Obwohl das Videospiel Outer Wilds erst 2019 erschienen ist, gilt es schon heute als moderner Klassiker und Meilenstein in der Entwicklung digitaler Spielekultur. Im Zentrum des Spiels steht ein faszinierender 22-minütiger Zeitschleifen-Mechanismus: Die Spieler:innen übernehmen die Rolle einer Raumfahrerin, die ein fremdes Sonnensystem erkundet, um durch archäologisch anmutende Spurensuche die Geschichte einer untergegangenen Zivilisation zu entschlüsseln. Dabei steht es den Spielenden völlig frei, wohin sie sich innerhalb des Zeitfensters begeben und welchen Hinweisen sie folgen möchten – ein Ansatz, der Freiheit und Forscher:innengeist auf eindrucksvolle Weise vereint.
Diese besondere Mischung aus spielerischer Offenheit, narrativer Tiefe und medienreflexivem Potenzial nahm die Forschungsgruppe Game Studies zum Anlass, Outer Wilds im Rahmen ihrer Veranstaltungsreihe Licht-Spiel-Haus nicht nur vorzuführen, sondern auch unter Moderation von Felix Tenhaef vom Institut für Kunstgeschichte gemeinsam mit Expert:innen und Publikum kritisch zu beleuchten und zu diskutieren.
Outer Wilds aus wissenschaftlicher Perspektive
Tobias Unterhuber vom Institut für Germanistik stellte in seinem Beitrag besonders den zentralen Kniff des Spiels – die Zeitschleife – in den Fokus. Diese ermögliche nicht nur eine besondere Form der Progression, sondern eröffne zugleich eine Reflexion über die Natur des Spielens selbst. Bereits Johan Huizinga hatte das Wiederholen als ein grundlegendes Prinzip des Spiels beschrieben – Outer Wilds greife diesen Gedanken auf und transformiere ihn zu einer medienreflexiven Struktur, die über sich selbst hinausweise. Gerade diese Fähigkeit zur Selbstreflexion mache das Spiel zu einem herausragenden Vertreter seiner Gattung.
Anja Gödl von der wiederum hob die besondere Atmosphäre und emotionale Dichte des Spiels hervor. Trotz einzelner Begegnungen mit anderen Raumfahrer:innen sei man im Spiel weitgehend auf sich allein gestellt. Die Einsamkeit, das Staunen über das Unbekannte und die latente Bedrohung, die aus dem Nichtwissen resultiert, erzeugten eine existentielle Grundspannung. Outer Wilds frage damit auch nach dem Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft – und wie diese über Zeiten und Zivilisationen hinweg (wieder)hergestellt werden kann.
Dejan Lukovic von der betonte schließlich die ungewöhnliche Progressionslogik von Outer Wilds. Anders als in vielen anderen Spielen – selbst im sogenannten Metroidbrainia-Genre – geht es hier nicht um das Sammeln neuer Fähigkeiten oder Gegenstände. Der einzige Weg, im Spiel wirklich voranzukommen, ist das Aneignen von Wissen über die Welt. Fortschritt ist in Outer Wilds gleichbedeutend mit Erkenntnis. Damit kombiniert das Spiel Narration und Spielmechanik auf einzigartige Weise und stellt zugleich die Trennung dieser beiden Konzepte, wie sie mitunter auch in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Spielen postuliert wird, grundsätzlich infrage.
Neue Impulse
Im Anschluss entstand eine lebhafte Diskussion, in der zahlreiche Fragen und Anregungen aus dem Publikum neue Perspektiven eröffneten und frische Impulse für die Analyse von Outer Wilds lieferten. Die Forschungsgruppe bedankt sich herzlich bei allen Teilnehmenden für ihr engagiertes Mitwirken und angesichts des überwältigenden Interesses am Licht-Spiel-Haus ist eine nächste Ausgabe der Veranstaltungsreihe bereits in Vorbereitung.
(Dejan Lukovic)