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Siebenrock Roman: Zum Segen werden. Die „Leib Christi – Prozession“ als öffentliches, feierliches und verbindliches Versprechen. Zur Feier von 250 Jahre Fronleichnamsprozession in Maria Hilf, Innsbruck
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Zum Segen werden. Die „Leib Christi – Prozession“ als öffentliches, feierliches und verbindliches Versprechen. Zur Feier von 250 Jahre Fronleichnamsprozession in Maria Hilf, Innsbruck

Autor:Siebenrock Roman
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2017-06-06

Inhalt

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In dieser Zeit der anhaltenden Transformation von Kirche und Gesellschaft werden wir immer wieder danach gefragt, wie wir mit unserem Erbe, das schön und seltsam, ermutigend und belastend ist, umgehen. Frömmigkeitsformen kommen und gehen. Immer aber sucht sich der glaubende Sinn neue Ausdrucksformen, persönlich und gemeinschaftlich, im stillen Kämmerlein und in der Öffentlichkeit. Diese poietische, hervorbringende kulturkreative Kraft des Glaubens ist immer für Überraschungen und Veränderungen gut und nuanciert und verändert, auch wenn alles gleich zu bleiben scheint. Gewiss mag manchem in Tirol die symbolische Schönheit der Landesfolklore Grund genug, Traditionen als Kulturgut zu pflegen. Deshalb wird auch von Traditionsverbänden gesprochen. Doch auf Dauer wird die bloße Berufung auf Tradition nicht hinreichen. Soll eine Tradition dem nächsten Ansturm von innen oder außen gewachsen sein, dann müssen wir uns heute schon auf die sinngebende Mitte der Tradition besinnen; gerade in der Verantwortung für die Zukunft des christlichen Glaubens. Diese Mitte kann für Christgläubige nur das Evangelium, letztlich immer nur Christus selber sein; - Christus, der war, ist und kommen wird. Wie also, das ist meine Leitfrage, kommt uns der Herr des Lebens selbst in der Fronleichnamsprozession entgegen? Und was zeigen wir von der Mitte des Evangeliums wenn wir „de-monstrieren“ („aufzeigen, ja: beweisen)? Was wird an der Prozession für die Außenstehenden von Kirche erkennbar, ablesbar, ja auch verstehbar?

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Schauen: uns selbst im Blick auf den Leib des Herrn inszenieren

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Wir Menschen verstehen uns selbst, die anderen und die Welt nur dadurch, dass wir uns ein Bild und eine Vorstellung davon machen, in denen wir uns selbst immer auch miterfahren. Wir reagieren nicht einfach, sondern stellen uns immer wieder mögliche Welten und mögliche Selbste vor. Die Frage „Wer bin ich?“, können wir nur beantworten, wenn wir uns vorstellen, wer wir hätte sein und wer wir werden könnten, und vielleicht sogar sollen? Nicht allein die Fakten, die Möglichkeiten, vor allem die noch verborgenen generieren unsere Welt und uns selbst. Und selbst, wenn wir jedes konkrete Bild verweigern und jede theatralische Gestalt zurückweisen, können wir das nur in Formen „bildlosen Ausdrucks“. Diese verschiedenen Vorstellungen und „Bilder von uns und den anderen“ werden in der Geschichte der Fronleichnamsfrömmigkeit gut ablesbar. Und wir müssen uns an diese erinnern, weil sie nicht nur unsere Praxis prägen, sondern auch die kritischen und skeptischen Zeitgenossen in ihrem Blick halten.

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Schauen: Mittelalterliche Ursprünge

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Welcher Vorstellung von Welt und Menschsein begegnen wir, wenn wir in die Traditionen der Fronleichnamsprozession hineinspüren? Das „Fest des allerheiligsten Leibes unseres Herrn Jesus Christus“ erwächst auf dem Hintergrund der mittelalterlichen Schaufrömmigkeit. In der Messfeier, in der die Kirche das Opfer Christi dem Vater darbringt und in ihrem Lob sich selbst, wird die Hostie erhoben, so dass alle, wenn auch von weit, mit dem gegenwärtigen Herrn in Beziehung treten können. In ehrfürchtiger Scheu konnten die Glaubenden ohne Angst, sich das Gericht zu essen (vgl. 1 Kor 11,27-29), geistlich kommunizieren. So stark war das Essen des Leibes Christi in den Hintergrund getreten, dass das Vierte Laterankonzil (1215) vorschreiben musste, wenigstens einmal im Jahr zur Kommunion real zu gehen. Natürlich nur mit vorhergehender Beichte. Wer kann schon würdig sein, den Herrn real zu empfangen?

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Auf diesem Hintergrund wurde die Nonne Juliana von Lüttich wirkmächtig. Sie erzählte ihren Beichtvater, dass sie der Überzeugung war, dass in ihrer Vision einer unvollständigen Mondscheibe die Erkenntnis läge, dass ein Fest der besonderen Verehrung des Altarsakraments fehlen würde. Bischof Robert von Lüttich führte erstmals 1246/47 das Fronleichnamsfest ein. Ihr Beichtvater, Jakob Pantaleon, führte als Papst Urban IV, motiviert durch das eucharistische Wunder von Bolsena (1263), das Fest für die Gesamtkirche 1264 ein. Von Prozessionen war damals noch nicht die Rede; und es benötigte einige Zeit, dass das Fest allgemein rezipiert wurde.

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Es kann nicht verschwiegen werden, dass selbst in der Bulle von Urban IV („Transiturus de hoc mundo“ vom 11. August 1265[1]), mit der das Fest der Gesamtkirche vorgeschrieben wurde, die Verlegenheit nicht zu übersehen ist. Denn der angemessene Tag wäre der Tag der Einsetzung der Eucharistie, der Gründonnerstag also. Aber an diesem Tag sei die Kirche mit so vielen anderen Geheimnissen beschäftigt, wie die Fußwaschung und die Weihe der Öle, dass man einen anderen Tag suchen müsste, um der großen Gabe, in der der Herr sich selber schenkt, entsprechen zu können. Es wurde also ein thematisches „Metafest“ erfunden, das auch als Apologie der „Transsubstantiationslehre“ Bedeutung gewinnen wird.[2]

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Auch wenn das uns bisweilen heute merkwürdig erscheinen mag, ist, wie Karl Rahner es ausdrückte, das Fest zu einer Weihe des Alltags geworden: „Das Fest von Fronleichnam ist ein seltsames Fest. Es feiert, was jeden Tag in der bescheidenen Stille der Kirchen gefeiert wird: das Geheimnis der Altäre, Es zeigt in festlichem Zug, was jeden Tag nicht nur gezeigt, sondern empfangen wird, das heilige Brot des ewigen Lebens. Es hebt äußerlich empor, was sonst genossen wird, das himmlische Manna. Es ist fast, als ob das Fest den Versuch machte, eigens zu feiern, was doch jeden Tag geschieht, und doch daran scheiterte, weil der Alltag feierlicher als das hohe Fest begehen kann, worauf es schließlich ankommt: daß wir nämlich dieses Brot des ewigen Lebens als die Pilger zwischen Zeit und Ewigkeit empfangen, täglich neu, bis daß der Weg zu Ende ist und Gott uns ohne Schleier das ewige Brot der Herrlichkeit wird. Aber wie dem auch sei, wir feiern dieses Fest, damit der Alltag uns nicht allzusehr vergessen lasse, was wir jeden Tag feiern: das Mahl der Pilger zum ewigen Leben“.[3]

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Nicht nur im Barock: öffentliches Theater und Triumph über die anderen

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Erst später wurden mit diesem Fest Prozessionen verbunden, die alte Traditionen aufgriffen, in denen haus und Flur dem Segen Gottes anvertraut wurden. Selbstverständlich konnten durch die geographischen Gegebenheiten die Prozessionen dann auch auf Flüssen und Seen gestaltet werden. Die eucharistische Gabe wurde so zum Schöpfungslob; und zwar als Selbsterfahrung jener, die die Prozession gestalten und leben. Karl Rahner erfasst diesen Aspekt in poetischer Feinfühligkeit: „Die offene Weite wird zur Kirche, die Sonne zum Altarlicht, der frische Wind singt mit den Liedern der Menschen einen Chor, an den Straßenecken des Alltags stehen die Altäre, die ernste Versammlung vor Gott stehender Menschen wird zum bunt fröhlichen Zug der Schreitenden, und die unbeschwerten Vögel des Himmels schneiden ihren Flug mitten durch das Beten, das von der bekümmerten Erde aufsteigt, schon fast verwandelt in reinen Lobgesang.“[4]

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Diese Schöpfungstheologie wird zurückgebunden an die Überlieferung des viergestaltigen Evangeliums. In der symbolischen Vergegenwärtigung einer Idee des Irenäus von Lyon von der Katholischen Fülle[5] werden 4 Altäre, in vier Himmelsrichtungen errichtet, an denen die Anfänge der vier Evangelien vorgelesen und die eucharistischen Segen gespendet werden. Der fünfte Segen bildet den Abschluss. Der Barock, als katholische Identitätsmarkierung inszeniert den Triumphzug als sichtbares Zeichen der Schönheit und Faszination des sinnenfälligen Katholischen als Widerlegung der Häretiker und Kritiker dar[6] und stellt darin auch die Ordnung der Gesellschaft in Alt und Jung, Mann und Frau, Obrigkeit, Würdenträger und verschiedene Stände dar. Im Blick auf die Monstranz wird die Gemeinde, die Stadt, ja sogar das ganze Land sichtbar und versichert sich in diesem lebendigen Umgang sich selbst. Kulturelles Gedächtnis und Gemeinschaftsidentität werden eins und entwickeln durch lebendige Figuren und mancherorts mit Wagen theatralische Übertreibungen. Die Welt, wie Calderon sagt, ist eine Bühne, auf der wir das Theater der Geschichte spielen. Damit waren auf Dauer zwei Schräglagen verbunden. Zum einen die unübersehbare gegenreformatorische Abgrenzungsmarkierung und zum anderen die wachsende Zwangsverpflichtung der katholischen Einwohner, besonders der öffentlichen Angestellten, an diesen Prozessionen teilzunehmen. In Tirol sollten entsprechende Maßnahmen von Eduard Wallnöfer nicht vergessen werden. Damit wurde die Prozession zur Pflicht und als soziale Kontrolle installiert. Wer aber kann zwangsverordnet ein Fest feiern?

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Auch wenn die Aufklärung an dieser Veräußerlichung der Frömmigkeit scharfe Kritik übt, und dadurch im christlichen Milieu erhebliche Wirkungen erzielte, lebt die Idee der Prozession in der Demonstration, Aufmärschen und Umzügen fort. Menschen wollen sich mit ihren Überzeugungen in der Öffentlichkeit zeigen („demonstrare“) und dadurch Gruppenidentität stiften. Fasnachtsumzüge und Demonstrationen am 1. Mai haben von der Inszenierungskraft der Katholizität gelernt. So hat z.B. auch der Landesumzug im September 2009 einer ganzen Generation vermittelt, was und wer Tirol ist. Wenn wir daraus die entsprechenden Lehren ziehen, dann kann jemand heute nur an der Prozession teilnehmen, der Demonstrationen auch für andere ermöglicht und diese anerkennt; und seien sie noch so schräg.

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Volk Gottes unterwegs: in Christus der Zukunft Gottes entgegen

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Sollen und können wir diese Traditionen erneuern? Ein systematischer Theologe kann hier nur einige Orientierungen anbieten, ohne die Absicht zu hegen, den kreativen Glaubenssinn bestimmen oder gar zensieren zu wollen. Mit diesem Vorbehalt erlaube ich mir hier einige kurze Hinweise. Diese Hinweise sind geleitet von folgenden Grundoptionen. Die Prozession stellt ein öffentliches Versprechen dar, in dem die Gehenden sagen, wer sie sind, woran sie sich letztlich ausrichten und wie sie sich zu den anderen verhalten, was also die anderen von ihnen erwarten können. Die Gegenwart Christi, die sichtbar im Zeichen des Brotes feierlich gezeigt wird, ist weder auf den Tabernakel, noch auf die Kirche begrenzt. Seit der Fleischwerdung des Wortes Gottes hat sich Gottes Wort mit jedem Menschen verbunden und lebt mit jedem Menschen eine neue ewige Geschichte, die in Gott vollendet werden wird.[7] Aus diesem Grund macht die Prozession ausdrücklich die Christusgegenwart sichtbar; und sie sollte sie sichtbar machen an Orten, an denen wir es nicht vermuten.

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In der Prozession wird also sichtbar, dass wir unterwegs sind. Volk Gottes auf dem Weg durch die Geschichte. Wenn wir dabei Christus zeigen, dann sagen wir, wer wir sind. Wir werden, was wir essen und wir empfangen, was wir sind: Leib des Herrn. Christus-Trägerinnen, sein mystischer Leib in aller Gebrechlichkeit und Zeichenhaftigkeit. Wieder hat Karl Rahner diesen Aspekt ganz wunderbar zum Ausdruck gebracht: „So ist die Prozession das Sichtbarwerden der Bewegung des Menschen, durch die Räume seines Daseins auf sein Ziel hin und das Zeigen des Heiligen, das im letzten diese Bewegung trägt, in ihr bleibend beharrt und sie auf ihr eigentliches Ziel hinführt: Gott. Von hier aus kommen wir zum Sinn des Fronleichnamsfestes, zum Sinn der Eucharistie. Gewiß hat dieses Sakrament dort seinen vollen Sinn erreicht, wo es empfangen wird. Wo wir es auf unseren Altären bewahren und durch das Land unseres Lebens, es erhebend und zeigend, tragen, da ist es immer noch die Speise, die wir dann erst uns ganz aneignen, wenn wir sie genießen. Aber dennoch ist dieses Sakrament ein bleibendes Sakrament, das bewahrt, gezeigt, angebetet werden kann und soll, wie der Mensch mit seinem Blick sonst auch die Speise umfaßt und ersehnt, sie zu genießen bereit ist.“[8]. Und er fährt fort: „Unsere Zeitlichkeit und die Vielschichtigkeit der Räume unseres Daseins wird durch die ‚Bewegung‘ einer Prozession zur sinnfälligen Erscheinung gebracht. Aber dieser Zug ist nicht bloß ein Rudel, und diese Bewegung nicht nur die Massenflucht der Gehetzten durch die Zeit und die unwirtlichen Verbundenen, sie ist ein sanfter Strom von heiliger, ruhevoller Majestät, ein Zug, indem Hände milde gefalten, nicht Fäuste bitter geballt werden, ein Zug, der niemanden bedroht, keinen ausschließt und selbst die noch segnet, die verwundert am Rande stehen und nichts begreifend schauen, sie ist eine Bewegung und die Einheit der Bewegten bei sich hat. Der Herr der Geschichte und dieses heiligen Exodus aus der Verbannung nach dem ewigen Vaterland geht selber mit, es ist ein heiliger Gang, eine Prozession, die wahrhaft ein Ziel hat, vor sich und bei sich“.[9] (ebd., 173). Daher fasst die Prozession nicht nur unsere Existenz zusammen, sondern verdeutlicht, dass die Kirche selbst in dieser Geschichte keine bleibende Stätte haben darf und kann; und deshalb alle Kirchen, alle Institutionen und alle Sakramente zu diesem Äon gehören, der vergeht und der der Erlösung noch harrt.[10] „Pilger und Fremdlinge sind wir ohne bleibende Stätte, noch suchend das Künftige und Bleibende, das Ziel und die ewige Ruhe, die die höchste Lebendigkeit und das Leben schlechthin ist. Aber Pilger, mit deren Schuld, die sie treibt, auch das Erbarmen Gottes geht, Pilger, die das Ziel schon in Besitz haben, da nur noch offenbar werden muß, was wir schon haben und sind, Pilger einer unendlichen Bewegung auf das Ziel und im Ziel, Pilger eines einzigen Zieles, die in Liebe eins sind durch das eine Brot des ewigen Lebens. Lasset uns gehen, heute und immerdar, unverdrossen alle Straßen dieses Lebens, die ebenen und die rauhen, die seligen und die blutigen, der Herr ist dabei, das Ziel und die Kraft des Weges ist da. Unter dem Himmel Gottes zieht auf den Straßen der Erde eine heilige Prozession. Sie wird ankommen. Denn schon heute feiern Himmel und Erde zusammen ein seliges Fest“.[11]

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Dieses Brot, das für uns die Gegenwart Christi ausdrücklich in Erinnerung ruft, zeigt auch an, wenn wir in öffentlicher Weise gehen, dass Christus nicht durch Kirchenmauern und uns selbst beschränkt sein kann. Er war und ist ja für uns und die Vielen, das heißt prinzipiell alle hingegeben. Weil wir zum Herrn gehören, der sich an alle austeilt, sind wir auch allen Menschen zugesellt. Er will uns und unsere Welt in seine heilsame Gegenwart verwandeln. Die Hostie sagt nicht, nur hier ist der Herr. Sie zeigt vielmehr an, dass er mitten unter uns ist. Diese Überschreitung kann in den Altären sichtbar und konkret versprechend zum Ausdruck gebracht werden. Dann müssten auch nicht immer die Anfänge der Evangelien vorgelesen werden, sondern jenes Wort des Herrn das hier und heute uns unbedingt anzusprechen vermag.

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Die Prozession ist der wandernde Altar selbst. Im Blick auf das Heilige Brot gibt die Gemeinde ein öffentliches Bekenntnis als wanderndes Volk Gottes in der Hoffnung auf die Zusage: „Ich bin bei Euch alle Tage bis zum Ende der Zeit“ (Mt 28, 29). Dieses Wort am Ende des Matthäusevangeliums ist auch gesagt zu den Zweifelnden und skeptisch Überforderten. Daher schließt die Prozession niemanden aus, verlangt von niemanden ein ausdrückliches Bekenntnis. Alle können, wenn sie nicht die Grundordnung sprengen, daran teilnehmen und in diesem Tun erfahren, was es heißt als Mensch mit dem Volk Gottes unterwegs zu sein. Wenn Altäre die bevorzugten Orte der Gegenwart Christi anzeigen, dann könnten diese aus der konkreten Situation der Gemeinde vielleicht in folgender Weise ausgestaltet werden.

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Der Erste Altar könnte die Gegenwart Christi in der konkreten Gemeinde vor Ort in ihrer Verbundenheit mit dem Bischof, aber auch mit allen Getauften zum Ausdruck bringen. Dann wäre es schön, wenn die Vielfalt unserer Kirche, die bereits auch bei uns Weltkirche geworden ist, zum Ausdruck käme: Glauben aus allen Kontinenten, aller Altersstufen, jeglichen Geschlechts in der bunten Vielfalt der Kinder Gottes. Dann könnten wir zeichenhaft zeigen, dass die Berufung zur Katholizität immer die nationalen Beschränkungen und Gruppenegoismen überwinden muss.

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Der zweite Altar könnte die von Jesus selbst angesagte und bevorzugte Weise seiner Gegenwart verdeutlichen (siehe: Mt 25). Wir könnten unsere Stadt und Gemeinde von der Peripherie her anschauen und jene ins Licht bringen, die oft im Schatten leben und vergessen sind: Arme, Kranke, Obdachlose, die Opfer unseres Lebensstils. Mit diesem Sprechakt wäre dann immer das Versprechen verbunden, sich nicht nur für sie einzusetzen, sondern eine Gesellschaft mitzugestalten, die am realen guten Leben der Menschen ihren letzten Maßstab zu gewinnen sucht. Dann wäre die Prozession ein Versprechen, das die Orientierung von Papst Johannes Paul II. an diesem konkreten Ort einlöst: Der Mensch, dieser Mensch ist der Weg der Kirche.[12]

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Der dritte Altar sollte der unvermuteten, immer auch fremden Christusgegenwart in unserer Gesellschaft außerhalb der Kirchenmauern gewidmet sein. Es gibt auch unter uns Menschen, die, aus welchen Motiven auch immer, auf Abstand zur Kirche gehen und dennoch dem Evangelium und dem Reich Gottes ganz nahe sind, die durch den Geist bewegt werden und sich für Würde und Freiheit der Menschen; Frieden und Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung einsetzen. Um diese zu erkennen, sollten auch wir tun, was das letzte Konzil der gesamten Kirche als Auftrag auf Dauer ans Herz gelegt hat: Die Zeichen der Zeit im Licht des Evangeliums lesen.[13]

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Der vierte Altar müsste alle Vorstellungen der Selbstbezüglichkeit und der eigenen Wichtigkeit in die unbegrenzte Weite aller Wirklichkeit öffnen, auf den universalen, kommenden und den ganzen Kosmos verwandelnden Christus hin. Der Hymnus aus dem Epheserbrief preist, dass Gott im fleischgewordenen Wort den ganzen Kosmos mit sich versöhnt hat (Eph 1,3-2,22) und dem Kolosserbrief ist es aufgetragen, den Sieg Christi über alle Mächte und Gewalten im  Himmel und auf Erden zu verkünden (Kol 1,12-20). Als Haupt der erlösten Menschheit ist der ganze Kosmos zum Leib Christi geworden. Hier müssten wir uns überfordern lassen durch die Vision universaler Versöhnung, die in der jüngeren Geschichte des Christentums vielleicht nur Teilhard de Chardin SJ zu sehen gewagt hat. Nur in dieser Weitung ist das sichtbare Brot wirklich das „Sakrament der Welt“.[14] Denn in ihm wird alle Materie inkarniert.[15]

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Deshalb können auch wir uns von dem Gebet berühren lassen, das Teilhard de Chardin nach den Einsetzungsworten spricht: „Es ist getan. Das Feuer hat wieder einmal mehr die Erde durchdrungen. Es ist nicht lärmend auf die Gipfel herabgefallen wie der Blitz in seinem Glanz. Bricht der Herr die Türen auf, um bei sich einzugehen? Ohne Erschütterung, ohne Donner hat die Flamme alles von innen her erleuchtet. Vom Herzen des geringsten Atoms bis zur Energie der universellsten Geschöpfe hat sie individuell und in ihrer Gesamtheit jedes Element, jede Triebkraft, jede Bindung unseres Kosmos so natürlich durchdrungen, daß man von ihm glauben könnte, er habe sich spontan entflammt.“[16] So feiert und zeigt die Prozession die Heiligung aller Wirklichkeit: „Jetzt, Herr, gewinnen, durch die Konsekration der Welt, der im Universum schwebende Schein und Duft für mich Leib und Gesicht in Dir. Was mein zauderndes Denken erahnte, was mein Herz in einem unwahrscheinlichen Verlangen forderte, gibst Du mir großartig: Daß nämlich die Geschöpfe nicht nur derart untereinander solidarisch seien, daß keines existieren könnte ohne alle die anderen, die es umgeben – daß sie vielmehr derart von ein und demselben wirklichen Zentrum abhängen, da ein wahrhaftes Leben, dem sie gemeinsam unterworfen sind, ihnen endgültig ihre Konsistenz und ihre Vereinigung gibt.“[17]

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Immer überschreitet die Prozession die Kirchenmauern und Gemeindegrenzen; aber auch die Grenzen des Menschen, ja die Grenzen unserer Erde, selbst unserer Galaxie. Weil Gott nicht unser Eigentum ist, und Christus in verschiedener Weise überall gegenwärtig ist, ermutigt uns die Prozession, seine Gegenwart zu zeigen, wenn wir Altäre bauen und den Segen spenden: bei den Armen, im dankbaren Lobpreis, in den Kranken und Sterbenden, im selbstlosen Dienst, in der Freundschaft und im seligen Verstummen vor dem alle Wirklichkeit durchdringenden und tragenden Gegenwart des seligen Geheimnisses Gottes. Und gerade in dieser letzten Orientierung sagt die Prozession im Anblick auch der Mächtigen und Großen dieser Welt, die mitziehen mögen: „Das Niederknien vor der Eucharistie ist Bekenntnis der Freiheit: Wer sich vor Jesus niederkniet, kann und darf sich vor keiner noch so starken irdischen Macht niederwerfen. Wir Christen knien nur vor dem Allerheiligsten Sakrament, weil wir wissen und glauben, daß in ihm der einzige wahre Gott gegenwärtig ist, der die Welt geschaffen und so sehr geliebt hat, daß er seinen einzigen Sohn hingab (vgl. Joh 3,16).“[18]

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Anmerkungen

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[1] Deutsche Übersetzung bei: Ott, Georg, Eucharisticum, Regensburg 1869, S. 207-209; lateinischer Text: https://w2.vatican.va/content/urbanus-iv/la/documents/bulla-transiturus-de-mundo-11-aug-1264.html

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[2] Siehe zu den Hintergründen und Entwicklungen des Festes: Maur auf der, Hansjörg, Feiern im Rhythmus der Zeit I. Herrenfeste in Woche und Jahr, Regensburg 1983, 199-207.

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[3] Rahner, Karl, Fest des täglichen Brotes, in SW 14 (2006), 190-192, hier 190)

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[4] Rahner, Karl, Fronleichnam, in: SW 7 (2013), 172-176, hier 172-173.

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[5] Irenäus von Lyon, Adversus Haereses - Gegen die Häresien. Bücher I-IV, Freiburg - Basel - Wien/Barcelona - Rom - New York 1993-2001, III, 11, 8.

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[6] Das Konzil von Trient hält ausdrücklich 1555 fest: „Das heilige Konzil erklärt außerdem, daß in sehr frommer und religiöser Gesinnung der Brauch in der Kirche Gottes eingeführt wurde, daß dieses erhabene und ehrwürdige Sakrament in jedem Jahr an einem eigenen Festtag mit besonderer Verehrung und Festlichkeit gefeiert wird, und daß es in Prozessionen ehrfürchtig und ehrenvoll durch öffentliche Straßen und Plätze herumgetragen wird. Es ist nämlich höchst richtig, daß einige heilige Tage festgelegt sind, an denen alle Christen durch eine besondere und gewissermaßen seltene Kundgebung ihre dankbare und erkenntliche Gesinnung gegenüber dem gemeinsamen Herrn und Erlöser bezeugen angesichts der so unaussprechlichen und eindeutig göttlichen Wohltat, durch die der Sieg und Triumph seines Todes dargestellt wird. Und zwar sollte die siegreiche Wahrheit einen solchen Triumph über Lüge und Häresie feiern, daß ihre Gegner, in den Anblick eines so großen Glanzes und in eine so große Freude der gesamten Kirche versetzt, entweder entkräftet und gebrochen dahinschwinden oder von Scham erfüllt und verwirrt irgendwann einmal wieder zur Einsicht kommen“ (DzH 1644).

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[7] Siehe hierzu das Zweite Vatikanische Konzil: Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“, Nr. 22.

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[8] Rahner, Karl, Fronleichnam, in: SW 7 (2013), 172-176, hier 173.

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[9] Ebd., 173.

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[10] So das Zweite Vatikanische Konzil: Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen gentium“, Nr. 48.

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[11] Rahner, Anm. 5, 176.

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[12] Johannes Paul II, Enzyklika Redemptor hominis (4.3. 1979), Nr. 13-14)

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[13] Siehe hierzu: Siebenrock, Roman A. (Hrsg.), „Zeichen der Zeit“. Zur Operationalisierung des christlichen Bekenntnisses vom Heilswillen Gottes«, in: Zeitschrift für Katholische Theologie, 136, (2014, Heft 1 und 2),   46–62.

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[14] De Chardin, Teilhard, Lobgesang des Alls. Olten und Freiburg i.Br. 51978, 23.

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[15] Ebd., 21.

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[16] Ebd., 20.

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[17] Ebd., 22.

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[18] Papst Benedikt XVI., Fronleichnamspredigt 2008 (siehe: https://w2.vatican.va/content/benedict-xvi/de/homilies/2008/documents/hf_ben-xvi_hom_20080522_corpus-domini.pdf; abgerufen Mai 2017)

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