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Illustrationen und Beschreibungen – Universität Innsbruck

Wandkalender 2022 - Illustrationen und Beschreibungen

Das für die Gestaltung des vorliegenden Jahreskalenders verwendete Bildmaterial entstammt den Historischen Sammlungen der Universitäts- und Landesbibliothek Tirol.

Als Bildmotive dienten botanische Illustrationen des 15. bis 19. Jahrhunderts aus Handschriften und Druckschriften. Die meisten der ausgewählten Objekte sind der naturwissenschaftlich-botanischen Fachliteratur zuzurechnen, die in den Historischen Sammlungen in reicher Fülle vertreten und durch prominente Autoren ausgezeichnet ist. Ihren besonderen Wert beziehen viele dieser Werke nicht zuletzt aus ihrer kostspieligen und attraktiven Ausstattung mit Illustrationen, in der sich ein hohes Maß an künstlerischer und kunsthandwerklicher Fertigkeit manifestieren.

Ergänzend zu diesen Objekten, bei denen – der exakten fachkundigen Beschreibung des naturkundlichen Gegenstandes folgend – auch die Abbildungen ein höchstmögliches Maß an Naturtreue aufweisen, fanden in den Kalender auch Abbildungen Eingang, bei denen die enthaltenen Pflanzenillustrationen in einem symbolsprachigen Kontext zum jeweiligen Werk zu lesen sind; so beim „Renner“, einem mittelhochdeutschen Lehrgedicht in einer Handschrift des 15. Jahrhunderts, sowie bei einer barocken Druckschrift über die „Fruchtbringende Gesellschaft“, einer bedeutenden kulturellen Vereinigung des 17. Jahrhunderts in Deutschland.

Der Kalender soll auch einen Eindruck von den unterschiedlichen künstlerischen und handwerklichen Methoden vermitteln, wie sie über Jahrhunderte hinweg bei der Schaffung von Pflanzenillustrationen zum Einsatz gekommen sind. sind. Diese reichen von der akribisch ausgeführten und kolorierten Handzeichnung über den abstrakten und in seiner Bildsprache spartanisch anmutenden Holzschnitt der Inkunabelzeit, zum künstlerisch hochwertigen ganzseitigen Umrissholzschnitt aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, hin zur Tiefdrucktechnik des Kupferstichs mit exakter Linienführung und großer Detailtreue oder zum Flachdruckverfahren der Lithografie zu Anfang des 19. Jahrhunderts mit einer fast unübertroffenen Naturtreue sowie zum Verfahren des Naturselbstdruckes aus der Mitte des 19. Jahrhunderts.

 

Titelblatt_Kalender_2022

Deckblatt:

Die Illustration auf dem Deckblatt des Kalenders ist der deutschen Ausgabe des 1543 in Basel verlegten Herbars des Leonhart Fuchs entnommen. Es zeigt die an der Hervorbringung des Werkes beteiligten Zeichner, Heinrich Füllmaurer und Albert Meyer, bei der Arbeit. Der Autor hat sie auf dem letzten Blatt seines Werkes in Form von Halbfigurenporträts bildhaft in Szene setzen lassen. Ein solcher Reverenzerweis gegenüber den Künstlern gilt als höchst seltenes Beispiel in der botanischen Literatur.

Das Werk ist mit über 500 ganzseitigen kolorierten, sehr fein gearbeiteten Holzschnitten ausgestattet. Die beigefügten Texte liefern eine ausführliche Beschreibung der jeweiligen Pflanze, ihrer Wirkkraft und geben Auskunft über deren Vorkommen. Den arzneikundlichen Charakter des Werkes unterstreicht die Beigabe eines Krankheitsregisters.

Der aus Wemding (Landkreis Donau-Ries) stammende Leonhart Fuchs (1501–1566) übte eine medizinische Professur an der Universität Ingolstadt und später, infolge seines Übertritts zum Protestantismus, an jener in Tübingen aus und war zwischenzeitlich auch Leibarzt des Markgrafen Georg von Brandenburg-Ansbach.

Fuchs gilt als einer der drei „Väter der Botanik“. Nach ihm benannte der Botaniker Charles Plumier (1646–1704) die Pflanzenart „Fuchsia triphylla“. Im Klassifikationssystem von Carl von Linné findet die „Fuchsia“ später als Gattungsbezeichnung für die Nachtkerzengewächse Verwendung.

Lit.:

Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg / Museum Giersch, Frankfurt am Main (Hrsg.), Die Entdeckung der Pflanzenwelt. Botanische Drucke vom 15. bis 19. Jahrhundert aus der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg. Aus Anlass des 525-jährigen Jubiläums der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg. – Petersberg 2009, S. 38–39.

Claus Nissen, Die botanische Buchillustration. Ihre Geschichte und Bibliographie, Bd. 1. – Stuttgart 1951, S. 44–48.

Sieglinde Sepp, Kräuterbücher und andere pharmazeutische Fachliteratur aus den Beständen der Universitätsbibliothek Innsbruck. – In: Tiroler Volkskunstmuseum (Hrsg.), Kunst- und Wunderkammer Apotheke. Katalog zur Ausstellung im Tiroler Volkskunstmuseum, 1. Juni bis 28. Oktober 2001. – Innsbruck 2001, S. 29–36.

Kalender_01-Jänner

Kalenderblatt Jänner:

Der gezeigte Kupferstich einer Schneerose stammt aus dem fünfbändigen Prachtwerk zur Flora auf dem Gebiet von Österreich-Ungarn von Nicolaus Joseph von Jacquin (1727–1817).

Das Werk enthält 500 großformatige, handkolorierte Tafeln mit Pflanzenabbildungen, die zum überwiegenden Teil auf die Künstler Franz Anton von Scheidl (1731–1801) und Franz Xaver von Wulfen (1728–1805) zurückgehen. Als Kupferstecher beteiligte sich vermutlich Jakob Adam (1748–1811). Die den Illustrationen beigegebenen lateinischen Pflanzenbeschreibungen besorgte Jacquin selbst, wobei durch ihn auch eine Reihe von Pflanzen erstmals beschrieben und benannt worden ist.

Jacquin stammte aus Leiden und kam als Medizinstudent über Vermittlung seines Protegés und Landsmanns – dem einflussreichen Leibarzt Maria Theresias und Berater am Wiener Hof sowie späteren Präfekten der dortigen Hofbibliothek, Gerhard van Swieten – nach Wien. Dort nahm er bereits in jungen Jahren und im Auftrag von Kaiser Franz Stephan von Lothringen an einer mehrjährigen Forschungsreise in die karibische Inselwelt teil, von wo er neben Tieren auch umfangreiches Material an Pflanzen, Mineralien und ethnografischen Objekten für die kaiserlichen Gärten und Sammlungen nach Wien mitbrachte. Nach Ausübung einer Professur für Chemie und Metallurgie an der Bergakademie in Schemnitz (Banská Štiavnica, Slowakei) wurde er auf Vermittlung von van Swieten mit einer Professur für Chemie und Botanik an der Wiener Universität betraut.

Jacquin, der auch als „österreichischer Linné“ apostrophiert wird, war für ein halbes Jahrhundert die prägende Gestalt auf dem Gebiet der Botanik in Österreich. Er hinterließ ein reichhaltiges und qualitativ sehr bemerkenswertes Œuvre, das unter anderem mehrere großformatige, prachtvoll ausgestattete botanische Illustrationswerke mit insgesamt über 2000 kolorierten Kupferstichen umfasst.

Lit.:

Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg / Museum Giersch, Frankfurt am Main (Hrsg.), Die Entdeckung der Pflanzenwelt. Botanische Drucke vom 15. bis 19. Jahrhundert aus der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg. Aus Anlass des 525-jährigen Jubiläums der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg. – Petersberg 2009, S. 92–99.

Hans Walter Lack, Ein Garten Eden. Meisterwerke der botanischen Illustration. [Ausstellung Österreichische Nationalbibliothek 2001]. – Köln 2001.

Kalender_02-Februar_Website

Kalenderblatt Februar:

Die aquarellierte Federzeichnung der „Erica herbacea“ ist eine von 53 Darstellungen Tiroler Pflanzen („Icones plantarum Tirolensium“), die vermutlich der Innsbrucker Naturwissenschaftler johannes Nepomuk de Laicharding (1754–1797) nach den Stichen in Nikolaus Joseph von Jacquins „Flora austriaca“ (Wien, 1773–1778) anfertigte (siehe hierzu die Informationen zum Kalenderblatt Jänner).

Laicharding wurde seit seinem neunten Lebensjahr an der k.k. Theresianischen Ritterakademie in Wien ausgebildet, wo er seine Leidenschaft für die Naturwissenschaften entdeckte. Als er mit 22 Jahren das Theresianum verließ, um einen Posten im Tiroler Gubernium anzutreten, widmete er sich weiterhin intensiv diesem Interesse. Auf dem Gebiet der Entomologie – der Insektenforschung – machte er sich mit visionären Ideen und Neuentdeckungen einen Namen. Sein Lebensziel erreichte Laicharding 1792 mit der Berufung auf die Lehrkanzel der speziellen Naturgeschichte an der Universität Innsbruck. Er starb allerdings schon fünf Jahre später während einer Epidemie, die infolge der Kriegsereignisse in Tirol wütete. Sein Nachlass befindet sich am Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum.

Wann seine Bilder der Tiroler Pflanzen entstanden sind bzw. auf welchem Weg die Handschrift, die heute die Signatur Cod. 804 trägt, an die Universitäts- und Landesbibliothek Tirol gelangt ist, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Da der dritte Band der Vorlage, Jacquins „Flora austriaca“, 1778 erschien und sich Laicharding erst seit den 80er-Jahren intensiver der Botanik zuwandte, ist davon auszugehen, dass er die Zeichnungen – sofern sie tatsächlich von seiner Hand stammen – wohl in dieser Zeit anfertigte.

Lit.:

s.n., Biographische Nachrichten von dem Naturforscher Laicharding. Beiträge zur Geschichte, Statistik, Naturkunde und Kunst von Tirol und Vorarlberg 8 (1834), S. 186–224 (online).

Constant von Wurzbach, „Laicharding, Johann Nepomuk von“. – In: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, enthaltend dieLebensskizzen der denkwürdigen Personen, welche seit 1750 in den österreichischenKronländern geboren wurden oder darin gelebt und gewirkt haben, Tl. 14. – Wien 1865, S. 1–5 (online).

Konrad Thaler, Der erste Entomologe Tirols: Johann Nepomuk von Laicharting (1754–1797). Berichte des naturwissenschaftlich-medizinischen VereinsinInnsbruck 90 (2003), S. 301–308 (online).

Kalender_03-März_Website

Kalenderblatt März:

Der gezeigte Kupferstich stammt aus dem fünfbändigen Prachtwerk zur Flora auf dem Gebiet von Österreich-Ungarn von Nicolaus Joseph von Jacquin (1727–1817).

Das Werk enthält 500 großformatige, handkolorierte Tafeln mit Pflanzenabbildungen, die zum überwiegenden Teil auf die Künstler Franz Anton von Scheidl (1731–1801) und Franz Xaver von Wulfen (1728–1805) zurückgehen. Als Kupferstecher beteiligte sich vermutlich Jakob Adam (1748–1811). Die den Illustrationen beigegebenen lateinischen Pflanzenbeschreibungen besorgte Jacquin selbst, wobei durch ihn auch eine Reihe von Pflanzen erstmals beschrieben und benannt worden ist.

Jacquin stammte aus Leiden und kam als Medizinstudent über Vermittlung seines Protegés und Landsmanns – dem einflussreichen Leibarzt Maria Theresias und Berater am Wiener Hof sowie späteren Präfekten der dortigen Hofbibliothek, Gerhard van Swieten – nach Wien. Dort nahm er bereits in jungen Jahren und im Auftrag von Kaiser Franz Stephan von Lothringen an einer mehrjährigen Forschungsreise in die karibische Inselwelt teil, von wo er neben Tieren auch umfangreiches Material an Pflanzen, Mineralien und ethnografischen Objekten für die kaiserlichen Gärten und Sammlungen nach Wien mitbrachte. Nach Ausübung einer Professur für Chemie und Metallurgie an der Bergakademie in Schemnitz (Banská Štiavnica, Slowakei) wurde er auf Vermittlung von van Swieten mit einer Professur für Chemie und Botanik an der Wiener Universität betraut.

Jacquin, der auch als „österreichischer Linné“ apostrophiert wird, war für ein halbes Jahrhundert die prägende Gestalt auf dem Gebiet der Botanik in Österreich. Er hinterließ ein reichhaltiges und qualitativ sehr bemerkenswertes Œuvre, das unter anderem mehrere großformatige, prachtvoll ausgestattete botanische Illustrationswerke mit insgesamt über 2000 kolorierten Kupferstichen umfasst.

Lit.:

Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg / Museum Giersch, Frankfurt am Main (Hrsg.), Die Entdeckung der Pflanzenwelt. Botanische Drucke vom 15. bis 19. Jahrhundert aus der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg. Aus Anlass des 525-jährigen Jubiläums der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg. – Petersberg 2009, S. 92–99.

Hans Walter Lack, Ein Garten Eden. Meisterwerke der botanischen Illustration. [Ausstellung Österreichische Nationalbibliothek 2001]. – Köln 2001.

Kalender_04-April_Website

Kalenderblatt April:

Die Illustration einer Sumpfschwertlilie entstand als Original- bzw. Naturselbstdruck, auch Physiotypie genannt. Bei dieser Drucktechnik wird der darzustellende Gegenstand direkt als Druckstock oder in der weiterentwickelten Form für die Herstellung metallischer Druckmatrizen verwendet. Die Technik wurde von Alois Auer, dem Direktor der Wiener Staatsdruckerei, um die Mitte des 19. Jahrhunderts perfektioniert und zum Patent angemeldet. Auer schreibt zu seiner „Erfindung“: „Ich fühle mich überzeugt, dass seit Gutenbergs Erfindung in der Druckkunst keine wichtigere Entdeckung gemacht wurde, und dass unser Naturselbstdruck eine neue Aera in der Publication und bildlichen Darstellung von artistisch-wissenschaftlichen Gegenständen hervorrufen wird.“ (Auer 1853, S. 12).

Außerhalb Wiens wurde Auers Verfahren in größerem Stil erstmals von den Brüdern Carlo und Agostino Perini in Trient angewandt: Zwischen 1854 und 1871 entstand in der eigenen Druckerei die „Flora dell'Italia settentrionale e del Tirolo meridionale rappresentata colla fisiotipia“, ein mehrbändiges Werk bestehend aus etwa 400 verschiedenen Pflanzendrucken, darunter auch die gezeigte Abbildung der Sumpfschwertlilie. Jede Tafel ist mit der wissenschaftlichen lateinischen Bezeichnung der Pflanze, ihrem italienischen Namen und einigen Informationen über Vorkommen, Wachstum, Herkunft und mögliche Verwendung versehen. Nur wenige Bibliotheken besitzen mehrere Zenturien dieser Abbildungen, an der Universitäts- und Landesbibliothek Tirol befinden sich 177.

Agostino Perini (1802–1878), von klein auf künstlerisch begabt, kehrte nach seinem Studium im Mährischen Datschitz (Dačice) nach Trient zurück, war dort als Zeichenlehrer an der Lehrerbildungsanstalt tätig und wurde später Mitglied der Accademia di scienze, lettere ed arti degli Agiati in Rovereto. Bekannt wurde er auch als Heimatforscher und Journalist. Als sein bedeutendstes Werk gilt die 1852 erschienene statistische Beschreibung des Trentino („Statistica del Trentino“), das hierin erstmals unabhängig vom deutschsprachigen Tirol analysiert wurde. Agostino starb 1878 während der Arbeit an der Zweitauflage dieses Werks.

Sein jüngerer Bruder Carlo Perini (1817–1883), der in Padua zum Doktor der Medizin promovierte, war für kurze Zeit Spitalsarzt in Trient, gründete aber bereits 1850 mit seinem Bruder eine eigene Druckerei, in der einige historische, botanische und literarische Werke der Geschwister produziert wurden, darunter auch die genannte „Flora dell’Italia settentrionale“. Als leidenschaftlicher Naturforscher hatte Carlo dafür mehrere hundert Pflanzenarten aus dem Trentino nach einer von ihm selbst entwickelten Methode klassifiziert.

Lit.:

Alois Auer, Die Entdeckung des Naturselbstdruckes. – Wien 1853 (online).

Cinzia Lorandini, „Agostino Perini“. – In: Società di Studi Trentini di Scienze Storiche (Hrsg.),Dizionario Biografico degli Storici Trentini (online).

Giuseppe Sebesta, „Perini Carlo und Perini Agostino“. – In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950, Bd. 7 (Lfg. 35). – Graz / Köln 1978, S. 420–421 (online: zu Agostino Perini, zu Carlo Perini).

Claus Nissen, Die botanische Buchillustration. Ihre Geschichte und Bibliographie. – Stuttgart 1951, Bd. 1, S. 242–250, Bd. 2, S. 139.

Kalender_05-Mai_Website

Kalenderblatt Mai:

Der kolorierte Kupferstich eines Persischen Flieders ist dem vierbändigen Werk „Österreichs allgemeine Baumzucht. Abbildungen in- und ausländischer Bäume und Sträucher, deren Anpflanzung in Österreich möglich und nützlich ist“, erschienen zwischen 1792 und 1839 in Wien, entnommen. Dessen Autor, Franz Schmidt (1751–1834), war ein aus Austerlitz (Mähren) gebürtiger Gartenbaufachmann und Botaniker. Nach Schulzeit und Absolvierung humanistischer Studien, erlernte er am Erzbischöflichen Schloss Kremsier die Gartenbaukunst und trat später in den Dienst des Österreichischen Staatskanzlers Fürst Kaunitz, der ihm in der Folge auch die Oberaufsicht über seine Gärten in Wien übertrug. Auf dessen Empfehlung hin führten Schmidt ausgedehnte Reisen nach Holland, England und Frankreich, von wo er bereichert und mit vielen neuen Erkenntnissen auf den Gebieten der Botanik und Gartenbaukunst nach Wien zurückkehrte. 1797 wurde Schmidt zum Professor der praktischen Gartenbaukunst an der wiedereröffneten k.k. Theresianischen Ritterakademie ernannt und mit der Leitung der dortigen akademischen Gärten nebst Einrichtung einer ökonomisch-botanischen Abteilung betraut. Das dort von ihm errichtete Arboretum diente ihm nicht nur zur Durchführung von Kulturversuchen, sondern bot ihm auch die Zeichenvorlagen für die Erstellung des zu seiner Zeit sehr geschätzten und vorzüglich ausgestatteten dendrologischen Werkes.

Auf die naturgetreue und künstlerisch sehr ansprechende Abbildung der Pflanzen legte Schmidt größten Wert, wie er im Vorwort betont: Der Verfasser hat sich´s zur Pflicht gemacht, keine Figur in sein Werk aufzunehmen, die nicht unmittelbar unter seinen Augen nach der Natur verfertiget wäre; er bediente sich zu dieser Absicht der besten Künstler, deren Werth man schon aus Jaquins unsterblichen Werken kennt.“ (Schmidt 1792, S. 4)

Bei den an der Universitäts- und Landesbibliothek Tirol verfügbaren beiden ersten Bänden werden nur auf wenigen Blättern Künstler namentlich erwähnt. So Ioh[annes] Scharff als Zeichner und Stecher sowie Paul Johann Weindl und J. Stenger als Kupferstecher.

Ergänzend zu den jeweils ganzseitigen Illustrationen werden von Schmidt ausführliche Beschreibungen über Vorkommen, Habitus, Blüte, Frucht- oder Samenreife sowie zur Nutzanwendung der einzelnen Pflanzen geboten. Überdies liefert er fachkundige Ratschläge für deren Anpflanzung, Zucht und Veredelung.

Lit.:

Constant von Wurzbach, „Schmidt, Franz“. – In: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, enthaltend dieLebensskizzen der denkwürdigen Personen, welche seit 1750 in den österreichischenKronländern geboren wurden oder darin gelebt und gewirkt haben, Tl. 30. – Wien 1875, S. 237–238 (online).

Ders., „Scharf, Johann“. – Ebda. Tl. 29. – Wien 1875, S. 117 (online).

Ders., „Weindl, Paul Johann“. – Ebda. Tl. 54. – Wien 1886, S. 201 (online).

Kalender_06-Juni_Website

Kalenderblatt Juni:

Das von Christoph Jakob Trew stammende und zwischen 1750 und 1773 in Augsburg verlegte Werk „Plantae selectae“ zählt mit seinen 100, präzis der Natur nachempfundenen kolorierten Kupferstichen exotischer Pflanzen im Folioformat zu den vortrefflichsten botanischen Tafelwerken des 18. Jahrhunderts.

Trew (1695–1769) wurde als Sohn eines Apothekers in Lauf a. d. Pegnitz geboren, studierte Medizin in Altdorf und ließ sich später als praktischer Arzt in Nürnberg nieder. Dort gehörte er als Physicus dem Collegium medicum an, das für alle medizinischen und sanitären Belange der Stadt Nürnberg, einschließlich der Kontrolle und fachkundigen Unterweisung von Ärzten, Apothekern und Hebammen zuständig war. Darüber hinaus entfaltete Trew eine äußerst rege Gelehrtentätigkeit auf verschiedenen medizinisch-naturwissenschaftlichen Gebieten, allen voran der Anatomie und Botanik, und war als Herausgeber wissenschaftlicher Publikationen aktiv, so auch der ersten fachwissenschaftlichen Medizinzeitschrift im deutschsprachigen Raum, das „Commercium litterarium ad rei medicae et scientiae naturalis incrementum institutum“. 1727 wurde Trew in die Kaiserlich-Leopoldinisch-Carolinische Deutsche Akademie der Naturforscher aufgenommen und zeichnete als Director Ephemeridum u. a. für die Herausgabe des Publikationsorgans dieser Akademie (Ephemeriden) verantwortlich, 1745 erfolgte seine Aufnahme in die Akademie der Wissenschaften in Berlin und 1746 jene der Royal Society.

Von seiner umfangreichen Korrespondenztätigkeit mit europäischen Gelehrten seiner Zeit gibt die heute an der Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg verwahrte umfangreiche Briefsammlung beredt Zeugnis. Trew verfügte über eine der größten naturwissenschaftlichen Sammlungen und Bibliotheken im deutschsprachigen Raum seiner Zeit, die er der Universität Altdorf vermachte. Nach deren Auflösung 1809 gelangten sie in den Bestand ihrer Rechtsnachfolgerin, der Universität Nürnberg-Erlangen (zur Sammlung Trew).

Sein im Geiste der Aufklärung begründetes Bemühen um Vermittlung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse für eine interessierte Öffentlichkeit förderte die Entstehung naturkundlicher Tafelwerke, die nicht nur ihrer wissenschaftlichen Korrektheit wegen, sondern auch durch ihren besonderen ästhetischen Reiz zu überzeugen wussten. Hervorgebracht wurden diese im Zusammenwirken von Gelehrten, Sammlern, Zeichnern, Kupferstechern, Illuminatoren, Verlegern und Druckern.

Eine besonders intensive Zusammenarbeit entwickelte sich zwischen Trew und dem aus Heidelberg stammenden Blumenmaler Georg Dionysius Ehret (1708–1770), dessen herausragendes Zeichentalent schon früh erkannt wurde. Um bei der bildlichen Wiedergabe von Pflanzen ein höchstmögliches Maß an Naturtreue und Detailgenauigkeit zu erzielen, erfolgte durch Trew auch eine Unterweisung in Pflanzenmorphologie.

Bis 1740 schuf Ehret, der in der Folge auch zu einem gefeierten Künstler in London geworden war, für Trew mehrere hundert wertvolle Zeichnungen und Aquarelle von Pflanzen. Eine Auswahl von 100 dieser Darstellungen verwendete Trew für seine „Plantae selectae“, deren grafische Umsetzung durch Johann Jakob Haid (1704–1767) und dessen Sohn in Form einer Mischtechnik aus Kupferstich und Farbdruck erfolgte.

Lit.:

Thomas Schnalke (Hrsg.), Natur im Bild. Anatomie und Botanik in der Sammlung des Nürnberger Arztes Christoph Jacob Trew. Eine Ausstellung aus Anlaß seines 300. Geburtstages. – Erlangen 1995 (= Schriften der Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg, Bd. 27).

Henriette Müller-Ahrndt, Die Künstler der Naturgeschichte. Eine Studie zur Kooperation von Kupferstechern, Verlegern und Naturforschern im 18. Jahrhundert. – Petersberg 2021.

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Kalenderblatt Juli:

Die Abbildung zeigt eine von zwölf ganzseitigen Illustrationen aus Konrad von Megenbergs „Buch der Natur“, das 1478 bei Johann Bämler in Augsburg gedruckt wurde.

Das „Buch der Natur“ gilt als erste systematische enzyklopädische Abhandlung der Naturgeschichte in deutscher Sprache. Die Grundlage dafür ist der „Liber de natura rerum“ des Thomas Cantimpratensis, den Konrad von Megenberg Mitte des 14. Jahrhunderts ins Deutsche übersetzt hatte. Mittels weiterer Quellen und Allegoresen, in denen auch auf aktuelle Ereignisse der Zeit eingegangen wird, erweiterte Konrad von Megenberg seine Vorlage um etwa ein Drittel. Das „Buch der Natur“ ist in acht Bücher gegliedert, in denen die Themen Anatomie, Astronomie, Meteorologie, Zoologie, Botanik, Pharmakologie, Mineralien-, Edelstein- und Metallkunde sowie Wundersames behandelt und theologisch gedeutet werden. Dieses erste deutschsprachige Naturkompendium wurde rasch weit verbreitet. Seine Popularität zeigt sich unter anderem darin, dass über 100 Handschriften und sechs gedruckte Editionen des 15. Jahrhunderts überliefert sind.

An der Universitäts- und Landesbibliothek Tirol wird ein Exemplar der zweiten Druckausgabe bewahrt. Dieses befand sich zuletzt in der Bibliothek im Wappenturm der Innsbrucker Hofburg, von wo es 1745 an die neu gegründete Bibliotheca publica Oenipontana gelangte.

Der hier gezeigte kolorierte Holzschnitt mit der Darstellung von zehn verschiedenen Gewächsen vor einem hügeligen Hintergrund dient als Einstiegsillustration zum vierten Buch, in dem verschiedene – auch exotische – Bäume erklärt werden. Abgebildet sind eine Palme und ein Obstbaum, ein Birn- und Apfelbaum, zwei Weinreben mit Trauben und ein Hopfenstrauch. Nicht näher bestimmt werden können der kugelige Busch in einem Topf, der schlanke, stilisierte Baum sowie die beiden Topfpflanzen.

Lit.:

Gerold Hayer, Konrad von Megenberg „Das Buch der Natur“. Untersuchungen zu seiner Text- und Überlieferungsgeschichte. – Tübingen 1998 (= Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters, Bd. 110).

Ulrike Spyra, Das „Buch der Natur“ Konrads von Megenberg. Die illustrierten Handschriften und Inkunabeln. – Köln / Weimar / Wien 2005 (= Pictura Et Poesis. Interdisziplinäre Studien zum Verhältnis von Literatur und Kunst, Bd. 19).

Kalender_08-August_Website

Kalenderblatt August:

Die Handschrift mit der Signatur Cod. 96 vereint 31 Blätter mit Zeichnungen von Fischen, Muscheln, Korallen, diversen Pflanzen, Früchten und Mineralien. Es fehlen jegliche Hinweise auf einen Entstehungsort. Dass es sich um italienische Arbeiten handelt, nimmt der Kunsthistoriker Hermann Julius Hermann (1905) an. Auch darüber, wie der Bildband an die Universitäts- und Landesbibliothek Tirol gelangt ist, gibt es keine Gewissheit. Lediglich das marmorierte Einbandpapier liefert ein schwaches Indiz für eine mögliche Provenienz aus dem Augustiner-Chorherrenstift Neustift, dessen Bibliothek nach der vorübergehenden Aufhebung unter bayerischer Herrschaft 1809 nach Innsbruck überstellt wurde. Im Zuge der systematischen Digitalisierung der Historischen Sammlungen, die seit 2020 an der Universitäts- und Landesbibliothek Tirol betrieben wird, wurden sämtliche Handschriften mit gesicherter oder möglicher Provenienz aus Neustift digitalisiert; das Volldigitalisat von Cod. 96 ist in der Digitalen Bibliothek der Universität Innsbruck verfügbar. Weiterführende Informationen zu den Neustifter Handschriften und zur Geschichte der Neustifter Handschriftensammlung finden sich hier.

Lit.:

Julius Hermann, Die illuminierten Handschriften in Tirol. – Leipzig 1905, S. 155 (= Beschreibendes Verzeichnis der illuminierten Handschriften in Österreich 1) (online).

Walter Neuhauser, Katalog der Handschriften der Universitätsbibliothek Innsbruck, Teil 1: Codices 1–100. – Wien 1987, S. 274–275 (= Österreichische Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse, Denkschriften 192 = Veröffentlichungen der Kommission für Schrift- und Buchwesen des Mittelalters Reihe II,4,1) (online).

Kalender_09-September_Website

Kalenderblatt September:

Auf einer Wiese, umringt von hohen Bergen, steht ein Birnbaum in voller Blüte, aus den Blüten entwickeln sich Früchte. Doch plötzlich kommt ein Wind namens virwiz auf und bringt die Birnen zu Fall – die meisten landen in einem Dornbusch, in einem Brunnen oder einer Pfütze, einige aber auch im weichen Gras. Die Birnbaumallegorie leitet den „Renner“, ein mittelhochdeutsches Lehrgedicht des Hugo von Trimberg (ca. 1230–ca. 1313), ein und erfährt folgende moralische Deutung: Die Menschen (die Birnen) kommen, getrieben von der Neugierde (virwiz), zu Fall und gehen schnell zugrunde, wenn sie einer der sieben Todsünden (hôchfart, gîtikeit, fraz, unkiusche, zorn, nît und lazheit, symbolisiert durch Dornenbusch, Brunnen und Pfütze) anheimfallen. Nur diejenigen, die im Gras der Reue landen, werden vor einem schnellen Verderben bewahrt. Das Kernthema und der Aufbau von Hugos Werk werden hier vorweggenommen: Im „Renner“ werden die sieben Todsünden anhand von Fabeln, Allegorien, Exempla und Erzählungen dargestellt.

Der Text ist in 65 mittelalterlichen Handschriften und Fragmenten überliefert, davon weisen weniger als ein Drittel Illustrationen auf. Eine dieser illustrierten Fassungen ist Cod. 900 der Universitäts- und Landesbibliothek Tirol. Dabei handelt es sich um eine stark gekürzte und umgearbeitete Version des Textes, die Anfang des 15. Jahrhunderts im Tiroler Raum entstand und gemeinsam mit London, British Library, Add MS 24280, München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 7375 (eine Abschrift von Cod. 900) und Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Cod. 2852 die sogenannte „Tiroler Gruppe“ bildet. Die exakte Datierung, die sich ursprünglich am Schluss des Schreibervermerks am Ende der Handschrift befand, ist verlorengegangen. Dank der Analyse der Wasserzeichen der Papierhandschrift konnte der Entstehungszeitraum aber auf die Jahre 1411 bis 1413 eingegrenzt werden. Am Spiegel des Vorderdeckels finden sich zahlreiche Hinweise auf die Geschichte der Handschrift: Der älteste Vermerk, ein Besitzeintrag der Kartause Allerengelberg im Schnalstal, lässt annehmen, dass sich die Handschrift im 15. Jahrhundert dort befand und hier vielleicht auch ihren Einband – rotes Schafleder über Holzdeckeln – erhielt. Über mehrere adelige Zwischenbesitzer gelangte sie im 17. Jahrhundert in den Besitz der Grafen von Wolkenstein und Trostburg; das eingeklebte Exlibris gibt den Letztbesitzer, Paris Graf von Wolkenstein, preis, von dem das Buch an die Universitäts- und Landesbibliothek Tirol überging.

Lit.:

Rudolf Kilian Weigand, Der ‚Renner‘ des Hugo von Trimberg. Überlieferung, Quellenabhängigkeit und Struktur einer spätmittelalterlichen Lehrdichtung. – Wiesbaden 2000 (= Wissensliteratur im Mittelalter 35).

Gustav Ehrismann, Der Renner von Hugo von Trimberg. Bd. 1–4. – Berlin 1970 (Nachdruck der Ausgabe Tübingen 1908–1911).

Bruno Müller, Südtiroler illustrierte Renner-Handschriften. Bericht des historischen Vereins Bamberg 109 (1973), S. 183–236.

Mitteleuropäische Schulen II (ca. 1350-1410): Österreich – Deutschland – Schweiz. Bearb. von Andreas Fingernagel, Katharina Hranitzky, Veronika Pirker-Aurenhammer, Martin Roland und Friedrich Simader. Textbd., Tafel- u. Registerbd. – Wien 2002, Nr. 45 (= Österreichische Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse, Denkschriften 305 = Veröffentlichungen der Kommission für Schrift- und Buchwesen des Mittelalters I,11).

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Kalenderblatt Oktober:

Johann Baptist Freiherr Lexa von Aehrenthal (1777–1845), der Herausgeber des obstbaukundlichen Werkes „Deutsche Kernobstsorten“, dem diese Lithografie entnommen ist, stammte aus Prag. Nach Absolvierung des Gymnasiums und dem Studium der Rechtswissenschaften trat er in den Staatsdienst und war mit politischen und justiziellen Aufgaben betraut. Zuletzt war er Vizepräsident des böhmischen Landguberniums, der obersten böhmischen Landesbehörde und wurde in Anerkennung seiner Verdienste 1828 in den böhmischen Freiherrenstand erhoben. Nach dem Tod seines Vaters und der erblichen Übernahme des Herrschaftsgutes Doxan in Nordböhmen widmete er sich ganz dessen Verwaltung und Bewirtschaftung. Als hervorragender Pomologe erwarb sich Lexa große Verdienste um die Hebung der Obstbaukultur und -zucht in Böhmen und setzte seine Fachkenntnisse auch auf dem familieneigenen Gut in praktischer Weise um.

Das dreibändige, zwischen 1833 und 1842 in mehreren Lieferungen erschienene Werk enthält 97 ganzseitige, von J. Longer meisterhaft kolorierte Tafeln, die jeweils vier Apfel- und Birnensorten in äußerst naturgetreuer Wiedergabe zeigen. Ergänzend dazu liefert das Werk ausführliche und aus der Feder von Lexa stammende Beschreibungen von jeder dargestellten Frucht (Farbe, Geruch, Fleisch, Geschmack, Kernhaus, Kerne, Reifezeit, Dauer und Rang) sowie eine Beschreibung der Pflanzen (Wuchs, Krone, Tragbarkeit).

Die ausgewählte Tafel zeigt von links oben im Uhrzeigersinn die Apfelsorten: Englische graue Herbst-Renette, Polnischer Zimmetapfel, Englischer scharlachroter Sommerpepping und Weißer Winter-Taffetapfel.

Lit.:

Constant von Wurzbach, „Lexa von Aehrenthal, Johann Baptist Freiherr“. – In: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, enthaltend dieLebensskizzen der denkwürdigen Personen, welche seit 1750 in den österreichischenKronländern geboren wurden oder darin gelebt und gewirkt haben, Tl. 15. – Wien 1866, S. 49 (online).

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Kalenderbild November:

Im 17. Jahrhundert entstanden in Deutschland nach italienischem und französischem Vorbild zahlreiche sogenannte Sprachgesellschaften. Die „Fruchtbringende Gesellschaft“ war die größte, einflussreichste und weitreichendste dieser barocken Sozietäten. Sie wurde 1617 unter dem reformierten Fürsten Ludwig von Anhalt-Köthen in Weimar gegründet und zählte bis zum Ende ihres formellen Bestehens 1680 etwa 900 Mitglieder, darunter bedeutende Dichter wie Gryphius, Opitz, Zesen oder Harsdörffer. Die Gesellschaft bemühte sich Fürsten, Adelige, Räte, Militärs, Gelehrte und Dichter unabhängig von Konfession, Parteizugehörigkeit, Stand oder Herkunft zu vernetzen. Untereinander redete man sich nur mit einem verliehenen Gesellschaftsnamen an, um soziale Unterschiede und Standesschranken hintanzustellen. Neben Gesprächen und Publikationen tauschte man sich hauptsächlich in brieflicher Korrespondenz aus.

Sinnbild der Fruchtbringenden Gesellschaft war die Kokospalme. Daraus ergibt sich auch die Bezeichnung „Palmenorden“. Wie dieser Baum in all seinen Teilen brauchbar und verwertbar ist, sollte jedes Mitglied nützlich sein – entsprechend der Devise „Alles zu Nutzen“ im Sinne einer universalen Gesellschaftsethik. Dieser Devise und dem Ziel der Aufrechterhaltungbzw. WiederherstellungderaltendeutschenTugenden“ folgend konzentrierte sich die Gesellschaft auf die Pflege der deutschen Sprache. In der sprachpflegerischen Tradition der Gesellschaft wurde 2007 die „Neue Fruchtbringende Gesellschaft“ mit Sitz in Köthen (Anhalt) mit der erweiterten Devise „Alles zu Nutzen – allen zu Nutzen!“ gegründet.

Unter Mitgliedsnummer 15 wird der 1618 aufgenommene protestantische Hans Ernst aus dem Winckel (1585–1667), Stallmeister von Fürst August von Anhalt-Plötzkau, geführt. Wie alle Mitglieder trug er einen symbolträchtigen Gesellschaftsnamen und fungierte als „Der Außtheilende“. Als aus der Pflanzenwelt entlehntes Emblem wurde Winckel „ein Eichbaumn voller reiffen Eicheln / deren etliche abfallen / etliche unten beym Baum liegen“ verliehen, dazugehörig die Devise „Mast ohne mühe“, ausgelegt im anschließend angeführten „Reimgesetz“. Jedes Mitglied sollte sein Verhalten nach seiner eigenen Imprese ausrichten. Die Palme als Emblem der Fruchtbringer sowie das des jeweiligen Trägers finden sich mit zugehöriger Beischrift auch auf den „Gesellschaftspfennigen“, die die Mitglieder um den Hals trugen.

Etwa 400 Impresen (Sinnbild und Devise) der Fruchtbringenden Gesellschaft ließ Matthäus Merian der Ältere in Kupfer stechen und im Gesellschaftsbuch von 1646 veröffentlichen. Darin ergänzte er die Stiche seiner ersten 200 Impresen des Gesellschaftsbuchs von 1629/30.

Mit dem schwierig zu fassenden, komplexen Profil der Fruchtbringenden Gesellschaft mit ihrer ethischen, pädagogischen, wissenschaftlichen und literarischen Ausrichtung beschäftigte sich bis 2019 das langjährige, groß angelegte Forschungs- und Editionsprojekt „Die deutsche Akademie des 17. Jahrhunderts: Fruchtbringende Gesellschaft“.

Vgl. (mit umfassender Bibliographie) http://www.die-fruchtbringende-gesellschaft.de/19-0-Publikationen-.html?category_id=1&article_id=8

Kalender_12-Dezember_Website

Kalenderbild Dezember:

Als Bildvorlage diente ein Kupferstich aus der Erstausgabe des zwischen 1790 und 1794 in mehreren Lieferungen erschienenen Tafelwerkes „Abbildungen der hundert deutschen wilden Holz-Arten“ von Johann Daniel Reitter (1759–1811).

Wie dem Vorwort zu entnehmen ist, handelt es sich bei dem sehr kostspieligen und dem Herzog von Württemberg zugeeigneten Tafelwerk um eine Beilage zum „Forsthandbuch“ von Friedrich August Ludwig Burgsdorf (auch Burgsdorff). Dieser war königlich preußischer Oberforstmeister in der Kurmark Brandenburg und Direktor der Forstakademie in Berlin und legte dieses sehr renommierte und in weiterer Folge wiederholt aufgelegte Standardwerk 1788 erstmals vor.

Das Tafelwerk von Reitter enthält insgesamt 100 ganzseitige, von Gottlieb Friedrich Abel ausgeführte, fein kolorierte Kupferstiche. Die Tafeln sind teilweise eiweißgehöht und erzeugen durch feingezeichnete Schattenwürfe einen plastischen Effekt.

Die ausgewählte Abbildung zeigt Pflanzenteile der Gemeinen Fichte (Rotfichte; Picea abies). Dargestellt werden ein Zweig mit männlicher (1) und weiblicher (2) Blüte, Staubgefäße (c), Schuppen von Blüten und Zapfen (d, e und g), ein reifer Zapfen (f) sowie Samen (geflügelt) und Samenkorn ohne Flügel (i, h).

Der Autor des Werkes, Daniel Reitter, war ein aus Böblingen (Württemberg) gebürtiger Forstwirt und Verwaltungsbeamter. Nach dem Besuch der dortigen Lateinschule trat er auf Betreiben und gefördert durch Herzog Karl Eugen von Württemberg 1772 in die elitäre Militärpflanzschule in Solitude, der nachmaligen Hohen Karlsschule ein.

Nach Abschluss der dortigen Ausbildung und der 1780 erfolgten Ernennung zum Hofjäger war Reitter mit der Ausbildung der für den Forstdienst bestimmten Angehörigen des Herzoglichen Leibjägerkorps sowie mit Verwaltungsaufgaben befasst, so unter anderem als Forstkommissar bei der Rentkammer in Stuttgart.

Zu seinen publizistischen Tätigkeiten zählt neben dem vorgestellten Werk die Herausgabe des zwischen 1790 und 1799 erschienenen „Journal für Forst- und Jagdwesen“, einer Fachzeitschrift, in der die Forstwirtschaft erstmals auch unter praktischem Gesichtspunkt behandelt wird.

Lit.:

Richard Heß, „Reitter, Johann Daniel“. – In: Allgemeine Deutsche Biographie, Bd. 28. – Leipzig 1889, S. 168–170 (online).

Kurt Mantel / Josef Pacher, Forstwirtschaftliche Biographie vom 14. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Zugleich eine Einführung in die Forstliche Literaturgeschichte, Bd. 1: Forstliche Persönlichkeiten und ihre Schriften vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert. – Hannover 1976, S. 207–211 (zu Friedrich August Ludwig von Burgsdorff) und S. 302–305 (zu Johann Daniel von Reitter) (= Mitteilung des Instituts für Forstpolitik und Raumordnung der Universität Freiburg i. Br., Arbeitsbereich Forstgeschichte).

Rolf Straubel, „Friedrich August Ludwig von Burgsdorff“. – In: Biographisches Handbuch der preußischen Verwaltungs- und Justizbeamten, 1740–1806/15, Tl. 1: Biographien A–L. – München 2009, S. 159 (= Einzelveröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, Bd. 85 =Einzelveröffentlichung des Brandenburgischen Landeshauptarchivs, Bd. VII).

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