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„Digitale Medien eignet man sich nicht ‚nebenbei‘ an“ – Universität Innsbruck
Mädchen sitzt vor einem Laptop, man sieht den Bildschirm, das Mädchen nur von der Seite. Außerdem sind Schulutensilien im Bild zu sehen.

Wie angehende Lehrer:innen auf den Schulalltag mit digitalen Geräten vorbereitet werden können, ist Thema der Forschung am Institut für Fachdidaktik.

„Digitale Medien eig­net man sich nicht ‚nebenbei‘ an“

Wie lehramtsstudierenden am besten der Einsatz digitaler Medien vermittelt werden kann, hat der Physikdidaktiker Thomas Schubatzky näher untersucht. Ein Fazit: Der Umgang mit Smartphone und Co. im Unterricht sollte im Studium jedenfalls Thema sein, allerdings auch mit einem kritischen Blick.

Digitale Medien sind allgegenwärtig – auch im Schulunterricht arbeiten Lehrer:innen immer häufiger mit digitalen Hilfsmitteln. Physikdidaktiker Thomas Schubatzky hat sich in einer aktuellen Studie angesehen, wie angehenden Lehrer:innen im Studium der Einsatz digitaler Medien vermittelt werden kann. Im Interview spricht er über die Ergebnisse dieser Erhebung.

Welche Rolle spielen digitale Medien in der Ausbildung von Lehrer:innen heute?
Thomas Schubatzky: Digitale Medien spielen eine immer größer werdende Rolle im Schulunterricht. Im Physikunterricht ist das etwa die Nutzung von Simulationen, Smartphone-Sensoren oder Erklärvideos. Diese haben durchaus auch das Potenzial, Verständnisprozesse zu erleichtern. Manchmal wird jedoch das Bild vermittelt, als wären digitale Medien ein Selbstläufer, als würde die alleinige Bereitstellung dieser schon reichen, um Lernprozesse zu verbessern. Das ist aber keineswegs der Fall, sondern es braucht dahingehend professionalisierte Lehrkräfte, die dieses Potenzial auch nutzen können. Deshalb sollte der sinnvolle Einsatz digitaler Medien auch bereits Teil der fachdidaktischen lehramtsausbildung sein.

Ist der Einsatz digitaler Medien im Unterricht an Schulen auch Gegenstand der Ausbildung angehender Lehrer:innen und wenn ja, in welcher Form?
Schubatzky: Verpflichtend ist das im deutschsprachigen Raum nicht. Im lehramt Physik etwa bieten wir aber an der Universität Innsbruck ein eigenes Seminar an, das sich mit dem fachdidaktisch begründeten Einsatz digitaler Medien auseinandersetzt. Um den Studierenden hier bestmögliche Lernangebote stellen zu können, arbeiten wir dazu mit insgesamt vier weiteren Universitäten aus dem deutschsprachigen Raum zusammen und beforschen auch unsere Ausbildung.

In einer aktuellen Studie haben Sie sich die Entwicklung digitaler Kompetenzen von Lehrkräften angesehen, insbesondere im Unterrichtsfach Physik. Wie sind Sie dabei vorgegangen?
Schubatzky: Diese Studie war Teil eines größeren Projektes in Kooperation mit den Universitäten in Aachen, Graz, Paderborn und Tübingen. Um die Entwicklung dieser digitalen Kompetenzen im Laufe eines Seminars zum sinnvollen Einsatz digitaler Medien überhaupt feststellbar zu machen, haben wir etwa ein spezifisches Testverfahren für das „physikdidaktische Wissen zum Einsatz digitaler Medien“ im Projekt entwickelt und validiert. Durch eine Kombination zwischen einem quantitativen Pre-Post-Ansatz und retrospektiven Interviews wird es schließlich im Gesamtprojekt möglich, Verbindungen zwischen Lerngelegenheiten und Kompetenzentwicklung herzustellen. Der unlängst erschienene Artikel fokussiert jedoch auf die individuellen Lernvoraussetzungen der Physik-lehramtsstudierenden in derartigen Seminaren, um Antworten über die Strukturierung der lehramtsausbildung zu erhalten – also wann im Studium ein derartiges Seminar etwa angeboten werden sollte. Die Analysen haben wir dabei im Paradigma der Bayes’schen Statistik durchgeführt, die uns einige wichtige Vorteile gegenüber einer frequentistischen Betrachtungsweise brachte. So ist man etwa durch Nutzung bayes’scher Statistik nicht mehr auf die Betrachtung von sogenannten „p-Werten“ angewiesen, die durchaus auch in der Kritik stehen.

Ein Ergebnis ist unter anderem, dass hohe Motivation der angehenden Lehrer:innen, digitale Medien im Unterricht einzusetzen, den tatsächlichen Kompetenzerwerb behindert. Das wirkt überraschend, wie erklären Sie sich das?
Schubatzky: Tatsächlich war es auch für uns überraschend, dass Studierende, die besonders motiviert sind, digitale Medien später im Unterricht einzusetzen, tendenziell weniger im Seminar dazulernten. Hier sind unterschiedliche Mechanismen denkbar, denen wir uns gerade in Folgeanalysen näher widmen: In der Öffentlichkeit wird manchmal der Eindruck vermittelt, als wären digitale Medien ein Selbstläufer. Vielleicht ist es also so, dass Studierende, die zu Beginn des Seminars besonders motiviert sind, später digitale Medien zu nutzen, hier einem „confirmation bias“ unterliegen: Sie fokussieren also im Seminar nur auf die positiven Aspekte von digitalen Medien, während Herausforderungen und Grenzen von digitalen Medien weniger Aufmerksamkeit geschenkt wird. Bei einem qualitativ hochwertigen Unterricht geht es aber genau darum, digitale Medien gezielt, zweckbezogen und eher kurzfristig einzusetzen.

Wie würden Sie die weiteren Ergebnisse Ihrer Studie zusammenfassen?
Schubatzky: Kurz zusammengefasst lässt sich sagen, dass Seminare zum Einsatz digitaler Medien definitiv ihren Platz in der lehramtsausbildung haben sollten, aber eher in fortgeschritteneren Semestern, wenn die Studierende schon auf eine solide Wissensbasis über guten Unterricht zurückgreifen können. Ein gesundes Interesse an digitalen Medien scheint den Kompetenzerwerb von Studierenden zu unterstützen, während wie eben schon angesprochen übermäßige Motivation eher hinderlich zu sein scheint. Das lässt auch bisherige Studien in einem anderen Licht erscheinen, die oftmals die Motivationsförderungen von Studierenden zu digitalen Medien angestrebt haben. Unsere Studie zeigt, dass es nicht sinnvoll ist, nur die Motivation zu fördern, sondern es kommt genauso auf das Wissen über den fachdidaktisch begründeten Einsatz dieser im Unterricht an.

Lassen sich aus Ihrer Studie Schlüsse für die künftige Ausbildung von Lehrer:innen ziehen, insbesondere über den Einsatz digitaler Medien?
Schubatzky: Definitiv – Studierende sollten sich jedenfalls mit dem fachdidaktisch begründeten Einsatz digitaler Medien auseinandersetzen, denn Wissen darüber eignet man sich nicht einfach so „nebenbei“ an. Ein zentraler Pfeiler für die Förderung digitaler Kompetenzen, in unserem Fall besonders das physikdidaktische Wissen zum Einsatz digitaler Medien, ist eine kritische Reflexion des Medieneinsatzes, etwa in praktischen Phasen in Seminaren. Studierende müssen erkennen, dass es eben nicht reicht, alle Schüler:innen mit einem Endgerät auszustatten, um das Potenzial digitaler Medien zu nutzen. Sondern, dass es fachdidaktisch durchdachte Unterrichtsplanung und -gestaltung braucht, um Lernprozesse von Schüler:innen auch tatsächlich zu erleichtern. In der Physiklehramtsausbildung an der Universität Innsbruck arbeiten wir hier intensiv daran, Studierende dabei auch bestmöglich zu unterstützen.

Zur Person

Portraitfoto von Thomas Schubatzky

Thomas Schubatzky.

Thomas Schubatzky, geboren 1989 in Bruck an der Mur, ist seit August 2022 Assistenzprofessor für Didaktik der Physik am Institut für Fachdidaktik, wo er den Bereich Mathematik und Naturwissenschaften leitet, sowie am Institut für Experimentalphysik. In seiner Forschung befasst er sich unter anderem mit fachlichen Lernprozessen und Lernvoraussetzungen zum Themengebiet Klimawandel/Klimaphysik, der Professionalisierung bei (angehenden) Lehrkräften zur Digitalisierung im Physikunterricht und der Entwicklung von „Fake-News Resilienz“ im naturwissenschaftlichen Unterricht. Er ist Mitglied in mehreren Fachgesellschaften und unter anderem Gutachter in der Approbationskommission für Naturwissenschafts-Schulbücher im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung.

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