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Ehemalige – Universität Innsbruck

Ehemalige InstitutsmitarbeiterInnen

Zoran Konstantinović

» In der Literatur steckt die ganze Erfahrung der Menschheit. Sie müssen das gar nicht alles selbst erlebt haben, finden aber in der Literatur alles, was der Mensch erleben kann, fühlen kann, alles, was er weiß. Wenn sie viel lesen, können sie sich das aneignen. Und das ist auch das Schöne des Literatur-Unterrichts: Man nimmt einen Tropfen, irgendeinen Text, den man ans Licht hält. Und dann sieht man, wie er in allen Farben schillert, und was man da alles herausholen kann, in welcher Sprache auch immer. Das ist etwas Wunderschönes. «

Zoran Konstantinović

Das heutige Verständnis von Literatur ist sehr offen und umfasst »alles Geschriebene«, also nicht nur Werke des literarischen Kanons, sondern auch Werbesprüche, Trivialliteratur oder politische Reden. Die Vergleichende Literaturwissenschaft setzt nun nicht nur literarische Texte aus verschiedenen Sprachen und/oder Kulturen in Bezug zueinander, sondern fragt auch nach den Charakteristika der Verbindungen zwischen Literatur und den so genannten »anderen Künsten« (Malerei, Film, Theater, Tanz, Neue Medien etc.) sowie anderen ›kulturellen Phänomenen‹ (Politik, Philosophie, Wirtschaft, Rechtswesen etc.). »Interkulturalität« und »Intermedialität« zählen zu den Schlüsselbegriffen des Faches.

Diese Offenheit, diese Breite und diese Aktualität sind inzwischen konstitutiv für die Vergleichende Literaturwissenschaft, was auch innerhalb des Faches nicht immer selbstverständlich war und sich in einem Prozess, der sich über einige Jahrzehnte erstreckt, erst durchsetzen musste. Dass dies gelang und sich ein moderner und attraktiver Zugang zu literarischen Phänomenen vor allem an der Innsbrucker Universität verankern konnte, ist nicht zuletzt dem Wirken von Zoran Konstantinović zuzuschreiben, der die Innsbrucker Vergleichende Literaturwissenschaft begründete und ihre Geschicke 20 Jahre lang lenkte.

1920 in Belgrad geboren erlebte Zoran Konstantinović als Soldat der jugoslawischen Armee den Zweiten Weltkrieg. Nach der Kriegsgefangenschaft studierte er ab 1945 in Zagreb und in Belgrad Germanistik und arbeitete bis 1970 als Professor für Germanistik an der Belgrader Universität. Im selben Jahr wurde er auf den ersten österreichischen Lehrstuhl für Vergleichende Literaturwissenschaft an die Universität Innsbruck berufen. Dort baute er ein Studium und ein dazugehöriges Institut auf, das er bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1990 leitete. Zehn Jahre nach seiner Rückkehr nach Belgrad verstarb Zoran Konstantinović dort im Mai 2007.

Er war ein herausragender Wissenschaftler und unermüdlicher Vermittler, der viel Verständnis für andere Kulturen mitbrachte, kam er doch selbst als Nachfahre einer »Grenzerfamilie« (seine Vorfahren waren kaiserliche Offiziere) – also jener serbischen Bevölkerungsgruppe, die von den Habsburgern im 17. Jahrhundert als ›Schutzwall‹ gegen die Osmanen unter anderem in der Vojvodina angesiedelt wurde – aus einer historisch sensiblen Region. Der Innsbrucker Vergleichenden Literaturwissenschaft kam sowohl in der Forschung als auch in der Lehre diese herausragende Kommunikationsfähigkeit zugute, wie etwa in der Ausrichtung des alle drei Jahre statt findenden Welt-Kongresses der »International Comparative Literature Association« 1979 in Innsbruck deutlich wird. Zoran Konstantinović verstand seine wissenschaftliche Arbeit als die eines Brückenbauers: »Nachbarschaft war für ihn immer auch schon eine wissenschaftstheoretische Kategorie«, konnte in den 1980er-Jahren der bekannte Konstanzer Literaturwissenschaftler Hans Robert Jauß auch folgerichtig sagen.

Zoran Konstantinović beherrschte viele Sprachen und vertrat somit im besten Sinne des Wortes die Idee der Weltliteratur und ihrer humanistischen Grundlegung. Er ordnete sich damit in jene Tradition ein, die den Weltliteraturbegriff in der Goetheschen Bedeutung als »Prozess der kommunikativen Vermittlung« verstand, allerdings sah er auch die weniger helle Seite eines humanistischen Konzepts der Weltliteratur, nämlich Tendenzen der Überformung von Kulturen durch eine dominante Kultur. Seine weit gestreuten wissenschaftlichen Interessen reichten von den Literaturen »Mitteleuropas« und des Donauraums, den slawisch-deutschsprachigen Literaturbeziehungen, der naiven Malerei oder der Choralmusik bis zu Autoren wie V. S. Naipaul oder Salman Rushdie. Diese Interessen fanden in mehr als 600, wissenschaftlich teils wegweisenden Publikationen ihren Niederschlag. Unter den deutschsprachigen Monographien sind vor allem hervorzuheben »Phänomenologie und Literaturwissenschaft« (1973), »Weltliteratur. Strukturen, Modelle, Systeme« (1979), das einführende Handbuch »Vergleichende Literaturwissenschaft. Bestandsaufnahme und Ausblicke« (1988) und »Eine Literaturgeschichte Mitteleuropas« (2003; gemeinsam mit Fridrun Rinner).

Als renommierter Literaturwissenschaftler wurde Zoran Konstantinović in der Fachwelt seit jeher sehr geschätzt, mit der Einmischung in die österreichische Außenpolitik sowie in die Diskussionen in Rundfunk, Fernsehen und Printmedien im Rahmen der Balkankriege Anfang der 1990er Jahre wurde er auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Zwar warnte er immer vor den drei »P« – LiteraturwissenschaftlerInnen sollten sich vor Presse und Politik hüten, ebenso davor, sich selbst poetisch zu betätigen –, missachtete diese Warnung jedoch selbst, um vor den in seinen Augen fatalen Folgen der Politik einer verfrühten Anerkennung der Souveränität Sloweniens und Kroatiens zu warnen. Mit Thomas Mann, der ebenso vor der Einmischung des Intellektuellen in politische Belange gewarnt hatte, diese aber dann einforderte, sollte das Schicksal eines Landes auf dem Spiel stehen, erklärte Zoran Konstantinović seinen Gang in die Medien und seine politischen Interventionen.

Auf diesem Gang wagte er sich in der Öffentlichkeit manchmal auch weit vor, hielt die Idee eines gesamt-jugoslawischen Staates bis zuletzt hoch und warb auch für Verständnis – nicht jedoch für eine Entschuldigung! – für die serbische Politik, was ihm nicht nur harsche Reaktionen in Politik und Medien eintrug, sondern auch viele seiner FachkollegInnen irritierte. Wenn auch seine politischen Stellungnahmen in den 1990er-Jahren von dem abgewichen sein mögen, was viele in der europäischen Öffentlichkeit damals wie heute für richtig ansahen und sehen, so bleibt, dass die Geschichte und auch die Geschichtswissenschaft Zoran Konstantinović inzwischen in Teilen recht gegeben haben. Was ebenso und vor allem bleibt, ist das vielfältige Fortwirken des Wissenschaftlers Zoran Konstantinović.

Martin Sexl

Eine vollständige Bibliographie von Zoran Konstantinović findet sich in:

Zoran Konstantinović: Grundlagentexte der Vergleichenden Literaturwissenschaft aus drei Jahrzehnten. Arbeiten von Zoran Konstantinović, ausgewählt und herausgegeben zu seinem 80. Geburtstag von Beate Burtscher-Bechter, Beate Eder-Jordan, Fridrun Rinner, Martin Sexl und Klaus Zerinschek. Innsbruck-Wien-München, Studien-Verlag (Comparanda. Vergleichende Studien zu Antike und Moderne, 1), 2000.


Quellennachweis:

Martin Sexl: Zoran Konstantinović im Gespräch. Literatur – Wissenschaft – Gesellschaft – Politik, innsbruck university press, Innsbruck 2009, 74pp.

Wir trauern um a.o. Univ.-Prof. Dr. Klaus Zerinschek, der am 16. Februar 2019 verstorben ist.

ao. Univ.-Prof. Dr. Klaus Zerinschek

Klaus Zerinschek hat das Institut für Vergleichende Literaturwissenschaft mit aufgebaut und jahrzehntelang geprägt. In Innsbruck und an vielen anderen Orten im In- und Ausland leben und arbeiten Absolvent*innen der Vergleichenden Literaturwissenschaft, die er mit seinem enzyklopädischen komparatistischen Wissen, seiner Menschlichkeit, seiner Achtsamkeit, seiner kritischen Perspektive und seinem gesellschaftspolitischen Engagement geprägt hat und die das bei und von ihm Erfahrene und Gelernte auf ihre Weise weitertragen. Klaus Zerinscheks zentrales Forschungsgebiet war die Verbindung von Literatur zu Film, Tanz, Architektur, Fotografie, Musik und anderen Künsten; seine besondere Liebe galt dabei der Oper.

Wir danken ihm aus ganzem Herzen und vermissen ihn.

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Nachruf auf Klaus Zerinschek
Fridrun Rinner, Magnus Roth: Nachruf auf Klaus Zerinschek (1946-2019). In: ATeM - Archiv für Textmusikforschung, 4,1 (2019).

Eine Publikation zu Ehren von Klaus Zerinschek erschien im Jahr 2013 bei innsbruck university press: Intermedialität in der Komparatistik. Eine Bestandsaufnahme. Hg. von Dunja Brötz, Beate Eder-Jordan und Martin Fritz. Open Access: https://www.oapen.org/search?identifier=501344

Am 8. Juli 2024 ist Univ.-Prof. Dr. Maria Deppermann nach langer schwerer Krankheit in Innsbruck verstorben.  

Geboren 1939 in Naumburg/Saale, studierte Maria Deppermann von 1969 bis 1975 Germanistik, Philosophie und Slawistik in Freiburg im Breisgau, wo sie 1980 promovierte. Anschließend war sie bis 1985 Wissenschaftliche Mitarbeiterin an den Instituten für Germanistik, Slawistik und Osteuropäische Geschichte der Universität Freiburg. Von 1986 bis 1991 wirkte sie als Lehrbeauftragte am Institut für Slawistik der Universität Salzburg mit dem Schwerpunkt „Literatur und Film“. Darüber hinaus hielt sie Gastvorlesungen an Universitäten in den USA und in Kanada. Nach ihrer Habilitation in den Fachgebieten Slawistik und Komparatistik an der Universität Salzburg im Jahr 1987 war sie Gast- bzw. Vertretungsprofessorin an den Lehrstühlen für Slawistik in Tübingen, Basel, Würzburg und Zürich. 1991 wurde sie an die Universität Innsbruck berufen, wo sie bis zu ihrer Emeritierung 2007 den Lehrstuhl für Vergleichende Literaturwissenschaft innehatte und 1991 bis 1999 das gleichnamige Institut leitete. 

Maria Deppermann hat ein überaus breites und facettenreiches wissenschaftliches Werk hinterlassen. Bereits in ihrer Freiburger Dissertation über „Andrej Belyjs ästhetische Theorie des schöpferischen Bewusstseins. Symbolisierung und Krise der Kultur um die Jahrhundertwende“ arbeitete sie interdisziplinär, indem sie komparatistische Gesichtspunkte mit ästhetischen, philosophischen und literaturpsychologischen Fragestellungen verband. Dazu hatte sie sich – auch auf mehreren Forschungsreisen nach Russland – in den kulturellen und philosophischen Hintergrund des russichen Symbolismus eingearbeitet und sich intensiv nicht nur mit der Philosophie Schellings, Schopenhauers und Nietzsches beschäftigt, sondern auch mit dem russischen Dichterphilosophen, christlichen Mystiker und Esoteriker Wladimir Solowjow, dessen frühes Hauptwerk „Vorlesungen über das Gottmenschentum“ (1878-1881) sie für den ersten Band der deutschen Gesamtausgabe seiner Werke übersetzte.

Gleichsam als Quintessenz der vorangegangenen Forschungen entstand der große, wenn auch 1984 an etwas entlegener Stelle publizierte Aufsatz „Rußland um 1900: Reichtum und Krise einer Epoche im Umbruch“, in dem die Darstellung der Wechselbeziehungen zwischen Literatur, Theater, Musik, bildender Kunst und Philosophie ein weites Panorama der Kultur Russlands im „Silbernen Zeitalter“ entwirft. Studien zu Nietzsche in Russland und in der Sowjetunion, letztere mit dem bezeichnenden Untertitel „den begrabenen Nietzsche ausgraben“, entdecken und verfolgen Nietzsches Einfluss auf das religiöse Denken, auf die Symbolisten und Marxisten sowie auf Michail Bachtins Kultursemiotik.

Epochengeschichtlich vor allem konzentriert auf die Zeit der europäischen Romantik, das Fin de siècle und das frühe 20. Jahrhundert, hat sich Maria Deppermann sich in ihren literaturwissenschaftlichen Arbeiten u.a. mit der künstlerischen Moderne im europäischen Vergleich, mit Filmtheorie und -analyse sowie dem Verhältnis von Kultur und Religion bzw. von Literatur und Musik beschäftigt. Die Reihe der Autoren, zu denen sie in diesem Zusammenhang publizierte, ist lang und reicht von Puschkin und Gogol über Turgenjew, Tolstoi und Dostojewski bis zu Anton Tschechow, Alexander Blok, Anna Achmatowa, Marina Zwetajewa, Isaak Babel, Ossip Mandelstam und Vladimir Nabokov. Eindrücklicher als diese Aufzählung und die stichwortartige Nennung ihrer Forschungsschwerpunkte mögen einige Aufsatztitel den Themenreichtum und zugleich den innovativen Charakter ihrer Arbeiten andeuten, etwa: „Theater als Kultursymbol, ‚Epideixis der Unendlichkeit‘: Das Fragment in der ‚ästhetischen Revolution‘ der Frühromantik“, „Dostojewskij als Ahnherr der Surrealisten: Prolegomena zu einer Platzierung“, „Dialogische Klangcollagen der ‚Pansonorité‘: Texte und Kontexte im Werk des Komponisten Juan Allende-Blin“. Dass Maria Deppermann auch zahlreiche Opernkritiken verfasst hat, rundet das Bild ihrer Vielseitigkeit ab. 

Seit 1992 organisierte Maria Deppermann die wissenschaftlichen Kooperationen des Instituts für Vergleichende Literaturwissenschaft der Universität Innsbruck mit der Intendanz der Salzburger Festspiele unter Gerard Mortier, der Ruhr Triennale und den Wiener Festwochen, aus denen eine Diplomarbeit und zwei Sammelbände hervorgingen. Seit 2002 leitete sie das vom Österreichischen Wissenschaftsfonds geförderte Forschungsprojekt „Experiment der Freiheit – Russische Moderne im europäischen Vergleich“.

Maria Deppermanns besonderes Interesse galt seit ihrer Studienzeit der russischen Philosophie. Die Beschäftigung mit diesem exotischen und im damaligen Wissenschaftsbetrieb weitgehend marginalisierten Thema erfuhr einen Aufschwung, als seit Mitte der achtziger Jahre im Zuge von Gorbatschows Perestrojka die Werke bis dahin verfemter und verbotener Dichter und Denker in die Öffentlichkeit zurückkehrten und russischen Wissenschaftlern die Teilnahme an Tagungen im Westen gestattet wurde; so erstmals bei einem Kongress zum Werk des Philosophen, Theologen und Universalgelehrten Pawel Florenski in Bergamo im Januar 1988, an dem auch Maria Deppermann teilnahm. Im Februar 1989 gründete sie zusammen mit dem Theologen Ludwig Wenzler, Direktor der Katholischen Akademie Freiburg, der mit einer fundamentalen Studie über Solowjow promoviert hatte, einen überregionalen und schließlich internationalen Arbeitskreis. Auf den in den folgenden Jahren regelmäßig stattfindenden Tagungen trafen sich Philosophen, Philologen, Historiker und Theologen, um Fragen der russischen Philosophie zu diskutieren und einer interessierten Öffentlichkeit zu vermitteln. Bereits an der dritten Jahrestagung 1991 zum Thema „Aktuelle Fragen der russischen Philosophie“ konnten vier russische Referenten teilnehmen. Die Bemühungen um die Erforschung und Vermittlung russischen Denkens gipfelten in einem von Maria Deppermann im Mai 1994 an der Universität Innsbruck organisierten und gemeinsam mit Ludwig Wenzler geleiteten internationalen Symposion unter dem für die gesamte bisherige Arbeit gleichsam programmatischen Titel „Russisches Denken im europäischen Dialog“, an dem 26 Vortragende aus acht Ländern teilnahmen. Die Beiträge wurden anschließend in einem vielbeachteten Sammelband veröffentlicht.

Maria Deppermann hat sich unermüdlich für eine Verständigung zwischen Ost und West eingesetzt, die auf solidem Wissen beruht. Sie wies aber auch früh auf die Gefahren eines „sturen Fundamentalismus“, „engen Sektierertums“ und eines „neurotischen Messianismus“ hin. Hoffte sie dennoch, wie sie in der Ankündigung des Innsbrucker Symposions schrieb, auf „neue Formen des Dialogs für ein künftiges offenes Europa“, so sind der Optimismus und die Faszination von damals inzwischen Nüchternheit, ja Enttäuschung gewichen. Spätestens seit Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine, der nach den Worten des Patriarchen Kirill auch ein erklärter „heiliger Krieg aller Russen“ gegen die Kultur und die Werte des verächtlich so genannten „kollektiven Westens“ ist, ist eingetreten, wovor sie gewarnt hatte. 

Michael Hagemeister

Maria Deppermann und Ludwig Wenzler bei der Eröffnung des Internationalen Symposions „Russisches Denken im europäischen Dialog“, Innsbruck, 12. Mai 1994.

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