Zillertaler Granat
Heritage Science Austria Call:
Zillertaler Granat – Studien zum kulturellen Erbe des ostalpinen Halbedelstein-Gewerbes im Spiegel interdisziplinärer Forschung
Einleitung
In den Hochlagen des hinteren Zillertals in Nordtirol wurde vom späten 18. bis frühen 20. Jahrhundert Granat als Halbedelstein abgebaut und zu Rohsteinen für den Edelsteinmarkt verarbeitet. Zwei Familien waren an der Gewinnung des Minerals aus granatführenden Glimmerschiefern und dem weitreichenden Handel mit Granat beteiligt. Zillertaler Granat wurde vor allem an Edelsteinschleifereien in Böhmen geliefert, wo die Weiterverarbeitung zu geschliffenen und polierten Steinen und Granatschmuck erfolgte.
Reste der ehemaligen Infrastruktur der Granatgewinnung haben sich in den Hochlagen des Zillertals in der Nähe der Granatvorkommen erhalten und bilden ein einzigartiges kulturelles Erbe im Herzen des "Hochgebirgs-Naturparks Zillertaler Alpen". Zu diesem Erbe gehören Ruinen von Poch- und Klaubehütten sowie Granatmühlen, die durch ein Netz von Alpinsteigen miteinander verbunden waren. Private Sammlungen beinhalten eine große Anzahl von Objekten wie Granatstufen, Werkzeuge und Restbestände aus der letzten Abbauperiode und befinden sich im Besitz eines bekannten Mineraliensammlers sowie der Nachkommen der Granathändler. Diese Sammlungen umfassen auch große Mengen an handschriftlichen Dokumenten und stehen für interdisziplinäre Studien zur Verfügung. Ziel dieser Studien ist es, die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte dieser vergessenen Kleinindustrie des späten 18. bis frühen 20. Jahrhunderts und die weitreichenden Handelsnetzwerke im Gebiet der ehemaligen Habsburgermonarchie zu rekonstruieren.
Im Rahmen des Projektes wird das kulturelle Erbe dieser einzigartigen Halbedelstein-Industrie im Ostalpenraum aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet und für eine museale Präsentation aufbereitet. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der archäologischen Untersuchung der materiellen Hinterlassenschaften, dem Studium und der Archivierung der schriftlichen Quellen sowie der mineralogisch/geochemischen Charakterisierung des Zillertaler Granats als Halbedelstein.
Zillertaler Granat – Geologie und Mineralogie
Im westlichen Teil des Tauernfensters (Kristallinkomplex in den Ostalpen) treten im Bereich der Zillertaler und Tuxer Alpen granatführende metamorphe Glimmerschiefer auf (Greiner Serie). Bei dem hier reichlich vorkommenden Granat handelt es sich vor allem um eisenreichen Almandin, Fe3Al2(SiO4)3. Unter Mineraliensammlern ist der dunkelrote Almandin mit seinen ausgeprägten Kristallflächen sehr begehrt und stellt daher ein attraktives Sammel- und Ausstellungsobjekt dar. Seit dem 18. Jahrhundert wurde Granat hoher Qualität aus dem Zillertal als Halbedelstein abgebaut und vermarktet und lieferte den Grundstock für ein Kleingewerbe (Kleinindustrie in den Alpen / Volksindustrie), das einfachen Arbeitern im Granatbergbau wie Kleinunternehmern und Kaufleuten ein Einkommen sicherte.
Granatvorkommen am Rossrücken im Zemmgrund
Ein Zentrum der Zillertaler Granatgewinnung im 18., 19. und frühen 20. Jahrhundert befand sich im hinteren Zemmgrund. Besonders intensiv beschürft wurden hier die Vorkommen am Rossrücken bis in 2.800 Meter Seehöhe. Der schroffe nach Norden gerichtete Felsgrat des Rossrückens wird im Westen vom Waxeggkees und im Osten vom Hornkees flankiert. Während sich das Eis dieser beiden Gletscher in den letzten Jahrzehnten weit zurückgezogen hat, wurde der Rossrücken in den 1850er Jahren von beiden Gletscherströmen komplett eingeschlossen („Kleine Eiszeit“). Der Zugang zu den Granatvorkommen erfolgte in dieser Zeit über das Eis, über Schneefelder und Blockschutthalden. Die Hütten und Werkstätten der Granatarbeiter lagen teilweise in unmittelbarer Nähe zum Gletscherrand.
„Granatenklauber“ am Rossrücken – Leben und Arbeiten unter Extrembedingungen
Über das Leben der Granatarbeiter („Granatenklauber“, „Granatler“) in der hochalpinen Extremlandschaft berichtet u. a. Ludwig von Hörmann (1877) in einem Beitrag zur Geschichte der Sitten und Kleinindustrie in den Alpen. In Verbindung mit anschaulichen Holzschnitten von Richard Püttner (1872), die sowohl die Granathütten als auch den Arbeitsalltag und die Arbeitsgeräte detailgetreu abbilden, liefern diese Schilderungen einen tiefen Einblick in die Arbeits- und Lebenswelt der „Granatenklauber“. Diese verbrachten die Sommermonate im Hochgebirge in einfachen Hütten, schliefen auf Heu und hielten sich Ziegen für die Milch. Obwohl sie bei niedrigem Lohn unter teilweise widrigsten Wetterbedingungen arbeiten mussten und großen Gefahren ausgesetzt waren, werden sie als zufriedene und gemütliche Leute beschrieben – schweigsam und mit zerfurchten, von der Sonne gebräunten Gesichtern.
Archäologische Befunde im Zemmgrund
Im Zemmgrund finden sich heute noch zahlreiche Ruinen und Hinterlassenschaften aus der Zeit der Granatarbeiten und stellen in ihrer Gesamtheit ein einzigartiges Kulturerbe im Herzen des Hochgebirgs-Naturparks Zillertaler Alpen dar. Hierzu gehören Abbaustellen sowie die Überreste von Granathütten (Poch- und Klaubewerkstätten) in der Nähe der in großer Höhe abgebauten Granatvorkommen. Spektakulär sind hier auch die teilweise noch erhaltenen Steinplatten-Steige zu den abgelegenen Granathütten. Weiter unten, am Fuß des Rossrückens, stehen die stark verfallenen Ruinen einer ehemaligen mit Wasserkraft betriebenen Granatmühle/Granatstampfe, in der die Granate aus dem Glimmerschiefer gebrochen wurden. In Trommelkästen aus Holz wurden die abgetrennten Granate solange weiterbearbeitet, bis nur noch die qualitätvollsten Stücke übrigblieben, die dann in abgerollter Form als „getrommelte Granate“ ins Tal transportiert und von dort aus verhandelt wurden.
Das Granatgeschäft – die Familien Kreidl und Hofer
Der Zillertaler Andrä Kreidl aus Mayrhofen erhielt 1747 das erste Schürfrecht auf Granat am Rossrücken im Zemmgrund. Zu Beginn wurde der Granat zur Herstellung von Flintensteinen abgebaut und verkauft. Später setzte die wesentlich gewinnbringendere Vermarktung des Granats als Halbedelstein ein. Während zunächst eine Edelsteinschleiferei in Salzburg mit Granat beliefert wurde, begann um 1805 mit der Genehmigung zur Ausfuhr der Granate das überregionale Geschäft. Edelsteinschleifereien in Böhmen waren fortan die wichtigsten Abnehmer. 1837 begann auch Josef Hofer mit dem Granathandel im Zillertal, der seine Aktivitäten allerdings aufgrund der bereits ausgedehnten Schürfrechte der Familie Kreidl für das Zillertal auf das Ahrntal in Südtirol sowie auf die Nockberge bei Radenthein in Kärnten konzentrierte. Die Handelsniederlassung der Familie Hofer sowie Werkstätten zur Verarbeitung des Granats zur Handelsware befanden sich in Zell am Ziller. Beide Familien führten das Granatgewerbe bis Anfang des 20. Jahrhunderts fort.
Edelsteinschleifereien in Böhmen und im Schwarzwald
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts übernahmen Schleifereien in Böhmen den Ankauf und die Verarbeitung des Zillertaler (und Radentheiner) Granats zu Schmucksteinen. In Böhmen hatte sich auf der Grundlage heimischer Granatvorkommen von bester Qualität im 18. Jahrhundert ein Zentrum der Granatschleiferei entwickelt. Da die nach Böhmen gelieferten Granate aus den Ostalpen nach deren Verarbeitung zu geschliffenen (Halb-)Edelsteinen zumeist unter dem Namen „Böhmischer Granat“ zu den Juwelieren und in den Handel gelangten, ist es heute schwierig, in einem historischen Schmuckstück Granat aus dem Zillertal wiederzuerkennen. Erschwerend kommt hinzu, dass in dieser Zeit auch zahlreiche Granatschleifereien im Schwarzwald (Waldkirch, Freiburg, Kinzigtal) betrieben wurden, die vorwiegend „Böhmischen Granat“ verarbeiteten. Aus kunsthistorischer Sicht fällt die Herstellung und das Tragen von Granatschmuck im 18., 19. und frühen 20. Jahrhundert in die Epochen Biedermeier, Historismus und Jugendstil.
Sammlungen zum Thema Zillertaler Granat
Umfangreiche Sammlungen von Granatstufen, Objekten aus der Betriebszeit des Granatgewerbes (Werkzeuge, Gerätschaften, Restbestände von Handelsware) und handschriftlich verfassten Dokumenten aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert befinden sich im Besitz des bekannten Zillertaler Mineraliensammlers Walter Ungerank sowie der Nachfahren der Familien Hofer und Kreidl. Dieses Material steht für eine detaillierte Dokumentation und Untersuchung im Rahmen des interdisziplinären Forschungsprojektes zur Verfügung und erzählt, zusammen mit den noch erhaltenen Bodendenkmälern im Hochgebirge, die spannende Geschichte einer von Vergessenheit bedrohten inneralpinen Kleinindustrie, die weitreichende überregionale Handelsnetzwerke auf dem Territorium der ehemaligen Habsburgermonarchie unterhielt und ihre Produkte auf dem Edelsteinmarkt gewinnbringend absetzen konnte.
Die mineralogisch/geochemische Analyse des Granats
Ein Ziel des Projektes „Zillertaler Granat“ ist es, mit Hilfe zerstörungsfreier Analysemethoden charakteristische Merkmale der verschiedenen Granatvarietäten aus den Ostalpen und aus Böhmen zu erarbeiten, um ein Werkzeug für deren Differenzierung in historischen Schmuckstücken zu erhalten. Ausgangspunkt ist die mineralogisch/petrologische Untersuchung (P-T-X-Bedingungen) der Granatvorkommen in den Zillertaler Alpen sowie der Granatreste aus den Aufbereitungshalden. Während der Zillertaler Granat aus metamorphen Glimmerschiefern als Almandin Fe3Al2(SiO4)3 vorliegt, handelt es sich beim böhmischen Granat um chromhaltigen Pyrop Mg3Al2(SiO4)3 magmatischen Ursprungs. Dieser grundlegende Unterschied im Chemismus lässt eine gute Unterscheidung zumindest der ostalpinen Granate von den böhmischen Granaten erwarten. Mit Hilfe mineralogisch-geochemischer sowie spektroskopischer Methoden soll die Zusammensetzung des Granats aus den verschiedenen Vorkommen im Zillertal, im Ahrntal, in Radenthein und in Böhmen in ihrer ganzen Bandbreite bestimmt, charakterisiert und verglichen werden. Ziel ist es, nach weiteren signifikanten Merkmalen zu suchen, die eine Unterscheidung zwischen böhmischem und ostalpinem Granat erlauben, um so ein Werkzeug zur Identifizierung von „Zillertaler Granat“ in historischem Schmuck zu erhalten.
Projektpartner Zillertaler Granat
- Institut für Archäologien der Universität Innsbruck & FZ HiMAT (Gert Goldenberg, Bianca Zerobin, Gerald Hiebel, Ulrike Töchterle)
- Institut für Mineralogie und Petrographie der Universität Innsbruck & FZ HiMAT (Peter Tropper, Thomas Angerer, Simon Wagner)
- Institut für Geschichtswissenschaften und europäische Ethnologie der Universität Innsbruck (Gunda Barth-Scalmani, Kurt Scharr, Roland Köchl)
- Tiroler Landesarchiv Innsbruck (Gertraud Zeindl)
- Hochgebirgs-Naturpark Zillertaler Alpen, Ginzling (Katharina Weiskopf, Willi Seifert)
- Walter Ungerank, Aschau im Zillertal (Mineraliensammler und Chronist)
- Familien Josef Hofer und Josef Brindlinger, Zell am Ziller (Nachfahren der Granathändler)
- Nachfahren des Andrä Kreidl in Zell am Ziller, Innsbruck und Wien
Kooperationspartner
- Peter Asmann, Direktor des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum und des Tiroler Volkskunstmuseums: Zugang zu historischen Granatfunden aus Tirol und zu traditionellem Tiroler Trachtenschmuck mit Granat.
- Thomas Hornung, Geologe, Salzburg: Geologische Kartierung des Naturpark-Areals im Auftrag des Hochgebirgs-Naturparks Zillertaler Alpen.
- Peter Pindur, Geograph, Brixlegg: Gletscherentwicklung im Zemmgrund im Zillertal.
- Georg Kandutsch, Mineraloge, Granatium Radenthein: Mineralogie der Radentheiner Granat-Vorkommen.
- Christoph Hauzenberger, Petrologe, und Kurt Krenn, Geologe, Institut für Erdwissenschaften der Universität Graz: Metamorphe Gesteine in den Ostalpen, Untersuchung von Flüssigkeitseinschlüssen.
- Albert Gilg, Ingenieurgeologe, Technische Universität München: Mineralogische und geochemische Charakterisierung von Schmuckgranaten.
- Jaroslav Hyršl, Gemmologe, Prag: Edelsteinanalyse, speziell Granat (Böhmischer Granat und andere).
- Radek Hanus, Gemmologe, Prag: Edelsteinanalyse, böhmischer Granat
- Lucie Kodišová, Kuratorin, Tschechisches Nationalmuseum Prag: Kunstgeschichte, historischer Schmuck, Gemmologie
- Bernd Wintermantel, Edelsteinschleifer, Waldkirch (Schwarzwald): Historische Edelsteinschleiferei
- Karl Berger, Volkskundler, Volkskunstmuseum Tirol, Innsbruck: volkskundliche Sammlungen
- Michael Span, Historiker, Volkskunstmuseum Tirol, Innsbruck: volkskundliche Sammlungen
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