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Schwager Raymund: In Memoriam Raymund Schwager: Dramatische Theologie und theologische Politik
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In Memoriam Raymund Schwager: Dramatische Theologie und theologische Politik

Autor:Schwager Raymund
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:
Publiziert in:Die englische Fassung dieses Artikels ist erschienen in: Political Theology (Blackwell Companion). Ed. by P. Scott and W.T. Cavanaugh. Oxford-Malden(USA)-Carlton(Australia): Blackwell Publishing 2003, 348-362.
Datum:2004-04-09

Inhalt

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Das zwanzigste Jahrhundert hat verschiedene Formen der politische Theologie hervorgebracht. Auf die Schrecken des ersten Weltkrieges reagiert Karl Barth mit der dialektischen Theologie, durch die er sowohl die optimistische liberale Theologie des 19. Jahrhunderts als auch den Kapitalismus und die marxistische Revolution in Rußland unter das harte Gericht des Wortes Gottes stellen wollte. Ganz anderes reagiert der deutsche Staatsrechtler Carl Schmitt, der den auflösenden Tendenzen in der Zwischenkriegszeit eine politische Theologie gegenüberstellt, die sich an der römischen Kirche - verstanden als Ordnungsmacht - orientierte (1), die ihn aber zugleich in die Nähe des Nationalsozialismus brachte. Nach der Besiegung der faschistischen Bewegung mit ihren schrecklichen Folgen und im Zug des neuen Optimismus in den Sechziger und Siebziger Jahren entstanden verschiedene Varianten einer politischen Theologie, die sich an der Botschaft Jesu von der nahen Gottesherrschaft orientierte und das Thema der Befreiung (der Armen, der Unterdrückten, der Schwarzen, der Frauen, der sexuellen Minderheiten, etc.) ins Zentrum rückte. Das Weiterdauern der Übel machte aber bald Korrekturen notwendig. So ergänzte J. Moltmann seine Theologie der Hoffnung schon früh (1972) durch eine Theologie des gekreuzigten Gottes (2). J.B. Metz stellte im Laufe der Jahre immer mehr das Eingedenken fremden Leides (memoria passionis) als Basiskategorie christlicher Gottesrede heraus(3) und J. Sobrino antwortete auf die Ermordung von Erzbischof Romero und einiger seiner Mitbrüder mit einer neuen Betonung der Gerichtsrede Jesu und einer Theologie des gekreuzigten Volkes.(4)

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Bei diesem theologischen Ringen ging es direkt oder indirekt immer auch um eine Auseinandersetzung mit der fundamentalen Kategorie des Opfers (sacrifice). Dieses hatte in allen traditionellen Religionen und Gesellschaften eine zentrale Rolle gespielt und prägte auch die Geschichte des Christentums, das den Tod Jesu am Kreuz vor allem mit diesem Begriff gedeutet und in Entsprechung dazu eine tiefe Spiritualität des Selbstopfers entwickelt hat. Die Opfertradition wurde aber durch das aufklärerische Denken in Frage gestellt, das in seinem „normativen Kern", wie J. Habermas urteilt, direkt darauf zielt, „die Moral des öffentlich zugemuteten sacrificium abzuschaffen"(5). Die moderne Tiefenpsychologie und die Erfahrung mit dem Nationalsozialismus, der ständig das Opfer des einzelnen im Dienste des Volkes forderte, trugen weiter dazu bei, die religiöse Vorstellung vom Opfer auch in christlichen Kreisen zutiefst zweideutig und problematisch zu machen. Dies dürfte einer der Hintergründe gewesen sein, weshalb frühe Formen der Befreiungstheologie sich vorwiegend auf die Basileia-Botschaft Jesu beriefen und kaum mehr vom erlösenden Opfertod Jesu sprachen. Schließlich kam es innerhalb der christlichen Theologie zu einer massiven Kritik des Opfers mit dem Argument, das patriarchalische Verständnis von einem Gott, der das Opfer seines Sohnes fordere, begünstige Greueltaten, denn es fördere die Tendenz, daß Menschen andere Menschen zu Opfern (victims) machen.(6) Die neue Theologie profilierte sich durch ihr eintreten für die Opfer (victims) aller Arten von Unterdrückung.

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Im Kontext dieser und ähnlicher Probleme verfolgt die Innsbrucker Dramatische Theologie (7) das Anliegen, die neuen Fragestellungen aufzugreifen, ohne in Opposition zur Tradition zu geraten. Sie ist von der Kritik am Opfer (sacrifice) und an der Gewalt geprägt und verwirft dennoch nicht die Rede vom Tod Christi als Opfer. Sie sieht die Vielfalt der gesellschaftlichen Situationen und die Pluralität in der modernen Kultur, möchte sich aber klar von Tendenzen eines unkontrollierten Pluralismus und der Beliebigkeit (‚anything goes') abheben. Sie sieht sich konfrontiert durch eine naturwissenschaftlich-instrumentelle Vernunft, die im scharfen Gegensatz zum postmodernen Denken einen universalen Anspruch erhebt und meint, als dritte Kultur(8) auch für die traditionellen philosophischen und religiösen Fragen Antworten bieten zu können. In diesem widersprüchlichen Kontext möchte die dramatische Theologie sowohl dem Anliegen der Pluralität als auch der wissenschaftlichen Forderung nach Universalität Rechnung tragen. Sie unterscheidet dazu im Geschick Jesu - in Anspielung an Dramen auf der Bühne - fünf Akte, die je ihre Eigenart haben, aber dennoch durch klare Interaktionen untereinander verbunden sind und einen zusammenhängenden Handlungsverlauf bilden. Sie sucht nicht die Einheit eines Systems, wohl aber die Einheit innerhalb eines dramatischen Geschehens, bei dem sich die Verbindungen nicht durch logische Folgerungen, sondern durch Entscheidungen von Akteuren ergeben, die auf andere Akteure positiv oder negativ antworten. In diesem Sinn scheut sie sich nicht, sich in die Tradition der Großen Erzählungen zu stellen.

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Im Folgenden wird zunächst das dramatische Modell kurz skizziert, und danach werden einige Implikationen für eine theologische Politik, die sich von der üblichen politischen Theologie abhebt(9), angesprochen.

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1 Das Heilsdrama Jesu

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Da die biblischen Aussagen über die Präexistenz, die Inkarnation und die jungfräuliche Geburt aus der nachösterlichen Perspektive gewonnen wurden, beginnt das dramatische Modell mit dem öffentlichen Wirken Jesu. Es folgt aber nicht jener historisch-kritischen Exegese, die ein göttliches Handeln a priori ausschließt. Es hält vielmehr die Evangelien, die die Mechanismen kollektiver Täuschung und Gewalt aufdecken und damit auch die moderne Welt einbeziehen, wie noch näher zu zeigen sein wird, für kritischer als viele Tendenzen in der traditionellen historisch-kritischen Exegese. Die dramatische Theologie findet deshalb auch Texte für bedeutungsvoll, die leicht als unjesuanisch verworfen werden (z.B. Gerichtsworte).

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1.1 Akt: Basileia-Botschaft

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Mit der Botschaft von der nahen Gottesherrschaft hat Jesus nicht bloß eine Idee über Gott gelehrt, sondern vor allem ein neues und endgültig verbindliches Handeln Gottes für Israel angesagt. Dank dieses göttlichen Handelns, das im Wirken Jesu begann, soll offenbar werden, wer der Gott Israels tatsächlich ist, - nämlich ein Gott, der keines menschlichen Opfers und keiner vorausgehenden Versöhnungstat bedarf, um gütig zu sein. Dieser Gott, den Jesus in persönlichster Weise als ‚abba' anspricht, wendet sich aus eigener Initiative den Sündern zu und bietet ihnen in zuvorkommender Weise Verzeihung an (Feindesliebe Gottes). Dadurch sollen die menschlichen Herz gewonnen und verwandelt werden, damit sie ihrerseits fähig werden, einander zu verzeihen und Böses mit Guten zu beantworten (Feindesliebe, Gewaltfreiheit), um so zu einem neuen Volk zusammenzuwachsen. Durch die Bekehrung vieler Einzelner zielte das Wirken Jesu auf die Sammlung und Schaffung des neuen Israels, das wie eine Stadt auf dem Berge leuchten und die anderen Völker anziehen soll.

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1.2 Akt: Gerichtswortverkündigung

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Obwohl die Botschaft Jesu in seinen heilenden Taten wirksam und für die Menschen unmittelbar erfahrbar wurde, stieß sie - nach einer kurzen Zeit öffentlicher Begeisterung - auf wachsende Ablehnung. Da die erwartete grundlegende Bekehrung nicht eintrat (10), wurde eine neue Situation geschaffen, auf die Jesus mit der Gerichtsverkündigung antwortete. (11) Trotz drastischer Drohworte, die im einzelnen das Bild eines zornigen Gottes nahelegen, hat er damit seine eigene Botschaft vom Gott der Güte nicht zweideutig gemacht. In seiner Gerichtsrede deckte er vielmehr die inneren Konsequenzen der Ablehnung auf, - jene Mechanismen, in die sich Menschen unweigerlich verfangen, wenn sie sich der zuvorkommenden Verzeihung nicht vorbehaltlos übergeben und im Urteilen über andere sich selber richten. Jenen Menschen, die meinten, das neue Angebot Gottes nicht nötig zu haben, weil sie sich selber im wesentlich für gerecht hielten, oder die das Angebot der verzeihenden Güte den ‚öffentlichen Sündern' gegenüber als skandalös empfanden, hielt er in den Gerichtsreden den Spiegel ihres eigenen Herzens, das Bild eines zornigen Gottes entgegen. Er entlarvte in ihnen zugleich einen Geist der Lüge und Gewalt, der letztlich zur totalen Selbstverschließung und damit zur Hölle führt. Jesus wollte auf diese Weise seine Hörer und Hörerinnen aufrütteln. De facto führte seine Gerichtsrede aber nur zur Verschärfung des Konflikts. Aus der verbalen Ablehnung wurde eine handgreifliche und gewalttätige.

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1.3 Akt: Kreuzigung

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Die Zuspitzung des Konfliktes hatte zur Folge, daß das Tun aller handelnenden Personen immer mehr durch die Reaktionen der jeweils anderen Handlungspartner mitbestimmt wurde. Für den deutenden und teilnehmenden Beobachter ergibt sich damit die Gefahr, die Zusammenhänge zu übersehen oder Gewolltes und nur Zugelassenes zu vermengen. Um folgenschwere Fehldeutungen zu vermeiden, schlägt deshalb das dramatische Modell vor, die verschiedenen Handlungsträger im Kreuzesgeschehen klar zu unterscheiden und ihre Intentionen eindeutig voneinander abzuheben:

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1.3.1 Das Tun der sündigen Menschen

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Unterschiedliche Gruppen, die normalerweise unter sich zerstritten waren (Pharisäer, Sadduzäer, Zeloten, Herodianer, - Juden und Heiden), fanden sich für eine kurze Zeit gegen Jesus zusammen und bildeten de facto eine Allianz gegen ihn. Was er in den Menschen aufgedeckt hatte, wurde nun ihm selber vorgeworfen, und die dunklen Kräfte, die er offengelegt hatte, schlugen auf ihn selber zurück. Durch die Reaktionen der Menschen wurde er indirekt zum Opfer (victim) seines Tuns. Er hatte die Lüge aufgedeckt und wurde selber lügnerisch verurteilt. Er hatte die Gewaltmechanismen bloßgelegt und wurde selber gewaltsam getötet. Er hatte den teuflischen Geist offen genannt und wurde selber angeklagt, teuflischen Geistes zu sein (Gotteslästerer). Er hatte ein Gericht angekündigt und wurde nun selber gerichtet. So wurde er zum Verfluchten und Ausgestoßenen, zum Träger der Sünde und - im modern Sinn - zum Sündenbock(12) gemacht.

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1.3.2 Das Verhalten Jesu

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Auf die Gewalt reagiert Jesus nicht mit Gegengewalt, ja er griff nicht einmal zur spirituellen Gewalt, zum Verfluchen oder zum Gebet um Rache, wie es der Prophet Jeremia in ähnlicher Situation getan hatte (Jer 15,5; 18, 18-32). Die Reaktion seiner Feinde führte ihn vielmehr dazu, seine Verkündigung von der Feindesliebe und Gewaltfreiheit in seinem eigenen Leben zu verwirklichen und der anbrechenden Gottesherrschaft in dieser Extremsituation eine konkrete Gestalt zu geben. Wie er gekreuzigt wurde, betete er für seine Feinde und trat vor Gott für sie ein (Lk 23,34). Seine Hingabe ging so weit, daß er sich mit ihnen in ihrer Not sogar identifizierte, wie seine Worte beim letzten Mahl dies im voraus angedeutet hatten. Die anbrechende Gottesherrschaft blieb so trotz der Ablehnung in seiner eigenen Hingabe wirksam. Dennoch starb er in Verlassenheit

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1.3.3 Das Verhalten seines 'abbas'

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Gott schwieg, während sein Sohn in größte Not und Einsamkeit geriet. Dies bedeutet nicht, daß die irdisch siegreichen Gegnern Jesu nun plötzlich zu „Instrumenten, in der Hand Gottes, (zu) Agenten und Exekutoren" seines göttlichen Willens wurden, wie K. Barth und auch Jürgen Moltmann gemeint haben.(13) Angesichts des wachsenden Widerstandes und vor dem menschlichen Gericht hielt Jesus seinen Anspruch mit Entschiedenheit aufrecht, daß nur in seinem Tun der wahre Wille Gottes zur Darstellung komme. Das Schweigen dieses Gottes ließ aber die neue Frage aufbrechen, ob Gott tatsächlich so ist, als Jesus es gelehrt hatte? Darüber mußten die kommenden Ereignisse entscheiden.

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1.4 Akt: Auferweckung

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Bei der Auferweckung ging es nicht bloß um das Leben nach dem Tod, sondern zunächst um jene Frage, die beim Tod Jesu offen geblieben war. Hatte der Gekreuzigte recht, der sich auf seinen ‚abba' berufen hatte, oder seine Gegner, die ebenfalls im Namen des Gottes Israels gehandelt hatten? Durch die Auferweckung bekennt sich Gott nun eindeutig zu jenem, den die Menschen verurteilt und gekreuzigt haben, und er erweist sich damit ganz als der Gott Jesu Christi und damit selber als ein Gott radikaler Gewaltfreiheit. Von dieser Offenbarung her erhält das Schweigen des himmlischen Vaters beim Kreuz rückwirkend einen klaren Sinn. Hätte Gott eingegriffen, um seinen Sohn zu retten, dann hätte er mit Macht handeln und die Freiheit seiner Gegner überfahren müssen. Er hätte der Botschaft von der Gewaltfreiheit durch die eigenen Machttaten widersprochen. Das Zulassen auch ungerechten Leidens ist folglich der Preis für die radikale Gewaltfreiheit eines Gottes, der die Herzen seiner Geschöpfe in Freiheit gewinnen und nie mit Macht niederdrücken oder gar vergewaltigen will.

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Der Friedensgruß des Auferweckten an seine Jünger bestätigte ferner die grenzenlose Verzeihungsbereitschaft Gottes, die Jesus schon in seiner Basileia-Botschaft angekündigt hatte, die aber durch seine Gerichtsrede wieder eingegrenzt erscheinen konnte. Seine Jünger hatten eine neue Verzeihung nötig. Im Unterschied zum Volk hatten sie nämlich während seines irdischen Wirkens einen inneren Einblick ins Geheimnis ihrer Meister gewonnen; dennoch haben sie ihn in der entscheidenden Stunde verlassen und verraten. Wenn Menschen an seinem Geschick auch persönlich und subjektiv schuldig geworden sind, dann waren es in erster Linie seine Jünger, und auf sie hätte das Gerichtsgleichnis von den bösen Winzern am ehesten eine Anwendung finden können. In diesem Gleichnis wird ein Weinbergbesitzer gezeichnet, der zunächst durch eine unbegreifliche Langmut und Güte auffällt und der nach der Tötung seiner Knechte sogar seinen Sohn riskiert. Wie aber auch dieser umgebracht wird, kippt die Langmut des Herrn ins Gegenteil um, und er läßt die bösen und mordenden Winzer umbringen (vgl. Mk 12,1-10). Dieses Gerichtsgleichnis deutet auf das Geschick Jesu hin, und gemäß der Handlungsweise des Weinbergbesitzers hätte Ostern eine Stunde des Gerichts sein sollen. Genau das Gegenteil trat aber ein. Gerade jenen, die subjektiv am meisten schuldig geworden waren, wurde erneut der Friede und damit die Verzeihung angeboten. Der Gott Jesu Christi erweist sich damit als weit langmütiger als der Herr im Gleichnis von den bösen Winzern; er läßt sich nicht einmal durch die Tötung seines eigenen Sohns zum Zorn provozieren. Dadurch wird jene Deutung der Gerichtsworte bestätigt und vertieft, wie sie im zweiten Akt skizziert wurde, und die auch durch das abschließende Wort des erwähnten Gleichnisses nahegelegt wird: „ Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, er ist zum Eckstein geworden. Das hat der Herr vollbracht, vor unseren Augen geschah dieses Wunder" (Mk 12, 10f par).

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1.5 Das Kommen des Heiligen Geistes

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Trotz der Ostererfahrung und des Osterfriedens blieben die Jünger im Bann der Angst. Sie versammelten sich hinter verschlossenen Türen. Erst der Geist von Pfingsten befähigte sie zum Freimut und zum Schritt auf die Straßen von Jerusalem. Dadurch wurde eine neue Gemeinschaft in der Öffentlichkeit dieser Welt geschaffen, die sich von den üblichen politischen und religiösen Gesellschaften abhebt.

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Bereits mit der Verkündigung von der anbrechenden Gottesherrschaft zielte Jesus auf die neue Sammlung Israels und auf die Schaffung eines neuen Volkes. Durch die Ablehnung seiner Botschaft wurde aber die Gottesherrschaft zunächst auf ihn selber zurückgedrängt, und es kam sogar zu einer Gegensammlung, zur Allianz von Juden und Heiden gegen ihn. Durch seine Gewaltfreiheit und Feindesliebe, die ihn seinen eigenen Tod annehmen ließ, und durch die neue Initiative des himmlischen Vaters an Ostern wurde aber das versammelte Reich der Gegner von innen her überwunden. Die neue Sammlung an Ostern und Pfingsten durch den Geist der Liebe und des Freimutes war folglich nicht mehr bloß eine Ankündigung, sondern eine Realität und eine Sammlung, die die Konfrontation mit allen Gegenkräften der Lüge, der Spaltung und der Gewalt bis ins letzte durchgestanden hatte. Im Licht dieses Sieges konnte auch die Frage, wer Jesus, der sich mit der anbrechenden Gottesherrschaft so identifiziert hatte, letztlich war, eine klare Antwort finden: der präexistente Sohn Gottes, der keinen Anteil hat an der Welt der Lüge und Gewalt.

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2 Folgerungen

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Das skizzierte Heilsdrama(14) schließt viele Implikationen ein, die je nach Problemstellung besonders herausgearbeitet werden können. Hier sollen nur einige Elemente im Blick auf die theologische Politik kurz entfaltet werden.

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2.1 Die Rolle der Kirche

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Alle Varianten der Befreiungstheologie berufen sich auf die Botschaft Jesu von der Gottesherrschaft, stehen aber oft in Distanz zur Kirche, von der sie wenig erwarten und die sie nicht selten systematisch kritisieren. Der Ansatz bei der Gottesherrschaft ist voll berechtigt, die Distanzierung von der Kirche beruht aber aus der Sicht der dramatischen Theologie auf einer Täuschung. Die Erfahrungen der Propheten in Israel und das Geschick Jesu zeigen sehr deutlich, daß ethische Appelle und die Kritik des Bestehenden nicht genügen, um mehr Gerechtigkeit und Frieden auf Erden zu schaffen. Nicht einmal die heilende Kraft Jesu vermochte jenen Widerstand zu überwinden, der tief in den menschlichen Herzen wohnt und mit den Mächten der Lüge und Gewalt zusammenhängt. (15) Erst der Geist von Pfingsten, der zugleich jener Geist ist, durch den Jesus sich am Kreuz hingegeben hat (Hebr 9,14) und durch den er an Ostern auferweckt wurde (Röm 1,4), vermag die Herzen von innen her zu gewinnen und das Böse zu besiegen. Dieser Geist führt aber zur Kirche und schafft eine neue Gemeinschaft in der Öffentlichkeit unserer Welt. Dadurch wird eine reale Alternative eingeführt, die ausdrücklich auf Gott und auf die Gewaltfreiheit baut, von der her alle anderen gesellschaftlichen und politischen Strukturen neu zu werten sind.

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Die Innsbrucker dramatische Theologie steht deshalb positiv zu jenen theologischen Entwürfen, die der Kirche als einer öffentlichen und institutionellen Gemeinschaft eine politische Bedeutung zusprechen.(16) Nicht bloß ethische Anstrengungen, sondern das Handeln Gottes in der Geschichte sind letztlich ausschlaggebend, und dieses Handeln zielt auf die Schaffung eines Volkes, das in der Kirche konkret erfahrbar wird. (17) Zur politischen Theologie gehört deshalb wesentlich eine Theologie der Kirche. Da aber auch in ihr viel Sündhaftes mitwirkt (vgl. Röm 7,14-25), stellt sich die weitere Frage, ob wenigstens gewisse kirchliche Vollzüge das Handeln Gottes eindeutig zur Darstellung bringen oder ob letztlich alles im Zweideutigen bleibt? Die dramatische Theologie sieht in der Grundstruktur der Liturgie und vor allem der Eucharistie eine real-symbolische Vergegenwärtigung des Dramas Jesu und damit ein bleibendes Zeichen der Eindeutigkeit.(18) In der liturgischen Feier wird immer wieder an jenen erinnert, den die Bauleute (Juden und Heiden) verworfen haben, der aber von Gott zum Eckstein gemacht wurde (vgl. Mk 12, 10f par). Dadurch wird die Zielrichtung des Wirkens Jesu und des Handelns Gottes an ihm je neu Gegenwart und geschichtlich wirksam; anderseits wird die Liturgie, die von sich aus ständig in Gefahr ist, zeitbedingten Interessen zu erliegen, durch ihre zentrale Struktur der Erinnerung vor dem Abgleiten bewahrt.

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2.2 Theologie und Sozialwissenschaften

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Die Orientierung der theologischen Politik an der Kirche mag bei manchen den Verdacht wecken, dadurch werde eine Rückzugsmentalität gefördert und die Bedeutung der Human- und Sozialwissenschaften werde übersehen. Die dramatische Theologie zielt aber genau auf das Gegenteil, nämlich auf eine intensive Auseinandersetzung mit diesen Wissenschaften. Dazu bedient sie sich vor allem der Arbeiten von René Girard, der zeigt, daß die moderne Kritik in vielem nicht antibiblisch ist, sondern letztlich aus biblischen Quellen entsprungen ist und wieder zur Bibel zurückkehrt, wenn sie radikal durchgeführt wird und wenn die Voraussetzungen der modernen Welt selber kritisch befragt werden.

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Geschichte, Kunst und Alltagserfahrungen zeigen, daß der Mensch ein begehrendes und leidenschaftliches Wesen ist. Gleichzeitig erweist er sich als Nachahmender, denn Sprache, Sitten und Alltagswissen werden von frühester Kindheit an instinktiv von anderen gelernt. Girard weist nun nach, daß auch die fundamentalen und tiefsten Begierden nicht spontan entstehen, sondern sich an Vorbildern orientieren (Mimesis). Die instinktive Nachahmung fremden Strebens führt leicht dazu, daß zwei oder mehr Begierden sich auf das gleiche Objekt richten, was Rivalitäten erzeugt, die sich ihrerseits in verschiedenste Formen der Spannungen und Konflikte hinein steigern können. Leidenschaften sind deshalb nicht harmlos, sondern bedrohen ständig das menschliche Zusammenleben. Das tiefe Streben wird nur dann zu einer Kraft des Friedens, wenn es sich von einem Vorbild leiten läßt, das nicht selber in einem Wirbel von Nachahmungen gefangen ist, sondern ganz auf ein unendliches Gut zielt, an dem viele so teilhaben können, daß sie untereinander verbunden werden und keine Rivalitäten mehr entstehen. (19) Auf diesem Hintergrund erweist sich die Nachfolge Jesu, der in seinem ganzen Sein auf ‚abba', seinen Gott ausgerichtet war und die Menschen in seinem Namen sammeln wollte, nicht als etwas Zufälliges, sondern als ein Angebot, das der menschlichen Natur im tiefsten entspricht und das allein zur wahren Freiheit und zum vollen Frieden führen kann.

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Dieses Angebot ergeht aber in eine Welt hinein, die von anderen Mechanismen beherrscht wird. In der Alltagserfahrung erscheint der Mensch nicht nur als nachahmendes Wesen, in ihr wird auch deutlich, daß ein echter und dauerhafter Friede sehr schwierig ist und daß die Leidenschaften nicht durch bloße Vernunft auf gute Wege gelenkt werden. Gesellschaftliche Mechanismen strukturieren die Öffentlichkeit und schaffen einen gewissen Raum der Ordnung. Girard zeigt nicht nur, wie unter dem Sog der Nachahmung (Mimesis) Leidenschaften sich steigern und bis zur Gewalt tendieren. Er arbeitet auch die Mechanismen heraus, die dieser gefährlichen Tendenz wieder Einhalt gebieten. Wenn wechselseitige Rivalitäten und Aggressionen in die Aggression vieler gegen einen umkippen, dann wird den vielen auf Kosten dieses einen für eine kurze Zeit wieder ein äußerer (und trügerischer) Friede gegeben (Sündenbockmechanismus). Einer muß geopfert werden, damit die anderen wieder etwas Ruhe haben.

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Ähnliches ist im Geschick Jesu geschehen. Sein Wille, Israel im Namen seines himmlischen Vaters zu sammeln führte de facto zunächst zu einer Gegensammlung, zu einer Allianz von Pharisäern, Sadduzäern, Zeloten und Herodianern, von Juden und Heiden gegen den störenden Propheten aus Nazaret. Durch ihn wurden Herodes und Pontius Pilatus, die früher Feinde waren, Freunde (Lk 23,12). Das waren keine zufälligen Ereignisse. Wenn Jesus im Namen seines Gottes den wahren Frieden und die wahre Versöhnung unter den Menschen bringen wollte, dann muß das, was gegen ihn geschehen ist, die tiefsten Strukturen der sündigen und gottfeindlichen Welt aufdecken. Diese Strukturen sind die des Sündenbockmechanismus, der das Unbewältigte in einer menschlichen Gesellschaft auf Opfer abschiebt, um auf Kosten dieser Opfer immer wieder einen vorläufigen Frieden zu schaffen. Es ist besser, wenn ein einziger Mensch für das Volk stirbt, als wenn das ganze Volk zugrunde geht, argumentierte der Hohepriester bei der Verurteilung Jesu, und diese Argumentation ist die übliche Argumentation der Politik. Auch die übliche Strategie der Politik besteht darin, durch Polemik gegen ‚Feinde' die eigenen Anhänger oder das eigene Volk zusammenzubinden, worin C. Schmitt sogar das Wesen der Politik gesehen hat.(20)

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Über die Theorie Girards wird sehr kontrovers diskutiert. Die Innsbrucker dramatische Theologie ist jedoch überzeugt, daß sich die Grundthesen dieser Theorie aus biblischer Sicht direkt aufdrängen. Wenn Jesus in der Kraft Gottes den wahren Frieden bringen wollte und auf einen massiven kollektiven Widerstand gestoßen ist, dann müssen sich in diesem Widerstand die Mächte dieser Welt zeigen. Dagegen wird zwar eingewandt, man könne gar nicht von einer allgemeinen Ablehnung Jesu sprechen, denn viele seien ihm gefolgt. Daher habe auch die These von einem kollektiven Mechanismus keine biblische Grundlage. Auf diesen Einwand gibt das Johannesevangelium in einem Rückblick auf das öffentliche Wirken Jesu eine präzise Antwort. Es hält zunächst fest: „Obwohl Jesus so viele Zeichen vor ihren Augen getan hatte, glaubten sie (die Juden) nicht an ihn" (Joh 12,37). Dann folgen zwei alttestamentliche Zitate aus dem Propheten Jesaja über die Verstockung, um zu zeigen, wie die allgemeine Ablehnung Jesu den früheren Erfahrungen Gottes mit seinem Volk entspricht. Danach fügt das Johannesevangelium eine wichtige Einschränkung hinzu und begründet zugleich, weshalb man von einer allgemeinen Ablehnungen reden muß: „Dennoch kamen sogar von den führenden Männern viele zum Glauben an ihn; aber wegen der Pharisäer bekannten sie es nicht offen, um nicht aus der Synagoge ausgestoßen zu werden" (Joh 12,42). Jesus hat viele Menschen angesprochen und eine gewisse Art von Glauben geweckt. Wie sich aber nach einer Phase oberflächlicher Begeisterung der Widerstand meldete, vermochte er die Öffentlichkeit nicht zu gewinnen. Auf individueller und subjektiver Ebene konnte er zwar viele innerlich erreichen, aber die Öffentlichkeit hat ihre eigenen Gesetze und diese wirkten gegen ihn. Das Johannesevangelium macht auch deutlich, weshalb dies so ist: „Denn sie (führende Männer) liebten das Ansehen bei den Menschen mehr als das Ansehen bei Gott" (Joh 12,43). Ansehen und Ehre suchen heißt, sich an herrschenden Vorbildern orientieren, und diese waren de facto andere Menschen und nicht Gott. Das Johannesevangelium weist folglich klar auf das Gesetz der Nachahmung hin und macht auf diese Weise verständlich, weshalb die Öffentlichkeit eine andere Gesetzmäßigkeit hat als der subjektive gute Wille einzelner Menschen.

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Der gleiche Sachverhalt kann auch an den Jüngern Jesu illustriert werden. Sie hörten seinen Ruf in die Nachfolge und gewannen schrittweise Einsicht in seine Botschaft und Person. Allen voran ging Petrus, der ihn als Messias bekannte (Mk 8,29) und ihm unverbrüchliche Treue schwur (Mk 14,29.31). Dennoch mußte ihn Jesus in der Stunde des Bekenntnisses als Satan zurückweisen, weil er nicht das im Sinne hatte, was Gott will (Mk 8,33), sondern was die Menschen wollen. In der Stunde der Bewährung folgte er - trotz seines Schwures - auch genau dem, was die Menschen wollen: er verriet seinen Meister (Mk 14,66-72). Die Eigengesetzlichkeit der Öffentlichkeit war selbst im innersten Kreis der Anhänger Jesu letztlich stärker als die Kraft, die von ihm ausging. Dies änderte sich erst, als der Geist von Pfingsten, die Jünger und Jüngerinnen von innen her ergriff und ihnen die Kraft gab, für ihren gekreuzigten und auferstandenen Meister öffentlich Zeugnis abzulegen. Hier begann sich deshalb eine Gemeinschaft zu bilden, die anders strukturiert ist als die üblichen Gesellschaften dieser Welt. Von der Pfingsterfahrung her werden deshalb auch die Mechanismen der Ablehnung und damit jene Mechanismen, die die Öffentlichkeit in einer erbsündigen Welt beherrschen, voll durchschaubar. Die pfingstliche Gemeinde spricht diese Gesetzmäßigkeit deutlich an, wenn sie auf alttestamentliche Erfahrungen und auf das Geschick Jesu zurückblickt und zugleich ihre eigene Erfahrung zur Sprache bringt: „Wahrhaftig, verbündet haben sich in dieser Stadt gegen deinen heiligen Knecht Jesus, den du gesalbt hast, Herodes und Pontius Pilatus mit den Heiden und den Stämmen Israels..." (Apg 4,2). Obwohl zur Zeit Jesu die meisten Stämme Israels nicht mehr existierten und nur einige Heiden bei seiner Verurteilung beteiligt waren, spricht die Gemeinde von einer universalen Allianz aller. Sie deckt damit einen Grundvorgang auf, der in der ganzen Offenbarungsgeschichte und später in der Geschichte der Kirche immer wieder sichtbar wird: Die Öffentlichkeit hat ihre eigenen unbewußten Gesetze und diese schaffen (vorläufige) Ordnungen durch kollektive Polarisierungen auf Opfer (victims) oder Feinde. Jesus aber, der selber Opfer dieser Mechanismen wurde, steht auf der Seite der Opfer.

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Wie die anbrechende Gottesherrschaft sich in und durch Jesus mit der Strukturen dieser Welt radikal konfrontiert hat, so muß eine echte christliche Theologie sich mit den Strukturen der Öffentlichkeit konfrontieren und damit eine theologische Politik (21) entwerfen. Die Theorie Girards hilft, aus dem Zentrum der christlichen Botschaft heraus in eine kritische Auseinandersetzung mit allen Human- und Sozialwissenschaften zu treten, die den Menschen als ein begehrendes und soziales Wesen erforschen. (22) Sie kann fremde Beiträge aufgreifen, ohne sich ins Schlepptau von Theorien zu begeben, die ihre eigenen Voraussetzungen nicht weiter in Frage stellen und so heimlich fremde Normen in die Theologie einschleusen. Sie steht kritisch zu all jenen Theorien, die keinen eigenen positiven Ansatz haben, sondern zentral auf ein Feindbild orientiert sind. Die dramatische Theologie entwickelt so ein Forschungsprogramm, das eine klare Identität hat und doch nach allen Seiten hin offen ist und schließlich sogar das Leben der Kirche in der Geschichte als umfassendstes Forschungsprogramm versteht. (23)

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2.3 Opfer

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In allen traditionellen Gesellschaften spielten die Opfer eine zentrale Rolle und prägten das öffentliche und private Leben. Auch für das traditionelle Christentum hatte der Opfertod Christi eine fundamentale Bedeutung. Die Aufklärung zielte hingegen darauf, „die Moral des öffentlich zugemuteten sacrificium abzuschaffen" (24). Dennoch verlangten auch moderne Staaten von ihren Soldaten, das Opfer für das Vaterland, und F. Nietzsche kritisierte das Christentum nicht wegen seiner Opfertheologie, sondern - im Gegensatz zum Hauptstrom der Aufklärung - als Pseudo-Humanität, die durchsetzen wolle, daß niemand mehr geopfert werde: „Der Einzelne wurde durch das Christentum so wichtig genommen, so absolut gesetzt, daß man ihn nicht mehr opfern konnte: aber die Gattung besteht nur durch Menschenopfer. Vor Gott werden alle ‚Seelen' gleich: aber das ist gerade die gefährlichste aller möglichen Werthschätzungen!" (25) Die Opferproblematik ist folglich komplex und bleibt auch heute der offene oder hintergründige neuralgische Punkt jeder umfassenden Gesellschaftstheorie. Von Girard her wird deutlich, wieso dies so ist und weshalb die Opferproblematik aktuell bleiben wird, solange es Gewalt unter Menschen gibt. Die Opfermechanismen (sacrificial mechanisms), die jede Gesellschaft - angesichts eines stets drohenden Chaos - stabilisieren, stehen in einem engen Zusammenhang mit den rituellen (religiösen) Opfern, weshalb diese auch in Zeiten der Säkularisierung latent gegenwärtig bleiben, in Subkulturen weiterleben und in einer nachchristlichen gewordenen Welt wieder in die offizielle Kultur einzudringen versuchen, wie dies etwa beim italienischen Erfolgsautor Roberto Calasso (26) der Fall ist.

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Eine theologische Politik, die bis an die Wurzel der politischen Problematik vordringen will, muß sich deshalb der Opferproblematik stellen, und sowohl auf die Opferkritik wie auch auf die bleibende Opfer- und Gewaltproblematik achten. Die dramatische Theologie versucht beides. Sie kritisiert einerseits in Übereinstimmung mit der Aufklärung und der liberalen Theologie jene traditionelle Opfertheologie, die behauptet, Gottes Zorn hätte durch den blutigen Tod seines Sohnes besänftigt und versöhnt werden müssen. Anderseits versteht sie den Tod Jesu nicht als Abschaffung, sondern als radikale Transformation des Opfers. Durch das dramatische Modell soll gezeigt werden, daß Gott zwar nicht des Tod seines Sohnes wollte, wohl aber ihn dazu führte, den Sündern bis in ihr Elend nachzugehen. Als guter Hirte ‚mußte' er bei den verlorenen Schafen bleiben und für sie eintreten, selbst wenn diese sich gegen ihren Hirten wandten und ihn töteten. Nicht Gott, sondern die Menschen haben Jesus verurteilt und gekreuzigt und ihn so zum Träger der Sünde gemacht. (27) Der Verurteilte ‚opferte' (28) sich aber, indem er seiner Sendung treu blieb und das Böse, das ihm angetan wurde, mit verzeihender Liebe beantwortete, und für jene betete und sich hingab, die ihn töteten. (29) Der Opferbegriff erhält so einen ganz neuen Sinn. Nicht mehr die tötenden Priester sind - wie in allen vorchristlichen Religionen - die Opferenden, denn im Geschick Jesu gehören die Tötenden zur verbrecherischen Menschheit. Der Opfernde in einem neuen Sinn ist jetzt jener, der auf der Suche nach den Verlorenen sein Leben einsetzt und die Verlassenheit der ihm Anvertrauten teilt, um sie so aus ihrer Selbstverfangenheit zu befreien und zu erlösen.

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Die dramatische Theologie schlägt keinen Rückzug aus der Welt und keinen Weg in die subjektive Innerlichkeit vor. Sie rechnet auch nicht mit der dauernden Verbesserung der Welt und einem Verschwinden der Gewaltproblematik. Sie mutet vielmehr der Kirche und den Gläubigen zu, sich der Gewalt in ihren vielfältigen Formen bewußt zu stellen und auch die verdeckte und verschleierte Gewalt schrittweise aufzudecken. Dies geschieht zutiefst in der eucharistischen Feier, die immer wieder daran erinnert, daß Gott den Stein, den die Bauleute verworfen haben, zum Eckstein, d.h. zum Zentrum und Lebensquell einer neuen Gemeinschaft gemacht hat. Im Licht dieser Feier sind stets neue jene Vorgänge aufzudecken, wo Menschen verworfen und ausgestoßen werden, und es sind jene Vorgänge in der Welt mit gläubigen Augen zu entdecken und im Wort festzuhalten, wo von Ausgestoßenen und Getöteten neue Lebenskraft ausgeht. All dies ist aber nur dort möglich, wo Menschen im Glauben an den Gekreuzigten und Auferweckten versuchen, sich innerlich bereit zu machen, notfalls das eigene Leben zu riskieren und zu opfern. Bischof Romero, der am Altar erschossen wurde, hat dies getan, und durch die Umstände seines Todes wurde auch der Zusammenhang zwischen Opfer- und der Gewaltproblematik und das neue Verständnis des Opfers als Martyrium deutlich.

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Dass die Opferproblematik auch heute eine hintergründige und trügerische Kraft hat, kann am Beispiel eines modernen Sprachgebrauchs verdeutlicht werden. Zur Bezeichnung der Vernichtung der Juden durch das Hitler-Reich wird meistens das Wort ‚Holocaust' (‚Ganz-Opfer') gebraucht, was äußerst problematisch ist. Hitler sprach nämlich selber sehr oft vom Opfer (sacrifice) im Sinne Nietzsches, und er verstand die Vernichtung der Juden als einen quasi-religiösen Gründungsakt für sein neues Reich. (30) Wenn man nun seine verbrecherische Tat auch als ‚Opfer' (‚sacrifice') bezeichnet, dann stimmt man seiner Sicht nachträglich indirekt zu. Da dies sicher nicht gewollt ist, verrät der Sprachgebraucht, welche Kraft zur Täuschung in der Opferwelt liegt und wie aktuell die Problematik auch heute ist.

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2.4 Geschichtstheologie

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Die dramatische Theologie reduziert das Handeln Gottes nicht auf Ethik, und sie schlägt auch keinen einseitigen Weg in die Innerlichkeit der Seelen vor. Sie rechnet weder mit einer Kirche ohne Sünder, noch sieht sie außerhalb der Kirche nur Unheil. Die anbrechende Gottesherrschaft, die Jesus verkündet und bis in den Tod hinein gelebt hat, ist umfassender als das, was die nachösterliche Gemeinde sichtbar einsammeln konnte. Der Geist Gottes weht, wo er will, auch wenn sein Wirken nur in der Kirche klar erkennbar ist. Die Auseinandersetzung zwischen der Gemeinschaft der Glaubenden und der Welt bleibt deshalb komplex, und der gläubige Blick muß sich auf eine Geschichtstheologie hin öffnen.

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In einer gewissen Analogie zu Dramen auf der Bühne hat sich im Geschick Jesu die Zeit verdichtet. Seine Ankündigung des nahen Endes war nicht apokalyptischer Überschwang und subjektive Täuschung, sondern ein glaubender Vorgriff auf das Ende der Zeiten (vgl. Pannenberg). In der kurzen Dauer seines öffentlichen Wirkens spielte sich die grundsätzliche Auseinandersetzung zwischen der Gottesherrschaft und den dunklen Mächten dieser Welt ab. Es ging - wenn auch in dramatisch verdichteter Form - um den Endkampf. Dieser Dramatik im Geschick Jesu entspricht eine analoge Dramatik in der Zeit nach dem Kommen Christi, wie die Offenbarung des Johannes deutlich macht. Es ist weder eine Zeit linearen Fortschritts noch eine Zeit dauernden Abfalls oder rhythmischer Wiederholungen, sondern eine Zeit der verschärften Auseinandersetzung. H. U. v. Balthasar spricht in seiner ‚Theodramatik' bildhaft von der ‚Schlacht des Logos' und vom ‚Geschlagenen als Sieger'. (31) Die Innsbrucker dramatische Theologie steht dieser Sicht nahe, und auch sie versteht die Zeit nach dem Kommen Christi als eine Zeit gesteigerter Auseinandersetzung.

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Ein Blick durch die Geschichte kann dies verdeutlichen. Die langen Rhythmen der Naturreligionen, aber auch der hinduistischen Welt oder der ägyptischen Königstheologie wurden gebrochen. Der römische Kaiserkult wurde direkt unterminiert, und auch die christliche Welt fand zu keiner neuen Ruhe. Dogmatische Auseinandersetzungen und Kritik an der Kirche im Namen des Evangeliums bereiteten Brüche vor. Im Kampf zwischen Kaiser und Papst löste der Anspruch der Kirche schrittweise den sakralen Glanz der politischen Herrschaft auf, und diese demütigte ihrerseits eine Kirche, die auf der Ebene der Macht mit der politischen Herrschaft rivalisieren wollte. Die Reformation zerstörte schließlich das Selbstbild der Kirche von einer einheitlichen Gemeinschaft, die sich bruchlos durch die Jahrhunderte entwickelt. Im Zentrum der sichtbaren Kirche, im Papstum konnte nun sogar der Antichrist gesehen werden, und die Auseinandersetzungen wurden als endzeitlich erlebt. Im Raum dieser vielfältigen und wechselseitigen Kritik bereitete sich die moderne naturwissenschaftliche, historische und soziale Kritik vor. Die neuen Wissenschaften wurden von ihren Promotoren und Verfechtern als großen Fortschritt, ja als neuen Weg zum Heil verstanden. Tatsächlich sind diese Wissenschaften aber weder gut noch böse noch neutral, sie haben vielmehr, wie der bedeutende Atomphysiker C.F. von Weizsäcker betont, ein verschärfenden Charakter. (32) Sie steigern die Möglichkeiten von Gut und Böse und damit die Verantwortung. Seit der Schaffung der Atomwaffen machen sie sogar deutlich, daß die Menschheit sich selber vernichten kann. Die volle Tragweite der Gewaltproblematik, die im Alten und Neuen Testament sehr klar zur Sprache kommt, wird damit auch auf empirischer Ebene greifbar. Die Menschheit hat ein Experiment mit sich selber begonnen, das zeigt, was Selbstgericht als globale Selbstvernichtung bedeuten kann.

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Das Denken Girards, das die Gewaltproblematik als zentrale Problematik menschlicher Gesellschaft aufdeckt, ist aus diesem Kontext heraus zu verstehen. Es analysiert die moderne Gesellschaft, die aus einer dramatischen Auseinandersetzung mit dem Christentum entstanden ist, und benützt die so entstandenen Fragen, um rückblickend die biblischen Texte nochmals schärfer und präziser zu sehen. Es bewegt sich innerhalb eines hermeneutischen Zirkels, der sich dadurch auszeichnet, daß er sehr weit ist und sich immer mehr ausweitet. Er betrifft nicht bloß einzelne Interpreten, sondern ist so umfassend, daß er die ganze Geschichte seit dem Kommen Christi einbezieht. Aus der komplexen Wirkungsgeschichte des Christentums wird auf die christlichen Texte zurückgeschaut, wodurch deren Aussagen nochmals schärfer hervortreten. Das Denken Girards ist deshalb besonders kritisch gegenüber einer halb-modernisierten Theologie, die einige aufklärerische Postulate als neue Dogmen anerkennt, und von ihnen her entscheiden will, was in der Bibel akzeptabel ist oder nicht. Es entdeckt vielmehr in der jüdisch-christlichen Offenbarungsgeschichte und vor allem im Drama Jesu eine kritische Kraft, von der auch die moderne Kritik zehrt, aber deren Tiefe nicht mehr erreicht.

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Mit dieser umfassenden Perspektive behauptet die dramatische Theologie keineswegs, einen Standpunkt über der Verworrenheit der Geschichte zu erreichen. Sie betont vielmehr, daß mit den Mechanismen der Gewalt nahtlos Mechanismen der Täuschung verbunden sind. Je größer die Möglichkeiten der Gewalt werden, um so raffinierter werden auch die Möglichkeiten der Täuschung. Die Geschichte konfrontiert deshalb die Theologie immer wieder mit neuen ungelösten Fragen, und heute stellt sich mit besonderer Dringlichkeit das Problem der manipulativen Gewalt. Durch das moderne Zusammenspiel von Medizin, Informatik und Gentechnologie werden die bisherigen klaren Unterscheidungen zwischen Natur und Kultur, zwischen vorgegebener Schöpfung und menschlicher Technik unterlaufen, und die Menschheit beginnt auch insofern ein Experiment mit sich selber, als sie an ihr eigenes Erbe rührt und in so fundamentale Vorgänge wie die Fortpflanzung manipulativ eingreift. Als Abbild Gottes hat der Mensch zwar Anteil an der schöpferischen Kraft Gottes. Doch wieweit geht diese Anteilhabe und wo beginnt die Anmaßung, durch eine perverse Nachahmung Gottes (Augustinus) und seines Werkes selber Gott zu spielen?

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In der Offenbarung des Johannes erscheinen die widergöttlichen Mächte unter den Bildern zweier Tiere aus dem Abgrund (Offb 13,1-18). Das erste symbolisiert die politische und das zweite, das im Dienst des ersten Tieres steht, die ideologische Macht. Vom zweiten Tier heißt es, daß es die Bewohner der Erde durch Wunderzeichen verwirrt und ihnen befiehlt, ein Standbild zu Ehren des ersten Tieres zu errichten. Es wird ihm sogar „Macht gegeben, dem Standbild des Tieres Lebensgeist zu verleihen, so daß es auch sprechen" kann (Offb 13,15). - Die biblische Aussage, daß der ideologischen Macht sogar die Fähigkeit verliehen wird, einem toten Gebilde menschlichen Lebensgeist einzuhauchen, gewinnt im modernen Kontext eine ganz neue Tragweite. Die Diskussion über die Möglichkeit, künstliches Leben zu schaffen, ist ja längst entbrannt. Die Offenbarung des Johannes sieht dies - in ihrer Bildersprache - als eine reale Möglichkeit an, die allerdings den Menschen gegeben wird. Der biblische Text spricht aber gleichzeitig vom massiven Mißbrauch dieser Fähigkeit, denn die Macht wird einem ‚Tier' gegeben, das bewirkt, daß alle getötet werden, „die das Standbild des (ersten) Tieres nicht anbeteten" (Offb 13, 15). Gemäß dieser Sicht wird die schöpferische Kraft, die dem Menschen als Abbild des Schöpfers schon immer verliehen ist (Fähigkeit, Nachkommen zu zeugen [vgl. Gen 5,3] und Freiheit und Vernunft, zum Schaffen von Kulturen,), in der Zeit nach dem Kommen Christi zwar gesteigert, aber zugleich auch in einem verschärften Maße götzendienerisch mißbraucht. Die Dramatik nimmt zu, was sich heute auch empirisch abzeichnet. Die medizinische Forschung beginnt immer mehr, das ungeschützte menschliche Leben als Ersatzteillager im Dienste des reicheren und erfolgreicheren Teiles der Menschheit zu benützen. Menschen werden auf neue Weise zu Opfern (victims) der Menschen. Die Angst, ‚Gott zu spielen', wird von manchen bereits als ‚falsche Angst' beurteilt (33), und es zeichnet sich eine Zukunft ab, die den Menschen nicht mehr braucht, weil seine Werke ihn selber abzuschaffen drohen(34) oder weil die Menschen meinen, ein neuer von ihnen geschaffener Übermensch sei besser als die bisherige Menschheit (35). Trotzdem bleibt, dass aus christlicher Sicht die Anteilhabe an der schöpferischen Kraft Gottes zur unaufgebbaren Würde des Menschen gehört und die Forschung deshalb nicht grundsätzlich ‚verteufelt' werden darf. Wo aber läuft die Grenzlinie zwischen einer im Einklang mit Gott stehenden Forschung und einer götzendienerischen Anmaßung? Ein Urteil ist deshalb besonders schwierig, weil sich die Frage nicht bloß auf einzelne Menschen, sondern auf Systeme und Tendenzen bezieht, die gerade deshalb so wirkungsvoll sind, weil viele Menschen über Generationen hinweg mit der gleichen oder ähnlichen Einstellung und Logik (wissenschaftlich-technische Rationalität) handeln und auf den Arbeiten der Vorgänger aufbauen. So entstehen Systeme, und die einzelnen Menschen haben außerhalb dieser Systeme kaum mehr echte Handlungsmöglichkeiten. Der Christ ist deshalb in eine dramatische Geschichte hinein gebunden, deren mittel- und längerfristige Folgen er nicht mehr abschätzen kann. Um so wichtiger ist es, daß er selber zu einer Gemeinschaft gehört, der verheißen ist, daß sie von den Mächten des Abgrunds und auch von ‚Tieren' mit ‚übermenschlichen' Kräften nicht überwunden wird. Mag die Kirche ihrerseits von der Sünde bedrängt bleiben und mag sie in manchen einzelnen Punkten falsch urteilen, als Ort der je gegenwärtigen ‚memoria' des Heilsdramas Jesu bleibt sie die entscheidende Gegenkraft in einer Welt, die ‚Gott spielen' will. Sie hat auch vor den Erfolgen der Gegenmächte nicht zu zittern, denn die dramatische Offenbarungsgeschichte zeigt, daß Gott gerade dort immer wieder neu und überraschend handelt, wo die Konflikte und Krisen sich mehren und das Böse zunimmt: „Wo jedoch die Sünde mächtig wurde, da ist die Gnade übergroß geworden" (Röm 5,20). Die dramatische Theologie sieht die Geschichte in diesem Licht.

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Anmerkungen:  

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 1. Schmitt, Carl: Political Theology: Four Chapters on the Concept of Souvereignty. Tranlated by G. Schwab. Cambridge: The MIT Press 2nd edition 1988; Schmitt, Carl: Roman Catholicism and Political Form. Translated and Annotated by G.L. Ulmen. Westport: Greenwood Press, 1996.

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2. Moltmann, Jürgen: The Crucified God: The Cross of Christ as the Foundation & Criticism of Christian Theology. Translated by R. A. Wilson and John Bowden. Augsburg Fortress Publishers 1993.

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3. J.B. Metz, Zum Begriff der neuen Politischen Theologie 1967 -1997. Mainz 1997.

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4. J. Sobrino, Jesus the Liberator: A Historical Theological Reading of Jesus of Nazareth. London 1994.

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5. J. Habermas, Die postnationale Konstellation. Politische Essays. Frankfurt a. M. 1998, 152.

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6. Vgl. D. Strahm (Hg.), Vom Verlangen nach Heilwerden. Christologie in feministisch-theologischer Sicht. Fribourg/ Schweiz 1991.

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7. Vgl. R. Schwager, Jesus in the Drama of Salvation : Toward a Biblical Doctrine of Redemption. Translated by P. Haddon and J. Williams New York: Crossroad 1999: J. Niewiadomski, W. Palaver (Hg.), Dramatische Erlösungslehre. Ein Symposion. Innsbruck-Wien 1992; R. Schwager, J. Niewiadomski u.a., Dramatische Theologie als Forschungsprogramm. In: ZKTh 118 (1996) 317-344 (engl.: http://info.uibk.ac.at/c/c2/theol/rgkw/xtext/research-0.html); W. Palaver, W. Guggenberger u.a., Pluralismus - ethische Grundintuition - Kirche. In: ZkTh 120 (1998) 257-289.

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8. J. Brockman, The Third Culture: Scientists on the Edge. Simon & Schuster Trade 1995.

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9. Vgl. Rasmusson, Arne: The Church as Polis: From Political Theology to Theological Politics as Exemplified by Jürgen Moltmann and Stanley Hauerwas. Notre Dame: University of Notre Dame Press, 1995.

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10. "O Jerusalem, Jerusalem, killing the prophets and stoning those who are sent to you! How often would I have gathered your children together as a hen gathers her brood under her wings, and you would not" (Luk 13,34).

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11. „If the Gospels (especially that of Matthew) clearly divide into two parts, the first devoted to the preaching of the Kingdom and the second to apocalyptic predications and the Passion, it is because between these two parts falls a negative event that is terrifying in its consequences." R. Girard, Things Hidden Since the Foundation of the World. Translated by S. Bann and M. Metteer. London: Athlone Press 1987, 203. Damit ist nicht gemeint, daß sich beide Situationen zeitlich sauber trennen lassen. Es geht vielmehr um die unterschiedlichen Ausgangspunkte und Deutungsrahmen für die Basileia-Botschaft und die Gerichtsverkündigung. Die erstere ist ganz vom sich offenbarenden Gott her zu verstehen, während die zweite auf die Ablehnung der angebotenen Güte antwortet.

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12. Beim alttestamentlichen Ritus wurden die Sünden des Volkes vom Hohenpriester bewußt auf den Bock übertragen. Im modernen Sinn ist mit dem Sündenbockmechanismus ein unbewußter Vorgang gemeint, bei dem die Handelnden sich über ihr eigens Tun täuschen.

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13. K. Barth, Die kirchliche Dogmatik. Zollikon: Theologischer Verlag IV/1, 262; vgl. 299f; J. Moltmann, The Crucified God (siehe Anm. 2).

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14. Ausführlicher: Schwager, Jesus in the Drama of Salvation (s. Anm. 7).

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15. Vgl. R. Schwager, Erbsünde und Heilsdrama. Im Kontext von Evolution, Gentechnologie und Apoklypse. Münster: Lit Verlag 1997.

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16. Vgl. Milbank, John: Theology and Social Theory. Beyond Secular Reason. Cambridge, Mass. [u.a.]: Blacwell 1991; Milbank, John u.a. , Radical Orthodoxy. London: Routledge 1999; Hauerwas, Stanley: In Good Company: The Church as Polis. Notre Dame: University of Notre Dame Press, 1995.

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17. G. Lohfink, Braucht Gott die Kirche? Zur Theologie des Volkes Gottes. Freiburg i.Br. 1998.

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18. Vgl. W.T. Cavanaugh, Torture and Eucharist. Theology, Politics, and the Body of Christ. Oxford [u.a.]: Blackwell 1998.

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19. Vgl. R. Girard. Deceit, Desire and the Novel. Self and Other in Literary Structure, Baltimore: Johns Hopkins Univ Press 1965.

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20. Schmitt, Carl: The Concept of the Political. Translated by G. Schwab, Chicago: University of Chicago Press 1996; W. Palaver, Die mythischen Quellen des Politischen. Carl Schmitts Freund-Feind-Theorie (Beiträge zur Friedensethik 27), Stuttgart: Kohlhammer 1998.

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21. Der entscheidende Unterschied zwischen politischer Theologie und theologischer Politik ergibt sich aus dem Verhältnis zum Staat. Im ersten Fall bestimmt die staatliche oder gesellschaftliche Ebene das Ziel und den Aktionsrahmen der Politik. Im zweiten Fall wurzelt das politische Engagement im Glauben und der primäre politische Körper (‚polity') ist die Kirche.

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22. Vgl. F. Lagarde, François. René Girard ou la christianisation des sciences humaines.

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New York, Frankfurt a. M.: Lang 1994.

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23. Vgl. R. Schwager, J. Niewiadomski u. a., Dramatische Theologie als Forschungsprogramm. In: Zeitschrift für Katholische Theologie 118 (1996) 317-344.

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24. Habermas, Die postnationale Konstellation (s.Anm. 5) 152.

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25. F. Nietzsche, Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe: Bd. 13. Hg. von G. Colli und M. Montinari. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 1980, 470f.

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26. Calasso, Roberto: The Ruin of Kasch. Translated by W. Weaver. Belknap Press of Harvard University Press 1996; Calasso: The Marriage of Cadmus & Harmony. Alfred A. Knopf Incorporated 1993.

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27. In 2 Kor 5,21 heißt es: „Er (Gott) hat den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht." - Dies dürfte aber eine abgekürzte Redeweise sein, die das ganze Heilsdrama zusammenfaßt und die einzelnen Akteure nicht mehr besonders nennt. Paulus betont ja selber kurz vorher, daß die Initiative zur Versöhnung ganz von Gott ausging und den Sündern ihre Verfehlungen nicht angerechnet wurden (2 Kor 5,18 - 20). Gott hat folglich Jesus nur insofern zur Sünde gemacht, als er ihn dazu gesandt hat, bis ins Letzte bei den Sündern zu sein. Darin war eingeschlossen, daß der Sündenreine von den Sündern zur Sünde gemacht wurde.

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28. Girard hat es zunächst entschieden abgelehnt, die Hingabe Jesu als Opfer zu bezeichnen, denn er befürchtete grobe Mißverständnisse. Schrittweise hat er aber erkannt, daß Mißverständnisse nicht dadurch vermieden werden, daß man vom Opfer verbal Abschied nimmt. Die ganze Welt der Opfer und der Gewalt muß vielmehr durch eine Liebe, wie sie Jesus gelebt hat, von innen her radikal transformiert und verwandelt werden; vgl. R. Girard, Quand ces choses commençeront, Paris: Arléa 1994, 169f; Girard, Mimetische Theorie und Theologie. In: J. Niewiadomski u.a. (Hg.), Vom Fluch und Segen der Sündenböcke (Beiträge zur mimetischen Theorie 1). Thaur: Kulturverlag 1995, 15 - 29.

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29. „Evil cannot fully see itself als evil; therefore only the uncontaminated good, God himself, can fully suffer evil - not in eternity, which is beyond suffering, but in the human creation, hence the necessity for the Deus homo." J. Milbank, Postmodern Critical Augustinianism: A Short Summa in Forty-two Responses to Unasked Questions. In: G. Ward (Ed.), Postmodern God. A Theological Reader. Oxford: Blackwell Publishers 1997, 265 - 278, hier 271

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30. "Der 'größte Führer aller Zeiten', wie einer der messianischen Hoheitstitel Hitlers lautete, organisierte den größten Mord aller Zeiten als Gründungsakt seines 'tausendjährigen Reiches'. Die 'Endlösung' war gemeint als Ganzopfer und Gründungsmord, als 'Holocaust'." E. Nordhofen, Beleuchtung des schwarzen Lochs. In: Die Zeit, 3. März 1995, 66f.

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31. H. U. v. Balthasar, Theodramtik. Bd. 3: Die Handlung, Einsiedeln 1980, 399 - 468.

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32. "Die Formel, die Technik sei wertneutral, ist ungenau. Wissenschaft und Technik sind nicht wertneutral, sondern verschärfend. Sie steigern die Macht mit ihren Folgen. Sie schützen den Menschen vor Naturgewalten und bedrohen ihn durch Zerstörung seiner natürlichen Umwelt." C.F. von Weizsäcker, Die Aufgabe der Kirche in der kommenden Weltgesellschaft. In: Evangelische Kommentare 11/1970, 641.

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33. R. Dworkin, Die falsche Angst, Gott zu spielen. In: Die Zeit 16. Sept. 1999 (Dossier 15-17).

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34. B. Joy. Why the future doesn't need us. Our most powerful 21st-century technologies - robotics, genetic engineering, and nanotech - are threating to make humans an endangered species. In: Wired, April 2000, 238 - 262.

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35. Vgl. Extropy. Institute. Incubating Positive Futures (http://www.extropy.org); H. Moravec, Robot: mere machine to transcendent mind, Oxford: University Press 1998 (vgl. http://cart.frc.ri.cmu.edu/users/hpm/hpm.pubs.html); Transhumanism (http://www.philosophos.net/tpcs/TRANSHUMANISM.htm).

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