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Wandinger Nikolaus: Mr. Bean und die Nächstenliebe. Predigt zum Semesterantrittsgottesdienst SS 2017
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Mr. Bean und die Nächstenliebe. Predigt zum Semesterantrittsgottesdienst SS 2017

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2017-03-13

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Lesungen: Lev 19,1–2.11–18; Mt 25,31–46 (Montag der 1. Fastenwoche)

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Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Studentinnen und Studenten – oder, um alle in diesem Raum anzusprechen und mich doch nicht zu verzetteln – liebe Gläubige!

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Der Fasching ist zwar schon mehr als eine halbe Woche vorbei, aber ich muss zugeben, dass mich ein Vers aus der Lesung an die komische Figur des Mr. Bean erinnert hat, von der ich mal annehme, dass die meisten sie kennen: „Du sollst einen Tauben nicht verfluchen und einem Blinden kein Hindernis in den Weg stellen.“ – Wer macht denn sowas, außer Mr. Bean? Und wenn Bean es tut, müssen wir lachen, obwohl manchen auch das Lachen im Halse stecken bleibt. Man weiß ja bei Mr. Bean nie so genau, ob er sich so verhält, weil er so boshaft ist, so dumm oder auch so armselig einsam und ohne Selbstvertrauen. Vielleicht hängt ja auch alles zusammen: Weil er kein Selbstvertrauen hat, verfällt er dem Irrweg, es dadurch herstellen zu wollen, dass er Schwächere heruntersetzt und demütigt; dadurch wird er armselig einsam und boshaft. Dumm muss er dann gar nicht mehr sein. Wenn wir Mr. Bean im wahren Leben begegneten, würden wir ihr nicht mögen; wenn wir ihn im TV sehen, dann finden wir ihn lustig, aber nur bedingt. Könnte der Grund dafür sein, dass uns dieser Mr. Bean doch ähnlicher ist, als wir spontan zugeben würden? Dass er uns auf humorvolle Weise einen Spiegel vorhält, in dem wir unsere eigenen problematischen Seiten erkennen?

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Nein, ich mache das nicht, über Taube schlecht reden und Blinden ein Bein stellen! Aber, so könnte man fragen: Wie ist es mit dem schlecht Reden über Abwesende? Wie ist es mit dem Ausnützen von Schwächen anderer, so wie eben der Beinsteller die Schwäche des Blinden ausnützt? Glauben wir nicht, das gehöre irgendwie zum Leben? Wir stehen ständig im Wettbewerb, müssen beweisen, dass wir gut sind – gute Lehrende, Gute Forschende, gute Studierende, gute Christen und Christinnen. Wie oft machen wir den Fehler, unser Gutsein dadurch zu definieren, dass wir besser sein wollen als andere! Und dann geschieht es immer wieder, dass wir über andere schlecht reden, um uns erstrahlen zu lassen; dass wir ihre Schwächen ausnützen, um uns einen Vorteil zu verschaffen – nicht so offensichtlich und im wahrsten Sinne „un-verschämt“ wie Mr. Bean und darum auch gar nicht lustig.

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Was ist bei uns der Grund? Ich denke, die Lesung verrät ihn uns: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Ich bin der Herr.“ Das zeigt uns, warum wir oft verschämte Mr. Beans sind, denn es offenbart uns gleich zwei Aspekte einer Haltung, die uns dazu macht: Entweder wir lieben uns selbst nicht mit einer angemessenen Selbstliebe – dann hilft es auch nichts, wenn wir die Nächsten genauso wenig lieben wie uns selbst; oder wir lieben zwar uns selbst, aber die Nächsten nicht mit der gleichen Kraft. Letztlich hat beides dieselbe Wurzel: Dass wir Gott nicht als den Herrn anerkennen.

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Wenn ich mich nicht liebe, wenn ich mich ablehne oder schlecht mache, fällt das letztlich auf Gott, der mich – der jeden und jede von uns – geschaffen hat und liebt. Er liebt uns – und hat uns so geschaffen, dass wir der Liebe wert und würdig sind. Wenn ich mich selbst nicht liebe, lehne ich Gottes Herr-Sein ab – und darum ist mangelnde Selbstliebe auch mangelnde Gottesliebe. Wenn ich mein Selbstwertgefühl abhängig mache vom Vergleich mit anderen, dann ist nicht Gott mein Herr, sondern diese anderen. Wenn ich meine Nächsten nicht so liebe wie mich selbst, ist es wieder der Vergleich mit Menschen, der mein Maßstab ist und nicht die Liebe Gottes. Auch in diesem Fall lasse ich Gott nicht Herr sein und mache stattdessen mich selbst zum Herrn.

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Jesus hat das Gebot der Nächstenliebe noch einmal zugespitzt. Im heutigen Gleichnis vom Endgericht, in dem er sich selbst als Richter kommt, identifiziert er sich mit den Geringsten und macht damit unser Verhalten gegenüber ihnen zum Maßstab. Dabei ist zweierlei bemerkenswert:

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Zum einen geht es bei den verworfenen Böcken nicht darum, dass sie den Geringsten etwas Böses angetan hätten. Es heißt nirgends: „Ich war blind und du hast mir ein Bein gestellt“. Es geht nur darum, dass sie einem Menschen, der gering und hilfsbedürftig war, nicht geholfen haben. Mit anderen Worten: Mit dem Tun des Bösen hält sich dieser Richter gar nicht auf, es genügt schon das Unterlassen des Guten.

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Zum anderen fällt auf, dass weder die gelobten Geretteten noch die gescholtenen Verdammten wissen, dass sie in den Geringsten ihrem Richter begegnet sind. Man kann also nicht aus Berechnung Gutes tun; und unter dieser Rücksicht nützt es auch nichts, dass man Jesus kennt, ChristIn ist und weiß, dass er unser Richter sein wird: der Maßstab ist immer das getane Gute den Geringsten gegenüber, in denen man Christus nicht erkennt, obwohl er es ist. Auch hier läuft also alles auf die Nächstenliebe hinaus; nur sie ist das angemessene Motiv, den Geringsten zu helfen, und jede und jeder Geringste ist eine Nächste oder ein Nächster.

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Vielleicht fragen sich jetzt manche, ob ich hier alle demoralisieren will. Aber das liegt mehr fern und auch das Gleichnis hat eine andere Funktion. Es will uns weder demoralisieren noch zu einem Wettbewerb in Sachen Taten der Nächstenliebe verleiten – denn gerade den macht es ja unmöglich. Ich denke, es möchte uns zunächst zu einer realistischen Selbsteinschätzung helfen. Lieben wir Gott, lassen wir ihn Herr sein? Das Gleichnis sagt uns, dass wir diese Frage nicht anhand der Gefühle, die das Wort „Gott“ bei uns auslöst, beantworten können, sondern nur anhand unserer gelebten Nächstenliebe. Und wenn wir hier zu einer richtigen Selbsteinschätzung gekommen sind, will uns Jesus helfen, in der Nächstenliebe zu wachsen.

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Denn unter dieser Rücksicht nützt es etwas, dass wir Jesus kennen und wissen: Er wird unser Richter sein. Weil wir Jesus kennen, ist das Wort von Gottes Liebe zu uns nicht mehr nur ein gesprochenes und geschriebenes; es ist ein menschgewordenes Wort. Jesus hat in seinem Leben, Leiden und Auferstehen erfahrbar gemacht, dass die Liebe Gottes für jeden Menschen unbedingt ist: nichts, nicht einmal der Tod, konnten diese Liebe einschränken. An Jesus können wir lernen, uns selbst zu lieben, Gott zu lieben, die Nächsten zu lieben, weil in ihm Gott uns und alle Menschen so sehr geliebt hat. Jesus kann uns die Liebe Gottes so erfahrbar machen, dass auch unsere Liebe wachsen kann.

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Und weil wir wissen, dass genau dieser Jesus unser Richter sein wird, dürfen wir auch hoffen, dass nicht – wie das Gleichnis andeutet – unsere Hartherzigkeit letztlich entscheiden wird, sondern Gottes Versöhnungsmacht. Als Richter wird der kommen, der sein Leben lang Gott als barmherzigen Vater verkündet hat und gerade deshalb umgebracht wurde; der – ganz im Einklang mit seiner Botschaft – diesen Vater um Vergebung für seine eigenen Mörder gebeten hat (Lk 23,34). Ist anzunehmen, dass er als Richter seine eigene Bitte ignoriert?

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Ich denke, nein. Ich denke, es gibt etwas in Gott, das größer ist als unsere Mr-Bean-haftigkeit, das sie unterwandert und im letzten Gericht auch offenbar macht, wo wir in der Gnade Christi trotzdem geliebt und uns damit gerettet haben.

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Liebe Gläubige,

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diese Texte sind viel größer als der Beginn eines neuen Semesters oder einer neuen Amtsperiode von wichtigen Funktionen an unserer Fakultät. Diese Texte betreffen uns als Menschen. Aber gerade als Lehrende, Studierende und Funktionsträger an einer theologischen Fakultät sollten wir uns immer bewusst bleiben, dass wir mehr sind: mehr als Studierende, mehr als Lehrende, mehr als ForscherInnen, mehr als Dekane oder Institutsleiter. Das bedeutet ganz und gar nicht, dass wir unsere Aufgaben nicht ernst nehmen sollen, aber es bedeutet, dass wir in und unter alledem vor allem eines sind: Nächste, vielleicht manchmal Geringste. Und daran sollte sich unser Leben und Arbeiten orientieren – im neuen Semester, aber auch weit darüber hinaus.

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