1
| Anmerkungen zum „Schönborn-Streit“ |
2
| Dieser Text entstand aus einem Gedankenaustausch in einer
Teilgruppe des Forschungsprojekts „Dramatische Theologie“. In
ihr arbeiteten mit: Wilhelm Guggenberger (Christliche
Gesellschaftslehre), der auch die Koordination übernahm, Otto
Muck SJ (Christliche Philosophie), Józef Niewiadomski
(Dogmatik), Wolfgang Palaver (Christliche Gesellschaftslehre),
Maximilian Paulin (Dogmatik) und Roman Siebenrock
(Fundamentaltheologie); Textentwurf und Redaktion: Nikolaus
Wandinger (Dogmatik). Das Forschungsprojekt „Dramatische
Theologie“ ist ein Teilprojekt des Forschungsschwerpunkts
Religion – Gewalt – Kommunikation – Weltordnung an der
theologischen Fakultät Innsbruck (online: http://info.uibk.ac.at/c/c2/theol/rgkw/drama/). |
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4
| Am 7. Juli dieses Jahres schrieb der Wiener Kardinal
Christoph Schönborn einen Beitrag in der New York Times über
das Verhältnis der christlichen Schöpfungslehre zur
Evolutionstheorie.1 Dieser Artikel löste eine heftige Debatte aus, welche
leider von Einseitigkeiten und Ungenauigkeiten gekennzeichnet
ist, und zwar sowohl im Beitrag des Kardinals als auch in den
Reaktionen darauf. Im Folgenden sollen diese Probleme kritisch
dargestellt und dann eine eigene Stellungnahme zum Problem des
Verhältnisses von Schöpfungslehre und Evolutionstheorie
vorgeschlagen werden. |
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7
| Zunächst ist das Anliegen des Kardinals zu würdigen. Es geht
ihm weder darum, die Eigenständigkeit der Wissenschaften
einzuschränken noch die Evolutionstheorie als Abstammungslehre
abzulehnen. Seine Absicht ist es, eine Auffassung von Evolution
zurückzuweisen, die diese als ungelenkten, ungeplanten Prozess
willkürlicher Variation und natürlicher Auslese
versteht.2 Er
unterscheidet dabei allerdings nicht zwischen einer solchen
Annahme als einer methodischen und als einer weltanschaulichen
– darauf ist noch zurückzukommen. Er wendet sich, Johannes Paul
II. zitierend, dagegen, dass der Zufall („chance“) die komplexe
Organisation des Universums erklären könne, da dies darauf
hinauslaufe, Wirkungen ohne Ursachen zu postulieren. Dagegen
setzt er, wiederum in den Worten des letzten Papstes, eine den
Dingen „interne Finalität“. Diese identifiziert Schönborn mit
Zielursache, Zweck oder Design.3 Man müsse daher, ein solches Design annehmen. |
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9
| Als Probleme zeigen sich: der Unterschied zwischen
Einzelwissenschaft und Weltanschauung wird nicht thematisiert,
der Begriff des Zufalls wird nicht differenziert; der Übergang
von Finalität zu Design wird als unproblematisch vorausgesetzt.
Wenden wir uns diesen Problemen in umgekehrter Reihenfolge
zu. |
10
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11
| Der Übergang von Finalität zu Design scheint auf den ersten
Blick möglich, wenn damit gesagt sein soll, dass aus der
Struktur („Design“) eines Gegenstandes der Zweck, auf den er
hingeordnet ist, sofern er das ist, erkennbar sein müsse.
Dennoch erheben sich gegen diese schnelle Übersetzung
erhebliche Einwände. Der Ausdruck Design legt das Bild einer
abgeschlossenen und fertigen Konstruktion nahe. Er wird damit
wesentlichen Elementen der christlichen Schöpfungslehre nicht
gerecht, wie etwa der Unabgeschlossenheit der Schöpfung
(creatio continua) und der Mitwirkung Gottes in der
Welt (cooperatio Dei); darüber hinaus läuft er Gefahr,
Gott als Designer auf zu anthropomorphe Weise darzustellen. In
der Diskussion mit den Naturwissenschaften ist der Ausdruck
Intelligent Design darüber hinaus durch eine bestimmte
Gruppe von Denkern besetzt, der ihre Beispiele von so einfachen
Konstruktionen (Uhrwerk, Mausefalle) ableiten, wie sie einer
heutigen Schöpfungslehre nicht mehr gerecht werden
können.4 Allerdings wäre genauer zu überprüfen, ob sie diese
Beispiele nicht von ihren naturalistischen Opponenten
übernehmen.5 In diesem
Falle scheint es sich hier eher um einen Kampf gegen Windmühlen
zu handeln: moderne Schöpfungstheologie behauptet nicht, Gott
verhalte sich zur Schöpfung wie ein Uhrmacher zur Uhr, wie
unten argumentiert werden wird. |
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13
| Der Begriff des Zufalls ist in seiner Bedeutung und
Anwendung einer der am meisten fehlverwendeten überhaupt, weil
er so behandelt wird, als wäre klar, was er bedeutet, was aber
oft nicht der Fall ist.6 So kann, was unter einer Rücksicht „Zufall“ ist,
unter einer anderen Rücksicht ganz und gar nicht zufällig sein.
„Zufall“ ist etwas nur relativ zu einem bestimmten möglichen
Set von Ursachen, also entweder, weil bestimmte Ursachen nicht
mitbedacht werden oder weil sie wegen zu großer Komplexität
nicht mitbedacht werden können. In weltanschaulichen Kontexten
wird „Zufall“ manchmal in der Bedeutung von „Ursachelosigkeit“
verwendet. Diese Verwendung haben Schönborn und Johannes Paul
II. im Sinn, wenn sie den Zufall als Erklärungsgrund für die
vorhandene Welt ausschließen. Dem ist auf weltanschaulicher
Ebene zuzustimmen, daraus kann aber nicht abgeleitet werden,
die Evolutionstheorie könne nicht biologie-immanent den Zufall
als Grund für bestimmte Entwicklungen angeben. |
14
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15
| Dies führt uns zurück zum ersten Problem der Unterscheidung
von Einzelwissenschaft und Weltanschauung, auf das wir aber
erst später näher eingehen können. Vorwegnehmend kann aber
gesagt werden, dass es ohne Weiteres möglich ist, dass ein
bestimmter Vorgang innerhalb einer Wissenschaft als „zufällig“
einzustufen ist, in einer anderen aber nicht. Ebenso könnte ein
Vorgang auf der Ebene der Naturwissenschaften als zufällig
anzusehen sein, aber nicht mehr, wenn Sozialwissenschaften
hinzugezogen werden. Und auf ähnliche Weise wäre es durchaus
denkbar, dass etwas innerweltlich als zufällig zu
gelten hat, dass daraus aber keine Folgerungen über dessen
absolute Ursachelosigkeit gezogen werden können. Gerade dies
wollen der Kardinal und Papst Johannes Paul II. ausschließen.
Hier handelt es sich also nicht wirklich um einen Fehler in
Schönborns Argumentation, sondern nur um eine der Kürze
geschuldete Ungenauigkeit: Den Übergang von „relativ zu den
methodisch berücksichtigten Ursachen zufällig“ zu
„innerweltlich zufällig“ und gar weiter zu „absolut zufällig“
will Schönborn völlig zurecht ausschließen – gegen
Wissenschaftler, die ihre eigene methodische Einschränkung
nicht beachten und daraus ungerechtfertigte weltanschauliche
Folgerungen ableiten. |
16
| Dennoch ist die Ungenauigkeit bedauerlich, da sie Anlass zu
Missverständnissen geben kann, derart, dass auch die Annahme
von methodisch bedingtem oder innerweltlichem Zufall
auszuschließen sei. |
17
| Dies sei an einem Beispiel verdeutlicht: Die heute am
weitesten akzeptierten Theorien gehen davon aus, dass die
Dinosaurier aufgrund der Folgen eines Meteoriteneinschlags auf
der Erde ausgerottet wurden. Dieser „Zufall“ habe es anderen
Lebensformen erst ermöglicht, zur den dominierenden Spezies
aufzusteigen.7 Die
Einstufung des Meteoriteneinschlags als Zufall ist – biologisch
betrachtet – sicher richtig, befassen sich doch biologische,
genetische o.ä. Gesetze nicht mit der Bewegung von
Himmelskörpern. Doch lässt sich leicht verständlich machen,
dass hier der Zufall ein sehr relativer war: mit den Gesetzen
der Schwerkraft und der Astronomie lässt sich nämlich ein
Meteoriteneinschlag leicht erklären. Der Zufall ist also nur
relativ zu einem bestimmten Erklärungsbereich, und keineswegs
relativ zur Welt. Was hier exemplarisch am Geltungsbereich
zweier Wissenschaften gezeigt wurde, lässt sich m.E.
extrapolieren auf das Verhältnis von Naturwissenschaft und
Weltanschauung überhaupt. |
18
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19
| Darüber hinaus ist der Umgang des Kardinals mit der
Botschaft Papst Johannes Pauls II. an die Mitglieder der
päpstlichen Akademie der Wissenschaften vom 22. 10. 1996 sehr
problematisch. Schönborn sieht darin einen „rather vague and
unimportant […] letter“8. Dies scheint aber
unwahrscheinlich. Der Präsident der päpstlichen Akademie, Prof.
Cabibbo hat dem auch klar widersprochen: |
20
| „Ich habe sie [die Botschaft] nie so betrachtet, in der Tat
habe ich sie immer als sehr wichtig angesehen. […] Mit diesen
Worten demonstrierte der Papst ein klares Verständnis
wissenschaftlicher Methode, davon, wie eine Hypothese sich zu
einer weithin akzeptierten Tatsache wandeln kann. Diese
Ansprache bringt die Ansicht des verstorbenen Johannes Pauls
II. sehr genau zum Ausdruck.“9 |
21
| Im weiteren Verlauf des Interviews entwirft Cabibbo einen
christlichen Umgang mit der Fülle der Evolutionstheorien, der
wesentlich fruchtbarer zu sein scheint, als der, den Kardinal
Schönborn andeutet, doch dazu etwas später. |
22
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23
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24
| Auch hier gebietet es die Fairness zunächst das Anliegen zu
würdigen: Offensichtlich fühlen sich Vertreter der
Naturwissenschaften10 durch eine pointierte Äußerung eines
kirchlichen Amtsträgers sofort an Zeiten kirchlicher Verfolgung
der Freiheit der Wissenschaften, exemplifiziert in dem
berüchtigten „Fall Galilei“11, erinnert, und
meinen, dagegen die Freiheit der Wissenschaft verteidigen zu
müssen. Erschwerend kommt hinzu, dass in den USA sog.
Kreationisten, also Gläubige fundamentalistischer Provenienz,
die die biblischen Schöpfungserzählungen als
biologisch-historische Berichte ansehen, auf massive Weise
gegen den Unterricht der Evolutionstheorie an öffentlichen
Schulen vorgehen, und die Intelligent-Design-These in Verdacht
steht, den Kreationismus zu befördern. |
25
| |
26
| Allerdings ist anzumerken, dass schon der Ausformung beider
Anliegen ein Irrtum zugrunde liegt: Zum einen ist das
gesellschaftliche Gesamtklima heute dem zur Zeit des Galilei
direkt entgegengesetzt: nicht einzelne Wissenschaftler müssen
heute ihre Freiheit gegen eine Kirche verteidigen, die neben
tatsächlicher politischer Macht auch die Deutungshoheit über
Weltanschauungsfragen genießt, sondern immer mehr geschwächte
Kirchen stehen Gesellschaften gegenüber, in denen die
technisch-naturalistische Denkart Standard ist und immer mehr
zum Modell der Beantwortung aller Weltanschauungsfragen wird.
Es stellt sich daher massiv die Frage, wessen Freiheit hier
eigentlich bedroht ist. |
27
| Zum anderen ist die Gleichsetzung der
Intelligent-Design-These (ID) mit dem Kreationismus, unabhängig
davon, was man im Einzelnen von ID zu halten hat, nicht zu
rechtfertigen. Nach ihrem Selbstverständnis, das bis zum Beweis
des Gegenteils ernst zu nehmen ist, ist ID keine Spielart des
Kreationismus, da sie durchaus mit einer Entwicklung des
Universums und der Arten, wie sie die modernen
Naturwissenschaften beschreiben, rechnet. Lediglich in den
Gründen für diese Entwicklung weicht sie ab.12 |
28
| Desweiteren ist auf naturwissenschaftlicher Seite ein noch
deutlicheres Verkennen der Unterschiede von Einzelwissenschaft
und Weltanschauung anzunehmen, als es beim Kardinal schon
anzutreffen war. Wenn etwa Wick den Neo-Darwinismus verteidigt
als Hypothese, die wenn, dann nur durch empirische Befunde
widerlegt werden könne13, so verwechselt er eine
weltanschauliche These mit einer empirischen. Dies sei nun
näher ausgeführt. |
29
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30
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31
| Otto Muck hat gezielt den unterschiedlichen Erklärungstypus
von Einzelwissenschaft und Weltanschauung analysiert und
dargestellt, und dies auch auf den Fall von Evolution und
Schöpfung angewendet.14
Die wichtigsten Aspekte seien hier erinnernd genannt: |
32
| |
33
| Naturwissenschaftliche und weltanschauliche (oder
metaphysische) Erklärung unterscheiden sich in ihrer Funktion,
daher auch in Methode und Überprüfung: Eine |
34
| „naturwissenschaftliche Erklärung sucht Gründe, die
hinreichen, Aussagen über das Beobachtete abzuleiten;
metaphysische Erklärung sucht Gründe, die in dem Sinn notwendig
sind, dass ohne sie das Bestehen des Beobachteten nicht möglich
wäre. […] Bei naturwissenschaftlicher, funktionaler Erklärung
kann geprüft werden, ob die Prognosen eintreffen. Dabei ist
aber nicht ausgeschlossen, dass auch ein alternativer Satz von
Gründen gleiche Prognosen gestattet. Anders ist es bei
metaphysischer Erklärung. Hier ist zu prüfen, ob und unter
welchen Voraussetzungen die Negierung der als notwendig
angenommenen Gründe zu Widersprüchen führt.“15 |
35
| Die weltanschauliche Erklärung hat integrative Funktion, d.
h. sie will „die Vielzahl von Erkenntnis- bzw. Erfahrungsweisen
des Menschen in ihrem Zusammenhang und in ihrer Relevanz für
die persönliche (einheitliche) Lebensgestaltung“16 aufzeigen. Die Naturwissenschaft
sieht vom Aspekt der persönlichen Lebensgestaltung bewusst
ab: |
36
| „Gerade weil in [Natur-]Wissenschaft von Weltanschauung
methodisch abgesehen wird, ist [natur-]wissenschaftliche
Intersubjektivität möglich und sind für Weltanschauung
wesentliche Begriffe nicht [natur-]wissenschaftlich fassbar,
was wohl gerade auch den Begriff der Schöpfung betrifft. Der
Hinweis auf diese Unterschiede macht deutlich, dass aus dem
religiösen Glauben an Schöpfung keine Folgerungen gezogen
werden können bezüglich einer naturwissenschaftlichen Theorie
der Evolution. Ebensowenig kann aus einer
naturwissenschaftlichen Begründung einer Evolution die
Schöpfung widerlegt werden.“17 |
37
| |
38
| Hier stellt sich aber die Frage, ob das nicht ein völliges
Auseinanderfallen der beiden Erklärungsweisen bedeutet, so dass
sie nichts miteinander zu tun hätten und inkommensurabel
nebeneinander stünden. Fiele damit nicht auch die Wirklichkeit
auseinander? Ein Standpunkt, der einem christlichen
Wirklichkeitsverständnis widerspricht. Die gestellte Frage kann
aber verneint werden: Denn nicht die Wirklichkeit ist in diese
Weisen geteilt, sondern das menschliche Erkenntnisinteresse
richtet sich auf verschiedene Aspekte der einen Wirklichkeit;
anderseits garantieren die Einheit des erkennenden Subjekts und
der Wirklichkeit, dass die beiden Betrachtungsweisen nicht
inkommensurabel sind: es ist der Mensch, der beide Fragen
stellen kann; in ihm kommen sie zusammen. Und es ist die Welt,
die komplexer ist, als dass sie durch Beachtung nur einer
Fragerichtung adäquat erklärbar wäre. |
39
| Insofern die integrative Erklärung offen zu sein hat für
wesentlich mehr relevante Fragen als eine Einzelwissenschaft,
ist sie auch breiter und steht nicht neben, sondern
gewissermaßen über der einzelwissenschaftlichen Erklärung; da
sie aber nicht die Wissensgebiete der einzelnen Disziplinen
erforscht, sondern deren Verhältnis zueinander, kann sie keine
naturwissenschaftlichen Ergebnisse präjudizieren. Warum kommt
es dann aber faktisch immer wieder zu solchen problematischen
Überschneidungen? |
40
| „Im faktischen Auftreten verbinden Benützer
wissenschaftlicher Erklärungen oder philosophischer Theorien
diese oft mit weiteren Elementen, die ich „anschauliche
Erklärungen“ nennen möchte. Diese Erklärungen sind
nicht begründet durch die in den betreffenden
Bereichen anerkannten wissenschaftlichen oder religiösen
Rechtfertigungen. Sie legen sich aber oft nahe aus dem
spontanen Versuch, die betreffenden Erklärungen und ihre
Folgerungen anhand naheliegender Modelle, die evtl.
auchheuristische Funktion hatten, in der Alltagssprache zu
verdeutlichen und auf den Kontext der eigenen Weltanschauung zu
beziehen. Es kommt zu metaphorischen Sätzen, die auch
in die dem betreffenden Bereich eigene Rede zurückwirken.
Dadurch entsteht der Eindruck, die durch sie
nahegelegten Folgerungen seien aus dem betreffenden Bereich
gerechtfertigt. Es ist also anzunehmen, dass Auffassungen
meist eine solche erweiterte Interpretation
darstellen, sich aber dabei auf die Berechtigung der
eingeschränkten Interpretation berufen. Die Grenzlinie
wird oft erst durch neue Fragestellungen und Gegensätze
deutlich und ist durch Besinnung auf die Geltungsgrundlagen
aufzuweisen. Ein naheliegendes Beispiel zur Veranschaulichung
von ‚erweiterter Interpretation‘ ist die Berufung auf Evolution
zur Rechtfertigung einer naturalistischen Weltanschauung.
Spannungen zwischen Evolution und Schöpfung betreffen oft wohl
nicht die naturwissenschaftliche Theorie sondern eine
Weltanschauung, in der diese Theorie das entscheidende
Deutungsmodell ist. Ähnlich kann vermutet werden, dass der
andere Pol der Spannung nicht die Schöpfung ist, sondern dass
er in Elementen einer überholten volkstümlichen Betrachtung und
Erklärung der Natur liegt, die in eine Entfaltung des
Schöpfungsglaubens eingebunden wurden.“18 |
41
| Wenn dies so ist, stellt sich für die Theologie heute die
Aufgabe, ihren Schöpfungsglauben in modernen Metaphern und
Bildern auszudrücken, die nicht diese überholten Auffassungen
wiedergeben, sondern den echten Erkenntnissen moderner
Wissenschaft und dem daraus resultierenden Weltbild gerecht
werden. Umgekehrt wäre es Aufgabe von Naturwissenschaftlern,
die die methodischen Grenzen ihres Fachbereichs respektieren,
ihre erweiterten Modelle nicht als weltanschauliche Positionen,
sondern als heuristische oder didaktische Hilfen zu
verstehen.19 |
42
| Wenn Professor Wicks Wunsch, den „respektvollen
Abstand“20, der sich zwischen den Religionen und
den Wissenschaften entwickelt habe, nicht zu gefährden, so
gemeint sein sollte, kann dem nur zugestimmt werden. Allerdings
scheint der Verdacht nahe liegend, damit sei gemeint, die
Religionen und insbesondere Vertreter der katholischen Kirche
sollten sich zu Fragen der Vereinbarkeit von weltanschaulichen
Extrapolationen aus naturwissenschaftlichen Theorien mit dem
christlichen Glauben erst gar nicht äußern. Damit wird aber
unter der Hand aus der in den Naturwissenschaften zurecht
bestehenden methodischen Abstraktion von weltanschaulichen
Fragen ein Verbot, solche Fragen überhaupt zu stellen – und das
ist selbst bereits eine weltanschauliche Position, die nicht
naturwissenschaftlich begründet werden kann. Damit wird in der
Tat ein Gedankengebäude, das als naturwissenschaftliche Theorie
begann, zur Ideologie, wie Kardinal Schönborn befürchtet.
Manche Naturalisten sagen dies auch ganz klar: |
43
| „Es ist nicht so, dass die Methoden und Institutionen der
Wissenschaft uns irgendwie dazu zwingen würden, eine materielle
Erklärung der phänomenalen Welt anzunehmen, sondern – im
Gegenteil – so, dass wir durch unser a priori
Festhalten an materiellen Ursachen gezwungen sind, einen
Untersuchungsapparat und ein Begriffssystem zu entwerfen, die
materielle Erklärungen hervorbringen, egal wie sehr diese
unserer Intuition entgegengesetzt, wie verblüffend sie für
Uneingeweihte sein mögen. Außerdem ist dieser Materialismus
absolut, denn wir können keinen göttlichen Fuß in der Tür
zulassen.“21 |
44
| Auf diesem Hintergrund darf durchaus gefragt werden, ob denn
Kardinal Schönborn eine „Attacke auf die Wissenschaft“ geritten
ist oder ob er – wenn auch teilweise in unglücklicher
Formulierung – darauf hingewiesen hat, dass manche
Naturwissenschaftler im Gewande der Wissenschaft
weltanschauliche Attacken reiten, die durch ihre Wissenschaft
mitnichten begründet sind. |
45
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46
| Interessant ist dabei, dass sowohl Schönborn als auch Wick
dem Gegenstandpunkt Unwissenschaftlichkeit und Ideologie
vorwerfen. Was ist davon zu halten? Insofern der Kardinal einen
methodisch nicht gerechtfertigten Ausflug von
Naturwissenschaftlern in das Geschäft der Weltanschauung
zurückweist und insofern der FWF-Präsident eine Einmischung der
Kirche in die Naturwissenschaft ablehnt, haben beide Recht:
jede diese Verhaltensweisen wäre unwissenschaftlich; da jede
einen anderen Bereich ihrem eigenen Gesichtspunkt unterzuordnen
suchte und keine relevanten Fragen aus dem anderen Bereich
zuzulassen bereit wäre, könnte man das auch Ideologie
nennen. |
47
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48
| Doch ist das der Kern der Auseinandersetzung? Wir denken
nicht, denn dieser liegt tiefer. Seit Kant sind wir mehr und
mehr geneigt, Wissenschaft mit Naturwissenschaft zu
identifizieren; Weltanschauungs- und schon gar theologischen
Fragen wird kein wissenschaftlicher Status mehr zuerkannt; die
Humanwissenschaften geraten in eine seltsame Zwischenstellung:
sie scheinen weniger ideologieverdächtig als die Theologie,
aber doch nicht wirklich hard science. Daher scheint
es, dass der Konflikt um die weltanschaulichen Deutung von
biologischer Evolution nur ein Kristallisationspunkt für den
viel tieferen Konflikt um die Deutungshoheit in
Weltanschauungsfragen ist: wird die Naturwissenschaft zum
einzigen Modell der Wissenschaftlichkeit oder erkennen wir an,
dass Weltanschauungsfragen auch anderer Methoden und Zugänge
bedürfen, als sie die Naturwissenschaft bereitstellt? Bleiben
wir bei der Einteilung der Wissenschaft in viele Zweige mit
einer Vielfalt von Methoden und Paradigmen oder reduzieren wir
Wissenschaftlichkeit auf ein einziges Modell? |
49
| Über die methodisch-wissenschaftstheoretische Begründbarkeit
von Weltanschauungsfragen im Allgemeinen und Theologie im
Besonderen wurde schon viel geschrieben, das hier nicht
wiedergegeben werden kann.22 Es scheint im Bewusstsein der
Gesellschaft keinen Anklang zu finden, weil die Erfolge der
naturwissenschaftlich-technischen Disziplinen im Alltag spürbar
sind (Wick nimmt darauf sogar ausdrücklich Bezug). Eine
weltanschaulich orientierte Philosophie und die Theologie
scheinen keine solchen Verbesserungen für das Zusammenleben der
Menschen vorzuweisen zu haben, ja oft sogar im Gegenteil. Dies
könnte sich aber als Irrtum herausstellen. Gewichtige Gründe
lassen annehmen, dass bestimmte weltanschauliche Positionen
(die in ihrem Kern den christlichen entsprechen) bisher so in
das Grundgefüge des westlichen Denkens eingemeißelt waren, dass
sie einerseits als selbstverständlich wahrgenommen werden und
daher nicht als Erfolge der weltanschaulichen Reflexion
aufscheinen, dass sie andererseits aber zur (relativen)
Stabilität und (ebenfalls relativ) friedlichen Ordnung dieser
Gesellschaften wesentlich beitrugen. Wird die weltanschauliche
Reflexion aber aus dem gesellschaftlich relevanten Diskurs
verbannt oder nur monokausal auf ein Modell reduziert, so steht
zu befürchten, dass der gemeißelte Stein zerbröckelt und die
Basis der Gesellschaft letztlich ausgehöhlt wird. |
50
| Dazu gehören etwa Fragen nach dem Wert menschlichen Lebens
und den zulässigen Grenzen von dessen Manipulierbarkeit, sowie
nach den Regeln des menschlichen Zusammenlebens. Ist der Mensch
nicht nur innerhalb der Grenzen der biologie ein
Zufallsprodukt, sondern auf einer weltanschaulichen Ebene,
rücken beliebige Manipulationen am Erbgut oder eine
sozial-darwinistische Gesellschaftsordnung in den Bereich des
Erlaubten, ja u. U. sogar des Gebotenen. Wird aber auf
weltanschaulicher Ebene festgehalten, dass der Mensch,
unbeschadet der Zufälligkeit innerhalb der methodischen Grenzen
der biologie, Ziel einer Schöpfung – nicht Mittel zum Zweck,
sondern Zweck an sich – ist, so müssen sich Manipulationen an
diesem Menschen und eine gerechte Ordnung des Zusammenlebens
dieser Menschen an diesem Ziel messen lassen.23 |
51
| Die Akzeptanz solcher Fragen als wissenschaftlicher (in
einem weiteren Sinn, als es die Naturwissenschaften sind)
fordert die Forscher in Weltanschauungsfragen heraus, sich und
ihre Methoden befragen zu lassen und erhöht so die Qualität der
Reflexion. Eine Verbannung dieser Fragen aus dem
wissenschaftlichen Diskurs könnte zur Minderung der Qualität
der Reflexion und damit auch zu einer weiteren Schwächung der
gesellschaftlichen Fundamente führen. Es ist deshalb auf lange
Sicht unabdingbar, dass Weltanschauungsfragen an
gesellschaftlich relevantem Ort, am besten an Universitäten,
mit der ihnen gebührenden methodischen Weite geführt werden.
Das beinhaltet die Anerkennung der jeweils einem Fachgebiet
zukommenden methodischen Eigenart. |
52
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53
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54
| Kommen wir nun aber noch einmal zurück zu der von Kardinal
Schönborn angedeuteten Präferenz für die
Intelligent-Design-These (ID).24 Diese scheint kaum geeignet, eine christliche
Schöpfungslehre mit dem modernen evolutiven Weltbild in
positive Resonanz zu bringen, und zwar v. a. auch aus
theologischen Gründen.25 Der Hauptgrund ist, dass diese These den radikalen
Unterschied, der nach christlicher Lehre zwischen einem
intelligenten innerweltlichem Agenten und dem Wirken Gottes in
der Welt besteht, vernachlässigt. |
55
| ID schlägt vor, neben die in der Evolutionstheorie als
Ursachen anerkannten Faktoren Zufall und Naturkausalität noch
als dritten Faktor Design zu stellen. An bestimmten komplexen
Gebilden lasse sich ablesen, dass sie nicht durch Zufall und
Naturkausalität allein zustande kommen konnten (hierfür werden
Probabilitätsargumente herangezogen), und deshalb müsse auf ein
Design geschlossen werden. Dies müsse insbesondere für den
Prozess der Evolution angenommen werden. |
56
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57
| Diese Argumentation ist unter mehrfacher Rücksicht
problematisch: Philosophisch ist die Anerkennung des Zufalls
als wissenschaftliche Erklärung überhaupt in Frage zu stellen.
Dies gilt freilich nicht nur für Intelligent Design, sondern
ebenso für die Evolutionstheorie. Es scheint doch eher so zu
sein, dass „Zufall“ entweder eine Gruppe von Ursachen
bezeichnet, die für die jeweilige Disziplin nicht erfassbar
sind (wie bei unserem Beispiel mit den Dinosauriern), für eine
bestimmte Fragestellung einstweilen als nicht wichtig
ausgeklammert werden oder aber prinzipiell menschlichem
Erkennen entzogen sind (wie anscheinend in der Quantenphysik).
In all diesen Fällen ist aber Zufall nicht wirklich eine
Erklärung, sondern ein anderes Wort dafür, dass man (noch)
keine Erklärung hat. |
58
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59
| Theologisch muss die additive Hinzuzfügung des Designs durch
Gott zu den innerweltlichen Ursachen Zufall und Kausalität
kritisiert werden. Damit wird Gott zu einer innerweltlichen
Ursache neben anderen. Dies entspricht nicht der christlichen
Schöpfungsvorstellung, wonach Gott als Erstursache die
Zweitursachen hervorbringt und deren Eigenwirken sowie den
Fortgang des Prozesses ermöglicht. |
60
| |
61
| Methodisch ist die Technik, bestimmte komplexe Gebilde als
designed zu entdecken, fragwürdig. Sie ist zunächst gewonnen
aus der Fragestellung, ob etwas durch die Natur hervorgebracht
oder durch absichtliches menschliches Handeln herbeigeführt
wurde. Hier lässt sich in der Tat mit
Wahrscheinlichkeitsargumenten arbeiten. Überträgt man dies aber
auf die Frage der Entstehung der Welt, so hieße ja die
Alternative, ob etwas nur durch Naturgesetzte ohne Mitwirkung
Gottes oder manchmal auch unter Mitwirkung Gottes zustande
gekommen sei. Eine christliche Schöpfungslehre geht aber von
der Mitwirkung Gottes bei jedwedem Naturvorgang aus, man kann
nicht solche, die „rein natürlich“ vor sich gehen, von anderen,
die sozusagen in einer Mischung aus Natur und Wirken Gottes
geschehen, unterscheiden (damit ist über ein eindeutig
übernatürliches Eingreifen noch nichts gesagt). |
62
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63
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64
| Die letzten beiden Probleme ziehen insbesondere eine
Vorstellung der göttlichen Wirksamkeit in der Welt nach sich,
die auf eine naive Phyiskotheologie hinausläuft, wie die
Beispiele vom Uhrmacher deutlich belegen. Demgegenüber ist
festzuhalten: Bereits die biblische Schöpfungserzählung legt
einen Selbstaufbau der Welt nahe26, der einem
evolutiven Verständnis näher steht als einem kreationistischen
oder einem Designer-Modell. Daher ist ein Schöpfungsmodell zu
bevorzugen, das mit dem Selbstaufbau der Welt unter der
Einwirkung Gottes rechnet.27 Ein solches Modell versteht „die Schöpfung nicht
nach dem Bild eines Uhrenmachers, sondern als Wirkung eines
wahren Schöpfers, der unter dauernder Einwirkung seinem
Gegenüber die Fähigkeit zu eigenem Sein, eigenem Wirken und
eigenem Selbstaufbau schenkt“28. Allerdings
müsste eine ET, die mit diesem Verständnis kompatibel wäre, den
Gedanken einer Zielgerichtetheit im Evolutionsgeschehen
zulassen. Bringt uns das nicht wieder zurück zu Intelligent
Design? |
65
| |
66
| Nicht zwangsläufig, denn ID setzt ein klar erkennbares
Design voraus, von dem man eindeutig auf einen Designer
zurückschließen könne. R. Schwager schließt dies durch einen
interessanten Vergleich aus: Im dramatischen Fortgang der
Offenbarungsgeschichte vom AT zum NT gebe es |
67
| „zwar eine eindeutige Zielrichtung auf Christus hin; dennoch
gibt es in ihr keine geradlinige und mechanische Entwicklung.
Gott führt die Geschichte vielmehr mittels geschöpflicher
Faktoren und menschlicher Freiheit, d. h. durch scheinbar
zufällige Ereignisse, ja durch Brüche und Katastrophen (z. B.
Zerstörung Jerusalems, Vernichtung des Tempels, Verschleppung
der Bevölkerung). Der Weg zum Ziel kann deshalb ganz
unvorhergesehene und überraschende Wendungen einschließen. […
Der Zufall], von dem die Naturwissenschaften […] sprechen,
spielt – innerweltlich gesehen – auch in der
Offenbarungsgeschichte eine große Rolle, und er steht nicht im
Gegensatz zur theologisch behaupteten Zielrichtung. […] Eine
heilstheologische Sicht der Wirklichkeit mit ihren Brüchen
steht sogar in einer gewissen Entsprechung zur modernsten Form
der Evolutionslehre, die im wachsenden Maß die Rolle von
Brüchen und Katastrophen betont.“29 |
68
| Eine so angenommene – nur retrospektiv erkennbare –
Zielrichtung erlaubt keine Rückschlüsse, solange das Ziel nicht
erreicht ist, und auch dann sind sie nicht völlig eindeutig,
sondern enthalten ein Moment der Interpretation. Darüber hinaus
postuliert sie nicht zusätzlich zum innerweltlichen Zufall und
der innerweltlichen Naturkausalität ein Wirken Gottes, sondern
verortet dieses in diesen und im freien menschlichen Handeln
(soweit dieses schon vorhanden ist). Hier wird also Gott in
seiner Transzendenz als echte Erstursache ernst genommen und
nicht zur heimlichen Zweitursache; gleichzeitig liegt aber kein
Deismus vor, nach dem Gott nur die Ausgangsbedingungen
voreingestellt hätte und dann alles automatisch abliefe,
sondern der Prozess selbst ist durch sein Wirken getragen, wie
es der christlichen Schöpfungslehre entspricht. |
69
| |
70
| Nähern wir uns dem Gedanken der Zielgerichtetheit noch
einmal von anderer Seite: Gerade die biologie erkennt an, dass
es in der belebten Natur Zweckmäßigkeiten gibt: Eigenschaften
von Lebewesen, die einem bestimmten Ziel dienen, so als ob es
jemand absichtlich designed hätte. Die Theorie Darwins
behauptet aber nun, dass eine solche Zweckmäßigkeit auch
erreicht wird durch Mutation und Selektion, so dass auf einen
Designer verzichtet werden kann.30 Deshalb spricht man in der biologie lieber von
Teleonomie als von Teleologie und parallelisiert dieses
Begriffspaar sogar manchmal polemisch mit dem Paar Astronomie –
Astrologie.31 Das
Konzept der Teleonomie erkennt das Vorliegen von Zweckmäßigkeit
in der Natur an, lehnt es aber ab daraus Folgerungen über einen
Zwecksetzer zu ziehen. Innerhalb der methodischen Grenzen der
Naturwissenschaft ist dies durchaus konsequent und legitim. |
71
| Das weltanschauliche Problem verlagert man damit aber nur
auf eine zweite Ebene: Wenn eine bestimmte Gestalt zweckmäßig
ist, eine andere dagegen weniger, so gibt es offensichtlich
Kriterien dafür, wann etwas „funktioniert“. Die
Naturwissenschaften können nur beschreibend feststellen, welche
Gesetzmäßigkeiten herrschen und diese in ihren Gesetzen zum
Ausdruck bringen. Es liegt aber jenseits ihres Horizonts, zu
begründen, warum eine Gesetzmäßigkeit gerade so und nicht
anders ist. Innerhalb der Naturwissenschaften ist eine
herrschende Naturgesetzlichkeit immer notwendig. Philosophisch
betrachtet ist sie das aber nicht. Sie könnte auch anders sein,
sie ist metaphysisch kontingent. Die „den Elementen
innewohnende Gesetzlichkeit“32 selbst ist durchaus erklärungsbedürftig, da
kontingent. Erkennt man also eine Teleonomie in der Natur an,
mag man als Naturwissenschaftler dabei stehen bleiben, verlässt
man aber den naturwissenschaftlichen Deutungsrahmen, muss man
sich entscheiden, ob man sich zu einer Teleologie durchringt
oder aber faktisch einen absoluten Zufall, eine Wirkung ohne
Ursache – in den Worten Johannes Pauls II. – annimmt. Das
Problem verschiebt sich also von der Frage, warum ein Lebewesen
zweckmäßig ausgestattet sei, zu der Frage höherer Ordnung,
warum gerade diese Ausstattung zweckmäßiger sei als eine
andere. Auf die erste Frage vermag eine Teleonomie alleine
evtl. zu antworten, die zweite Frage aber kann sie nicht einmal
stellen. |
72
| Während also Kardinal Schönborns Anliegen, einen
weltanschaulichen Neodarwinismus zurückzuweisen, nur zu
unterstützen ist, kann die Berufung auf ID zu diesem Zwecke
nicht als sehr hilfreich angesehen werden, da es bereits
theologische Modelle gibt, die in ihrem Ernstnehmen der
Ergebnisse der Naturwissenschaft und in ihrer Treue
zur christlichen Schöpfungslehre weiter gediehen sind, die aber
natürlich weiterer Diskussion und Vertiefung bedürfen. Hierzu
kann u.U. auch die Diskussion mit ID nützlich sein. |
73
| |
74
| Allen, John L.: Interview with Professor Nicola Cabibbo. In:
National Catholic Reporter. July 18, 2005; seit 21. 7. 2005
online: http://ncronline.org/mainpage/specialdocuments/cabibbo.htm |
75
| Behe , Michael J.: Darwin’s Black Box: The Biochemical
Challenge to Evolution. – New York: The Free Press 1996. |
76
| Bröker, Werner: Teleologie und Teleonomie. In: Scheffczyk,
L: / Weingartner, P. (Hg.): Evolution. Probleme und neue
Aspekte ihrer Theorie (Grenzfragen 18). – Freiburg /München:
Alber 1991, 97-121. |
77
| Dawkins, Richard: The Blind Watchmaker: Why the Evidence of
Evolution Reveals a Universe without Design. – New York:
Longman 1996. |
78
| Dembski, William A.: Intelligent Design: The Bridge between
Science and Religion. – Downers Grove, Ill.: Intervarsity
Press, 1999. |
79
| Erbrich, Paul: Wie weit trägt Darwins Mechanismus von Zufall
und Selektion? In: Weingartner, P. (Hg.): Evolution als
Schöpfung? Ein Streitgespräch zwischen Philosophen, Theologen
und Naturwissenschaftlern. – Stuttgart: Kohlhammer 2001,
187-212. |
80
| Erwin, Douglas: The Mother of Mass Extinctions. In:
Scientific American Vol. 275 (1996) Nr. 1 (July), 56-62. |
81
| Feyerabend, Paul: Against Method. – London: Verso
31993. |
82
| Feyerabend, Paul: Three Interviews with Paul Feyerabend. In:
Telos 102 (Winter 1995), 115-148. |
83
| Harris, William S. / Calvert, John H.: Intelligent Design:
The Scientific Alternative to Evolution. In: The National
Catholic Bioethics Quarterly, Autumn 2003 ebenso:
http://www.intelligentdesignnetwork.org/NCBQ3_3HarrisCalvert.pdf |
84
| Johannes Paul II.: Ansprache an die Päpstliche Akademie der
Wissenschaften am 31. Oktober 1992 (online:
http://www.vatican.va/ holy_father/john_paul_ii/speeches/
>
1992/october/documents/hf_jp-ii_spe_19921031_accademia-scienze_ge.html |
85
| Lewontin, Richard: Billions and Billions of Demons. In: The
New York Review of Books 44/1, January 9, 1997. |
86
| Löffler, Winfried: Art. Zufall. I. Philosophisch. In:
Lexikon für Theologie und Kirche. 10. Band. Freiburg: Herder
32001, 1494f. |
87
| Muck, Otto: Philosophische Gotteslehre (Leitfaden Theologie
7). Düsseldorf: Patmos 21990. |
88
| Muck, Otto: Rationalität und Weltanschauung. Philosophische
Untersuchungen (Hg. W. Löffler). Innsbruck – Wien: Tyrolia,
1999. |
89
| Muck, Otto: Evolutionäre Erkenntnistheorie – Welt /
Weltbild. In: Wickler, W. / Salwiczek, L. (Hg.): Wie wir die
Welt erkennen. Erkenntnisweisen im interdisziplinären Diskurs.
Freiburg: Alber 2001, 243-272. |
90
| Muck, Otto: Zwei Weisen der Erklärung? In: Weingartner, P.
(Hg.): Evolution als Schöpfung? Ein Streitgespräch zwischen
Philosophen, Theologen und Naturwissenschaftlern. – Stuttgart:
Kohlhammer 2001, 1-19. |
91
| Muck, Otto: Mühe und Chancen eines Dialogs –
interpretationstheoretische Bemerkungen. In: Bader, E. (Hg.):
Die Macht des Geistes (FS Norbert Leser) Frankfurt a.M.: Lang,
2003, 42-56. |
92
| Muck, Otto: Reflexionen zum praktischen Hintergrund von
Metaphysik. In: Bormann, F.-J. / Schröer, C. (Hg.): Abwägende
Vernunft (FS Friedo Ricken). Berlin: de Gruyter, 2004,
259-276. |
93
| Pannenberg, Wolfhart: Wissenschaftstheorie und Theologie.
Frankfurt/M: Suhrkamp, 11973. |
94
| Rahner, Karl: Die Christologie innerhalb einer evolutiven
Weltanschauung. In: Ders., Schriften zur Theologie 5. Neuere
Schriften. Zürich-Einsiedeln-Köln: Herder 31968, 183-221. |
95
| Schwager, Raymund / Niewiadomski, Józef: Dramatische
Theologie als Forschungsprogramm. In: Schwager, R. /
Niewiadomski, J. (Hg.): Religion erzeugt Gewalt – Einspruch!
Innsbrucker Forschungsprojekt ‚Religion – Gewalt –
Kommunikation – Weltordnung‘ (BMT 15). Münster: LIT 2003, 40-77
oder http://info.uibk.ac.at/c/c2/theol/itl/9.html. |
96
| Schwager, Raymund: Erbsünde und Heilsdrama. Im Kontext von
Evolution, Gentechnologie und Apokalyptik (Beiträge zur
mimetischen Theorie 4). Münster: LIT 22004. |
97
| Schwager, Raymund: Rückblick auf das Symposium. In:
Haszprunar, G. / Schwager, R.: Evolution. Eine Kontroverse
(Interdisziplinäre Forschungen 2). Thaur: Kulturverlag 1994,
161-174. |
98
| Schwager, Raymund: Schöpfung und Opfer. Roberto Calasso und
René Girard. In: Dieckmann, Bernhard (Hg.): Das Opfer –
aktuelle Kontroversen. Religions-politischer Diskurs im Kontext
der mimetischen Theorie. Deutsch-Italienische Fachtagung der
Guardini Stiftung in der Villa Vigoni 18.-22. Oktober 1999 (BMT
12). Münster: LIT 2001, 19-35. |
99
| Young, Matt / Edis, Taner (eds.): Why Intelligent Design
Fails. A Scientific Critique of the New Creationism. New
Brunswick, N.J.: Rutgers Univ. Press 2004. |
100
| |
101
| 1
http://www.nytimes.com/2005/07/07/opinion/07schonborn.html?ex=112606
5600&en=fdd52815cf342c92&ei=5070 |
102
| 2
„an unguided, unplanned process of random variation and natural
selection“ |
103
| 3
„Note that in this quotation the word ‘finality’ is a
philosophical term synonymous with final cause, purpose or
design.“ |
104
| 4
Vgl. Harris , / Calvert : Intelligent Design (2003), 531-561,
hier 542f.; Behe : Black Box (1996). Dembski : Intelligent
Design (1999). |
105
| 5
Vgl.: Dawkins : Watchmaker (1996). |
106
| 6
Vgl.: Löffler , W.: Zufall. In: LThK3 10, 1494f. |
107
| 7
Vgl.: Erwin : Extinctions (1996), 56-62. |
108
| 8
Siehe die Angabe bei Anm. 1. |
109
| 9
„I\'ve never considered it that way, in fact I have always
considered it very important. […] With these words the Pope
demonstrated a clear understanding of the scientific method, on
how an hypothesis can be transformed into a widely accepted
fact. This allocution is in fact a very articulated expression
of the thought of the late John Paul II.“ Allen : Cabibbo
(2005), online:
http://ncronline.org/mainpage/specialdocuments/cabibbo.htm
Deutsch vom Redakteur der Autorengruppe. |
110
| 10 Als Beispiel sei Georg Wick, Professor an der
medizinischen Universität Innsbruck und von 2003 bis 2005
Präsident des FWF, erwähnt: http://www.fwf.ac.at/de/press/
streitfall_evolution.html |
111
| 11 Dass auch dieser Fall differenzierter zu sehen
ist, als in der öffentlichen Meinung angenommen wird, ist zu
ersehen 1) kirchlicherseits aus der Ansprache von Papst
Johannes Paul II. an die Päpstliche Akademie der Wissenschaften
am 31. Oktober 1992 (online:
http://www.vatican.va /holy_father/john_paul_ii/speeches/
1992/october/documents/hf_jp-ii_spe_19921031_accademia-scienze_ge.html);
2) wissenschaftstheoretisch bei: Feyer a bend , Against Method
(31993), 125-134. |
112
| 12 „Creation science [= creationism] seeks to
validate a literal interpretation of creation as contained in
the book of Genesis in the Bible. […] Intelligent Design is not
creation science. ID is simply an hypothesis about the direct
cause of certain past events based on an observation and
analysis of data. ID does not arise from any religious text,
nor does it seek to validate any scriptural account of origins.
An ID proponent recognizes that ID theory may be disproved by
new evidence. ID is like a large tent under which many
religious and nonreligious origins theories may find a home. ID
proposes nothing more than that life and its diversity were the
product of an intelligence with power to manipulate matter and
energy. […] ID simply does not address the specifics of
creation—the why and who—not because ID theorists are
protecting a hidden agenda but because the data do not compel
firm answers to those questions. ID addresses one question
only: is life the product of a guided or an unguided process?“
( Harris / Calvert : Intelligent Design (2003), 531-561, hier
539f. |
113
| 13 Vgl.: http://www.fwf.ac.at/de/press/
streitfall_evolution.html |
114
| 14 Vgl.: Muck : Zwei Weisen? (2001), 1-19. |
115
| 15 Ebd., 1f. |
116
| 16 Ebd., 5. |
117
| 17 Ebd., 3f. Die Ergänzungen in [] sind vom
Kontext der Aussage innerhalb des Artikels her berechtig, ja
sogar gefordert, wenn man das Zitat aus diesem Kontext
nimmt. |
118
| 18 Ebd., 8f. |
119
| 19 Dies entspricht weitgehend des Ausführungen des
Präsidenten der päpstliche Akademie der Wissenschaften. Vgl.
oben bei Anm. 9. |
120
| 20 http://www.fwf.ac.at/de/press/
streitfall_evolution.html |
121
| 21 „It is not that the methods and institutions of
science somehow compel us to accept a material explanation of
the phenomenal world, but, on the contrary, that we are forced
by our a priori adherence to material causes to create
an apparatus of investigation and a set of concepts that
produce material explanations, no matter how counterintuitive,
no matter how mystifying to the uninitiated. Moreover, that
materialism is absolute, for we cannot allow a Divine Foot in
the door.“ Lewontin : Demons (1997), 31. Deutsch vom Redakteur
der Autorengruppe. |
122
| 22 Vgl.: Muck : Weltanschauung (1999), v. a. 3-13,
63-80, 101-105, 106-151, 167-176, 263-276, 277-288. Ders.:
Reflexionen (2004), 259-276, bes. 261-266. Ders.: Chancen
(2003), 42-56. Ders.: Evolutionäre Erkenntnistheorie (2001),
243-272, bes. 258-268. Pannenberg : Wissenschaftstheorie
(11973). Schwager , R. / Niewiadomski , J.: Forschungsprogramm
(2003), 40 - 77 oder http://info.uibk.ac.at/c/c2/theol/itl/9.html. |
123
| 23 Feyerabend nennt die Suche nach einer guten
Gesellschaftsordnung ein großes Forschungsprogramm („large
research program“), im Gegensatz zu einem kleinen
Forschungsprogramm, wie es Einzelwissenschaften verfolgen. Wenn
es zu Widersprüchen zwischen beiden komme, müsse sich das
kleinere dem größeren Programm anpassen. Vgl.: Feyerabend :
Interviews (1995), 115-148, v. a. 126. |
124
| 24 Für eine Anfangsinformation vgl. die Angaben
bei Anm. 4. |
125
| 25 Für naturwissenschaftliche Gegenargumente vgl.:
Young , / Edis (eds.): Why Intelligent Design Fails.
(2004). |
126
| 26 „Das Land bringe alle Arten von lebendigen
Wesen hervor“ (Gen 1,24). |
127
| 27 Vgl. Rahner , K.: Christologie evolutiv
(31968), 183-221, hier 190-195. |
128
| 28 Schwager : Erbsünde (22004), 141. |
129
| 29 Schwager : Schöpfung (2001), 31f. Vgl.
ausführlicher Ders. , R.: Rückblick (1994), v. a. 167-174. |
130
| 30 Vgl. kritisch dazu: Erbrich : Zufall und
Selektion (2001), 187-212. |
131
| 31 Vgl. Bröker : Teleologie und Teleonomie (1991),
97 - 121. |
132
| 32 Muck , O.: Philosophische Gotteslehre (21990),
172. |