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Sandler Willibald: „Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe..."
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„Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe..."
(Biblische Meditation zu Joh 15,9-17)

Autor:Sandler Willibald
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:Nach dem johannesevangelium hat Jesus seinen Jüngern ein zentrales Gebot hinterlassen: Sie sollen einander so lieben wie er sie geliebt hat. Seine Liebe beschreibt er als eine, die so groß ist, dass er sogar sein Leben für seine Freunde hingibt. Wie können wir dieses Gebot erfüllen? Wie können wir so lieben? An der Weise, wie Jesus selber geliebt hat, erschließt sich die von ihm gebotene Nächstenliebe als eine Liebe, die Gott im Nächsten findet und sich von dieser Gnadenerfahrung zur Nächstenliebe befähigen lässt. Gott im – oft lieblosen – Nächsten zu finden, wird uns ermöglicht durch Jesu Selbsthingabe, die in der Eucharistie vergegenwärtigt wird. Die Eucharistie ist deshalb ein besonderer Ort, an dem wir eine Nächstenliebe einüben können, die darin wurzelt, dass wir Gott im Nächsten erfahren.
Publiziert in:Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2007-09-20

Inhalt

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„Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe! 10 Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben, so wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe. 11 Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird. 12 Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe. 13 Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt. 14 Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage. 15 Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe. 16 Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt. Dann wird euch der Vater alles geben, um was ihr ihn in meinem Namen bittet. 17 Dies trage ich euch auf: Liebt einander!“ (Joh 15,9-17)

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Liebe?

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In großer Dichte fassen diese Sätze den zentralen Auftrag zusammen, den Jesus uns Christen gegeben hat. „Bleibt in meiner Liebe“ (Vers 9). – Wie können wir in der Liebe Jesu bleiben? – Indem wir seine Gebote halten (Vers 10). – Was sind seine Gebote? – „Dies ist mein Gebot: liebt einander, so wie ich euch geliebt habe.“ (Vers 12)1 – Was ist das für eine Liebe, mit der Jesus uns geliebt hat? – „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt.“ (Vers 13) Das also ist die Liebe, mit der auch wir einander lieben sollen. Aber wie können wir so lieben?

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Freude?

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Sollen wir versuchen, ein radikales Leben der Hingabe zu leben? Zähne zusammenbeißen und durch – durch ein Leben voll härtester Forderungen: Halt die andere Backe hin, vergib immer, setz alles ein für andere, deinen Besitz, deine Fähigkeiten, dein Leben, – wenn es sein muss bis zum Tod. Das eine Gebot der Liebe faltet sich aus in hundert Einzelgebote, beginnend mit den zehn Geboten und verschärft durch die radikalen Forderungen, die Jesus uns in der Bergpredigt gegeben hat. Wenn ich diesen Weg gehen sollte, und wenn mir das gelingen sollte, hätte ich dann erreicht, was Jesus von uns fordert: „Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe“? – Nein! Selbst dieser Weg des Verzichts, der zusammengebissenen Zähne, könnte sich als trügerische Sackgasse erweisen: „Und wenn ich meine ganze Habe verschenkte, und wenn ich meinen Leib dem Feuer übergäbe, hätte aber die Liebe nicht, nützte es mir nichts.“ (1 Kor 13,3)

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Jesus weist einen anderen Weg, der nicht zuerst2 von zusammengebissenen Zähnen gezeichnet ist, sondern von Freude: „Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird.“ Wie finden wir diesen Weg der Freude?

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Fruchtbarkeit?

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Auf noch eine andere Weise hat Jesus den Weg beschrieben, den er uns eröffnen wollte: „Ich habe euch ... dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt. Dann wird euch der Vater alles geben, um was ihr ihn in meinem Namen bittet.“ (Vers 16) All die Fruchtlosigkeit eines bemühten und wenig erfolgreichen Christseins scheint dieser Verheißung Hohn zu sprechen: die leeren Kirchen, die nur mühsam zu belebenden Pfarren, die mäßig besuchten Gebetsgruppen, ein für die meisten heutigen Menschen so wenig attraktives Christentum. Ein kleines Gleichnis für all diese Enttäuschungen sind die Jünger mit ihrem erfolglosen Fischfang. „Werft das Netz auf der anderen Seite des Bootes nochmals aus“ (vgl. Joh 21,6) – Fast an der gleichen Stelle, fast zur gleichen Zeit, und doch werden die Netze nun voll bis zum Zerreißen. So nahe, und doch dem eigenen Bemühen unerreichbar. Wie finden wir diesen Weg der Fruchtbarkeit?

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„Wie mich der Vater geliebt hat ...“

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Wir sollen einander lieben wie Jesus uns geliebt hat. Schauen wir also auf sein Lieben, um uns davon leiten zu lassen. Wie hat er das gemacht? Welche Quellen haben seine Liebe gespeist? – „Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt.“ (Vers 9). Die Quelle von Jesu Liebe ist sein Geliebtsein vom Vater. „Wie mich der Vater geliebt hat ...“, das ist der erste Schlüssel um lieben zu können, wie Jesus geliebt hat. Das Lieben, das Jesus uns aufgetragen hat, besteht nicht zuerst in einer Leistung, sondern im Empfangen. Das Herzzentrum von Jesu Lieben war sein Sein im Vater. Auf diese Weise konnte seine Liebe strömen, noch bevor er seinen Mund auftat und seine heilenden Hände ausstreckte.3 Allem Reden und allem Tun Jesu geht ein Sein voraus, Jesu Sein im Vater.4 Für uns erschließt Jesus diesen Zugang zum Vater. „Im Vater“ können wir sein, indem wir in Christus bleiben: „Bleibt in meiner Liebe“ (Vers 9)5.

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Aber wie erfahren wir diese Liebe Christi? Sie erreicht uns durch die Liebe jener Menschen, die selber in Christus bleiben (vgl. Joh 15,4-7). Wie aber kann die Liebe, mit der „heilige“ Menschen sich von Gott in Jesus Christus lieben lassen, uns erreichen? Das ist dieselbe Frage, die wir gerade in Bezug auf uns selber stellen: Wie führt unsere Erfahrung, von Gott geliebt zu sein, uns zur Liebe unseres Nächsten?

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„... so habe ich euch geliebt“

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Hier geht es um die zweite Hälfte des Satzes, den Jesus über sein Lieben gesagt hat: „Wie mich der Vater geliebt hat, so habe ich euch geliebt.“ Bei Jesus ist der Zusammenhang zwischen Vaterliebe und Nächstenliebe so eng, dass beides sich überhaupt nicht mehr trennen lässt:

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„Jesus aber sagte zu ihnen: Amen, amen, ich sage euch: Der Sohn kann nichts von sich aus tun, sondern nur, wenn er den Vater etwas tun sieht. Was nämlich der Vater tut, das tut in gleicher Weise der Sohn. 20 Denn der Vater liebt den Sohn und zeigt ihm alles, was er tut, und noch größere Werke wird er ihm zeigen, so dass ihr staunen werdet.“ (Joh 5,19-20)

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Der Zusammenhang zwischen Gottesliebe und Nächstenliebe ist bei Jesus so eng, dass wir sagen können: Jesus liebt den Vater in uns.

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Das ist möglich, weil jeder Mensch als Gottes Bild und Gleichnis geschaffen ist.6 Im Innersten eines jeden von uns glüht ein göttliches Licht. Das heißt nicht, dass wir selber Gott sind, wohl aber, wie Augustinus gesagt hat, dass Gott uns innerlicher ist als wir uns selbst.7 Unser tiefster und innerster Wesenskern ist unergründliches göttliches Geheimnis, – uns selbst wie auch anderen unverfügbar. Wer daran rührt, rührt an Gott. Wer sich einem Menschen in dessen Innerstem liebend zuwendet, der liebt gerade dadurch Gott. Und wer einen Menschen in dessen Innerstem verletzt, missachtet oder verflucht, der verletzt, missachtet oder verflucht Gott. Diese Gottebenbildlichkeit, die die Würde eines jeden Menschen begründet, kann durch Sünde, Laster, Bosheit entstellt, aber nicht ausgelöscht werden.8 Das heißt konkret: Es ist unmöglich, dass uns ein Mensch begegnet, der dieses göttliche Licht nicht in sich trägt, – so geschwächt, entstellt und pervertiert dieses Licht auch sein kann.

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Dass wir Menschen in Sünde verstrickt sind, bedeutet aber nicht nur, dass unser göttliches Licht „unter den Scheffel gestellt“ (vgl. Mt 5,15) und entsprechend verdeckt ist. Es bedeutet auch, dass wir den Blick für das Göttliche verloren haben. Als Sünder erscheinen uns die anderen Menschen als noch viel glanzloser als sie aufgrund ihrer Sünde an sich sind. Ganz anders ist es bei Jesus: Vollkommen ist er auf den göttlichen Vater bezogen, und so entdeckt er mit untrüglicher Sicherheit auch alles, was Gottes ist. Im tiefsten Inneren eines jeden Menschen erkennt Jesus das göttliche Licht. Und so kann er dem Menschen auf eine erstaunliche Weise begegnen: In Wahrheit und Vollmacht kann er ihm zusprechen: du bist heil, du bist geheilt, deine Sünden sind dir vergeben. Er erreicht die Menschen in ihrem innersten Zentrum, wo sie unverlierbar heilig sind, weil sie in Gott gründen. Jesus spricht die Menschen in diesem innersten Kern an, der ihnen selber aufgrund ihres sündigen Seins und ihrer sündigen Blindheit doppelt verstellt ist. So werden Menschen durch die Begegnung mit Jesus von ihrem innersten Wesenszentrum her erneuert. In der Begegnung mit Ihm flammt das verschüttete innere Licht hell auf und vermag so alles, was es verdeckt und verstellt zu durchdringen und zu verbrennen. Heil in allen Dimensionen, als körperliche Heilung, als seelische Befreiung, als geistige Umkehr wird so möglich. Das ist die Bedeutung des seltsamen Satzes, dass Jesus seinen Vater in den Menschen liebt. Und das ist gemeint mit dem Satz Jesu: „Wie mich der Vater geliebt hat, so habe ich euch geliebt“ (Vers 9).

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„In deinem Licht schauen wir das Licht“

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Und auf diese Weise sollen auch wir unsere Mitmenschen lieben. Jesus fordert uns auf, ihn und seinen himmlischen Vater in unseren Mitmenschen zu lieben. Solche Nächstenliebe ist ganz umfangen von der Gottesliebe. Und so gilt für diese Nächstenliebe, was wir schon für die Gottesliebe festgestellt haben: Sie ist nicht zuerst Leistung von uns, sondern empfangene Gnade: „Nicht ihr habt mich erwählt, ich habe euch erwählt“ (Vers 16). Diese Gnade strahlt auf von unserem innersten Wesenskern, der durch Gottes Wirken – im Heiligen Geist – hell aufleuchtet. Frucht dieses Leuchtens ist auch eine Aufhellung unserer geistlichen Sinne. Die Blindheit fällt von uns, und so vermögen wir, das tiefe und oft verborgene Licht Gottes in anderen Menschen wahrzunehmen. Was der Psalmist von Gott aussagt, können Christen übernehmen und dem dreieinigen Gott zusprechen:

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„Bei dir ist die Quelle des Lebens, in deinem Licht schauen wir das Licht.“ (Ps 36,10)

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Es ist das Licht des göttlichen Schöpfers, das in uns strahlt, als Quelle des Lebens, als Heiliger Geist, der unseren geschaffenen Geist überformt und uns zur Wahrnehmung des Lichtes Jesu Christi befähigt, das uns im Seinsgrund des Nächsten begegnet.9

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Erfüllt von Christus, dem Licht der Welt, schauen wir das Licht, das im Innersten von allem Geschaffenen leuchtet, – in jedem Menschen und in aller von Gott geschaffenen Wirklichkeit. So werden wir durch das Licht Christi zur wahren Nächstenliebe geführt.

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Freude

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Die Nächstenliebe, zu der Jesus uns beruft, ist Gottesliebe im Nächsten. Sie erwächst aus dem Licht Gottes, das uns im Nächsten aufleuchtet. Dabei hat nicht die moralische Anstrengung Priorität, sondern das Empfangen von Gnade. „Nicht ihr habt mich erwählt, ich habe euch erwählt.“ (Vers 16)

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Wo begegnen wir diesem Jesus, der uns erwählt? Wo erfahren wir die Erwählung, die er uns zuspricht? – Das kann an verschiedensten Orten sein, im einsamen Gebet, in der Liturgie, aber auch in der einfachen Begegnung mit dem Nächsten. Indem uns der innerste, göttliche Kern, seine Herrlichkeit in einem anderen Menschen aufleuchtet, begegnet uns der erwählende Christus in ihm. Christus ruft uns im Nächsten. Dieser Ruf erreicht uns als Liebe, die uns vom Innersten des Nächsten heraus entgegenströmt, – eine Erfahrung, die selbst dann möglich ist, wenn der Nächste sich in gleichgültiger und feindseliger Weise verhält. Diese empfangene Liebe weckt unsere eigene Liebe.

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„Nicht darin besteht die Liebe, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat. Liebe Brüder, wenn Gott uns so geliebt hat, müssen auch wir einander lieben.“ (1Joh 4,10-11)

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Diese Aussage des ersten johannesbriefs gilt auch für Gott, den wir im Herzensgrund des Mitmenschen wahrnehmen. Nicht darin besteht die Liebe, dass wir den Nächsten – aus eigener Kraft und Bemühung – lieben, sondern dass er uns – im Nächsten – liebend begegnet. Dass wir das erfahren können trotz der faktisch verbreiteten Lieblosigkeit unserer Mitmenschen, wird ermöglicht durch Jesu Selbsthingabe am Kreuz: „Nicht darin besteht die Liebe, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat.“10

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Der Auftrag, dass wir den Nächsten lieben sollen, bekommt so einen ganz anderen Schwerpunkt. Es geht nun nicht mehr darum, dass wir mit zusammengebissenen Zähnen, sozusagen als moralische Leistungssportler, dem Nächsten, der so gar nicht liebenswert erscheint, freundlich begegnen. Nicht mehr Leistung ist das erste, sondern Empfangen. Darin gründet die vollkommene Nächstenliebe, dass wir Gottes Herrlichkeit und Christi Ruf von jedem Menschen empfangen können. Stellen wir uns vor, wir wären wirklich in der Lage, das göttliche Licht in jedem Menschen wahrzunehmen und uns davon bescheinen zu lassen. Das Glück dieser Liebe würde in jeder Begegnung aufflammen.11 Hier passt nun ganz genau, wie Jesus seinen Auftrag verstanden hat: „Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird.“ (Vers 11)

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Fruchtbarkeit

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Stellen wir uns nun vor, wie diese Art der Nächstenliebe auf andere Menschen wirkt. Solches Lieben bedeutet weder Herablassung – „schau, wie gut ich zu dir bin, und wie schlecht du im Vergleich zu mir bist“ – noch eine bloße Frömmigkeitsübung – „ich bin lieb zu dir, aber nur, weil Christus es mir aufgetragen hat, und weil ich so Gott näher komme“. Eine Nächstenliebe, die von der Wahrnehmung Gottes im Seinsgrund des Anderen gespeist ist, meint wirklich den Anderen. Mit dieser Liebe nehme ich die andere Person im Innersten an. Sie spürt, dass es mir ganz um sie geht, dass ich sie nicht nach meinen Vorstellungen verändern will. Und sie spürt sich ermächtigt als jemand, der selber befähigt ist zu geben. Denn sie erfährt, dass sich Gottes Liebe durch sie einem anderen Menschen offenbart. Ihre eigene Würde wird ihr tiefer bewusst, ausstrahlend aus ihrem Innersten, ausgehend von Gott, der nun nicht als von außen aufgedrängt erscheint.

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So ist Nächstenliebe eine tiefe Bejahung des Mitmenschen. Und dennoch ist sie nicht blind gegenüber seinen Schwächen und Fehlern. Diese werden scharf – ja sogar noch weit schärfer als bei aktivistischer Zuwendung – sichtbar als dasjenige, womit ein Mensch seine innerste Schönheit entstellt. Die Bejahung des Anderen ist damit fern von schulterklopfender Bestätigung oder harmlosen Komplimenten, die nicht nur unglaubwürdig sind sondern auch heillos, weil sie den Anderen unter Umständen in dem stützt, in dem er sich selber Feind ist.

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So gilt von der Nächstenliebe, was Paulus in 1 Kor 13 sagt:

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„Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf. Sie handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil, lässt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach. Sie freut sich nicht über das Unrecht, sondern freut sich an der Wahrheit. Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand.“ (1 Kor 13,4-7)

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All das wird nun möglich, weil das Maß der Liebe nicht die eigene Bemühung ist, sondern die Wahrnehmung des grenzenlos guten Gottes im Anderen. Stellen Sie sich eine Gemeinschaft von Christen vor, die ganz von dieser Liebe durchglüht sind. Leere Kirchen und verwaiste Pfarren, ja selbst der Priestermangel werden hier unvorstellbar. Vielmehr leuchtet die alttestamentliche Vision auf:

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„In jenen Tagen werden zehn Männer aus Völkern aller Sprachen einen Mann aus Juda an seinem Gewand fassen, ihn festhalten und sagen: Wir wollen mit euch gehen; denn wir haben gehört: Gott ist mit euch.“ (Sach 8,23)

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Gewiss wird auch durch Menschen, die ganz aus der Liebe Gottes strahlen, das Gottesreich nicht automatisch Wirklichkeit. Das zeigt uns schon das Geschick Jesus. Aber für sie wird gelten, was für Jesus gilt: Sie können andere nicht gleichgültig lassen. Sie lassen das göttliche Licht in deren Innersten aufleuchten. Viele werden dadurch Hoffnung schöpfen und selber in Liebe entflammen. Andere werden angstvoll wütend zu retten versuchen, was durch das in ihrem Innersten auflodernde Licht zu verbrennen droht: all die Reichtümer, mit dem sie sich einen selbstherrlichen Glanz aufgebaut haben. Im Blick auf diese Menschen gilt, was Jesus in unserem johannestext unmittelbar anschließend zu seinen Jüngern sagt:

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„Wenn die Welt euch hasst, dann wisst, dass sie mich schon vor euch gehasst hat. Wenn ihr von der Welt stammen würdet, würde die Welt euch als ihr Eigentum lieben. Aber weil ihr nicht von der Welt stammt, sondern weil ich euch aus der Welt erwählt habe, darum hasst euch die Welt... “ (Joh 15,18ff)

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Ob nun beglückte Annahme oder wütende Ablehnung: in jedem Fall wird einer Nächstenliebe, die Gottesliebe im Nächsten ist, jene Fruchtbarkeit zuteil, von der Jesus gesprochen hat: „Ich habe euch ... dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt.“ (Vers 16)

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Eucharistie

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Es ist ein Grundprinzip des Evangeliums, dass einer Aufforderung stets die nötige Befähigung vorausgeht. Darin besteht die frohe Botschaft („Eu-angelion“), dass wir – gnadenhaft befähigt – können was wir sollen.

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„Kehrt um, denn das Himmelreich ist nahe.“ (Mt 3,2)

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Damit sagt Jesus zu uns: Weil das Himmelreich – Gottes personale Nähe – für euch durch die Begegnung mit Jesus Christus zur erfahrbaren Wirklichkeit geworden ist, weil ihr dadurch die Befreiung von den Mächten der Sünde empfangen habt, weil ihr deshalb – in neuer Hinkehr zu Gott – umkehren könnt, deshalb sollt ihr umkehren. Was gnadenhaft in eurem Inneren bereits aufgebrochen ist, das sollt ihr mit eurem Willen – „mit ganzem Herzen, ganzer Seele und mit all deinen Gedanken“ (Mt 22,37) – unterstützen.

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Wenn Jesus uns also beauftragt, einander zu lieben wie er uns selbst geliebt hat, so ist auch dieser Auftrag von einer Befähigung begleitet. Wie wir gesehen haben, lässt sich diese Befähigung beschreiben als Gabe, in seinem Licht das Licht zu schauen, – nämlich jenes Licht, das im Innersten des Nächsten Gottes Herrlichkeit widerspiegelt und so dem Nächsten eine unermessliche Liebenswürdigkeit verleiht.

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Diese Gabe ist uns gegeben durch die eucharistische Selbstverteilung Jesu, die im letzten Abendmahl seinen unüberbietbaren symbolischen Ausdruck fand und in seinem Kreuzestod vollzogen wurde, – in einem Geschehen, das johannes als Jesu Erhöhung beschreibt:

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„Und ich, wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen.“ (Joh 12,32)

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Durch die Erhöhung Jesu am Kreuz – durch seine Selbsthingabe – wird jeder Mensch zu ihm erhöht. Das heißt, jedem Menschen wird der durch Schuld verstellte Zugang zu Gott neu eröffnet. Wie das geschieht, müsste in einem Durchgang durch das dramatische Geschicks Jesu ausführlich erschlossen werden.12 Es ist aber auch ablesbar an der Selbsthingabe, die Jesus im letzten Abendmahl symbolisch vollzogen hat, und wie es in jeder Eucharistiefeier vergegenwärtigt wird:

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„Nehmet und esset alle davon: Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. ... Nehmet und trinket alle daraus: Das ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden.“13

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Was geschieht, wenn Christen die Kommunion empfangen? Sie haben Christus in sich, und das bedeutet: Das durch die Schöpfung in ihnen eingesenkte Licht Gottes strahlt neu in ihnen auf.14

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Wie wir gesehen haben, werden wir dadurch nicht nur zu einem liebevolleren Verhalten befähigt; wir erfahren auch eine Schärfung unserer geistlichen Sinne. In seinem Licht schauen wir das Licht.

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Wir empfangen den Leib Christi nicht nur in uns, sondern auch aneinander. Um das bewusst zu machen, ist es eine gute Übung, wenn wir vor und nach der eigenen Kommunion den Blick auf die anderen Kommunizierenden richten und uns dankbar in die Wahrnehmung einüben, dass für jede/n von ihnen im Grunde gilt, was Paulus von sich bekannt hat: Nicht mehr sie leben, sondern Christus lebt in ihnen“ (vgl. Gal 2,20). So erweist sich die Eucharistie als Quellort der „Augen des Glaubens“: „In deinem Licht schauen wir das Licht“, oder, wie Paulus uns segnend wünscht:

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„Der Gott Jesu Christi, unseres Herrn, der Vater der Herrlichkeit, gebe euch den Geist der Weisheit und Offenbarung, damit ihr ihn erkennt. Er erleuchte die Augen eures Herzens, damit ihr versteht, zu welcher Hoffnung ihr durch ihn berufen seid, welchen Reichtum die Herrlichkeit seines Erbes den Heiligen schenkt und wie überragend groß seine Macht sich an uns, den Gläubigen, erweist durch das Wirken seiner Kraft und Stärke.“ (Eph 1,17-19)

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Diese wunderbaren Aussagen leuchten in einem ungewohnten Licht, wenn wir sie ganz auf die Erfahrung Gottes im Mitmenschen hin lesen:15 Der Gott Jesu Christi, der Vater und Ursprung aller Herrlichkeit, gebe uns den Geist der Weisheit und Offenbarung, damit wir Ihn in allem erkennen, auch in den uns begegnenden Mitmenschen. Er erleuchte die Augen unseres Herzens, damit wir verstehen – nicht nur mit dem Kopf, sondern in unmittelbarer Wahrnehmung unseer Mitmenschen – zu welcher Hoffnung – auch im Hinblick auf unsere Mitmenschen – wir durch ihn berufen sind. Damit wir mit Kopf und Herz verstehen welchen Reichtum die Herrlichkeit seines Erbes den Heiligen schenkt, – in jeder alltäglichen Begegnung. Dass wir verstehen, wie überragend groß – in allen Menschen und allen Dingen der gesamten Schöpfung – seine Macht sich an uns, den Gläubigen, erweist durch das Wirken seiner Kraft und Stärke. Das heißt, seine Macht erweist sich an uns – vermittelt durch unsere mitmenschlichen und geschöpflichen Erfahrungen.

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Der Heilige Geist, der durch die Erhöhung Jesu über uns ausgesandt wurde,16 erleuchtet die Augen unseres Herzens. Mit diesen erleuchteten Augen können wir Gottes Licht wahrnehmen in seiner Schöpfung, – vorzugsweise in den Menschen, die sich bewusst aufmachen, ihn zu empfangen. Damit wächst ein tiefes Band zwischen Christen. Indem sie in einander Gott wahrnehmen, verbinden sie sich zu einer Einheit, die die Bibel mit Paulus selber als Leib Christi nennt. Indem Christen miteinander den Leib Christi empfangen, werden sie verwandelt zu dem was sie empfangen, – in den Leib Christi:

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„Ist der Kelch des Segens, über den wir den Segen sprechen, nicht Teilhabe am Blut Christi? Ist das Brot, das wir brechen, nicht Teilhabe am Leib Christi? Ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib; denn wir alle haben teil an dem einen Brot.“ (1Kor 10,16-17)

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Erst in solcher Gemeinsamkeit des kirchlichen Leibes Christi leuchtet Gottes Licht in voller Kraft auf, sodass mit Paulus von den Christen – nicht als einzelnen, sondern in ihrer Einheit – gesagt werden kann:

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„Wir alle spiegeln mit enthülltem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn wider und werden so in sein eigenes Bild verwandelt, von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, durch den Geist des Herrn.“ (2 Kor 3,18)

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Die Wahrnehmbarkeit von Gottes Licht ist aber nicht auf die Christen beschränkt. Sie bezieht sich auf die gesamte Schöpfung und damit auf alle Menschen. Aber in gelebter Gemeinschaft lernen Christen aneinander, das aufleuchtende Licht Gottes besser wahrzunehmen, mit dem Ziel, dieses Licht in allen Menschen und allen Dingen zu erkennen. Sodass sie nicht nur fähig werden, dieses Licht aktiv bezeugend in alle Welt zu tragen, sondern – vorher noch – es von jedem Menschen zu empfangen, es an jedem Menschen zu bezeugen. So vollzieht sich ein Lieben, wie Jesus uns geliebt hat. Es ermöglicht ein Bezeugen Gottes in wahrer Demut,17 – das heißt einer Demut, die nicht nur darin besteht, allen zu dienen, sondern von allen empfangen zu können. Dieser Haltung einer Nächstenliebe, die Gott im anderen findet, hat Jesus zugesagt, dass sie Frucht bringt und dass diese Frucht bleibt (vgl. Vers 16).

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Anmerkungen:

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1 Vgl. auch Vers 17 und Joh 13,34.

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2 Trotzdem kann der von Jesus gewiesene Weg mühe- und leidvoll sein (vgl. Joh 13,16; Joh 15,8-20; Mt 5,10f; Mt 10,24-25; 1 Petr 2,19-23; 1 Petr 3,12-14; 1 Petr 4,13f). Aber Mühe und Leid stehen nicht an erster Stelle. Motivierende Kraft und Orientierung für den Weg Christi entspringen aus der Erfahrung von Gnade, die eine Hoffnung und Sehnsucht weckt, das eigene Leben ganz von Christus bestimmen zu lassen. Vgl. dazu das Doppelgleichnis vom Schatz und von der Perle (Mt 13,44-46). So gilt für die Mühen und Leiden der Nachfolge Christi: „Denn mein Joch drückt nicht, und meine Last ist leicht“ (Mt 11,30).

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3 Man denke an die blutflüssige Frau, die in der Menge von hinten Jesu Gewand berührte: „Im selben Augenblick fühlte Jesus, daß eine Kraft von ihm ausströmte, und er wandte sich in dem Gedränge um und fragte: Wer hat mein Gewand berührt?“ Vgl. auch Lk 6,19: „Alle Leute versuchten, ihn zu berühren; denn es ging eine Kraft von ihm aus, die alle heilte.“

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4 Jesus zuerst zu Philippus und dann zu allen Jüngern: „Glaubt mir doch, daß ich im Vater bin und daß der Vater in mir ist; wenn nicht, glaubt wenigstens aufgrund der Werke!“ Joh 14,10f.

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5 Vgl. auch 1 Joh2,24: „Wenn das, was ihr von Anfang an gehört habt, in euch bleibt, dann bleibt ihr im Sohn und im Vater.“

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6 Vgl. Gen 1,26f: „Dann sprach Gott: Laßt uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich. Sie sollen herrschen über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die ganze Erde und über alle Kriechtiere auf dem Land. Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie.“

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7 Vgl. Augustinus, Confessiones III,6,11.

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8 Wie der folgende Satz im Haupttext deutlich macht, beziehe ich mich mit dieser Aussage auf die menschliche Situation innerhalb des Lebens. Kann ein Mensch dieses Licht durch ein böse gelebtes und beendetes Leben auslöschen? Wie die Bibel und die kirchliche Lehre uns versichern, ist die Hölle als äußerste Konsequenz eines menschlichen Lebens eine reale Möglichkeit. Muss aber Hölle so verstanden werden, dass hier das göttliche Licht im Innersten eines Menschen völlig erloschen ist? Würde das nicht zugleich bedeuten, dass sich die menschliche Existenz völlig auflösen würde, womit es dann auch keine Hölle mehr für diesen Menschen gibt, weil es eben den Menschen selber nicht mehr gibt? Viel eher müssten wir uns Hölle vorstellen als einen tiefsten und in Ewigkeit festgeschriebenen Widerspruch zwischen göttlichem Kern und wütendem Widerspruch gegen diesen Kern: ein in Unendlichkeit fortgesetzter Gotteshass, der zugleich Selbsthass (und Hass von allen anderen) ist.

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9 Dass Jesus uns im Nächsten begegnet, wird besonders deutlich in Mt 25,31-46, mit dem zentralen Satz: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ Zum Zusammenhang zwischen dem Licht, das Jesus Christus ist (vgl. Joh 8,12) mit der Nächstenliebe vgl. 1 Joh2,9-11: „Wer sagt, er sei im Licht, aber seinen Bruder haßt, ist noch in der Finsternis. Wer seinen Bruder liebt, bleibt im Licht; da gibt es für ihn kein Straucheln. Wer aber seinen Bruder hasst, ist in der Finsternis. Er geht in der Finsternis und weiß nicht, wohin er geht; denn die Finsternis hat seine Augen blind gemacht.“

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10 Vgl. dazu unten im Abschnitt zur Eucharistie.

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11 Genauer müsste gesagt werden: Wenn wir Gott wirklich zu lieben gelernt haben, würde das Glück dieser Liebe in jeder Begegnung aufflammen. Die Bibel nennt nämlich auch die Möglichkeit, dass man Gott im Mitmenschen wahrnimmt, ohne dass man das als Glück erfährt. Menschen, die zutiefst Gott entfremdet sind und ihn deshalb fürchten und hassen, können eine ängstliches Feingespür für Gottes Gegenwart entwickeln. Die Wahrnehmung von Gottes Gegenwart erfüllt sie dann aber nicht mit Freude, sondern mit Schrecken. Vgl. dazu Mk 1,23-25: „In [der] Synagoge saß ein Mann, der von einem unreinen Geist besessen war. Der begann zu schreien: Was haben wir mit dir zu tun, Jesus von Nazaret? Bist du gekommen, um uns ins Verderben zu stürzen? Ich weiß, wer du bist: der Heilige Gottes. Da befahl ihm Jesus: Schweig und verlaß ihn!“

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12 Es würde hier zu weit führen, zu erklären, wie Jesu Kreuzestod nicht nur eine Konsequenz seiner die Sünder provozierenden Gottesreichbotschaft war, sondern zugleich der Weg ist, um den in Sünde verstockten Menschen einen neuen Zugang zu Gott zu eröffnen. Vgl. dazu Raymund Schwager, Jesus im Heilsdrama. Entwurf einer biblischen Erlösungslehre (ITS 29). Innsbruck–Wien 1990. Die Heilsbedeutung von Jesu Tod und Auferstehung ist auch über die Symbolik der eucharistischen Selbstverteilung zugänglich. Dieser Weg wird hier beschritten.

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13 Wandlungsworte in der Eucharistie; vgl. 1 Kor 11,23-26

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14 Wer Eucharistie feiert, kommt damit in eine Situation der Gnade, wie es Menschen geschehen ist, die Jesus begegneten. Daraus erwächst eine gewisse Freiheit, umzukehren und das heißt das eigene Leben auf Gott hin neu auszurichten. Wo Menschen diese Freiheit nicht nutzten, fielen sie in einen Zustand vertieften Unheils zurück (vgl. z.B. die Ablehnung Jesu durch die Menschen in seiner Heimatstadt Nazaret, in Lk 4,16-31). Die selbe Gefahr besteht auch für Menschen, die die Eucharistie feiern. So warnt Paulus mit harten Worten: „Denn wer davon ißt und trinkt, ohne zu bedenken, daß es der Leib des Herrn ist, der zieht sich das Gericht zu, indem er ißt und trinkt.“ (1 Kor 11,29 )

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15 Ich bin keinesfalls der Meinung, dass wir diese – und viele andere – biblische Aussagen nur im Blick auf die Erfahrung Gottes im Mitmenschen lesen sollen. Gott kann uns auch in anderen Erfahrungen aufleuchten. Es geht mir darum, dass wir die Dimension der Gotteserfahrungen im Mitmenschen auch in diesen Texten wahrnehmen. Ich glaube, damit können ungehobene Schätze biblischer Weisheit aufleuchten, die für uns mit unserem Erbe individualistischer Frömmigkeit in Vielem überraschend neu sein können.

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16 Vgl. Joh 7,37-40: „Am letzten Tag des Festes, dem großen Tag, stellte sich Jesus hin und rief: Wer Durst hat, komme zu mir, und es trinke, wer an mich glaubt. Wie die Schrift sagt: Aus seinem Inneren werden Ströme von lebendigem Wasser fließen. Damit meinte er den Geist, den alle empfangen sollten, die an ihn glauben; denn der Geist war noch nicht gegeben, weil Jesus noch nicht verherrlicht war.“

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17 Vgl. 1 Petr 3,15f: „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt; aber antwortet bescheiden und ehrfürchtig, denn ihr habt ein reines Gewissen.“

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