- Leseraum
| Zum Tod vom Papst Johannes Paul II.Autor: | Niewiadomski Jozef |
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Veröffentlichung: | |
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Kategorie | kommentar |
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Abstrakt: | |
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Publiziert in: | # Originalbeitrag für den Leseraum |
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Datum: | 2005-04-04 |
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InhaltsverzeichnisInhalt1
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Es war ein Pontifikat, das alle Rahmen sprengte. Und doch gibt es einen Fokus, der alles zu bündeln scheint. Dass der Sohn Gottes sich in seiner Menschwerdung mit jedem Menschen vereinigt hat, das ist dem Papst Johannes Paul II. geradezu eine Kurzformel seines Glaubens geworden. Dieses Bekenntnis - entnommen aus der Konzilskonstitution Gaudium et spes - strukturierte sein Handeln und sein Leiden. Als Kardinal von Krakow hat er am Konzil teilgenommen und sich v.a. für das Zustandekommen dieses Dokumentes, genauso wie des Dekrets über die Religionsfreiheit eingesetzt. Die revolutionärsten kirchlichen Dokumente des 20. Jahrhunderts sind Glaubenstexte. Man muss sie nur lesen vom Menschenbild, das ihnen zugrunde liegt Demnach ist jeder Mensch in seinem tiefsten Wesen Person - also ein Beziehungswesen -, und dies nur deswegen weil Gott selber auf vielfältige Weise diese Beziehung stiftet und sie auch selber erhält. Als Person hat er unveräußerlichte Rechte: v.a. das Recht auf Leben. Menschenwürdiges Leben! Person, Wahrheit und Freiheit bilden in diesem Glauben keine Gegensätze. Sie sind ständig aufeinander zu beziehen. Nur weil der Mensch Gott gehört, nicht aber, weil er ein autonomes Subjekt ist, bleibt er auch gewappnet gegen den Missbrauch. Durch die Diktatoren und durch die Moden des Marktes. Durch die Kirche. Nicht zuletzt durch sich selber! Denn auch vor sich selber muss der Mensch geschützt werden. Diese Botschaft ist unter den gerade erwachsen gewordenen Katholiken unserer Breitegrade auf größtes Unverständnis gestoßen. Wir träumen ja immer noch den Traum der "68er" von einer neuen, tragfähigen solidarischen Lebenskultur und übersehen gerne, dass der Traum nach und nach die Konturen eines gewaltsamen Albtraums annimmt. Die explosive Befreiung aus den Bindungen und Entfesselung aller nur denkbaren Begierden geht ja keineswegs Hand in Hand mit der Geburtsstunde des autonomen Subjekts. Was da geboren wird, ist höchsten ein Konsumwesen. Egoistisch und gewalttätig.
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Als Kardinal von Krakow sah Wojtyla im christlichen Personalismus den besten Schutz gegen die totalitäre Ideologie der Kommunisten, die den Menschen zum Subjekt der Arbeit und des Staates reduzieren wollte. Als neu gewählter Papst rief er dieselbe Botschaft der ganzen Welt zu, schon mit ersten Pilgerreise nach Polen demonstriert er der Welt deren politische Kraft. Nach dem Sturz des Kommunismus wandte er sich mit derselben Vehemenz gegen eine “Kultur des Todes”, wie sie sich in der Form eines grenzenlos entfesselten Kapitalismus über die Welt ausbreitet und die Menschen zu isolierten Konsumwesen verwandelt. Jene Katholiken, die den Traum des bürgerlichen Individuum als den Inbegriff der Katholizität zu retten suchen, stolperten über ihm, selbst dann wenn sie ihm zujubelten. Und sie stolperten über seine Soziallehre, die sie in der Allianz mit der medialen Öffentlichkeit partout nicht zur Kenntnis nehmen wollten, sich deswegen auch lieber mit den “Sakristeifragen” beschäftigten.
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Sein Personalismus inspirierte ihn aber, alle Grenzen, die die Menschen voneinander trennen sukzessiv zu übersteigen. Nicht um die Grenzen einzuebnen, wie dies der Liberalismus tut. Nein! Weil jede Grenze für ihn eine Herausforderung darstellte, sich der Frage nach der Größe des Geheimnisses der Menschwerdung Christi zu stellen. So sah er in den Gläubigen anderer Konfessionen und anderer Religionen, ja in den Atheisten zuerst Personen, genauso wie er dieselbe personale Würde jedem Kind und Jugendlichen, dem alten und gebrechlichen Menschen, der frommen Nonne und dem Rechtsbrecher zu bezeugen suchte. Sein Personalismus inspirierte die atemberaubenden Schritte dieses Pontifikats: den Schritt in die jüdische Synagoge und in die Moschee, das Gebet in Yad Vashem und das Schuldbekenntnis der Kirche im heiligen Jahr. Aber auch seine kompromißlose Sprache dem ökonomistischen Liberalismus gegenüber. Sein Personalismus machte aus ihm jenen katholischen Papst, der Jahrzehntelang eine der wichtigsten Ikonen unserer medialen Welt war.
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Denn auch die Darstellung seines Amtes in der Öffentlichkeit lässt sich von seinem Glauben nicht loskoppeln. Weil er im Glauben überzeugt war, dass Christus sich mit ihm selber nicht nur durch Taufe und Firmung, nicht nur durch die Priester- und Bischofsweihe, sondern auch durch die Wahl zum Papst auf je neue Art und Weise verbunden hat, konnte er diese Rollen, die ihm zugefallen sind zum Teil seiner Person werden lassen. Und er trug dieses Geheimnis seiner Person zur Schau. So erregte er Ärgernis, oder provozierte Begeisterung bei all jenen, die in ihm nur ein “außergewöhnliches Individuum” sehen wollten. Immer und immer wieder überraschte er aber, weil er diesen Trugschluss entlarvte. Er war kein Individuum, sondern eine “durchlässige” Persönlichkeit. An seinem Leben wollte er nur Aspekte jenes Geheimnisses zeigen, das er selber geglaubt hat. Seine Lebensbegeisterung, seine scharfe Kritik schlussendlich sein Leiden sollten nur auf den hinweisen, der sich mit ihm verbunden hat. Der liberale Zeitgenosse regte sich zwar immer wieder darüber auf und sprach von Anmaßung. Immer und immer wieder mußten wir aber feststellen, dass der Papst in seinem Glauben doch “den längeren Atem” hatte. Möge sein Leben im auferweckten Herrn vollendet werden.
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