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Lumma Liborius: Die Adventzeit im „Gotteslob“
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Die Adventzeit im „Gotteslob“

Autor:Lumma Liborius
Veröffentlichung:
Kategoriekurzessay
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2014-11-18

Inhalt

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Zum 1. Adventsonntag 2013 wurde in der katholischen Kirche das neue „Gotteslob“ eingeführt. Allerdings: Wegen Verzögerungen im Herstellungsprozess musste die Einführung in manchen Diözesen bekanntlich um mehrere Monate verschoben werden. Und wo der geplante Termin eingehalten werden konnte – zum Beispiel in weiten Teilen Österreichs –, mag die Einführung am Ende etwas hektisch erschienen sein.

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Deswegen lohnt es sich, zum Advent 2014 noch einmal neu Anlauf zu nehmen und zu schauen, was das Buch für die erste Phase des Kirchenjahres bereit hält.

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Lieder und Gesänge – Statistisches

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Der Stammteil bietet im Kapitel „Advent“ (218–234) zwölf Lieder (inklusive eines altkirchlichen Hymnus), einen Kanon und vier Verse. Der Eigenteil Österreich (790–798) fügt fünf Lieder und fünf Verse hinzu, darunter „Tauet, Himmel“ mit zwei verschiedenen Melodien. Die Adventvesper (633–634) bietet darüber hinaus zwei Psalmen mit Antiphonen, das Canticum Kol 1,12–20 mit Responsum, einen Kanon, eine Magnificat-Antiphon und einen Fürbitt-Ruf. Das ergibt insgesamt 17 Lieder/Hymnen, 2 Kanons, 14 Verse/Antiphonen/Rufe. – Diese Zahlen sind vergleichbar der Vorgängerauflage.

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Noch nicht berücksichtigt sind dabei die Kyrie-Litaneien für den Advent (163,2; 721,5), die Querverweise auf andere zum Advent geeignete Gesänge (nach 234) sowie das Lied „Es kommt ein Schiff, geladen“ (236), das im alten Gotteslob dem Advent zugeordnet war, nun aber – sachgerechter – im Weihnachtskapitel steht, sowie die im Tagzeiten- und Andachtsteil abgedruckten Gebete, Fürbitten und Schriftlesungen für den Advent.

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Das sollte für eine Zeit im Kirchenjahr, die eine Länge von 22 bis 28 Tagen hat, eigentlich mehr als ausreichend sein. Dennoch war aus den für die Edition zuständigen Kreisen zu hören, dass man sich bei der Auswahl für den Advent (wie auch für Weihnachten) sehr schwer getan habe. Der Grund ist naheliegend: Der gesamte weihnachtliche Festkreis hat in Frömmigkeit und Brauchtum der letzten Jahrhunderte eine so starke Dynamik entwickelt, dass dabei ein riesiger Schatz an Gesängen zusammengekommen ist. Diesen großzügiger auszuschöpfen, hätte aber den Umfang des Buches gesprengt und zu einer Schieflage in der Gewichtung der einzelnen Kirchenjahreszeiten geführt.

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Eschatologisch geprägte Texte

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Die meisten der nun abgedruckten Adventlieder dürften bereits bekannt sein, allerdings fällt auf, dass Gesänge mit eschatologischer Prägung stärker vertreten sind als bisher. Das populäre Brauchtum konzentriert sich im Advent weitgehend auf die Erwartung der Geburt Christi (oft aus marianischer Perspektive), während die kirchliche Liturgie durchaus auch andere Akzente setzt. Der Einleitungstext zum Advent (217,4) schreibt:

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„Ab dem 4. Sonntag vor Weihnachten bereitet sich die Kirche auf das Kommen des Gottessohnes zu uns Menschen vor. Dies geschieht in dreifacher Hinsicht: durch die Erwartung, dass Christus wiederkommt und am Ende der Zeiten die ganze Schöpfung vollenden wird, durch die Vorfreude auf das Fest seiner Geburt und durch die Bereitschaft, sich für seine Gegenwart zum Heute zu öffnen.
Die Zeit bis zum 17. Dezember ist geprägt vom Ausblick auf die Wiederkunft Christi am Jüngsten Tag, wenn er die Welt richten, aufrichten und in die Herrlichkeit Gottes führen wird. [...]
Ab dem 17. Dezember wird die Vorgeschichte der Geburt Christi betrachtet.“

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In jeder sonntäglichen Eucharistiefeier bekennt sich die Kirche zu Christus, „der wiederkommen wird in Herrlichkeit, zu richten die Lebenden und die Toten“ – aber wo findet das in unserer Glaubenspraxis Widerhall?

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Es dürfte nicht überraschen, dass die handfeste Erwartung der Wiederkunft Christi mitsamt der Hoffnung auf eine neue, gerechte Ordnung der Welt besonders unter den gesellschaftlichen Verhältnissen einer Diktatur auf fruchtbaren Boden fällt. Dort ist das Christentum gefährlich (weil es gegebene Verhältnisse nicht einfach klaglos hinnimmt und schon gar nicht glorifiziert), aber auch selbst in Gefahr (weil die Mächtigen den christlichen Glauben als Bedrohung erleben müssen). So verdankt das Gotteslob dem evangelischen Christentum der 1990 untergegangenen DDR einige seiner größten Gewinne, etwa die Lieder „Wir ziehen vor die Tore der Stadt“ (225) und „O Herr, wenn du kommst, wird die Welt wieder neu“ (233). Solche Texte bilden eine radikale Infragestellung eines heimeligen, bequemen und spätromantischer Familienidylle huldigenden Advent. Auch das eindrucksvolle Kapitel „Die himmlische Stadt“ (549–554), das es im alten Gotteslob so nicht gegeben hat, darf in diesem Sinne gelesen und besonders für den Advent berücksichtigt werden.

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Gewiss lebt die Adventzeit für viele Menschen besonders von ihrem hohen Wiedererkennungswert und der damit verbundenen Emotionalität; es mag schwer sein, hier neues – und noch dazu textlich herausforderndes und zunächst befremdliches – Liedgut zu etablieren. Theologisch wäre dies aber dringend geboten.

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Andacht im Advent

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Der modular zusammengestellte Andachtsteil im Gotteslob (672–682) nimmt in den Überschriften keine Zuordnung zu bestimmten Jahreszeiten vor. Es gibt kein „Advent-Modul“, kein „Oster-Modul“, kein „Pfingst-Modul“. Die Überschriften sind offener formuliert („Erwartung“, „Taufe“, „Bitte“, „gerechtigkeit“) und sollen dazu einladen, Aspekte des Glaubens unterschiedlich zu kontextualisieren, wenn man verschiedene Teile miteinander kombiniert oder ein und denselben Abschnitt in unterschiedlichen Jahreszeiten zum Sprechen bringt. Zumindest konkrete Vorschläge finden sich ab S. 874 dann doch, und – wie kaum anders zu erwarten – gehört der Abschnitt „Wiederkunft“ (680,9) zu denen, die besonders für den Advent empfohlen werden. Als Verfasser dieses Abschnitts ist der frühere Generalvikar der Erzdiözese Bamberg, Alois Albrecht, ausgewiesen (S. 1291). Es dürfte sich lohnen, die von ihm formulierten Worte im Advent in Gebet und Verkündigung mitzunehmen:

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„Herr Jesus Christus, du wirst wiederkommen in Herrlichkeit. [...]
Dann werden die Mächte des Bösen entmachtet und der Tag deines Reiches bricht an.
Dann werden die Herren der Welt entwaffnet und deine Herrschaft wird offenbar.
[...]
Dann wird die Schuld der Sünder beglichen und der Himmel der Liebe geht auf.
Dann werden die Waffen der Lüge vernichtet und der Friede der Wahrheit blüht auf.
[...]
Dann werden die Nächte der Trauer gelichtet und die Sonne der Ewigkeit flammt auf.
Dann werden die Engel des Todes geschlagen und das Leben des Lebens beginnt.“]

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