This is a cache of https://www.uibk.ac.at/universitaetsarchiv/naturwissenschaften-1900/. It is a snapshot of the page at 2024-11-20T22:28:49.041+0100.
Naturwissenschaften 1900 – Universität Innsbruck

Peter Goller
Eine Vermessung: Zur Lage der Naturwissenschaften an der Universität Innsbruck an der Jahrhundertwende 1900

„Das philosophische Professorenalbum 1902“

 

      0. Vorbemerkung

1902 widmeten die Professoren und Dozenten der Philosophischen Fakultät Innsbruck ihrem emeritierten Kollegen, dem Chemieordinarius Karl Senhofer (1841-1904), ein Porträtalbum „zur Erinnerung an die Jahre 1874-1902“.[1]

Diesem im Universitätsarchiv Innsbruck verwahrten Album ist ein Bild der 1900 eröffneten „Neuen Chemie“ - heute „Alte Chemie“, Peter-Mayr-Straße 1 - vorangestellt, ein jahrelanger Innsbrucker Gebäudewunsch, der die naturwissenschaftlichen Forschungsbedingungen teilweise verbesserte.

Das Album selbst enthält die Bilder aller 32 Professoren und 10 Dozenten, davon zwölf Professoren bzw. sechs Privatdozenten naturwissenschaftlicher Fächer, zwei Professoren lehrten innerhalb der Philosophischen Fakultät an der Fächergrenze so der Brentano-, Mach- und Hering-Schüler Franz Hillebrand (Philosophie mit dem Schwerpunkt experimentelle psychologie) und Franz Wieser (Geograph mit historischem Schwerpunkt).

Zur naturwissenschaftlichen Forschung sind noch einige Vertreter medizinisch-theoretischer Fächer hinzuzurechnen. Mit Stand 1902 waren dies die medizinischen Chemiker Wilhelm Franz Löbisch und Hans Malfatti, sowie der Pharmakologe Joseph Nevinny.

 

  1. Studentische Basis

Neben der Zahl der Habilitierten und Assistenten ist der Dissertationsbetrieb ein zentraler Indikator für Qualität und Umfang naturwissenschaftlicher Forschung. In den zwei Jahrzehnten vor 1914, d.h. im Zeitraum von 1895 bis 1914 wurden an der Universität Innsbruck fast genau 300 Doktoren der Philosophie promoviert, ein Drittel, das sind 96 Kandidaten, wurden aus einem naturwissenschaftlichen Fach graduiert.

In vorliegendem Beispiel 1902, dem Jahr des „Professorenalbums“ also, sind dies vier Kandidaten. Um einen breiteren Einblick zu erlangen, werden zusätzlich die Doktoren der Kalenderjahre 1901, 1903, 1904 und 1905 angeführt:

 

1901

Karl Lorenz, Schwaz, Tirol, 19

Vater: Johann, Lehrer

Matura: Brixen

Studienbeginn: 1896

Dr.phil.: 04.02.1901, Mathematik und Physik ‑ Diss: „Die eigentlichen dreifachen Integrale“

 

Max Prodinger, Fürstenfeld, Steiermark, 21

Vater: Georg, k.k. Tabak‑Hauptfabriks‑Inspector in Schwaz, Tirol

Matura: Feldkirch Realgymnasium

Studienbeginn: 1895

Dr.phil.: 02.07.1901, Physik und Mathematik ‑ Dissertation: „Ueber die Abhängigkeit des Temperaturcoefficienten eines Magnetes vom Momente“

 

Theodor Konrath, Hötting bei Innsbruck, 01.12.1877

Vater: Theodor, Maler in Innsbruck

Matura: Innsbruck

Studienbeginn: 1897

Dr.phil.: 05.12.1901, Mathematik und Physik ‑ Dissertation: „Theorie der Riemannschen Funktionen (...) und ihre Anwendung auf das Problem der Häufigkeit der Primzahlen“

 

Karl Krüse, Absam, Tirol, 19

Vater: Jakob, Fabriksleiter

Matura: Hall

Studienbeginn: 1896

Dr.phil.: 27.12.1901, Physik und Mathematik ‑ Dissertation: „Über die Änderung des Momentes eines Magnetes durch Erschütterung, sowie durch Abreißen und Abziehen von weichem Eisen“

 

1902

Adolf Sperlich, Mostar (zuständig nach Freudenthal in Österreichisch Schlesien Herzegowina), 18

Vater: Carl, Dr.med., k.k.Oberstabsarzt, Commandant des Truppen Spitals in Trient, später in Zagreb

Matura: Trient

Studienbeginn: 1897

Dr.phil.: 01.03.1902, Botanik und experimentelle Physik ‑ Dissertation: „Beiträge zur Kenntnis der Inhaltsstoffe in den Saugorganen der grünen Rhinanthaceen“

 

Franz X. Grissemann, SJ, Zams, Tirol, 14.12.1860

Vater: Franz, Organist

Studienbeginn: 1894 (zuvor Theologie)

Dr.phil.: 10.05.1902, Mathematik und Physik ‑ Dissertation: „Die Fraunhoferschen Beugungs‑Erscheinungen“ - Lehramtsprüfung: 06.12.1901 Mathematik, Physik

 

Bernhard Anton Spechtenhauser, OSB (Stift Marienberg), Vezan bei Schlanders, Vintschgau, 24

Vater: Peter, Bauersmann, Ökonom

Matura: Meran

Studienbeginn: 1893

Dr.phil.: 10.07.1902, Mineralogie und Physik ‑ Dissertation: „Diorit‑ und Norit‑Porphyrite von St.Lorenzen in Pusterthal“

 

Vincenz Brehm, Duppau, Böhmen, 01.01.1879

Vater: Alois, Notar in Königswart und Tachau

Matura: Eger 18.07.1898

Studienbeginn: 1898

Dr.phil.: 14.07.1902, Zoologie und Physik ‑ Dissertation: „Zusammensetzung, Vertheilung und Periodicität des Zooplankton im Achensee“ – Lehramtsprüfung ebenfalls 1902!

 

 

1903

Hugo Schwarz, Baden bei Wien,1880

Vater: Carl Guido, Apotheker

Studienbeginn: 1903, zuvor Universität Wien

Dr.phil.: 11.07.1903, Chemie ‑ Dissertation: „Über Indolinone“

 

Paul Waitz, Brixen, 20

Vater: Karl Kaufmann

Matura: Innsbruck

Studienbeginn: 1897

Dr.phil.: 11.11.1903, Chemie und Geologie ‑ Dissertation: „Darstellung und Bestimmung der Konstitution der Resodicarbon‑Säure“

 

Hermann Hayek, Edler von, Graz, 20.07.1880

Vater: Hans, Kunstmaler

Studienbeginn: 1900, vorher Universität München

Dr.phil.: 16.12.1903, Chemie und Physik ‑ Dissertation: „Über die Elektrolyse der Kaliumcyanide des Eisens, Mangans, Nickels und Kobalts“

 

Theodor Ohnesorge, Innsbruck, 24.05.1876

Studienbeginn: 1898

Dr.phil.: 21.12.1903, Geologie, Petrographie und Paläontologie ‑ Dissertation: „Der Schwazer Augengneis“

 

1904

Karl Wolf, Innsbruck, 18

Vater: Hilarius, Friseur

Matura: Innsbruck

Studienbeginn: 1898

Dr.phil.: 13.02.1904, Zoologie und Geologie ‑ Dissertation: „Beitrag zur Kenntnis der Gattung Braunina Heider“

 

Alessandro Canestrini, Rovereto, Trentino, 18, ital.

Matura: Rovereto

Studienbeginn: 1897

Dr.phil.: 21.07.1904, Zoologie in Verbindung mit Physik ‑ Dissertation: „Beiträge zur Kenntnis der Anatomie von Ascaris megalocephala“

 

Ferdinand Jüthner, Prag, 21.02.1877

Matura: Prag 1897

Studium an der Universität Prag

Dr.phil.: 22. Oktober 1904, Chemie Physik – Dissertation: „Über die Kondensationen der Anthranilsäure mit o- und p-Nitrobenzylchlorid“ - Lehramtsprüfung: 03.06.1905 aus Chemie Mathematik, Physik

 

1905

Hugo Karl Springer, OSB (in Seitenstetten), Behamberg, Niederösterreich, 09.01.1873

Vater: Johann, Bauer

Studienbeginn: 1899 (zuvor Theologie)

Dr.phil.: 06.05.1905, Physik und Mathematik ‑ Dissertation: „Die Entwicklung der Theorie des Lichtes von den alten Griechen bis auf unsere Zeit“

 

Karl Siegl, Eger, Böhmen, 06.04.1883

Vater: Karl, Archivar u. k. Rat

Matura: Eger

Studienbeginn: 1901

Dr.phil.: 08.05.1905, Physik und Astronomie ‑ Dissertation: „Neues Prinzip einer elektrischen Präzisionsuhr“

 

Adolf Zwack, Neuhaus, Böhmen, 14.02.1883

Vater: Johann, Dr.med. k.k.Stabsarzt, gest. (Mutter: Pension 800 Kr, 3 Joch Grund)

Matura: Eger 01.07.1901

Studienbeginn: 1901

Dr.phil.: 03.06.1905, Zoologie und Physik ‑ Dissertation: „Der feinere Bau und die Bildung des Ephippiums von Daphnia hyalina Leydig“

Lehramtsprüfung: 08.03.1906 Naturgeschichte, Mathematik, Physik

 

Josef Tomas, Weltpriester der Diöcese Olmütz, Wschechowitz, Mähren, 12.11.1876, tschech.

Vater: Josef , Ökonom, Grundbesitzer

Matura: Kremsier 27.07.1895

Studienbeginn: 1900 (zuvor k.k.theologische Facultät in Olmütz 1895‑1899)

Dr.phil.: 17.06.1905, Mathematik und Physik ‑ Dissertation: „Untersuchungen über allgemeine Canalflächen“ - Lehramtsprüfung: 07.06.1905 Mathematik, Physik

 

Heinrich Graziadei, Egerkingen in Solothurn, Schweiz (zuständig nach Fondo, Bezirk Cles), 22

Vater: Jakob, Bauführer, Bauaufseher in Hallein derzeit

Matura: Salzburg‑Borromäum

Studienbeginn: 1898

Dr.phil.: 26.06.1905, Physik und Mathematik ‑ Dissertation: „Über den Einfluß, den die Entfernung der sogenannten Hammerschlagschichte auf die magnetischen Eigenschaften von Eisen, Nickel und Kobalt ausübt.“

 

Wilhelm Duregger, Wilten bei Innsbruck, 16.04.1879

Vater: Ludwig, Dr.jur., Advokat

Matura: Hall

Studienbeginn: 1899

Dr.phil.: 08.07.1905, Chemie und Physik ‑ Dissertation: „Ein Oxydationsprodukt der Homooxysalicylsäure“

 

Ulrich Alfons Patscheider, OSB (gehört dem Stifte Marienberg an), Latsch, Vintschgau, 30.04.1874

Vater: Josef, Lehrer

Matura: Meran 20.06.1894

Studienbeginn: 1900 (zuvor Theologische Hauslehranstalt Marienberg)

Dr.phil.: 08.07.1905, Physik und Mathematik ‑ Dissertation: „Über Berechnung der Fraunhoferschen Beugungserscheinungen mit besonderer Berücksichtigung der Beugung durch kreisquadrantenförmige Öffnungen“ - Lehramtsprüfung: 20.06.1906 Mathematik, Physik

 

Josef Moriggl, Sand in Taufers, 12.09.1879

Vater: Josef k.k.Gewerbeschullehrer (3700 Kronen Gehalt) in Innsbruck

Matura: Innsbruck 07.07.1900

Studienbeginn: 1900

Dr.phil.: 19.07.1905, Geographie und Geologie ‑ Dissertation: „Beiträge zur physikalischen Geographie des Sellraintales“ - Lehramtsprüfung: 07.07.1906 Geschichte, Geographie

 

Guido Schiebel, Skrochowitz bei Troppau in österreichisch Schlesien, 04.05.1881

Matura: Ljubljana/Laibach 1899

Studienbeginn: 1901, weitere Studien an den Universitäten Wien und Leipzig

Dr.phil.: 21. Juli 1905, Zoologie Physik - Dissertation: „Die Phylogenese der Lanius-Arten (echte Würger)“

 

Maximilian Simon, Schönau b.Teplitz, Böhmen, 22.07.1869

Studienbeginn: 1895 (zuvor k.k.deutsche Carl‑Ferdinands‑Universität Prag)

Dr.phil.: 21.10.1905, Chemie und Physik ‑ Dissertation: „Selencyanpropionsäure und einige Verbindungen derselben“[2]

 

Naturwissenschaftliche Promotionen an der Philosophischen Fakultät Innsbruck

(1895-1914)


1895   1

1896   0

1897   1

1898   0

1899   7

1900   3

1901   4

1902   4

1903   4

1904   3

1905  10

1906   7

1907   8

1908   9

1909  10

1910   7

1911   6

1912   4

1913   2

1914   6

 

Die naturwissenschaftliche Forschung war an die Lehre allgemein, an die studentische Basis nicht nur der naturwissenschaftlichen Doktoranden, sondern vor allem der angehenden Mittelschulprofessoren, an einer mittleren Universität wie Innsbruck speziell auch der Mediziner, sowie der angehenden Apotheker und Pharmazeuten[3] gebunden.

Überfüllte Lehramtskarrieren oder überfüllte Ärztelaufbahnen gefährdeten auch die materielle Grundlage und Legitimation der Forschung, so etwa die philosophische Hörerstagnation der 1880er Jahre.

An der Philosophischen Fakultät stieg die Zahl der Studenten von 15 ordentlich Inskribierten im Wintersemester 1850/51 bis zur Jahrhundertwende auf 194 im Wintersemester 1900/01 an, wobei eben nicht übersehen werden kann, dass nach einem starken Frequenzanstieg bis in die Mitte der 1870er-Jahre, ausgelöst durch einen hohen Bedarf an Gymnasiallehrern, ein völliger Einbruch folgte. Nach dem Rekordzugang von fast 100 neuen Studenten zur Philosophischen Fakultät 1872/73 bewegte sich die Zahl der Immatrikulationen in den folgenden vier Jahren noch bei ca. 60-80, ehe sie sich ab 1876 für fast genau 20 Jahre zwischen mageren 20 und 40 Neuzugängen einpendelte. Erst knapp vor der Jahrhundertwende konnten wieder die Werte der frühen siebziger Jahre erreicht werden.

Mit Blick auf diese Tatsachen hielt es etwa der Historiker Alfons Huber 1880 für sinnlos, philosophische Lehrstühle allgemein, und speziell weitere historische Lehrkanzeln zu beantragen. Es gäbe zu viele Dozenten ohne Hörer, da die Studenten wegen der überfüllten Lehramtskarriere ausblieben. Er schreibt an seinen Kollegen Engelbert Mühlbacher: „Meine eigenen Anschauungen will ich Ihnen offen mittheilen. Ich halte die Errichtung einer solchen Professur an unserer Hochschule, wenn Sie in Wien unterkommen, vorläufig für ganz überflüssig, nicht weil ich glaube, daß Stumpf genüge, sondern weil aller Voraussicht nach in den nächsten Jahren und vielleicht lange, keine Lehramts-Candidaten für Geschichte sich finden werden; wenigstens sollte man jeden, der jetzt Geschichte studirt, ohne bedeutendes Vermögen zu besitzen, zuerst zur Beobachtung ins Narrenhaus schicken.“

Der Stillstand der geistes- und naturwissenschaftlichen Frequenz seit 1876 wurde, wie die Zeitgenossen Alfons Huber und der Innsbrucker Statistikprofessor Vinzenz John meinten, von einem „notorischen Ueberfluss an Lehramtskandidaten“ hervorgerufen. Die Zahl der approbierten Lehramtsprüfungen stieg von rund 10 bis 20 in den sechziger Jahren auf das 1879/80 erreichte Maximum mit 47 approbierten Kandidaten an. Die Approbiertenzahl sank dann auf den Tiefpunkt von 6 Prüfungen im Jahre 1891/92 und erreichte, nachdem die Überfüllung offensichtlich „ausgekühlt“ war, in den folgenden Jahren wieder das Niveau der sechziger Jahre.

An der Jahrhundertwende 1900 hatte dann die Innsbrucker medizinische Fakultät - im österreichischen Trend liegend - an einem großen Hörereinbruch zu leiden. Seit den 1890er Jahren hatten die Ärztekammern - so wie juristischen Standesvertretungen oder Vertreter philosophischer Fächer ihrerseits etwa vorher in den 1880er Jahren - vor schlechten Berufsaussichten gewarnt.[4]

Gerade 1902 machte die Rede von der „Ärzte-Überproduktion“ die Runde. Von einigen lokalen Ärztekammern wurde für die Abmahnung der Wiener Studentenschaft vom Medizinstudium geworben. Die deutsch-tirolische Ärztekammer verfügte etwa am 13. Mai 1902: „Die ‚Denkschrift der Wiener medizinischen Studentenschaft über die Stellung des jungen Arztes’, welche den Zweck verfolgt, den Zuzug der Studenten zu den medizinischen Fakultäten soweit als möglich einzudämmen, wurde über Ersuchen jenes Studentenausschusses in 12 Exemplaren um den Preis von K 3 angeschafft, von denen einzelne Exemplare den Kammermitgliedern zur Verfügung gestellt wurden. Von einem weiteren Schritte in dieser Richtung wurde im Hinblicke auf den gegenwärtig ohnehin schwachen Besuch der hiesigen medizinischen Fakultät Abgang (sic!) genommen.“ (Oesterreichisches Aerzte-Kammer-Blatt 3 (1902), 144 und 266. - Nach heftigem Widerstand wurden mit Ministerialverordnung vom 3. September 1900 Frauen zum medizinischen Studium und zum Doktorat zugelassen.)

Die naturhistorischen Lehrkanzeln (Botanik, Zoologie, Mineralogie), aber auch die Physik bekamen die Frequenzeinbrüche an der der medizinischen Fakultät unmittelbar zu spüren – wie ein Blick in die „Kolleggeld-Bücher“ zeigt. Bis Ende des 19. Jahrhunderts betreuten diese Lehrkanzeln den Unterricht für die „naturhistorischen Vorprüfungen“. Auch wenn die Mineralogie nach modifizierter medizinischer Rigorosenordnung 1899 nicht mehr verlangt wurde, blieb ein Prüfungsfach „allgemeine Biologie“ erhalten. Die mit der medizinischen Prüfungsordnung von 1899 erneut fest geschriebene fünfstündige Vorlesung für Physik mit Übungen durch zwei Semester war bei der experimentalphysikalischen Lehrkanzel angesiedelt.

 

HörerInnenfrequenz  an der Universität Innsbruck (1894-1914)

(jeweiliges Wintersemester, Gesamthörerzahlen (mit ao. Hörern und Hospitanten)

[Studienjahr/Gesamtuniversität/Philosophische Fakultät/Medizinische Fakultät]

 

1894/95 - 1008/141/323

1895/96 - 0981/141/301

1896/97 - 1009/139/285

1897/98 - 1011/150/274

1898/99 - 1087/178/257

1899/00 - 1034/179/220

1900/01-  1019/194/198

1901/02 - 1032/197/198

1902/03 - 1010/247/186

1903/04 - 1058/261/199

1904/05 - 1069/314/168

1905/06 - 1074/325/164

1906/07 - 1102/304/169

1907/08 - 1116/314/192

1908/09 - 1154/293/213

1909/10 - 1231/315/230

1910/11 - 1298/330/279

1911/12 - 1340/307/292

1912/13 - 1364/293/349

1913/14 - 1480/301/420

 

Quelle: jährlich veröffentlichte Berichte über die Studienjahre 1899-1914; Studentenzahlen vor 1898 bei Vinzenz John: Statistischer Teil, in: Die Leopold-Franzens-Universität Innsbruck in den Jahren 1848-1898, Innsbruck 1899, 67-264.

 

  1. Infrastruktur-, Dotations- und Personal-Basis 1902

Gebäude[5]

  • Die Neuanlage des Botanischen Gartens und der gleichzeitige Neubau eines modernen Botanischen Instituts in Innsbruck-Hötting in den Jahren 1906 bis 1910 war allein von der Verdoppelung der Gartenfläche (von einem auf rund zweieinhalb Hektar) her die wichtigste infrastrukturelle Verbesserung für die naturwissenschaftliche Forschung in den Jahren nach 1900. Für den Ankauf der Gartenparzellen hatte das Ministerium 1906 insgesamt 123.600 Kronen genehmigt.

 

  • Auch die Auslagerung der Chemie aus dem alten baufälligen Universitätshauptgebäude in das 1900 eröffnete chemisch-pharmakologische Institutsgebäude (heute: Peter-Mayr-Straße 1) stellte eine solche Verbesserung dar: Massiv gekürzte Baumittel führten aber zu baldigen Klagen der Institutsvorstände. Die Baukosten durften die Gesamtsumme von 260.000 Gulden nicht überschreiten. Die Medizinische Chemie musste in ihren alten beengten Räumen verbleiben, sodass der spätere Nobelpreisträger Fritz Pregl am 12. Oktober 1910 bei seinem Innsbrucker Amtsantritt gegenüber seinem Grazer Kollegen Karl Berthold Hofmann über unwürdige Arbeitsverhältnisse klagen musste: „Nach Innsbruck zurückgekehrt, erwirkte ich mir zuerst im kurzen Wege bei der Statthalterei, dass die Institutsräume ausgemalt werden. Sie waren es seit etwa 30 Jahren nicht mehr, und das Schülerlaboratorium glich geradezu einer Räuberhöhle. (…) Gegenwärtig arbeite ich an einem Elaborat über weitere Ausgestaltungen des Institutes mit einem beiläufigen Kostenvoranschlage von 5-6000 K und hoffe, mit Zähigkeit und Ausdauer einerseits, anderseits aber im äußersten Falle durch persönliche Geldopfer Ewas zu schaffen, was den Titel einer halbwegs würdigen Stätte unseres Faches genannt werden könnte (!). Gegenwärtig besitze ich z.B. keinen Arbeitsplatz.“[6]

 

  • 1899 wurden für den Neubau eines medizinisch-naturwissenschaftlichen Institutsgebäudes im Anschluss an das Klinikgelände 360.000 Gulden maximal genehmigt. In dieses Gebäude (heute: Schöpfstraße) zog 1904 das physikalische Institut mit dem hygienischen und physiologischen Institut. Da das experimentalphysikalische Institut aber zusätzlich auch Räume an die Meteorologie samt Observatorium und an das 1897 errichtete experimentalpsychologische Laboratorium abtreten musste, blieb die Verbesserung geringfügig. In diesen Räumen forschte zwischen 1930 und 1936 auch Nobelpreisträger Victor Franz Hess, den angesichts dieser bescheidenen Mittel nur die Höhen-Forschungsstation am Hafelekar/Seegrube nach Innsbruck locken konnte. 1971 klagte sein Assistent und Nachfolger Rudolf Steinmaurer immer noch über diese mangelhafte räumliche Ausstattung: „Die obgenannten Institute müssen sich auch heute noch, nach fast siebzig Jahren, mit diesem Gebäude begnügen. Zusätzlich hineingezwängt wurden das Institut für Elektronenmikroskopie, die Bakteriologisch-serologische Untersuchungsanstalt, das Balneologische Institut, das Institut für Medizinische Biologie. Nur das Institut für Experimentelle psychologie hat im alten Chemiegebäude ein Ausweichquartier gefunden.“

 

  • Am Rande der steten Auflassung bewegte sich die Sternwarte: Von Egon Oppolzer aus Akademiemitteln und eigenen Geldern 1904 errichtet wurde sie erst nach langwierigen Verhandlungen 1909 von der Unterrichtsverwaltung um unterbewertete 50000 Kronen für die Universität angekauft. In der „Vierteljahrsschrift der astronomischen Gesellschaft“ musste Oppolzers 1909 eingesetzter Innsbrucker Nachfolger Adalbert Prey fast jährlich über sehr begrenzte Beobachtungsmöglichkeiten klagen. (Preys Berichte sind auszugsweise zitiert in Gerhard Oberkofler und Peter Goller: Die Astronomie an der Universität Innsbruck 1888-1929, in: Hundert Jahre Astronomie an der Universität Innsbruck 1892-1992. (=Uni-Retrospektiven 2), Innsbruck 1992, 5-104, hier 45-51.)

 

Dotationen

  • Dem seit den 1890er Jahren existierenden mathematischen und theoretisch-physikalischen Institut wurde 1901 eine Jahresdotation von 400 Kronen bewilligt. Der Antrag auf ein von der Mathematik abgetrenntes Seminar für die mathematisch-theoretische Physik blieb unbeantwortet.

 

  • Das Institut für experimentelle Physik - 1904 aus dem Hauptgebäude in die Schöpfstraße ausgesiedelt - erhielt 1902 eine ordentliche Jahresdotation von 2400 Kronen, die 1904 auf 3000 Kronen erhöht wurde.

 

  • Das Institut für Kosmische Physik und das damit verbundene Meteorologische Observatorium erhielten 1902 eine Jahresdotation von 600 Kronen. Josef Maria Pernter, der die Beobachtungsstelle mit dem Argument, dass ihm ansonsten „das Forschen absolut unmöglich gemacht“ wäre, beantragt und gegründet hatte, war 1893 eine einmalige Einrichtungsdotation von 1000 Gulden und eine ordentliche Jahresdotation von 300 Gulden gewährt worden.

 

  • Die Sternwarte und astronomische Lehrkanzel finanzierten sich - wie schon angedeutet - über Sonderdotationen der Akademie der Wissenschaften (30000 Kronen für das Spiegelteleskop) und aus Privatgeldern von Egon von Oppolzer, nach dessen Tod die Sternwarte 1909 um 50000 Kronen von der Unterrichtsverwaltung gekauft wurde. 1914 wurde die Oppolzersche Privatbibliothek um 12000 Kronen für die Universitätsbibliothek angekauft.

 

  • Die Chemie an der Philosophischen Fakultät verfügte 1902 über eine Dotation von 2000 Kronen, die Zusatzsammlung aus chemischer Technologie (Doz. Zehenter) erhielt ab 1903 300 Kronen Jahresdotation.

 

  • Die Medizinische Chemie erhielt 1902 eine ordentliche Jahresdotation von 1200 Kronen.

 

  • Das ebenfalls der Medizinischen Fakultät zugeordnete pharmakologisch-pharmakognostische Institut hatte 1902 1000 Kronen, ab 1903 1200 Kronen Jahresdotation. Eine von Nevinny beantragte größere außerordentliche Dotation zur Laboreinrichtung von 26000 Kronen für mehrere Jahre wurde abgewiesen, es wurden 1902 für drei Jahre insgesamt nur 3000 Kronen außerordentliche Zusatzmittel gewährt.

 

  • Das geologisch paläontologische Institut (1890 nach der Emeritierung von Adolf Pichler und der gleichzeitigen Trennung der Lehrkanzel von der Mineralogie gegründet) erhielt bis 1904 eine Jahresdotation von 600 Kronen, ab 1905 wurde sie auf 1000 Kronen erhöht. Für geologische Exkursionen waren 1902 300 Kronen genehmigt.

 

  • Das ebenfalls seit 1890 existente mineralogische Institut erhielt für das Kabinett ab 1900 800 Kronen, ab 1903 1000 Kronen und ab 1907 eine jährliche Institutsdotation von 1200 Kronen. Für mineralogische Exkursionen wurden 300 Kronen genehmigt.

 

  • Die Botanik erhielt 1902 600 Kronen Jahresdotation, sie erhielt ferner ab 1903 jährlich 200 Kronen für Exkursionen. 1902 kam der Botanikordinarius Emil Heinricher um eine Erhöhung auf 1000 Kronen ein, gewährt wurde ab 1903 eine Erhöhung auf 800 Kronen. Ab 1909 wurden dann jährliche 1200 Kronen bewilligt. Zum botanischen Garten merkte Heinricher 1902 an: „Auch die Dotation des botanischen Gartens ist keine ausreichende. Sie wurde zwar im Laufe der Wirksamkeit des Gefertigten erhöht und beträgt jetzt 5000 Kronen. Auch hier aber sind wir rückständig; sowohl an der deutschen Universität zu Prag wie an der böhmischen beträgt die Dotation 3000 Kronen mehr, d.i. 8000 Kronen.“

 

  • Die Zoologie hat bis 1895 jährlich 500 Gulden erhalten, nach der Jahrhundertwende waren es in neuer Währung 1600 Kronen.

Personal

  • Die Mathematik verfügte 1902 über 2 Lehrkanzeln, eine dritte beantragte Lehrkanzel blieb unerfüllter Wunsch.

 

  • Die mathematisch-theoretische Physik - 1868 eingerichtet und mit Ferdinand Peche erstmals besetzt - verfügte bis weit über 1945 hinaus nur über ein Ordinariat.

 

  • Die Experimentalphysik verfügte über 1 Lehrkanzel, ab 1908 über ein zusätzliches Extraordinariat, über einen Assistenten, einen Mechaniker und einen Aushilfsdiener, sowie ab 1904 zusätzlich über einen Demonstrator.

 

  • Das 1893 eingerichtete meteorologische Observatorium verfügte mit seiner 1890 eingerichteten Lehrkanzel für Kosmische Physik ab 1904 über einen Assistenten, 1902 stand ein mit anderen Instituten zu teilender Aushilfsdiener zur Verfügung. Im Mai 1904 beantragte Lehrstuhlinhaber Wilhelm Trabert die Verleihung der neu bewilligten Assistentenstelle an niemand geringeren als Albert Defant. Im Mai 1907 übernahm der zweite bedeutende Trabert-Schüler Heinrich Ficker die Assistentenstelle von Defant, der an die Wiener Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik übersiedelt war.

 

  • Die astronomische Professur war stets von der Aufhebung bedroht und konnte erst 1909 mit der Berufung von Adalbert Prey nach längerer Vakanz mehr oder weniger zufällig erhalten werden.

 

  • Die Chemie an der Philosophischen Fakultät und ihr Laboratorium verfügten ab 1904 über zwei Professuren, die zweite – für pharmazeutisch/physikalische Chemie - wurde 1902 im Zuge der Senhofer-Emeritierung beantragt. Die Chemie verfügte ferner 1902 über zwei Assistenten und eine Dienerstelle.

 

  • Die Medizinische Chemie verfügte über ein Ordinariat, ein Extraordinariat, sowie über einen Assistenten und einen Diener, sowie ab 1904 zusätzlich über einen Demonstrator.

 

  • Dem pharmakologisch-pharmakognostischen Institut war 1902 unter Ordinarius Nevinny neben einem Diener ein Assistent, ab 1907 ein zweiter Assistent und eine wissenschaftliche Hilfskraft zugeteilt.

 

  • Die geologische und die mineralogische Lehrkanzel verfügten über je einen Diener, den sie teilweise mit anderen Einrichtungen teilen mussten, erst kurz vor 1914 erhielt die Mineralogie eine wissenschaftliche Hilfskraft, - eine Stelle, die auch Bruno Sander einige Zeit innehatte.

 

  • Dem botanischen Institut und Garten stand unter dem einen Ordinariat von Emil Heinricher neben dem Gärtner (mit zwei Gehilfen) seit 1892 eine wissenschaftliche Assistentenstelle und ab 1901/02 ein Demonstrator, sowie eine Dienerstelle zu.

 

  • Dem zoologischen Institut stand 1902 unter der einen von Karl Heider geleiteten Lehrkanzel ein Assistent zur Verfügung, ab 1905 war dies Heiders späterer Nachfolger Adolf Steuer, sowie eine Dienerstelle.

 

  1. Der naturwissenschaftliche Lehrkörper 1902 mit Ausblick auf die Jahre von 1848 bis 1914 (Professoren und Dozenten)

Mathematik

Der als Astronom und Mathematiker hoch qualifizierte Joseph Böhm (1807-1868), seit 1839 in Innsbruck lehrend, hat die Universität Innsbruck 1852 Richtung Prag verlassen. Daraufhin wurde der als Geophysiker und Direktor der Wiener meteorologischen Zentralanstalt bekannt gewordene Karl Jelinek für die Innsbrucker Mathematikprofessur in Aussicht genommen. Jelinek hatte aber kein Interesse an einer Berufung nach Innsbruck und blieb lieber am Prager Polytechnikum. Zu gefährdet war nämlich die Existenz der Innsbrucker philosophischen Fakultät in diesen Jahren, zumal sie auch noch an eklatantem Hörermangel litt.

So kam es, dass das universitätsinterne Versetzungsgesuch von Anton Baumgarten (1817-1880), 1840 im vormärzlichen Konkursverfahren zum Professor der Physik ernannt, erfolgreich war. Baumgarten, einst Wiener Assistent von Andreas Ettingshausen, wurde 1852 von der Physik zur Mathematik versetzt.

Seit 1872 waren an der Universität Innsbruck zwei mathematische Lehrkanzeln eingerichtet.

„Mathematik I“: Otto Stolz (1842-1905), von 1872 bis 1902 Professor in Innsbruck, stand seit Göttinger Studientagen zu Felix Klein in freundschaftlichem Kontakt. Stolz war an der Wiederentdeckung des Werks des Philosophen und Mathematikers Bernard Bolzano beteiligt. Stolz stellte fest, dass die von Karl Weierstrass gegebene Darstellung der Infinitesimalrechnung mit jener Bolzanos fast vollständig übereinstimmte. Stolzens Vorlesungen seien von abstrakt strengster „Weierstrass’scher Observanz“ geprägt gewesen. Die Ergebnisse seiner für die Geschichte der Mathematik bedeutsamen Forschungen legte er in einer Abhandlung mit dem Titel „B.Bolzanos Bedeutung in der Geschichte der Infinitesimalrechnung“ nieder, die 1881 von Klein in den „Mathematischen Annalen“ publiziert wurde. Felix Klein nahm an der Entwicklung des Innsbrucker mathematischen Seminars Anteil. 1884 empfahl Klein etwa den Prager Privatdozenten Georg Pick (1859-1943, im KZ Theresienstadt) als Professor nach Innsbruck. Gemeinsam mit seinem Schüler Josef Anton Gmeiner veröffentlichte Stolz knapp nach 1900 eine „Theoretische Arithmetik“ und eine „Einleitung in die Funktionentheorie“.

Nach Anton Baumgartens Emeritierung 1878 nannte die Fakultät für die „Mathematik II“ primo loco Eduard Weyr (Prag), secundo et aequo loco Gustav Escherich (Wien) und Leopold Gegenbauer (Czernowitz), sowie tertio loco Viktor Dantscher (Wien).

Leopold Gegenbauer (1849-1903), in Wien und Berlin bei Ludwig Boltzmann, Josef Stefan, bei Weierstrass oder Kronecker ausgebildet, lehrte in Innsbrucker Jahren zur Algebra und Zahlentheorie. Er trat als „deutschfreisinniger“ Gegner der „Judenliberalen“ auch in der Innsbrucker Kommunalpolitik auf, ehe er 1893 in Wien die Nachfolge seines Lehrers Josef Petzval antreten konnte.

Die „Mathematik II“ wurde somit 1893 wieder frei: Auf Gegenbauer folgte mit Wilhelm Wirtinger (1865-1945) ein Klein-Schüler. Erst bemühte sich die Fakultät um den in Wien lehrenden Franz Mertens und den mittlerweile nach Graz berufenen Viktor Dantscher. Beide waren aber an ihren Universitäten befördert worden und deshalb für Innsbruck nicht mehr erreichbar, sodass Wirtinger an die erste Stelle vorrücken konnte, vor dem mittlerweile an der Technischen Hochschule Brünn lehrenden Innsbrucker Dozenten Franz Hocevar und den Wiener Dozenten Gustav Kohn und Konrad Zindler, sowie dem Grazer Mathematiker Oscar Peithner-Lichtenfels.

Wilhelm Wirtinger, ein breite Schulwirkung erzielender Funktionentheoretiker, ist als jahrelanger Wiener Professor wegen der mathematischen Formulierung der Boltzmann’schen physikalischen Theorien bekannt geworden. Wirtinger, auch ausgebildet bei den Wiener Ordinarien Gustav Escherich und Emil Weyr, hörte zahlreiche Größen der deutschen Mathematikerschulen, so trug er in das Goldene Buch der Universität Innsbruck ein: „...ging im Winter S. 88/89 nach Berlin, im S.S. 89 nach Göttingen. In Berlin hörte er Kronecker, Fuchs, Weierstraß, in Göttingen F. Klein u. Schwarz.“ An Wirtingers Rückberufung nach Wien war Ludwig Boltzmann 1903 entscheidend beteiligt. Johann Radons Resümee zum Akademienachruf auf Wirtinger verdeutlicht dessen zentrale Stellung in der österreichischen Mathematik vor 1938: „Trotz seiner Vielseitigkeit tritt aber die Rolle der Funktionentheorie in seinen Leistungen dominierend hervor; seine ganze Liebe gilt dieser Disziplin, der größten Schöpfung der Analysis des 19. Jahrhunderts, und in diesem Rahmen wiederum jenen Theorien, die sich um den Begriff der algebraischen Funktionen gruppieren. Hier verwaltete und vermehrte er das Erbe der großen Meister Riemann und Weierstraß, wusste klassisch gewordenen Fragen überraschende neue Seiten abzugewinnen und diese so mit dem lebendigen Strom der zeitgenössischen Wissenschaft in Kontakt zu halten. Als großen Funktionentheoretiker vor allem wird die Geschichte der Mathematik seinen Namen späteren Geschlechtern überliefern.“

Nach Wirtinger und Stolz wurde das Innsbrucker mathematische Seminar ab 1905/06 bis Ende der 1920er Jahre von den Professoren Konrad Zindler (1866-1934, u.a. Schüler von Boltzmann in Graz, von Kronecker in Berlin, in Graz für synthetische Geometrie habilitiert, in Wien für das Gesamtfach der Mathematik, nach Sophus Lie-Studien sich in Innsbruck vor allem mit „(algebraischer) Liniengeometrie“ befassend) und Josef Anton Gmeiner (1862-1927, aus der Innsbrucker Schule von Stolz und Gegenbauer hervorgegangen, an den Wiener Hochschulen für Mathematik und höhere Algebra habilitiert und Anfang 1906 aus Prag nach Innsbruck berufen, zahlreiche Publikationen zur Zahlentheorie) geführt.

Konrad Zindler war bereits 1900 zum Extraordinarius der Mathematik in Innsbruck ernannt worden. Er war gereiht vor Alfred Tauber, Karl Zsigmondy, Robert Daublebsky-Sterneck und Anton Gmeiner (alle Dozenten in Wien). Nun 1905 war Anton Gmeiner an erster Stelle vor Robert Daublebsky-Sterneck und Karl Zsigmondy genannt.[7]

 

Mathematisch-theoretische Physik

1868 wurde auch an der Universität Innsbruck verspätet eine Professur für mathematische – also theoretische – Physik eingerichtet und der bereits im Zug der experimentalphysikalischen Besetzungsfrage gereihte Ferdinand Peche (1820-1898) ernannt. Peche, in Böhmen im Mittelschuldienst und auch in der Telegrafenverwaltung tätig, 1854 in Graz „für analytische Physik und Mechanik“ habilitiert, trat publizistisch kaum mehr in Erscheinung. Von Waltenhofen war er für Innsbruck wegen folgender Arbeiten nominiert worden: „Eine neue Methode zur Auflösung algebraischer Gleichungen des vierten Grades“ und auch wegen zweier Arbeiten auf dem „Gebiete der mathematischen Physik“: „Die eine enthält unter dem Titel ‚Vibrationstheorie‘ sehr eingehende mathematische Studien über viele und insbesondere über die schwierigsten Probleme der theoretischen Optik; die andere mit dem Titel ‚Versuch einer mathematischen Theorie des Elektromagnetismus‘ stellt auf Grundlage einer verallgemeinernden Modification der Ampére‘schen Hypothese eine Ergänzung des Laplace’schen Gesetzes auf und discutirt dieselbe aus verschiedenen Gesichtspunkten.“

Die Regelung der Peche-Nachfolge verlief 1890 konfliktreich. Die Philosophische Fakultät nannte Ottokar Tumlirz, Privatdozent in Prag an erster Stelle, gefolgt von Engelbert Kobald, ehemals Innsbrucker Privatdozent, nun Professor der Mathematik und Physik an der Bergakademie in Leoben, sowie den Czernowitzer theoretischen Physiker Anton Wassmuth. Der fachzuständige Leopold Pfaundler legte gegen diese Reihung – unter Zustimmung von Ernst Mach und Ludwig Boltzmann – ein Separatvotum vor: Wassmuth sei an die erste Stelle zu reihen, Tumlirz nur an zweiter Stelle, gefolgt von Max Margules, Assistent an der Zentralanstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus in Wien. Minister Paul Gautsch folgte Pfaundler, nachdem er ein Zusatzgutachten von Josef Stefan eingeholt hatte. Anton Wassmuth (1844-1927), u.a. durch ein Lehrbuch der statistischen Mechanik hervorgetreten, lehrte nur drei Jahre in Innsbruck. 1893 nahm er einen Ruf nach Graz an.

Folgende schon bekannte, in Innsbruck immer wieder genannte und folgende neue Namen nahm die Fakultät 1894 in Aussicht: Karl Exner, Gottlieb Adler (Wien), Engelbert Kobald (Leoben), Ottokar Tumlirz (mittlerweile von Prag nach Czernowitz versetzt) und Gustav Jäger (Wien).

Karl Exner (1842-1914), aus der bekannten Gelehrtenfamilie Exner, beschäftigte sich mit meteorologischer Optik, mit der theoretischen Interpretation der Newton’schen Farbenringe. Während Exners langer Erkrankung – 1904 definitiv in den Ruhestand versetzt – supplierte der später nach Czernowitz und Graz berufene Privatdozent Michael Radakovic (1866-1934) die Vorlesungen aus theoretischer Physik.

Um 1900 wirkten in Innsbruck zahlreiche Boltzmann- und Mach-Schüler. In der Frage der Innsbrucker Exner-Nachfolge konnte sich Ottokar Tumlirz vor dem gleichgereihten Gustav Jäger und vor Michael Radakovic und Fritz Hasenöhrl durchsetzen.

Der 1904 aus Czernowitz berufene Ottokar Tumlirz (1856-1928), ehemals Mach- und Stefan-Assistent, hat ein Buch über die elektromagnetische Theorie des Lichts verfasst. Er war ein sich tendenziell ins Abseits manövrierender Gegner der auf der atomistischen Hypothese beruhenden Quantentheorie.

Erst der während des Ersten Weltkriegs habilitierte Tumlirz-Nachfolger Arthur March (1891-1957), der u.a. bei Arnold Sommerfeld in München und bei Fritz Hasenöhrl in Wien studiert hatte, bot den Innsbrucker Studenten in Vorlesungen über die „Theorie der Strahlung und der Quanten“ und über die „Grundzüge der speziellen Relativitätstheorie“ die modernen Grundlagen der Physik systematisch an. Grundlage für Marchs quantentheoretische Vorlesungen war sein 1919 veröffentlichtes Buch „Theorie der Strahlung und der Quanten“, das noch ausschließlich auf Max Planck und Niels Bohr aufbaute, während die kontroversiellen Ergebnisse der jüngeren Quantenmechanik in eine, Ende der zwanziger Jahre aufgelegte Neufassung eingearbeitet werden sollten.

Im Laufe des Jahres 1926 begann Erwin Schrödinger in den „Annalen der Physik“ die Mitteilungen zur Wellenmechanik („Quantisierung als Eigenwertproblem“) zu veröffentlichen. In Erledigung der Tumlirz-Nachfolge bemühte sich die Innsbrucker Fakultät unter der Federführung von Egon Schweidler im Sommer 1925 um den in Zürich lehrenden Schrödinger. Schrödinger nachgereiht waren aequo loco Arthur March und der Privatdozent der Wiener Technischen Hochschule Adolf Smekal. Am 19. August 1925 machte Schrödinger dem Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich Mitteilung, dass er „heute einen Ruf als Ordinarius für theoretische Physik an die Universität Innsbruck (Nachfolge von Prof. Otto Tumlirz) erhalten“ hat. Schrödinger, der schließlich 1927 auch von der Universität Zürich nicht mehr zu halten war, überlegte ernsthaft eine Rückkehr nach Österreich. Seine Nichtberufung fällt unter das Kapitel „Materielle Krise der österreichischen Wissenschaft“.[8]

 

Experimentalphysik

Adalbert Waltenhofen (1828-1914, ab 1850 Lehrer am Joanneum in Graz) wurde 1852 nach Innsbruck berufen. Der Dreiervorschlag der Fakultät war hinfällig, da Minister Thun-Hohenstein Waltenhofen in eigener Initiative nach Innsbruck ernannte. Waltenhofen klagte oft über die mangelnde Dotation des physikalischen Kabinetts, das nicht einmal eine seriöse Ausbildung der Lehramtskandidaten zuließ.

1867 nannte die Fakultät auf Wunsch des an das Prager Polytechnikum wechselnden Waltenhofen Leopold Pfaundler an erster Stelle. Ergänzend erwähnt waren der „zu Pisek in Böhmen im Jahre 1820 geborene“ Ferdinand Peche, Direktor der Oberrealschule in Rakovac, und der Prager Dozent Anton Grünwald (genannt wegen seiner Arbeiten zu erdmagnetischen Beobachtungsmethoden, einem „Versuch einer vollständigen Theorie des Inklinatoriums“ und zu den Fourier’schen Doppelintegralen). Peche sollte ein Jahr später 1868 auf die neue theoretisch physikalische Professur ernannt werden, zumal Waltenhofen schon im Juli 1867 bei seinem Weggang aus Innsbruck auf eine Trennung der experimentellen von der mathematischen Physik gedrängt hatte, da es mittlerweile nicht mehr möglich sei beides zu vereinigen: „Dieß scheint mir aber bei einer einzigen Lehrkanzel in mehrfacher Hinsicht geradezu unmöglich“, da man „unter den Koryphäen der Wissenschaft“ kaum Leute findet, die noch beide physikalischen Disziplinen vertreten können: „Unter dieser Voraussetzung einer vorwiegenden Vertretung der experimentellen Richtung, wie sie durch die nächste Aufgabe der Lehrkanzel und die dargestellten Verhältnisse geboten erschien, würde es auch keinem Zweifel unterliegen können, dass bei der Wahl zwischen den Herren Dr. Peche und Dr. Pfaundler demjenigen der erste Platz einzuräumen wäre, von welchem bereits physikalische Experimental-Untersuchungen vorliegen und welcher nebst seiner vielseitigen praktischen Ausbildung in der Physik zugleich den gewichtigen Vorzug eines tüchtig geschulten Chemikers für sich hat. Demnach lautet mein motivirter Antrag dahin primo loco Herrn Dor. Pfaundler, secundo loco Herrn Dor. Peche und tertio loco Herrn Dor. Grünwald in Vorschlag zu bringen. Sollte aber eine besondere Vertretung der mathematischen Physik, welche allerdings wünschenswerth wäre, für unsere Universität beabsichtigt werden, so könne dieß nur durch Errichtung einer eigenen Lehrkanzel erzielt werden, für welche man dann, wenn eine solche in der That beantragt würde, mit voller Ueberzeugung Herrn Dr. Peche in Vorschlag bringen könne. Für ein solches Arrangement würde auch das Beispiel auswärtiger Universitäten sprechen, wo man einer solchen zweifachen Vertretung der Physik häufig begegnet, eine Einrichtung, welche den Physikern, welche in erster Linie Mathematiker sind, eben so gut zu Statten kommt, wie denjenigen, die sich ausschließlich auf experimentellem Standpunkte bewegen.“

Der Innsbrucker Privatdozent Leopold Pfaundler (1839-1920), Sohn eines Zivilrechtsprofessors, gilt heute mit Mach oder Boltzmann als ein Vertreter der modernen österreichischen Physik-Forschung. Besondere Bedeutung kommt Pfaundlers Studie „Beiträge zur chemischen Statik“ – 1867 im Jahr seiner Berufung in den „Annalen der Physik und Chemie“ erschienen – zu, „in der sich der Physiker mit der damals noch ungelösten Frage auseinandersetzt, warum an sich von selbst stattfindende Reaktionen zum Stillstand kommen, bevor sie vollständig abgelaufen sind“. Hoffte Pfaundler 1890 die Nachfolge des Wiener Physikalischen Chemikers Johann Josef Loschmidt antreten zu können, so wurde er 1891 Nachfolger von Ludwig Boltzmann an der Universität Graz.

Die Innsbrucker Fakultät erstellte im März 1891 für die Pfaundler-Nachfolge den Vorschlag: Franz Exner, Wiener Extraordinarius, an erster Stelle, der Wiener Dozent Ernst Lecher und der Grazer Dozent Ignaz Klemencic an zweiter Stelle, so wie drittgereiht der Innsbrucker Privatdozent Hermann Hammerl.

Ernst Lecher (1856-1926), Dissertant von Pfaundler, heute wegen der Erforschung der elektromagnetischen Wellen („Lecher’sche Drähte“) in Erinnerung, trat schon 1894 in Prag die Nachfolge von Ernst Mach an, sodass nun der vormalige Grazer Boltzmann-Assistent Ignaz Klemencic (1853-1901) nach Innsbruck berufen werden konnte.

Nach dem frühen Tod von Klemencic kam mit Paul Czermak (1857-1912) wieder ein Boltzmann-Schüler zum Zug. Czermak war 1885 bei Ludwig Boltzmann an der Universität Graz mit einer Dissertation über die Maxwellsche Gastheorie promoviert worden. 1889 wurde Czermak Boltzmanns Assistent und 1890 Leiter der Grazer meteorologischen Station. Dort habilitierte er sich auch 1889 mit einer Schrift „Über das elektrische Verhalten des Quarzes“. 1895 in Graz zum Extraordinarius für Kosmische Physik ernannt lehrte er ab 1897 in Innsbruck nach Josef M. Pernter die Meteorologie und wechselte nun 1901 zur Physik. Czermak begann 1898 mit der Veröffentlichung der jährlichen „Beobachtungen des meteorologischen Observatoriums der Universität Innsbruck“. 1906 wurde Czermak pensioniert.

Aus der Czermak-Supplentur entstand ab 1906 die zweite experimentalphysikalische Professur, vorläufig in Form eines Extraordinariats, das kurz bis 1908 von Heinrich Mache (1876-1954, 1908 an die Technische Hochschule Wien berufen) und dann über fast vier Jahrzehnte bis 1946 von Friedrich Lerch (1878-1947, 1905 in Wien bei Franz Exner für Experimentalphysik habilitiert) geführt wurde.

Aus dem lokalen Umfeld der Lehrkanzel hatten sich schon in den 1880er Jahren zwei, dann im Mittelschulbereich wirkende ehemalige Physik-Assistenten Johann Tollinger (Jg. 1847) und Hermann Hammerl (1853-1933) habilitiert.

Zum eigentlichen Nachfolger Czermaks wurde 1911 der ehemalige Assistent Franz Exners und Wiener Extraordinarius Egon Schweidler (1873-1948) ernannt. Schweidler wurde in der Fachwelt u.a. von Max Laue wegen seiner Deutung des statistischen Charakters des radioaktiven Zerfalls („Über Schwankungen der radioaktiven Umwandlung“, 1909) geschätzt.

Schweidlers Freund, der Grazer Physikordinarius Hans Benndorf, schildert im Akademienachruf das von Viktor Lang, Josef Stefan, Ludwig Boltzmann, Ernst Mach und Franz Exner bestimmte physikalische Umfeld an der Universität Wien: „Im Jahre 1899 habilitierte sich [Schweidler] gleichzeitig mit M.v. Smoluchowski, Stefan Meyer und mir [Benndorf].“ - und zwar „in unserem alten elenden Institut in der Türkenstraße“, in einem in „beklagenswertem Zustand“ befindlichen „Zinshaus“, das Franz Exner 1894 veranlasst hätte aus Wien zu flüchten, da er sich vor der dort tagenden Naturforscher-Versammlung geschämt habe.

Jahrelang kooperierte Schweidler, der 1926 an das I. Physikalische Institut Wien zurückkehrte, mit Stefan Meyer. Benndorf, fasst Schweidlers Arbeiten zusammen: „Elektrizitätsleitung in dichten Gasen, Lichtelektrizität, Anomalien der Dielektrika, Radioaktivität und Luftelektrizität. Das wertvollste von diesen Werken ist das Handbuch ‚Radioaktivität’ [Leipzig 1916], das er gemeinsam mit Stefan Meyer verfasst hat.“ Den Forschungen von Schweidler und Meyer ist maßgeblich die Gründung des Wiener „Radiuminstituts“ zu verdanken. Schweidlers Innsbrucker Professur blieb nach 1926 infolge der Seipel’schen „Sanierungspolitik“ lange unbesetzt! [9]

 

Meteorologie (Kosmische Physik)

Die meteorologische Lehrkanzel (damals Kosmische Physik) wurde 1890 errichtet und ging an Josef Maria Pernter (1848-1908), der 1897 auf das Ordinariat für Physik der Erde in Wien und in die Direktion der Zentralanstalt für Meteorologie und Geophysik wechselte. Minister Gautsch hat Pernter vorgeschlagen, nachdem der Wiener Physiker Josef Stefan die Qualifikation des aus Südtirol gebürtigen Pernter bestätigt hatte. Unter anderem zum nordalpinen Föhn oder zu den klimatischen Verhältnissen auf dem Sonnblick forschend trat Pernter 1897 die Nachfolge seines Wiener Lehrers Julius Hann an.

Pernter war ein prominenter Vertreter des politischen Katholizismus und machte etwa auf Heinrich Ficker mehr den Eindruck eines streitbaren Kardinals als den eines Gelehrten. Seinem Freund Hans Malfatti, Extraordinarius der Medizinischen Chemie und über Jahre konservativer Tiroler Landtagsabgeordneter, gegenüber erklärte Pernter, jede defensiv „anti-modernistisch“ abwehrende Stellung gegen den unvermeidlichen naturwissenschaftlichen Fortschritt schadet einer erfolgreichen Apologetik christlicher Dogmen. Pernter war deshalb auch kein Anhänger einer neu zu gründenden katholischen Universität Salzburg: Eine solche wird nicht genügend qualifizierte Wissenschaftler gewinnen und so alsbald in die Isolation geraten. Katholische Wissenschaftler müssten vermehrt Lehrstühle an den allgemein staatlichen Universitäten erobern.

Für kurze Zeit trat Paul Czermak, Grazer Boltzmann-Schüler, Pernters Nachfolge an. Czermak wechselte aber 1901 – wie erwähnt – an die experimentalphysikalische Professur.

1902 folgte der unico-loco vorgeschlagene Wilhelm Trabert (1863-1921). Trabert, 1888 nach Wiener Physikstudium als Volontär in die Zentralanstalt in Wien eingetreten und an den Sonnblick-Forschungen beteiligt, hatte sich 1893 in Wien für Meteorologie habilitiert. Trabert lehrte bis 1909 in Innsbruck, ehe er seinen Innsbrucker Vorgänger Josef Maria Pernter im Wiener Ordinariat für Physik der Erde und in der Direktion der Zentralanstalt beerbte. Heinrich (Heinz) Ficker, der bei Trabert an der Universität Innsbruck studiert hat, urteilt über dessen wissenschaftliche Bedeutung: „Dadurch, dass er seinen Schülern als erster die schwer verständlichen Arbeiten von [Max] Margules nahebrachte und wohl als erster Meteorologe ihre weittragende Bedeutung erkannte, ist er der eigentliche Begründer einer wirklichen, bestimmte Lehrmeinungen vertretenden ‚Österreichischen Schule’ geworden.“ Ficker bezog sich hiermit insbesondere auf Traberts Arbeit „Die Theorie der täglichen Luftdruckschwankungen von Margules und die tägliche Oszillation der Luftmassen“ (Meteorologische Zeitschrift 20 (1903), 481-501 und 544-563).

Aus den Innsbrucker Vorlesungen entstand Traberts „Lehrbuch der Kosmischen Physik“ (Leipzig-Berlin 1911) – „der große Trabert“. Einleitend bemerkt Trabert: „In der Anlage, in dem zugrunde liegenden Plane und einem guten Teile der Ausführung reicht dieses Lehrbuch in jene Zeit zurück, da er (der Verfasser - Anm.) noch an der Universität Innsbruck tätig war. Manche seiner damaligen Kollegen haben ihn dabei auf das Kräftigste unterstützt.“

An zwei Gelehrte der Trabert-Schule ist der Ruf der Innsbrucker Meteorologenschule geknüpft, an die beiden Trabert-Assistenten Albert Defant (1884-1974) und an Heinrich Ficker (1881-1957). Ficker promovierte bei Trabert 1906 mit der Dissertation „Innsbrucker Föhnstudien“, sein Studienkollege Defant ebenfalls 1906 mit einer Arbeit über „Gesetzmäßigkeiten in der Verteilung der verschiedenen Tropfengrößen bei Regenfällen“.

Albert Defant, 1909 in Wien habilitiert, lehrte später von 1919 bis 1926 und von 1945 bis 1955 in Innsbruck, zwischenzeitig war er an die Universität Berlin berufen. 1918 veröffentlichte Defant in erster Auflage ein Lehrbuch „Wetter und Wettervorhersage“. In Innsbruck begann Defant über Ozeanographie zu lesen. Er vollzog dann eine Wendung vom theoretischen und synoptischen Meteorologen zum (physikalischen) Ozeanographen. Seine Untersuchungen über das Gezeitenproblem („Gezeitenprobleme des Meeres in Landnähe“, Berlin, 1925) und die Seespiegelschwankungen trugen mit dazu bei, dass die Ozeanographie von einer geographisch-statistischen und beschreibenden zu einer exakt-geophysikalischen Wissenschaftsdisziplin wurde. Defants 1929 in Erstauflage veröffentlichtes Buch „Dynamische Ozeanographie“ steht für diesen zweiten Forschungsschwerpunkt.

Heinrich Ficker fühlte sich in seinen Arbeiten stark dem Wirken des Wiener theoretischen Meteorologen Max Margules (1856-1920) verpflichtet: „Ich hatte das große Glück, noch an die Zentralanstalt zu kommen, als Margules in ihr tätig war - hatte das noch größere Glück, zu ihm in eine nähere Verbindung zu treten. Ich erinnere mich noch so gut, wie ich mich Margules vorstellte, wie seine grauen Augen mich eine Weile musterten, wie er dann sagte: ‚Ich habe Ihre Föhnarbeit gelesen. Ich habe hier ein paar Jahre Registrierstreifen vom Sonnblick und einer Talstation für Sie hergerichtet. Sie können immer kommen und mir sagen, was sie gefunden haben. Aber Rat gebe ich Ihnen keinen.‘ So hat er es dann auch gehalten, während ich die Arbeit über den Transport kalter Luftmassen über die Zentralalpen zusammengestellt habe. Es war übrigens die erste meteorologische Untersuchung, die in der Richtung seiner neuen Auffassungen durchgeführt worden war. Erst nach der Drucklegung hat er kritisiert. Er war eben kein Lehrer. So mahnte er mich einmal: ‚Nun müssen Sie sich auch mit der Theorie befassen. Das bißchen Mathematik werden Sie bald haben!‘“

1909 in Innsbruck habilitiert, seit 1911 Professor in Graz wurde Ficker 1922 nach Berlin berufen. Die Wiener Fakultät holte Ficker 1937 mit folgender Begründung zurück: „Hervorzuheben sind darunter hauptsächlich aus der Innsbruckerzeit stammende Föhnstudien und andere speziell alpine Verhältnisse betreffende Untersuchungen über vertikale Temperaturverteilung, Berg- und Talwinde, Wolkenbildung, ferner die Arbeiten über Passatinversion, über Gewitterbildung, ganz besonders aber die grundlegenden Arbeiten (von 1910 an) über die Ausbreitung von Wärme- und Kältewellen, die schon wesentliche Teile der später von Bjerknes aufgestellten Polarfront- und Zyklonen-Theorie enthalten. Später lieferte Ficker wertvolle Beiträge zur Fortentwicklung dieser Theorie, indem er als erster die große Bedeutung von Vorgängen in der (bis dahin als praktisch unveränderlich angesehenen) Stratosphäre nachwies und dabei den neuen Begriff der ‚Steuerung‘ troposphärischer Luftmassen durch stratosphärische Vorgänge einführte.“[10]

Weltrang hat Ficker mit grundlegenden Arbeiten über die Ausbreitung von Wärme- und Kältewellen, die Teile der von der Norwegischen Meteorologen-Schule um Vilhelm Bjerknes aufgestellten Polarfront- und Zyklonen-Theorie vorwegnahmen, erlangt.

Auf das Innsbrucker Katheder von Wilhelm Trabert rückte 1910 Felix Maria Exner nach, den die Fakultät auf Grund eines Gutachtens von Trabert primo loco vor Ficker und Defant vorgeschlagen hatte. Felix Maria Exner (1876-1930) hatte sich 1904 an der Universität Wien unter dem maßgeblichen Einfluss von Julius Hann und Max Margules habilitiert. Frühzeitig kommt Exners Lieblingsthema, die Wetteränderung theoretisch zu behandeln und die Prognosetechniken zu verbessern, zur Geltung.

Exner qualifizierte sich mit seinen Arbeiten zur synoptischen Meteorologie oder über die Dynamik der Atmosphäre für die Innsbrucker Lehrkanzel. Exners Hauptwerk, das Lehrbuch „der dynamischen Meteorologie“ (Leipzig-Berlin 1917) entstand – auch unter dem Eindruck der norwegischen Bjerknes-Schule – vor seiner Rückberufung an die Universität Wien 1916 in Innsbruck. Exner berichtet im Vorwort: „Seit dem ausgezeichneten Lehrbuche von Sprung (1885) ist in deutscher Sprache kein Werk mehr erschienen, das unsere theoretischen Kenntnisse auf dem Gebiet der Meteorologie zusammengefasst hätte; und auch in anderen Sprachen sind nur Ferrels Bücher vorhanden. Seit diesen drei Jahrzehnten haben sich die Versuche, auf theoretisch-physikalischer Grundlage dem Verständnis meteorologischer Erscheinungen näher zu kommen, sehr vermehrt, so dass ich es schon im eigensten Interesse – für meine Vorlesungen an der Universität Innsbruck – unternahm, wenigstens die Theorie der Luftströmungen, die Dynamik der Atmosphäre, zusammenzufassen. Hieran schlossen sich naturgemäß einige Versuche, bestehende Lücken auszufüllen und Möglichkeiten weiterer Entwicklung aufzuzeigen. Die Arbeit fiel in eine Zeit (1913-1914), in welcher eben Bjerknes groß angelegte ‚Dynamische Meteorologie und Hydrographie’ in den zwei ersten Bänden herausgekommen war. (…) Während in den Arbeiten von Bjerknes und seiner Schule das Hauptgewicht auf die Bewegungskräfte in der Horizontalebene gelegt wird, wird man in dieser dynamischen Meteorologie die Rolle der Temperatur und ihrer Verteilung in der Atmosphäre besonders hervorgekehrt finden. Diese Auffassung geht hauptsächlich auf die Arbeiten von Margules zurück, die sich überhaupt wie ein roter Faden durch das vorliegende Buch hinziehen. Sie scheinen von so grundlegender Bedeutung, dass ihr Bekanntwerden in weiteren Kreisen allein schon ein befriedigender Lohn meiner Arbeit wäre.“

Auf Initiative des scheidenden Felix Maria Exner legte die Innsbrucker Philosophische Fakultät 1917 für dessen Nachfolge folgende Terna vor: 1. Heinrich Ficker, der aber in Graz bleiben will, 2. Albert Defant, der schlussendlich bis 1926/27, bis zu seiner Berufung nach Berlin, in Innsbruck lehren wird, und gleichrangig Wilhelm Schmidt, ebenfalls Privatdozent in Wien und Mitarbeiter der Zentralanstalt. Der bedeutende, 1917 in Czernowitz lehrende Victor Conrad wurde schon so wie 1910 bei der Regelung der Trabert-Nachfolge aus Gründen des akademischen Antisemitismus übergangen: „Nach Ausscheidung des Herrn Dr. Viktor Conrad, a.o. Prof. der Meteorologie in Czernowitz, der nach seinen wissenschaftlichen Leistungen mit an erster Stelle zu nennen wäre, aber aus Gründen anderer Art bereits in den Vorschlag, der seinerzeit zur Besetzung der Lehrkanzel durch Prof. Exner geführt hatte, nicht aufgenommen worden war, verblieb (…).“[11]

 

Astronomie

Gedieh die Meteorologie als physikalische Schwesterdisziplin in Innsbruck zur internationalen Blüte heran, hatte die Astronomie angesichts geringer Studentenzahlen und sehr unzulänglicher astronomischer Beobachtungsinfrastruktur einen schwierigen Stand. Unter dem Einfluss von Theodor Oppolzers „Lehrbuch zur Bahnbestimmung der Kometen“ (1870/80) stehend war sein Schüler Eduard Freiherr von Haerdtl (1861-1897) 1889 bei der Innsbrucker Universität mit der Abhandlung „Die Bahn des periodischen Cometen Winnecke in den Jahren 1858-1886 nebst einer neuen Bestimmung der Jupitermasse“ um die Habilitation eingekommen. Haerdtl lehrte gegen eine kleine Kollegremuneration, erst 1896 wurde ihm ein mit 1500 Gulden besoldetes Extraordinariat zugeteilt.

Nach Haerdtls frühem Tod 1897 ermöglichte nur ein Zufall in Form eines wohlhabenden Privatdozenten die Wiederbesetzung der astronomischen Lehrkanzel, die man angesichts einer fehlenden Sternwarte für sinnlos hielt und deshalb zugunsten einer dritten mathematischen Professur einziehen wollte.

1901 erklärte Egon von Oppolzer (1869-1907), dass er eine ihm in Prag angebotene unbesoldete außerordentliche Professur lieber in Innsbruck ausüben würde: „Ich ziehe es vor in Innsbruck ernannt zu werden vornehmlich deshalb, weil mir dieser Ort besser geeignet erscheint zur Aufstellung meines im Bau befindlichen Zenithteleskopes.“ Egon von Oppolzer, der nicht der von seinem Vater und seinem Vorgänger Haerdtl vertretenen Tradition der himmelsmechanischen Astronomie folgte, widmete sich unter dem Eindruck eines Forschungsaufenthalts am astrophysikalischen Observatorium in Potsdam sonnenphysikalischen Fragen. Oppolzers in Potsdam vertieftes Interesse für die Astrophotometrie war maßgebend für sein Bemühen, in Innsbruck aus Mitteln der Wiener Akademie der Wissenschaften und aus eigenen Mitteln die in Österreich erste für die astrophysikalisch spektrographische Forschung ausgerüstete Sternwarte zu gründen. Nach eigenen Plänen begann Oppolzer 1904 – in diesem Jahr wurde auch ein Gehalt für seine Professur systemisiert – auf dem Areal seiner Villa in Innsbruck-Hötting neben dem späteren botanischen Garten eine Sternwarte einzurichten.

Erst drei Jahre nach seinem Tod konnte der astronomische Forschungsbetrieb mit der Berufung des Wiener Privatdozenten Adalbert Prey (1873-1949) wieder aufgenommen werden. Prey konnte die Innsbrucker Professur 1917 dann gegen die vergleichsweise gut ausgestattete Prager Lehrkanzel tauschen.

Für die Prey-Nachfolge konnte die Innsbrucker Philosophische Fakultät nur zwei Kandidaten eruieren, den Prager Dozenten für Astrophysik Arthur Scheller (1876-1929), tätig als Adjunkt an der dortigen Sternwarte, und Adolf Hnatek, Beamter der Universitätssternwarte in Wien. Schlussendlich beschränkte man sich auf einen unico-loco-Vorschlag für Scheller, der die Fakultät mit einer Arbeit über die „Rotationszeit der Sonne“ (1909) beeindruckt hatte.[12]

 

Chemie (Medizinische Chemie)

Zwischen 1851 und 1867 vertrat Heinrich Hlasiwetz (1825-1875), zuvor Assistent Friedrich Rochleders an der Universität Prag, die Innsbrucker Chemie-Lehrkanzel. Er war auf Initiative von Minister Thun-Hohenstein nach Innsbruck ernannt worden. In den Jahren bis zu seiner Berufung an das Wiener Polytechnikum, also an die TH Wien, forschte Hlasiwetz vor allem zur Chemie der Naturstoffe, zur angewandten Agrarchemie. Als Lehrer war er nicht zuletzt im Rahmen des 1854 neu organisierten Pharmaziestudiums tätig.

Für die Innsbrucker Nachfolge wurde 1867 Hlasiwetz‘ Innsbrucker Assistent Ludwig Barth (1839-1890) primo loco vor dem dann zwei Jahre später an die Innsbrucker medizinische Fakultät berufenen Grazer Dozenten Richard Maly nominiert. 1876 wurde Barth – er hatte auch bei Justus Liebig in München studiert – zum Professor der allgemeinen und pharmazeutischen Chemie in Wien ernannt. Wie Hlasiwetz war Barth, bekannt durch seine Arbeiten über die Kalischmelze, froh den randständigen Innsbrucker Forschungsbedingungen, beengte Räume, mangelhafte Laborausstattung, entkommen zu sein.

Die beiden Innsbrucker chemischen Lehrkanzeln – jene der philosophischen Fakultät und jene seit 1869 an der medizinischen Fakultät eingerichtete – waren eng verzahnt, sodass Karl Senhofer (1841-1904) 1876 als Professor der allgemeinen und pharmazeutischen Chemie nach nur zwei Semester von den Medizinern zu den Philosophen wechselte, um Ludwig Barth zu ersetzen. Senhofer nachgereiht waren Erwin von Sommaruga, Privatdozent in Wien, sowie Hugo Weidel und Josef Kachler, beide Adjunkten an den Wiener chemischen Universitätslaboratorien.

1902 nannte die Innsbrucker Fakultät für die Senhofer-Nachfolge den Grazer Chemiker Friedrich Emich und den Wiener Professor Josef Herzig primo et aequo loco, gefolgt vom Senhofer-Schüler Karl Brunner und dem Prager Dozenten Karl Garzarolli.

Nach ministeriellem Wunsch sollte Emich in Graz bleiben. Gegen Herzig erhoben sich im Hintergrund antisemitische Bedenken, die der Philosophendekan im Dezember 1902 so angedeutet hatte: „Ferner wurde das gefertigte Decanat von der Facultät beauftragt, zum Ausdrucke zu bringen, dass nach ihrer Ansicht im Falle der Ernennung J. Herzig’s, welcher seiner wissenschaftlichen Qualification nach unter den ersten gereiht werden musste, nach den an der medicinischen Facultät in einem ähnlichen Falle gemachten Erfahrungen voraussichtlich die Ruhe an der Universität Störungen ausgesetzt sein dürfte.“

Im Zuge der Nachfolgeregelung für Karl Senhofer gelang auch die 1904 vollzogene Teilung der chemischen Lehrkanzel. Karl Brunner (1855-1935) und Karl Hopfgartner (1868-1921), beide bei Senhofer habilitiert, wurden ernannt. Karl Brunner, seit 1894 Extraordinarius an der Prager Universität, übernahm die Lehrkanzel der allgemeinen (organischen und anorganischen) Chemie. Karl Hopfgartner, seit 1890 Assistent bei Senhofer, übernahm 1904 die neu errichtete Professur für pharmazeutische und physikalische Chemie. Ein umfangreicher Lehr- und Prüfungsbetrieb ließ weder Brunner noch Hopfgartner über die „normale“ Routineforschung hinausgelangen.[13]

Über dreißig Jahre von 1878 bis 1910 hatte der vormalige Wiener Privatdozent Wilhelm Franz Löbisch (1839-1912) die an der Medizinischen Fakultät angesiedelte Lehrkanzel für (angewandte) Medizinische Chemie inne. Löbischs Forschungen waren analytischer Natur (Wasser-, Arzneimittelanalysen). Bei Löbisch habilitierte sich 1892 der dann 1900 zum Extraordinarius ernannte langjährige Assistent der medizinisch-chemischen Lehrkanzel Hans Malfatti (1889-1945). Malfatti publizierte zur Harnchemie.

Drei Kurzzeitinhaber der Lehrkanzel für Medizinische Chemie bilden in der geschichtlichen Sinnstiftung der Universität Innsbruck eine nur teils durch die Fakten gedeckte Rolle. Der Grazer Privatdozent Fritz Pregl (1869-1930) nahm in den Monaten vor seiner Innsbruck-Berufung 1910 die Arbeiten zur Reduktion der für die chemische Elementaranalyse erforderlichen Substanzmengen (chemische Mikroanalyse) auf. Für die Löbisch-Nachfolge hatte die Medizinische Fakultät im Juni 1910 Richard von Zeynek (Prag) vor Friedrich Pregl (Graz), Otto Ritter von Fürth (Wien) jeweils an zweiter Stelle und Richard Burian (Leipzig, Leiter der physiologischen Abteilung der zoologischen Station in Neapel) an dritter Position nominiert.

Im Frühjahr 1911 schreibt Pregl nach Graz: „Im verflossenen Monate waren es die Schwächen meiner Methode der Mikroelementaranalyse, die meine ganze Zeit und Persönlichkeit absorbierten.“ Ende 1911 erschien Pregls gemeinsam mit seinem Grazer Kollegen Hans Buchtala veröffentlichter mikroanalytischer Forschungsbericht „Erfahrungen über die Isolierung der spezifischen Gallensäuren“. Im Mai 1912 notierte Pregl: „Am Ende des Wintersemesters war ich schwer überarbeitet. Ich habe die Mikroelementaranalyse verbessert, verfeinert, vereinfacht und noch weiter ausgebaut. Sie stellt nun einen fertigen Guss vor. Die Methoden sind bis in die geringsten Kleinigkeiten ausprobiert und die Vorschriften derartig, dass nunmehr Änderungen nur schaden könnten.“ Pregl erhielt 1923 den Nobelpreis für Chemie. Obwohl Pregl etwa 1911 eine Berufung nach Berlin mit der Begründung ablehnte, es sei ein größeres Glück, „in gewohnter Umgebung ruhig forschen zu können, als wieder die Gemütspein einer Ortsveränderung mitmachen zu müssen“, hat er sich in Innsbruck nicht übermäßig wohl gefühlt. Er sprach von „geistiger Vereinsamung“ und schreibt jedenfalls im Juni 1913 aus Anlass einer Wiener und Grazer Berufungsoption: „In dieser Woche sollen also die Würfel darüber fallen, ob ich zeitlebens in Innsbruck verbauern soll oder ob ich in die Kulturwelt wieder eintreten darf.“

Pregl, der 1913 nach Graz zurückging, empfahl für seine Innsbrucker Nachfolge Adolf Windaus (1876-1959), dem ebenfalls später 1928 in Anerkennung der Forschungen auf dem Gebiet der Konstitutionsaufklärung der Sterine und ihrer Beziehungen zu den Vitaminen der Nobelpreis für Chemie verliehen werden sollte: „Auf Grund dieses [Pregl’schen – Anm.] Gutachtens hat mithin der Ausschuss einstimmig beschlossen, der medizinischen Fakultät für den Fall einer notwendig werdenden Wiederbesetzung der Medizinisch-chemischen Lehrkanzel folgende Terne zu empfehlen: Primo loco: Professor Adolf Windaus, Freiburg iB., Secundo loco: Professor Theodor Panzer, Wien, Tierärztliche Hochschule, Tertio loco: Professor Franz Knoop, Freiburg iB.“

Nach knapp zweijähriger Tätigkeit ging Windaus 1915 nach Göttingen. Ihn löste der Münchner Privatdozent Hans Fischer (1881-1945) ab, der Innsbruck schon 1918 Richtung Wien wieder verließ und 1921 nach München zurückkehrte. Die Innsbrucker Fakultät hatte Fischer im September nachgereiht: Franz Knoop (Freiburg) secundo loco sowie tertio et aequo loco Hermann Leuchs (Berlin) und Martin Henze (Leipzig/Neapel). Fischer wurde 1930 der Nobelpreis für Chemie in Anerkennung seiner Verdienste um die Synthese des Hämins verliehen. In Innsbruck folgte ihm mit Martin Henze (1873-1956) ein Mitbewerber aus dem Jahr 1915, nachdem der schon einmal zuvor 1910 genannte Prager Professor Richard Zeynek einen Ruf nach Tirol abgelehnt hatte. Henze wurde 1938 nach dem „Anschluss“ von den NS-Behörden aus der Professur entlassen.

Innsbruck teilt sich bei realer Betrachtung also allenfalls Fritz Pregl als Nobelpreisträger mit der Grazer mikrochemischen Tradition. 1917 erkannte Pregl in seinem großen Handbuch „Die quantitative organische Mikroanalyse“ den (mit-) entscheidenden Charakter der Innsbrucker Jahre an. Die jeweils nur kurzen Aufenthalte von Pregl, Windaus und Fischer verdeutlichen die schwierige materiell finanzielle Ausstattung der naturwissenschaftlichen Forschung in Innsbruck.[14]

 

Pharmakologie/Pharmakognosie

Mit der Loslösung von der „theoretischen Medizin“ und von der allgemeinen Pathologie wurde 1886 eine eigene Lehrkanzel der Pharmakologie und Pharmakognosie eingerichtet. Eigentlich wollte die Medizinische Fakultät ihren ehemaligen Chemiker Richard Maly aus Graz zurückholen, konnte dann aber den Wiener Dozenten Josef Möller (1848-1924) gewinnen, der – bekannt durch ein Lehrbuch über die Mikroskopie der Genuss- und Nahrungsmittel – schon 1892 nach Graz wechselte.

Von 1893 bis 1922 war die Professur mit dem Wiener Privatdozenten Joseph Nevinny (1853-1923) besetzt. Nevinny konnte die schon bei seiner Berufung dringlich erscheinende Errichtung einer eigenen, von der Pharmakologie losgelösten Professur für Pharmakognosie nicht erreichen. Erst nach Nevinny erfolgte in den 1920er Jahren die Trennung der pharmazeutischen Lehrfächer, teils an der philosophischen, teils an der medizinischen Fakultät angesiedelt.[15]

 

Naturgeschichte/Botanik

Der seit 1850 noch im traditionellen Stil Naturgeschichte lehrende, aus Böhmen gebürtige Josef Köhler wurde 1859 wegen „Ordnungswidrigkeiten“ beurlaubt. Laut Majestätsbericht von Staatssekretär Alexander Helfert vom November 1860 wurde im Bericht der Innsbrucker Fakultät „am ersten Platze der Gymnasiallehrer Adolph Pichler, am zweiten der Professor der Naturgeschichte am Polytechnikum zu Ofen Doctor Anton Joseph Kerner, und am dritten Platze der Gymnasiallehrer Joseph Lorenz vorgeschlagen“. Das Ministerium forcierte Anton Kerner und den von der Fakultät nicht genannten Assistenten der Forstakademie Tharand, den früheren Prager Dozenten der Pflanzenphysiologie Julius Sachs. Dieser fiel aber dann doch „außer Betracht“, da er „wie weiter gepflogene Erhebungen herausgestellt haben, sich zum lutherischen Glauben bekennt“ und so für Tirol, das Land der „Glaubenseinheit“, nicht geeignet war. Pichler – er hatte unter anderem eine „Geognosie Tirols“ veröffentlicht – schien Helfert zur Gesamtvertretung der Naturgeschichte nicht hinreichend ausgewiesen. Mit Gustav Tschermak war auch ein später federführender österreichischer Mineraloge und Petrograph im Blickfeld der Innsbrucker Fakultät.

Anton Kerner (1831-1898) gilt als einer der Begründer der statistisch fundierten Pflanzengeographie. 1873 hielt er in Innsbruck erstmals Vorlesungen über Darwins Evolutionstheorie. Bekannt durch sein „Pflanzenleben der Donauländer“, anerkannt wegen seiner Beiträge zur Tiroler Flora und als Begründer eines hochalpinen Versuchgartens nahe dem Brenner wurde Kerner 1878 nach Wien berufen.

Im Juli 1878 heißt es im Fakultätsprotokoll zur Regelung der Kerner-Nachfolge: „Nach dem Antrag des Herrn Professor Kerner beschließt die Commission der Facultät vorzuschlagen. Primo loco als ordentlichen Professor den Herrn Privatdozenten Dr. J. Peyritsch, der Zeit Custos am Hofmuseum zu Wien unter Belassung des von ihm bisher bezogenen Gehaltes von 2000 fl. – Secundo loco als außerordentliche Professoren ex aequo die Herren Dr. A. Burgerstein, der Zeit Professor am Gymnasium des II. Bezirkes in Wien und Dr. G. Haberlandt, der Zeit mit einem Staatsstipendium zur Heranbildung von Universitätslehrern an der Universität Tübingen.“ Johann Peyritsch (1835-1889) wurde von der Fakultät wegen seiner Arbeiten zur Entwicklungsgeschichte der Pilze forciert.

1889 nach dem Tod von Peyritsch führt Minister Paul Gautsch-Frankenthurn in seinem Majestätsvortrag zum Innsbrucker Fakultätsvorschlag aus, dass „Imo loco der ordentliche Professor der Botanik an der Universität in Czernowitz Dr. Eduard Tangl, IIdo loco ex aequo der Privatdocent für Botanik an der Grazer Universität Dr. Emil Heinricher und der Privatdocent für Anatomie und Physiologie an der Wiener Universität Dr. H. Molisch und zwar die beiden letztgenannten in der Eigenschaft von außerordentlichen Professoren namhaft gemacht“ wurden.

Der 1889 vor allem von Julius Sachs als zweiter Nachfolger Anton Kerners geförderte Emil Heinricher (1856-1934) wirkte von 1889 bis zu seiner Emeritierung 1928 ununterbrochen in Innsbruck. Einen Ruf an die nach Gottlieb Haberlandt vakante Grazer Professor lehnte er 1911 ab. Heinricher führte die Tradition Kerners, der ja als ein Pionier der deszendenztheoretischen Pflanzengeographie galt, nur begrenzt fort. Heinrichers wissenschaftliches Lebenswerk war die Fortsetzung der pflanzenphysiologisch anatomischen Richtung seines Grazer Lehrers Hubert Leitgeb. Seine Forschungen zur Vererbungslehre waren angeregt vom aus der Grazer Studienzeit stammenden freundschaftlichen Kontakt zu Carl Correns, dem späteren Direktor des Berliner Kaiser Wilhelm Instituts für Biologie. Der in 1960er Jahren emeritierte Botanik-Professor Arthur Pisek notierte zur Heinricher-Ära: Über fast vier Jahrzehnte „regierte Hofrat Heinricher, der von Leitgeb, [Simon] Schwendener und Sachs hierher gekommen war.“

Im März 1934 – knapp ein Monat nach der blutigen Liquidierung der sozialistischen Arbeiterbewegung am 12. Februar – klagte Heinricher antisemitisch hasserfüllt den „Austromarxismus“ an. Unter Bedauern über die „Entfremdung, die zwischen Deutschland und Österreich besteht“, setzte Heinricher auf eine politische Lösung im Sinn des deutschen Faschismus: „Die Folgen haben in Österreich zu einer Unfreiheit der Gesinnung geführt, die Zeit meines Lebens vorher niemals bestanden hat. Sie äußern sich im Verderbnis der Charakterbildung, die von allerhand Zwangsmaßregeln betroffen wird. Obwohl angeblich alle Parteien aufgehört haben sollen, zu bestehen, dünkt mir, dass in Wirklichkeit die Herrschaft nur einer sichergestellt sein soll, vor allem des Katholizismus, dem der Vortritt vor der Nationalität zugestanden wird und der das Kennzeichen des Deutsch-Österreichers sein soll. Soll es in Österreich, in dem nunmehr Bolschewismus und Austromarxismus verdienstvoll glücklich überwunden sind, leider für die Eindämmung des Judentums aber erst wenig geschah, nochmals zu einer Protestantenverfolgung kommen? Glückliche Saar, in der es gelungen ist, das Nationale allen andren parteilichen Verschiedenheiten voranzustellen.“

Unter Heinricher erfolgte 1902 die erste Habilitation für Botanik an der Universität Innsbruck, jene des Assistenten Adolf Wagner (1869-1940). Adolf Wagner entlastete Heinricher von den botanischen Vorlesungen und Übungen für Pharmazeuten. Wagner, der sich der Erforschung der Alpenpflanzen widmete, wandte sich aber immer mehr der Naturphilosophie zu. Wagners „Panpsychismus“, sein „Psycholamarckismus“, für den er eine erkenntnistheoretische Stütze im Empiriokritizismus von Richard Avenarius und Ernst Mach, aber auch in der irrationalistischen Schopenhauerschen „Willensmetaphysik“ und in der „Philosophie des Unbewußten“ von Eduard Hartmann zu finden glaubte, wurde als Ergebnis von mit unzulässigen Analogien geführter „schulmetaphysischer“ Spekulation qualifiziert.

Vor 1914 kam es dann zu einer einzigen weiteren botanischen Habilitation, jener von Adolf Sperlich (1879-1963). Sperlich, ab 1921 Extraordinarius und ab 1928 Nachfolger von Heinricher, wurde von Arthur Pisek als „eingewurzelter“ Heinricher-Schüler geschildert: Heinricher „bemühte sich, seine Leute in den nach Haberlandts physiologischer Pflanzenanatomie ausgerichteten mikroskopischen Übungen, in denen er fast täglich persönlich erschien, unnachgiebig zu sauberster Arbeit und genauer Beobachtung zu erziehen.“ Hatte Heinricher seine postgraduelle Ausbildung bei Julius Sachs und Simon Schwendener gefunden, so entsprach dem bei Sperlich die Ausbildung bei zwei Größen der folgenden Generation der Pflanzenphysiologie, bei Wilhelm Pfeffer an der Universität Leipzig und bei Hans Molisch in Wien.[16]

 

Zoologie

Die anachronistische Lehrkanzel für Naturgeschichte war in den 1860er Jahren zugunsten der neuen Lehrkanzeln der Botanik, Zoologie und Mineralogie aufgelöst worden. War Kerner ohnedies schon vorrangig Pflanzengeograph, so erhielten 1863 die Zoologie und 1867 die Erdwissenschaften eigene Professuren.

Camill Heller (1823-1917), ursprünglich Militärarzt in Dalmatien, interessierte sich vorwiegend für die „Tierwelt der Adria, vor allem für die Crustaceen“. In Innsbruck veröffentlichte er dann auch eine Studie über die „Verbreitung der Thierwelt im Tiroler Hochgebirge“.

Gemeinsam mit dem Botaniker Heinricher erstellte Heller im Juni 1894 den Vorschlag für seine Nachfolge: „primo loco Professor Dr. Karl Heider, Privatdocent an der Universität in Berlin, secundo loco Dr. Robert von Lendenfeld, Professor an der Universität in Czernowitz, Prof. Dr. Karl Zelinka an der Universität in Graz und Professor am Mädchenlyzeum Graz, beide ex aequo, tertio loco Dr. Oswald Seeliger, Privatdocent an der Universität in Berlin, quarto loco Dr. Alfred Nalepa, Professor am Gymnasium IV. Bezirk Wien.“ Die Erstnennung von Heider wurde mit der Qualität seines „gemeinsam mit Professor Korschelt verfassten Lehrbuches der vergleichenden Entwicklungsgeschichte der wirbellosen Thiere“ begründet. Der zweit gereihte Robert Lendlmayr von Lendenfeld hatte sich 1888 in Innsbruck habilitiert, ehe er 1892 nach Czernowitz und dann weiter nach Prag berufen werden sollte.

Von 1894 bis 1917 hatte mit Karl Heider (1856-1935) einer der Mitbegründer der modernen Biologie die Innsbrucker zoologische Lehrkanzel inne. Nicht zufällig nannte die Berliner Philosophische Fakultät Heider 1917 primo et aequo loco mit Eugen Korschelt für das Ordinariat der allgemeinen Zoologie und vergleichenden Anatomie. Heider und Korschelt wurden wegen ihres mehrbändigen Lehrbuchs der vergleichenden Entwicklungsgeschichte der wirbellosen Tiere“ an der Spitze genannt: „Karl Heider ist 1856 in Wien geboren. Er hat Zoologie und Medizin in Graz studiert und ist ein Schüler von F(ranz) E(ilhard) Schulze. Nachdem er in Wien kurze Zeit unter Professor Claus Privatdozent gewesen ist, siedelte er 1885 nach Berlin als Privatdozent von F.E. Schulze über. 1895 wurde er nach Innsbruck berufen. Einen Ruf nach Prag hat er abgelehnt. Heiders wichtigste Arbeiten liegen auf dem Gebiete der Entwicklungsgeschichte der wirbellosen Tiere und der modernen Entwicklungsphysiologie. (…) Heider zeigt sich in diesen Arbeiten nicht nur als ein ganz hervorragender Beobachter, sondern er versteht es auch meisterhaft, die gewonnenen Resultate für allgemeine Theorien fruchtbar zu machen und dadurch den Arbeiten einen weit das Gebiet des Objekts überragenden Wert zu verleihen. So sind seine Arbeiten für die Keimblätterlehre und die Stammesgeschichte der Organismen grundlegend geworden. (…) Besonders dadurch hat er sich ein großes Verdienst erworben, dass er die Probleme der Entwicklungsmechanik, die schon an und für sich kompliziert genug sind, aber durch die Darstellung der beiden Hauptvertreter Roux und Driesch noch komplizierter und schwerer verständlich gemacht worden waren, klar herausgearbeitet und die Grenze ihrer Bedeutung festgelegt hat.“

1910 konnte auf Antrag von Karl Heider ein zweites planmäßig besoldetes Extraordinariat für Zoologie errichtet werden, da – wie Heider im Mai 1910 ausführt – der Abgang seines langjährigen Assistenten Adolf Steuer (1871-1960) drohte: „Zur Begründung dieses Ansuchens sei angeführt, dass Dr. Steuer wegen Übernahme einer Custodenstelle am Museum für Meereskunde in Berlin in Unterhandlung steht.“ Heider beantragte unter einem, Steuer einen spezifischen Lehrauftrag für „marine Biologie“ zu erteilen.

1918 übernahm Steuer als Ordinarius den Lehrstuhl von Karl Heider. Die Fakultät hatte im November 1917 gereiht: „primo loco Adolf Steuer ao. Professor in Innsbruck, Max Hartmann Privatdozent in Berlin, Curt Herbst ao. Professor in Heidelberg“.

Schon bei Heller noch mehr aber in den Forschungen des seit 1904 in Innsbruck tätigen Assistenten Adolf Steuer (wie Heider in Wien bei Carl Claus studiert) zeigte sich ein Dilemma der Innsbrucker zoologischen Forschungsrichtung: die „verdammten Innsbrucker Berge“, die nur dazu da schienen, den Zugang zum Meer, konkret zur k.k. zoologischen Forschungsstation in Triest, in Steuers Fall u.a. zur marinen Planktonforschung, zu versperren. Neben der begrenzten Forschungsförderung war dies der Hauptgrund, warum Steuer 1931 sein Innsbrucker Ordinariat vorzeitig zugunsten einer Direktorenstelle am deutsch-italienischen Institut für Meeresbiologie in Rovigno an der Adria aufgab.

Neben Heider und Steuer lehrte über vier Jahrzehnte bis um 1920 Karl Wilhelm von Dalla Torre (1850-1928). Er war bei der Regelung der Heller-Nachfolge 1894 übergangen worden. Dalla-Torre war erst im Hauptberuf an der Lehrerbildungsanstalt tätig, dann 1895 immerhin als wirklicher Extraordinarius an die Universität übersiedelt. Wegen seiner klassifizierenden Forschungen zur Tiroler Tierwelt war er 1882 für Entomologie habilitiert worden, 1890 wurde die venia auf allgemeine Zoologie erweitert. Heinz Janetschek, seit den 1950er Jahren Innsbrucker Professor der Zoologie, notiert 1968: Dalla Torres „eigentliche Stärke war aber die Bibliographie, wofür z.B. sein monumentaler 10bändiger Hymenopterenkatalog zeugt. Von seinen vielen botanischen [!] Schriften sei seine 6bändige ‚Flora der gefürsteten Grafschaft Tirol, des Landes Vorarlberg und des Fürstentums Liechtenstein’ (1900-1913) genannt.“[17]

 

Mineralogie/Geologie

Über fünfzehn Jahre wartete Adolf Pichler (1819-1900) auf eine Universitätsprofessur, zweimal – 1851 und 1859 – wurde er bei der Besetzung der Lehrkanzel für deutsche Sprache und Literatur übergangen, einmal 1859 bei der Neubesetzung der noch ungeteilten Lehrkanzel für Naturgeschichte. Nun 1867 wurde er endlich von dem von ihm als mühevoll empfundenen Gymnasiallehramt befreit und zum Professor der von der Naturgeschichte abgetrennten Mineralogie und Geognosie ernannt.

Nicht wirksam wurde das 1877 für fünf Jahre existente Extraordinariat für Mineralogie und Petrographie, da der ernannte junge Wiener Dozent Edmund Neminar (1852-1897), ein Schüler von Gustav Tschermak, 1882 nach vermögensrechtlichen Delikten verurteilt entlassen werden musste.

1890 wurden aus Anlass von Adolf Pichlers Emeritierung gesonderte Lehrstühle für „Mineralogie und Petrographie“ und für „Geologie und Paläontologie“ geschaffen, die 1867 gegründete Lehrkanzel für „Mineralogie und Geognosie“ aufgelassen. Im Juni 1890 berichtete die Fakultät an das Ministerium für Cultus und Unterricht: „Für die Lehrkanzel der Mineralogie und Petrographie schlägt das Professoren-Collegium dem hohen Ministerium die Terna vor: Primo loco [Friedrich] Becke [Wien], [Alois] Cathrein (ex aequo), secundo loco [Josef] Blaas, tertio loco [Rudolf] Scharizer [Wien]. Für die Lehrkanzel der Geologie und Palaeontologie nennt das Professoren Collegium dem hohen Ministerium außer Blaas die Herren [Victor] Uhlig [Wien, später dort Nachfolger von Suess], [Franz] Waehner [Wien, Suess-Schüler], [Adolf Gustav] Koch [Wien], [Vinzenz] Hilber [Graz], schlägt aber aus den oben genannten Gründen Blaas primo et unico loco vor.“

Alois Cathrein (1853-1936), der auch in Wien bei Gustav Tschermak und Eduard Suess gehört, sich dann an der Technischen Hochschule in Karlsruhe habilitiert hatte, übernahm die mineralogisch-petrographische Lehrkanzel. Ihm folgte 1922/23 Bruno Sander.

Josef Blaas (1851-1936) übernahm den geologisch-paläontologischen Teil der Pichler’schen Professur. Cathreins Forschungen zur Kristallographie wurden durch umfangreiche Lehrtätigkeit, durch mangelhafte Ausstattung, sowie durch das Fehlen eines Assistenten behindert. Blaas förderte vor allem das neue Gebiet der Glazialgeologie im landeskundlichen Rahmen, die praktisch geologische Forschung für den Bergbau und für die Trinkwasserversorgung. Blaas’ 1902 veröffentlichter „geologischer Führer durch die Tiroler und Vorarlberger Alpen“ bereitete den Weg für eine systematische „Geologie Tirols“ mit. Ihm folgte 1922 Raimund von Klebelsberg.

Über die landeskundliche mineralogisch-geologische Forschung hinaus Grundlegendes boten im Licht der neuen tektonischen „Deckentheorie“ die Cathrein/Blaas-Schüler Wilhelm Hammer (1875-1942) und Otto Ampferer (1875-1947), beide später Direktoren der Geologischen Bundesanstalt in Wien. Ampferer nahm mit seinem Aufsatz „Über das Bewegungsbild von Faltengebirgen“ (1906) entscheidend zu Fragen der Tektonik Stellung. Er beeinflusste mit seiner „Unterströmungshypothese“ Alfred Wegeners Kontinentalverschiebungstheorie, jenes Wegener, der das Sommersemester 1901 an der Universität Innsbruck zugebracht hatte.

Bei Cathrein und Blaas habilitierten sich vor 1918 drei Dozenten, 1913 der in der praktischen Geologie tätige Guido Hradil (1877-1960). 1915 habilitierte sich dann Raimund Klebelsberg (1886-1967), der 1921 Blaas in der geologischen Lehrkanzel nachfolgte. Klebelsberg veröffentlichte in Pichlers und Blaas’ Tradition 1935 eine systematische „Geologie von Tirol“, sowie 1949 in der Linie von Albert Heim und Albrecht Penck ein „Handbuch der Gletscherkunde und Glazialgeologie“.

In die Reihe der für Mineralogie und Geologie des 20. Jahrhunderts bedeutenden Cathrein/Blaas-Schüler zählt der 1912 habilitierte Bruno Sander (1884-1979). Sander, der 1923 in die Cathrein-Nachfolge einrückte, legte 1911 mit der Abhandlung „Über Zusammenhänge zwischen Teilbewegung und Gefüge in Gesteinen“ die Grundlagen zu der von ihm begründeten statistischen Gefügeanalyse der Gesteine, die zahlreiche Geologen aus den USA, Skandinavien, Italien oder China nach Innsbruck lockte und ihrem Schöpfer u.a. (immer abgelehnte) Berufungsanträge der Universitäten Tübingen, Leipzig und der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg oder nach 1945 der Universität von Pennsylvania, USA, eintragen sollte.[18]

Experimentelle psychologie

Franz Hillebrand (1863-1926) gründete in Innsbruck bereits 1897, ein Jahr nach seiner Berufung aus Wien, ein Institut für experimentelle psychologie – mit 400 Kronen jährlich dotiert.

Hillebrand, 1892 in Wien habilitiert, nachgereiht genannt waren der dann zeitgleich 1896 nach Prag berufene „Gestaltpsychologe“ Christian von Ehrenfels und der Prager Dozent Emil Arleth, ein Aristoteles-Forscher. Obwohl Hillebrand nominell die traditionelle philosophische Lehrkanzel übernommen hatte, trat er vorrangig als ein Vertreter der naturwissenschaftlichen Wahrnehmungspsychologie auf. Hillebrand, der zahlreiche Beiträge zum Gesichtssinn veröffentlichte, war Schüler zweier Exponenten der experimentellen psychologie, von Ewald Hering und Ernst Mach (beide jahrelang in Prag lehrend). Der zweite Orientierungspunkt für Hillebrands intellektuelle Biographie war der Wiener Philosoph Franz Brentano mit seiner deskriptiv-phänomenologischen „psychologie vom empirischen Standpunkt“. Brentano hatte Hillebrand im Verdacht, zu sehr „physiologischer Heringianer“ bzw. positivistischer „Machianer“ zu sein. Zeitlebens stand Hillebrand in engem Kontakt zum Begründer der Berliner Psychologenschule Carl Stumpfs.[19]

Im Umfeld von Franz Hillebrands experimentalpsychologischem Labor ist auf die theoretische Grundlagenforschung an der medizinischen Fakultät zu verweisen, an der die Wiener Meynert-Schüler Gabriel Anton (1891-1894) und Carl Mayer (1894-1936) Psychiatrie und Neurologie lehrten. Hillebrand stand auch in Kontakt zum physiologischen Institut, an das ebenfalls bei Ewald Hering ausgebildete Professoren wie Franz Bruno Hofmann (1905-1911) oder Ernst Theodor Brücke (1916-1938) berufen wurden. In der Augenheilkunde forschten Lehrkanzelinhaber wie Stefan Bernheimer (1900-1915) zu Fragen, die auch für die Sinnespsychologie relevant waren.[20]

 

  1. Die Lage der Innsbrucker Naturwissenschaften nach 1918.[21]

Zur materiellen Krise der naturwissenschaftlichen Fächer finden sich in den Akten der Philosophischen Fakultät Innsbruck während der 1920er Jahre viele Hinweise, z.B.:

  • Das Institut für Geologie musste 1921 die Anschaffung grundlegender Zeitschriften einstellen. Josef Blaas, Vorstand des Instituts, beklagte im März 1921 das Ansteigen der Buchpreise um das Zwanzigfache. Weiters mussten die Exkursionen des Instituts auf ein Minimum eingeschränkt werden.
  • Die Sternwarte der Universität musste teilweise in Privaträumen des Astronomieprofessors Arthur Scheller untergebracht werden.
  • Franz Hillebrand drohte 1925 die Leitung des Instituts für Experimentelle psychologie zurückzulegen, sollten nicht die Buchhändlerschulden durch eine außerordentliche Dotation abgedeckt werden. Da sein Gesuch abgelehnt wurde, bat Hillebrand den Dekan der Philosophischen Fakultät 1926, ihn von der finanziellen Verwaltung des Instituts zu entbinden: „Meine Dotation reicht nicht einmal zu, die 2 Zeitschriften, die ich bisher gehalten, weiter zu beziehen, geschweige denn irgendwelche Anschaffungen zu machen.“
  • Als 1925/26 eine Berufung von Erwin Schrödinger an die Lehrkanzel für Theoretische Physik möglich schien, entbrannte eine Zeitungspolemik gegen die Berufung der „teuersten Lehrkraft“ in Zeiten „finanzieller Notlage“. Die „Innsbrucker Nachrichten“ vom 1. Februar 1926 bemerkten, „daß fünf Bundesangestellte mit dem Durchschnittsgehalt von 300 S abgebaut werden müssen, um sich die kostspielige Luxusberufung an eine kleine Provinzuniversität (1600 Studenten) zu leisten. Der Bedarf wäre mit einer inländischen Kraft mit 470 S monatlich zu decken.“[22]
  • Aus Anlass der Berufung des späteren Nobelpreisträgers für Physik, Victor Franz Hess, an die Universität Innsbruck 1930/31 beklagte die Fakultät am 24. Oktober 1930 den rapiden Personalabbau im naturwissenschaftlichen Fachbereich: „Trotz der enormen Steigerung der Frequenz unserer Universität und der hierdurch bedingten erhöhten Anforderungen an Personal und Institut ist in den letzten Jahren ein Abbau und eine Reduktion der Lehrstellen der oben erwähnten Fächer eingetreten und nicht ein Ausbau. Es gab im Sommersemester 1925: 2 Ordinarien für Mathematik (Zindler, Gmeiner), 2 Ordinarien für Experimentalphysik (Schweidler, Lerch), 1 Ordinarius für theoretische Physik (Tumlirz), 1 Ordinarius für Kosmische Physik, 1 Ordinarius für Astronomie (Scheller). Von diesen 7 Ordinariaten sind heute 4 mit Extraordinarien besetzt, ein Ordinariat (Experimentalphysik) wurde gestrichen. Gegenwärtig, vor Besetzung der einen mathematischen Lehrkanzel, ist der Unterzeichnete (Friedrich Lerch - Anm.) der einzige Ordinarius obiger Gruppe.“ Am 4. Dezember 1930 begründete die Fakultät den geforderten personellen Aufbau mit dem Zustrom reichsdeutscher Hörer und stellte einen direkten Konnex zum „Anschlussdenken“ her: „Man spricht von Anschluß an das deutsche Volk, vorläufig nur vom Zusammenschluß zu geistiger Gemeinschaft, weil wir politisch nicht frei sind. Der Zustrom zu unserer, den deutschen Grenzen am nächsten liegenden Universität ist ein Symptom des Gemeinsamkeitsgedankens. Es erwachsen der Universität und dem erweiterten Unterricht neue Aufgaben. Da ist die schmerzliche Enttäuschung begreiflich, daß statt eines Aufbaues ein Abbau eingesetzt hat.“ Hess konnte seine Innsbrucker Forschungen nur zum geringsten Teil aus inländischen Mitteln finanzieren, entscheidend war die Unterstützung durch die Rockefeller Foundation und die Deutsche Notgemeinschaft.
  • Für zahlreiche Innsbrucker Forschungsvorhaben war die „Deutschen Notgemeinschaft“ unumgänglich. Deren Bedeutung verdeutlichte der Innsbrucker Rektor in einem Antrag auf Verleihung der Ehrenmitgliedschaft an den preußischen Staatsminister Friedrich Schmidt-Ott 1930: „Ich möchte nur darauf hinweisen, daß vor allem dem Einflusse dieses Mannes es zuzuschreiben ist, daß die Tätigkeit der deutschen Forschungsgemeinschaft (Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft) auch auf Österreich ausgedehnt wurde, so daß die Forschung österreichischer Gelehrter durch Zuwendung von Mitteln vielfach gefördert, zum Teil überhaupt erst ermöglicht wurden. Auch Angehörige der Universität Innsbruck haben durch die deutsche Forschungsgemeinschaft bedeutende Zuwendungen erhalten.“
  • Der Zoologe Adolf Steuer hatte deshalb schon 1927 die Behauptung aufgestellt, dass nur der sofortige „Anschluss“ an Deutschland die Lage der naturwissenschaftlichen Forschung verbessern kann: „Wären bei uns normale Friedenszeiten oder wenigstens Aussicht auf solche durch raschen baldigen Anschluß an das deutsche Reich (den leider ein Teil der österr. Intelligenz durch ewiges Schimpfen auf die Deutschen nicht fördert) - so würde ich Ihnen [gemeint ist Otto Steinböck – Anm.] ohne weiteres zur Habilitierung in Innsbruck raten.“ Steuer stand mit seiner Anschlussposition in Übereinstimmung mit den maßgeblichen akademisch deutschnationalen Milieus. Innerhalb der Rektorenkonferenz war es etwa 1925 nur zu taktischen Differenzen über die Vorgangsweise in der „Anschlussfrage“ gekommen, während „den versammelten Rektoren der Anschluß an das Deutsche Reich als selbstverständlich“ galt.
  • Der emeritierte Innsbrucker Botanikprofessor Emil Heinricher wünschte sich 1933/34, dass die „unselige Spannung, die zwischen dem Deutschen Reiche und Österreich ausgebrochen ist“, beseitigt wird: „Hoffen wir, dass dieser unnatürlichen Wirrnis ein baldiger Ausgleich ein Ende bereitet. Dies mein heißester Wunsch!“
  • Wie Adolf Steuer und Emil Heinricher sah der Zoologe Otto Steinböck (1893-1969), in den „NS-Jahren“ einer der fanatischen faschistischen Funktionäre an der Universität Innsbruck, im „Anschluss“ an Deutschland die einzige Möglichkeit einer Normalisierung des wissenschaftlichen Lebens und sah sich dementsprechend durch den Einmarsch der Nazitruppen 1938 bestätigt. Nach seiner Rückkehr aus dem „siegreichen“ Frankreichfeldzug schrieb Steinböck 1940: „Das Institut selbst würden Sie gar nicht mehr kennen. Nachdem wir unter Dollfuß-Schuschnigg schon jahrelang überhaupt kein Geld mehr bekamen, wurde dies im Sommer nach dem Umbruch anders. Ich konnte alle meine alten Pläne verwirklichen, bekam neue Räume hinzu, auch einen Garten mit Freilandbecken, in dem sich augenblicklich Saiblinge für verschiedene Experimente aus einem 2800m hohen Hochgebirgssee befinden, und die ganzen Räume wurden vollkommen neu hergerichtet, ausgemalt, gestrichen usw. Mein Institut ist jetzt sicherlich eines der schönsten unter den Zoologischen im Großdeutschen Reich.“[23]
  • Mit erfolgtem „Anschluss“ verbanden viele Innsbrucker Professoren die Illusion auf radikale Verbesserung der materiellen Situation, die bereits bekannten NS-Verbrechen ignorierten sie im euphorischen „Anschluss-Jubel“, genau so wie die an der Universität Innsbruck selbst sichtbare politische und rassistische Verfolgung. Nach den Jahren finanzieller Auslaugung setzten die Professoren im Zusammenhang mit der Rüstungsscheinkonjunktur und dem deutschen Imperialismus auf „Aus- und Aufbauprogramme“. Kurzfristig gewährte Sonderdotationen nährten Illusionen vom Ausbau der Universität Innsbruck zu einer „deutschen Grenzlanduniversität“. Dekan Ernst Philippi (1888-1969), Professor der Chemie, stellte im „Aufbauprogramm für die Philosophische Fakultät“ vom Juni 1938 die naturwissenschaftlichen Disziplinen in den Mittelpunkt: „Hier hat sich das Fehlen jeglichen ordentlichen Etats durch nunmehr 6 1/2 Jahre auf alle Institute verheerend ausgewirkt. Außerdem gingen in den letzten Jahren die zweite botanische, die zweite zoologische und die mit dem Strahlenforschungsinstitut verbundene zweite physikalische Lehrkanzel verloren. Die Errichtung einer selbständigen Lehrkanzel für physikalische Chemie wurde hartnäckig verweigert, sodaß unsere Chemiker eigentlich kein Verbandsexamen ablegen können, für das ja ein physikalisch-chemisches Praktikum vorgeschrieben ist. Der Vorstand des Institutes für kosmische Physik wurde zwar zum Mitglied der Akademie der Wissenschaften, aber noch immer nicht zum Ordinarius ernannt, wofür er seit 8 Jahren vorgeschlagen.“[24]

 


[1] Hier sei erinnert an Engelbert Broda: Warum war es in Österreich um die Naturwissenschaft so schlecht bestellt?, in: derselbe: Wissenschaft – Verantwortung - Frieden. Ausgewählte Schriften, Wien 1985, 162-183.

[2] Sämtliche naturwissenschaftliche Doktoren bis 1904/05 in: Die Matrikel der Universität Innsbruck. Abteilung: Philosophische Fakultät. Band 1 (1849-1905), bearbeitet von Peter Goller, Innsbruck 2013: Name, soziale Herkunft, Matura, Studienorte, eventuell Lehramtsprüfung, Promotionsdatum, Dissertationsthema, etc. – Ein Verzeichnis aller naturwissenschaftlichen Dissertationen zwischen 1873 und 1964 findet sich in Gertrud Labenbacher: Dissertationen-Verzeichnis der Universität Innsbruck I. Philosophische Fakultät, Innsbruck-Wien 1982.

[3] Vgl. Die Matrikel der Universität Innsbruck. Abteilung: Verzeichnis der Pharmaziestudenten (1854-1918), bearbeitet von Peter Goller, Innsbruck 1996.

[4] Vgl. Einleitung zu Die Matrikel der Universität Innsbruck. Abteilung: Medizinische Fakultät. Band 1 (1869-1900), bearbeitet von Peter Goller, Innsbruck 1995.

[5] Alle Details zu den naturwissenschaftlichen Baufragen in Hedda Leeb: Geschichte der Universität Innsbruck von 1898 bis 1908, phil. Diss., Innsbruck 1967, 195-210, sowie zu den Dotationsfragen ebenda, 267, 275f., 357-359, 373-377. - ältere Dotationszahlen in: Die Leopold-Franzens-Universität Innsbruck in den Jahren 1848-1898, Innsbruck 1899, 28-30 und 41-49.

[6] Zitiert nach Anton Holasek und Alois Kernbauer (Hrg.): Fritz Pregl an Karl Berthold Hofmann. Briefe aus den Jahren 1904-1913. (=Publikationen aus dem Archiv der Universität Graz 25), Graz 1989, 50.

[7] Vgl. Gerhard Oberkofler: Zur Geschichte der Innsbrucker Mathematikerschule seit dem 19. Jahrhundert, in: Die Fächer Mathematik, Physik und Chemie an der Philosophischen Fakultät zu Innsbruck bis 1945, hrg. von Franz Huter. (=Forschungen zur Innsbrucker Universitätsgeschichte 10), Innsbruck 1971, 20-54. – Johann Radon: Nachruf auf Wilhelm Wirtinger, in: Almanach der Österreichischen Akademie der Wissenschaften für das Jahr 1945 (95. Jg., Wien 1947), 336-346. - Auch Peter Goller und Gerhard Oberkofler: „... dass auf der Universität für die Lehre, die dort vertreten wird, wirkliche Gründe gegeben werden!“ Wolfgang Gröbner (1899-1980). Mathematiker und Freidenker, in: Österreichische Mathematik und Physik, hrg. von der Zentralbibliothek für Physik in Wien, Wien 1993, 9-30.

Vgl. Online-Eintrag:

www.uibk.ac.at/universitaetsarchiv/universitaetsgeschichte-nach-1950/wolfgang-groebner_mathematik.html

[8] Vgl. Gerhard Oberkofler: Die Lehrkanzel für Mathematische Physik, in: Die Fächer Mathematik, Physik und Chemie an der Philosophischen Fakultät zu Innsbruck bis 1945. (=Forschungen zur Innsbrucker Universitätsgeschichte 10), Innsbruck 1971, 120-132 und neuerdings Ferdinand Cap: Geschichte des Instituts für theoretische Physik 1868-1988 (Manuskript, August 2005); - auch Gerhard Oberkofler und Peter Goller: Erwin Schrödinger. Briefe und Dokumente aus Zürich, Wien und Innsbruck, hrg. von der Zentralbibliothek für Physik in Wien, Wien 1992.

Online-Eintrag:

www.uibk.ac.at/universitaetsarchiv/boltzmann-mach-schroedinger/

[9] UAI, Akten der Philosophischen Fakultät 224 aus 1866/67. Vgl. dazu „Posthume Ehrung für Tiroler Physiker“, Presseaussendung der Universität Innsbruck vom 15. Mai 2017. Aus dem lokalen Umfeld der Lehrkanzel haben sich neben dem nach Leoben berufenen Engelbert Kobald zwei, dann im Mittelschulbereich wirkende ehemalige Pfaundler-Assistenten habilitiert: Johann Tollinger (Jg. 1847) und Hermann Hammerl (1853-1933). Vgl. Armin Denoth: Hermann Hammerl (1853-1933), in: Berichte des naturwissenschaftlich-medizinischen Vereins Innsbruck 98 (2013), 173-182. - Vgl. insgesamt Rudolf Steinmaurer: Die Lehrkanzel für Experimentalphysik, in: Die Fächer Mathematik, Physik und Chemie an der Philosophischen Fakultät zu Innsbruck bis 1945, hrg. von Franz Huter. (=Forschungen zur Innsbrucker Universitätsgeschichte 10), Innsbruck 1971, 55-119. Hans Benndorf: Nachruf auf Egon Schweidler, in: Almanach der Österreichischen Akademie der Wissenschaften für das Jahr 1948 (98 Jg., Wien 1949), 233-243.

Online-Eintrag:

www.uibk.ac.at/forschung/sammlungen

[10] Ein dritter wichtiger Innsbrucker Trabert-Schüler war Arthur Wagner (1883-1942), der 1906 mit der Dissertation „Eine neue Methode zur Bestimmung des absoluten Wertes der Horizontalkomponente des Erdmagnetismus“ abschloss. 1914 wurde ihm die Venia legendi für Physik der Erde an der Universität Wien verliehen. 1926 übernahm er die Leitung der Observatorien auf dem Sonnblick und Obir, die sich nach weitgehendem Zusammenbruch der österreichischen Wissenschaftsförderung im Mitbesitz der deutschen Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft befanden. 1926 als Nachfolger Defants nach Innsbruck berufen wandte sich Wagner der alpinen Meteorologie zu, vor allem der Streitfrage um die Entstehung des Berg- und Talwindes. So entstanden Beiträge zur Dynamik des Föhns, zur Niederschlagsverteilung im Hochgebirge. Anton Schedler (1891-1973) hat 1911 nach Fickers Berufung an die Universität Graz dessen Assistentenstelle bei Exner übernommen. Bei Exner wurde er 1914 mit einer Dissertation „Über den Einfluss der Lufttemperatur in verschiedenen Höhen auf die Luftdruckschwankungen am Erdboden (nach internationalen Ballonaufstiegen)“ promoviert. Unter Vorlage von Abhandlungen zu erdmagnetischen Vermessungen wurde Schedler 1923 habilitiert.

[11] Vgl. Gerhard Oberkofler und Peter Goller: Von der Lehrkanzel für Kosmische Physik zur Lehrkanzel für Meteorologie und Geophysik an der Universität Innsbruck. Von Josef Maria Pernter bis Herfried Hoinkes (1890-1975), in: 100 Jahre Institut für Meteorologie und Geophysik an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck 1890-1990. (=Veröffentlichungen der Universität Innsbruck 178), Innsbruck 1990, 11-96. - Vgl. über die Gelehrtendynastie Exner Berta Karlik und Erich Schmid: Franz Serafin Exner und sein Kreis. Ein Beitrag zur Geschichte der Physik in Österreich, Wien 1982, über Felix Maria Exner 52 und 150f. Über den 1938 in die USA geflüchteten Viktor Conrad vgl. auch Helmut W. Flügel (Hrg.): Alfred Wegeners vertraulicher Bericht über die Grönland-Expedition 1929, Graz 1980, 8f.: Aus Anlass der Regelung der Nachfolge für Heinrich Ficker merkte das Grazer Professorenkollegium 1922 an: „Prof. Conrad ist Jude und seine Ernennung würde schwerem Widerstand seitens der Grazer Studentenschaft begegnen.“ - Vgl. ferner Wilfried Hofinger (Hrg.): Briefe und Correspondenz-Karten von Joseph Maria Pernter an seinen Freund Hans Malfatti aus den Jahren 1898 bis 1908, Manuskript 2007.

Vgl. Online-Eintrag:

www.uibk.ac.at/universitaetsarchiv/universitaetsgeschichte-nach-1950/meteorologie.html

 

[12] Vgl. Gerhard Oberkofler und Peter Goller: Die Astronomie an der Universität Innsbruck 1888-1929, in: Hundert Jahre Astronomie an der Universität Innsbruck 1892-1992. (=Uni-Retrospektiven 2), Innsbruck 1992, 5-104. Martin Köpl: Astronomie und Astrophysik an der Universität Innsbruck (1888-1999), phil. Diplomarbeit, Innsbruck 2013.

[13] UAI, Akten der Philosophischen Fakultät 639 aus 1901/02. Vgl. Guido Machek: Die Lehrkanzeln und Institute für Chemie in Innsbruck, in: Die Fächer Mathematik, Physik und Chemie an der Philosophischen Fakultät zu Innsbruck bis 1945, hrg. von Franz Huter, Innsbruck 1971, 173-222. Hier auch über die Privatdozenten der Chemie: Johann Georg Malin (1868 habilitiert) und Josef Zehenter (Realschulprofessor, 1901 für chemische Technologie habilitiert). Vgl. Simon Hermann Schöpf: Die Geschichte der chemischen Institute in Innsbruck, phil. Diplomarbeit, Innsbruck 2019.

[14] UAI, Akten der Medizinischen Fakultät 833 aus 1909/10, 885 aus 1912/13, 664 aus 1914/15 und 3 aus 1920/21. Vgl. Richard Stöhr: Medizinische Chemie, in: Hundert Jahre Medizinische Fakultät Innsbruck 1869 bis 1969, 2 Bände, hrg. von Franz Huter. (=Forschungen zur Innsbrucker Universitätsgeschichte 7), Innsbruck 1970, 235-246 und Anton Holasek - Alois Kernbauer: (Hrg.): Fritz Pregl an Karl Berthold Hofmann. Briefe aus den Jahren 1904-1913. (=Publikationen aus dem Archiv der Universität Graz 25), Graz 1989.

Die Berufungsvorschläge für Löbisch, Pregl, Windaus und Fischer sind online zugänglich: www.uibk.ac.at/universitaetsarchiv/medizinische-berufungsakten-seit-1869-/

[15] Vgl. Heribert Konzett: Lehrkanzel und Institut für Pharmakologie, in: Hundert Jahre Medizinische Fakultät Innsbruck 1869 bis 1969, 2 Bände. (=Forschungen zur Innsbrucker Universitätsgeschichte 7), Innsbruck 1970, 287-302.

[16] Vgl. Gerhard Oberkofler und Peter Goller: Materialien zur Geschichte der naturhistorischen Disziplinen in Österreich. Die Botanik an der Universität Innsbruck 1860-1945. (=Forschungen zur Innsbrucker Universitätsgeschichte 17), Innsbruck 1991. UAI, Nachlass Emil Heinricher.

[17] UAI, Akten der Philosophischen Fakultät 500 aus 1893/94, 291 aus 1909/10 und 168 aus 1917/18. Vgl. Heinz Janetschek: Aus der Geschichte der Zoologie in Innsbruck, in: Verhandlungen der Deutschen Zoologischen Gesellschaft in Innsbruck 1968, Leipzig 1969, 56-65. - Gerhard Oberkofler: Berufungen von Naturwissenschaftlern der Universität Innsbruck an die Universität Berlin. Dokumente, in: Tiroler Heimat 48/49 (1984/85), 141-156 und Heinz Janetschek: Hundert Jahre Naturwissenschaftlich-Medizinischer Verein Innsbruck, in: Berichte des Naturwissenschaftlich-Medizinischen Vereins Innsbruck 58 (1970), 1-12.

[18] Vgl. Peter Goller und Gerhard Oberkofler: Mineralogie und Geologie an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck (1867-1945). (=Forschungen zur Innsbrucker Universitätsgeschichte 15), Innsbruck 1990.

Online-Einträge zu Bruno Sander, zur Antrittsvorlesung und zu seinem internationalen Berufungsnetzwerk:

www.uibk.ac.at/universitaetsarchiv/bruno-sander/

www.uibk.ac.at/universitaetsarchiv/universitaetsgeschichte-nach-1950/bruno-sander-ii.html

[19] Vgl. Gerhard Oberkofler: Carl Stumpf (1848-1936) an Franz Hillebrand (1863-1926), in: Tiroler Heimat 45/46 (1982/83), 145-157, sowie Gerhard Oberkofler: Aus Briefen von Ewald Hering an Franz Hillebrand, in: Aufsätze zur Geschichte der Naturwissenschaften und Geographie, hrg. von Günther Hamann, Wien 1986, 183-203. Vgl. weiter Franz Hillebrand: Die experimentelle psychologie, ihre Entstehung und ihre Aufgaben. Antrittsvorlesung gehalten am 19. Oktober 1896 in Innsbruck, hrg. von Joachim Gatterer, Peter Goller und Pierre Sachse, in: Journal. psychologie des Alltagshandelns 11/1 (2018), 47-63 und Sonja Schweinhammer: Die Geschichte des Instituts für Experimentelle psychologie an der Universität Innsbruck. Die Anfangsphase 1897 bis 1926, phil. Diplomarbeit, Wien 1995.

Online-Einträge: www.uibk.ac.at/psychologie/geschichte

www.uibk.ac.at/universitaetsarchiv/franz-hillebrand

[20] Vgl. generell zu weiterer naturwissenschaftlich relevanter Grundlagenforschung im Bereich der medizinischen Fakultät, u.v.a.m. zum „Entwicklungsanatomen“ Wilhelm Roux (1850-1924), der bei seiner Ernennung 1889 in Innsbruck als „entschiedener Anhänger der Descendenztheorie“ Darwins mit lokaler religiös motivierter Ablehnung zu kämpfen hatte, und der dann 1895 nach Halle berufen wird, - oder über das physiologische Extraordinariat von Ludwig Haberlandt und dessen zur „Pille“ führende Hormonforschungen: Hundert Jahre Medizinische Fakultät Innsbruck 1869 bis 1969, 2 Bände, hrg. von Franz Huter, Innsbruck 1969 oder Corinna Zangerl: Wenn Wissenschaft Lebensgrenzen setzt. Die Aufzeichnungen des Innsbrucker Physiologen Ludwig Haberlandt (1885-1932), Innsbruck 2014.

[21] Zur Forschungsförderung Österreich/Deutschland im Vergleich u.a. Günther Wendel: Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft 1911-1914. Zur Anatomie einer imperialistischen Forschungsgesellschaft, Berlin 1975 oder Wolfgang Schlicker: Konzeptionen und Aktionen bürgerlicher deutscher Wissenschaftspolitik, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 27 (1979), 423-438.

[22] Nach Ferdinand Cap: Erwin Schrödinger und Tirol, in: Jahrbuch Überblicke Mathematik 1986, 211-216.  Vgl. Gerhard Oberkofler und Peter Goller: Erwin Schrödinger. Briefe und Dokumente aus Zürich, Wien und Innsbruck, hrg. von der Zentralbibliothek für Physik in Wien, Wien 1992.

[23] Vgl. Peter Goller und Gerhard Oberkofler: Krise der Wissenschaftspolitik und Faschismus an Österreichs Universitäten. Zur materiellen Basis der ‚Anschlussideologie’ am Beispiel der Universität Innsbruck, im speziellen des Innsbrucker Zoologen Otto Steinböck (1893-1969), in: Jahrbuch des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes für 1996, Wien 1996, 101-122.

[24] Vgl. zur faschistischen Infiltrierung der Innsbrucker Naturwissenschaftler Peter Goller: Der Dozentenkader der naturwissenschaftlichen Fakultät Innsbruck und die Befreiung vom Nazifaschismus 1945-1951, Innsbruck 2000.

Nach oben scrollen