in Südafrika zusammen mit vielen der schwarzen Katholiken, die dort immerhin 80 Prozent der Kirchenmitglieder ausmachen, nicht als wirkliches "Vaterhaus" empfinden,(42) wird durch eine weitere im Juni 2000 erschienene Stellungnahme bekräftigt.(43) Der als "Vision eines Pastoralplanes für die Kirche in Südafrika verstandene umfangreiche Text trägt als Titel einen emotional aufgeladenen Psalmvers: "Selbst der Sperling hat für sich ein Heim gefunden" (Psalm 84,4), "aber wir als Schwarze" - so die Botschaft - "müssen uns als Schwarze noch immer als Fremde in der eigenen Kirche fühlen." Im Vorwort gibt der Präsident der Priestersolidaritätsbewegung offen zu, dass deren voran gehende Stellungnahme sehr verschiedene und zum Teil heftige Gegenreaktionen ausgelöst hatte. Von daher seine berechtigten Fragen: "Läuft diese Bewegung nicht Gefahr, die Glieder der Kirche in Südafrika zu verletzen, oder wird sie zur Heilung beitragen? Worin kann eine geeignete Antwort auf die Verwundung bestehen, die der Rassismus andauernd verursacht?" (44) Die schwarzen Priester möchten mit ihrer Vision eines Pastoralplanes einen Beitrag zur Heilung und Erneuerung der katholischen Kirche leisten, in der sich alle, Schwarze und Weiße, in gleicher Weise wirklich zu hause fühlen. (45) Sie sind davon überzeugt, dass die Geschichte einst hart mit ihnen ins Gericht gehen würde, (46) wenn sie in diesem Kairos nicht ihre Stimme erheben würden, weil sie sich in ihrer eigenen Ortskirche wie Fremde vorkamen und mit ihren menschlichen Grunderfahrungen und ihrem vielschichtigen kulturellen Erbe nicht akzeptiert, sondern in Frage gestellt und verächtlich gemacht fühlten.(47)
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Das Dokument der schwarzen südafrikanischen Priester verdient gerade auf Grund seiner radikalen Ehrlichkeit und Parteilichkeit nicht nur Respekt und Anerkennung, sondern auch eine kritische Auseinandersetzung mit seinen historisch-kontextuellen theologischen Ansätzen, die nicht nur der Kirche in Südafrika, sondern auch den anderen afrikanischen Ortskirchen dringend und drängend ins haus steht. Einem europäischen Theologen, der als Weißer Rassismus nie am eigenen Leib erfahren hat, steht nach einem kurzen Aufenthalt in Südafrika kein Urteil darüber zu, wie lange die Schatten sind, die dort nach wie vor auf die katholische Kirche und auf die anderen christlichen Kirchen fallen. Aber man nimmt natürlich auch - und gerade als auswärtiger Beobachter - wahr, dass Menschen dort sich auf verschiedene Art und Weise in den Schatten gestellt und durch rassistisches Verhalten - auch ihrer Mitchristinnen und Mitchristen - verletzt fühlen. Kein(e) Weiße(r) in Südafrika oder bei uns, und mag sie oder er aus christlicher Grundüberzeugung noch so mitfühlend und solidarisch sein, wird jemals nachfühlen können, was ein(e) Schwarze(r) erlebt, wenn er (sie) auf Grund seiner (ihrer) Rasse gedemütigt und ausgegrenzt wird. (48) Die Wunden, die der Rassismus in Menschen schlägt, heilen weder in Südafrika noch anderswo auf der Welt von heute auf morgen. Heilung und Versöhnung können aber weder eingeredet noch mit amtskirchlichen Stellungnahmen verordnet und auch nicht mit theologischen Formeln aus dem Hut gezaubert werden. Sie werden letztlich für glaubende Menschen nur aus der Erfahrung der von Gott gnadenhaft geschenkten Vergebung möglich.
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Papst Johannes Paul II. hat in seiner Botschaft zum Weltfriedenstag 2002 einmal mehr seine Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass es in der Welt von heute keinen Frieden ohne Gerechtigkeit und keine Gerechtigkeit ohne Vergebung geben kann. "Da die menschliche Gerechtigkeit" - so schreibt der Papst wörtlich - "immer zerbrechlich und unvollkommen ist, muss sie in der Vergebung, die die Wunden heilt und die tiefgehende Wiederherstellung der gestörten menschlichen Beziehungen bewirkt, praktiziert und gewissermaßen vervollständigt werden." (49) An dieser Heilung historischer Wunden durch Vergebung führt auch in den Kirchen in Südafrika für weiße und schwarze Christinnen und Christen zur Überwindung des tief sitzenden Rassismus kein Weg vorbei. Nur eine Kirche, die - gemäß dem bekannten Wort von Nelson Mandela am Schluss seiner Autobiographie - ihre Aufgabe vor allem darin sieht, Unterdrückten und Unterdrückern (50) die Botschaft der Befreiung und Vergebung zu verkünden und diese auch zu leben, wird in der globalisierten Welt von heute und morgen jene Mission erfüllen können, die ihr als „Dienst der Versöhnung" unverzichtbar und unentschuldbar als ihr ureigenstes Charisma aufgetragen ist.
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Wer heute im Zentrum von Soweto - der schwarzen Township von Johannesburg - die Gedächtniskirche "Regina Mundi" besucht, stößt auf Scharen von Touristen aus aller Welt. Diese lassen sich die Besichtigung dieser Stätte der Erinnerung an die Schrecken des Apartheidsystems genauso wenig entgehen wie den Besuch des bescheidenen früheren Wohnhauses von Nelson Mandela, das zu einem kleinen Museum umgestaltet wurde. Die beeindruckende Fotoausstellung in einem Nebenraum der Kirche dokumentiert "schwarz auf weiß" Szenen der tragischen Ereignisse vor dem Ende der Rassentrennung, die sich an diesem Ort abspielten, als schwer bewaffnete Polizeieinheiten die schwarze Bevölkerung mit Tränengas und Waffengewalt in diese Kirche trieben. Kirche als Ort des Asyls und als rettende Zuflucht.
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Dieser moderne religiöse und säkulare „Wallfahrtsort" macht Eindruck! Die Bilder aus jüngster Zeit gehen unter die Haut. Sie lassen für ChristInnen und NichtchristInnen die Vision von einer neuen Kirche entstehen, die nicht mehr auf der Seite der Unterdrücker steht und sich auch nicht mehr - mit Rücksicht auf die Gefühle weißer Gläubiger - "bedeckt" hält, sondern sich prophetisch "vorwagt", ja eine historische Vorreiterrolle übernimmt, wenn es darum geht, die Rechte von Ausgegrenzten zu verteidigen. Auf der kleinen Marmortafel, die die Verfasser des berühmten Kairos-Dokumentes (51) am 25. September 1995 anlässlich des 10. Jahrestages seiner Veröffentlichung vor der Kirche aufstellen ließen, findet dieser Kirchentraum in einem bewegenden Text einen hoffnungsvollen Ausdruck:
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"Eine Kirche des Volkes
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Eine Heimat und eine Stimme im Widerstand.
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Eine Stätte des Leidens, des Protestes und des Feierns
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Ein Heiligtum, in dem uns der lebendige Christus begegnet ist
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wo unsere Hoffnung auf Befreiung wieder entfacht wurde
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und wo die geistliche Suche nach
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Gerechtigkeit und Frieden Rückhalt fand"
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Aus der Kraft ihres Glaubens an die Auferstehung haben Christinnen und Christen den Aufstand gegen die "Kultur des Todes", die die Apartheid über Jahrzehnte in Südafrika geschaffen hatte, gewagt. Von den Opfern der Apartheid spricht die Welt von heute zu Recht mit Respekt und Anerkennung. Die unzähligen Menschenopfer der Globalisierung, die weltweit und medienwirksam als universale "Kultur des Lebens", als Heil der Welt und Erlösung der Armen im wahrsten Sinn des Wortes mit großem Gewinn "verkauft" und "gekauft" wird, müssen natürlich mit Rücksicht auf den Weiterbestand des Systems verschwiegen werden. Die christlichen Kirchen standen bei weitem nicht immer in ihrer Geschichte auf der Seite der Opfer. Ihre Glaubwürdigkeit wird in Zukunft wesentlich davon abhängen, ob sie sich "um Gottes und der Menschen willen" zu Wegbereitern einer "Globalisierung der Solidarität" (Johannes Paul II.), zum kritischen Weltgewissen und auch zur Stimme der "totgeschwiegenen" Globalisierungsverlierer machen. Die Verwirklichung dieser ihrer prophetischen Sendung fällt gerade der Kirche im deutschsprachigen Raum, die gegenwärtig in weiten Teilen ihrer Leitung und ihrer Gemeinden viel stärker um ihr eigenes Überleben als um das Überleben der Armen besorgt ist, nicht leicht. Was sich diese Kirche seinerzeit im Würzburger Synodenbeschluss "Unsere Hoffnung" diesbezüglich selbst ins Stammbuch schrieb, hat nichts von seiner zukunftsweisenden Bedeutung verloren: "Wir werden schließlich unsere intellektuellen Bezweifler eher überstehen als die sprachlosen Zweifel der Armen und Kleinen und ihre Erinnerungen an das Versagen der Kirche." (52)
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Anmerkungen:
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1. T. Okure, Globalisierung und der Verlust kultureller Identität in Afrika, in: Conc (D) 37 (2001) 589-597.
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2. Ebd. 595.
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3. Vgl. dazu M.W. Malegapuru (Hg.), African Renaissance. The New Struggle, Cape Town 1999: Das Werk enthält die Beiträge der Konferenz zu diesem Thema, zu der sich 1998 470 afrikanische Intellektuelle in Johannesburg versammelt hatten und auf der der südafrikanische Präsident Thabo Mbeki selbst das Eröffnungsreferat hielt (vgl. ebd. XIII-XXI).
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4. Ebd. XVI.
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5. Ebd. 137-239.
| 49
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6. Ebd. 243-428.
| 50
|
7. Vgl. E.M. Katongole, "African Renaissance" and the challenge of narrative theology in Africa. Which story / whose renaissance?, in: Journal of Theology for Southern Africa 102 (1998) 29- 39.
| 51
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8. Ebd. 31.
| 52
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9. Ebd. 37.
| 53
|
10. Ebd. 36.
| 54
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11. 2. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution. Die Kirche in der Welt von heute, n. 2.
| 55
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12. Vgl. dazu v.a. T. Kneifel, Der doppelgesichtige Kairos. Übergänge und erste Konturen einer kontextuellen Theologie im Post-Apartheid-Südafrika, in: KASA-Info Nr. 2 (Januar 1998) 2-24.
| 56
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13. A. Nolan, God in South Africa. The Challenge of the Gospel, Johannesburg 1958, 14.
| 57
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14. Vgl. Kneifel, Kairos 8f.
| 58
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15. Vgl. W. Kistner, Erinnern und Verantworten, in: KASA (Hg.), Kirchen und Apartheid. Eine unerledigte Agenda, Heidelberg 2001, 5.
| 59
|
16. Vgl. T. Kneifel, Zwischen Versöhnung und Gerechtigkeit. Der Spagat der Kirchen nach der Apartheid, Hamburg-Aachen 1998, 121.
| 60
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17. Vgl. ebd. 129-132.
| 61
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18. Vgl. Kneifel, Kairos 17-21.
| 62
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19. Vgl. dazu J. Hendriks / J. Erasmus, Interpreting the new religious landscape in Post-Apartheid South Africa, in: Journal of Theology for Southern Africa 109 (March 2001) 41-65.
| 63
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20. Ebd. 46.
| 64
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21. Ebd. 55-58.
| 65
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22. Ebd. 48f.
| 66
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23. Ebd. 63.
| 67
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24. Ebd. 64.
| 68
|
25. Ebd. 65.
| 69
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26. Johannes Paul II, Apostolisches Schreiben "Ecclesia in America" (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhles 141) Bonn 1999, n. 56; vgl. dazu auch F. Weber, "Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt." Anfragen an das apostolische Scheiben "Ecclesia in America" aus der Sicht lateinamerikanischer Kirchenerfahrung, in: M. Delgado (Hg.), Blutende Hoffnung. Gustavo Gutiérrez zu Ehren, Luzern 2000, 186-199, hier 194.
| 70
|
27. Vgl. F. Weber, Für oder gegen die Armen? Zur Entstehungs- und Wirkungsgeschichte einer notwendigen Grundentscheidung der Kirche, in: R. Bucher (Hg.), In Würde leben, Luzern 1998, 188-208.
| 71
|
28. Vgl. ebd. 192-196.
| 72
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29. SABC (= Southern African Catholic Bishops ?), Pastoral Letter "A Call to build a New South Africa" (1992) 17.
| 73
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30. SABC, Economic Justice in South Africa. A Pastoral Statement, Pretoria 1999, 19.
| 74
|
31. Ebd. 17-32.
| 75
|
32. Vgl. dazu M. Heimbach-Steins / A. Lienkampf (Hg.), Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit. Wort des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland, München 1997. Ein ähnliches ökumenisches Sozialwort ist in der Schweiz entstanden bzw. in Österreich im Entstehen.
| 76
|
33. Vgl. Beschlüsse der II. Generalversammlung des Lateinamerikanischen Episkopates in Medellín (adveniat. Dokumente. Projekte 1-3), Dokument 14, n. 3.9.11.12.
| 77
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34. SABC, We are the Church. Pastoral Directive on Co-Responsibility, Pretoria 1994, n. 30f.
| 78
|
35. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben „Reconciliatio et Penitentia" über Versöhnung und Busse in der Sendung der Kirche (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 60) Bonn 1984, n. 9.
| 79
|
36. Vgl. Worldwide 12 (Okt./Nov. 2001) 18f.
| 80
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37. Vgl. African Catholic Priests Solidarity Movement, Call to Action. A Memorandum adressed to the Bishops of the Southern African Catholic Bishop's Conference (SACBC), February 1999.
| 81
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38. Vgl. ebd. 1.
| 82
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39. Vgl. ebd. 4.
| 83
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40. Vgl. ebd. 15.
| 84
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41. Vgl. ebd. 15-17.
| 85
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42. Vgl. ebd. 2.
| 86
|
43. Vgl. ACAPSM, "Even the sparrow has found a home." Pastoral Plan Vision for the Church in Southern Africa, June 2000.
| 87
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44. Vgl. ebd. 1.
| 88
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45. Ebd. 3.
| 89
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46. Ebd. 2.
| 90
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47. Ebd. 3.
| 91
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48. Vgl. dazu J. Leatt, T. Kneifel, K. Nürnberger, Contending Ideologies in South Africa, Cape Town 1986, 294-299.
| 92
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49. Botschaft seiner Heiligkeit Papst Johannes Paul II. zu Feier des Weltfriedenstages. 1. Jänner 2002, http://www.vatican.va (03.01.02), n. 3.
| 93
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50. Kneifel, Zwischen Versöhnung und Gerechtigkeit 5.
| 94
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51. The Kairos Document. Challenge to the Church. A Theological Comment on the Political Crisis in South Africa, Braamfontein 1985, 21986. Zu historischem Kontext und Rezeptionsgeschichte dieses bedeutsamen Textes kontextueller Theologie vgl. die ausgezeichnete Publikation der "Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika (KASA), Der doppelgesichtige Kairos. Übergänge und erste Konturen einer kontextuellen Theologie im Post-Apartheid-Südafrika (KASA-Info Nr. 2), Jänner 1998, 1-24.
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52. Dieser bedenkenswerte Text ist wieder aufgenommen in: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.), Gerechter Friede. 27. September 2000, n. 171.
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