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Begehrter Fisch – Universität Innsbruck
Kormorane
Der als Fischräuber in Verruf geratene Kormoran wird von Fischern als Konkurrent und als Gefahr für die Fischbestände gesehen.

Begehrter Fisch

Kormorane zählen in Europa nicht mehr zu den bedrohten Arten. Ein Befund, der Naturschützer freut, Fischern aber Sorgen über die Fischbestände bereitet. Bettina Thalinger und johannes Oehm untersuchen unter der Leitung von Michael Traugott, Professor am Institut für Ökologie, das Nahrungsverhalten der Vögel am Chiemsee.

Die Zahl der in Europa lebenden Kormoran-Brutpaare hat sich seit den 60er Jahren auf etwa 400.000 Paare vervielfacht. „Der enorme Zuwachs an Vögeln seit den getroffenen Schutzmaßnahmen sorgt in Fachkreisen für rege Diskussion und polarisiert. Viele Aspekte der Nahrungsökologie von Kormoranen sind bisher noch unzureichend erforscht. Zum Beispiel wissen wir noch wenig darüber, ob und wie sich die Nahrungswahl über das Jahr verändert und aus welchen Gewässern die Beutefische kommen“, erklärt Michael Traugott, Professor am Institut für Ökologie. Grund genug für den Wissenschaftler, mit seinem Team in einer engmaschigen Untersuchungsreihe die Nahrungswahl von Kormoranen genauer zu untersuchen. In einem vierjährigen Projekt haben Bettina Thalinger und johannes Oehm die Vögel zum Kern ihrer Dissertationen gemacht. „Der Chiemsee ist bei den Kormoranen das ganze Jahr beliebt. Im Sommer kommen jene, die im Mittelmeerraum überwintert haben und im Winter die Zugvögel aus dem Norden. Der Wechsel ist hier nicht genau definiert – immer wenn es zu kalt wird, dann reisen sie in Richtung Süden ab“, betont Thalinger, die den Chiemsee als Ort für ihre Untersuchungen ausgewählt hat. Der als Fischräuber in Verruf geratene Kormoran wird von Fischern als Konkurrent und als Gefahr für die Fischbestände gesehen. Ob dieser Vorwurf jedoch gerechtfertigt ist, hängt stark vom Fischbestand eines Gewässers ab. Ziel der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist, das Fressverhalten der Vögel im Jahresverlauf zu analysieren, zu klären, welche Fische sie konsumieren, in welchen Gewässern sie den Fisch fangen und mögliche Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Tieren festzustellen. „Wir haben hier eine spannende Nahrungsbeziehung direkt vor der Haustür. Eine Besonderheit ist auch der direkte Praxisbezug dieser Grundlagenforschung“, vertieft Traugott. Erste Ergebnisse zeigen, dass sich Fischer und Kormorane am Chiemsee nur bedingt in die Quere kommen. Größtenteils erbeuten die Vögel die wirtschaftlich weniger bedeutenden Rotaugen und Flussbarsche, wobei auch die für die Fischer interessanten Renken hin und wieder am Speiseplan stehen.

 

Die Speiballen der Kormorane sind wichtigste Quelle für die DNA-Analysen. (Bild: johannes Oehm)

Verstehen 

Um die Nahrungsökologie von Kormoranen besser zu verstehen, entwickelte Thalinger mit ihren Kolleginnen und Kollegen ein engmaschiges Analyse-Raster. Speiballen sind dabei die relevanteste Probenquelle. „In den ausgewürgten, mit Schleim umhüllten Ballen finden wir unverdaute Nahrungsreste wie kleine Knochen, Augenlinsen und ‚Gehörsteinchen’, die bei den Fischen Otolithen genannt werden“, erklärt Thalinger. Alle zwei Wochen wurden am Chiemsee an die 400 Proben in einer Kormorankolonie gesammelt. Über den Projektzeitraum entstand so ein umfassender Datensatz, der von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bis heute analysiert wird. „Unsere Untersuchungen basieren auf einer Kombination aus drei Analysemethoden“, erklärt Thalinger ihr Vorgehen. „Zunächst eignet sich der Schleim ausgezeichnet für DNA-Analysen, ein Ansatz, der in Forschungen zur Nahrungswahl von Kormoranen erstmals eingesetzt wurde“, verdeutlicht Traugott. In einem zweiten Schritt werden die Speiballen ausgewaschen und die übrig gebliebenen Knochen und Linsen sortiert, vermessen und bestimmt. Ausgehend von den 5.500 morphologisch untersuchten Speiballen können die Ökologinnen und Ökologen abschätzen, wie viele Fische welcher Größe konsumiert wurden. Zudem interessiert die Expertinnen und Experten der Strontium- und Kalzium-Gehalt in den Wasserproben, denn diese Elemente sind ein guter Marker für die geologische Signatur eines Gewässers, die abhängig vom Untergrundgestein variiert. „Gewässer haben einen chemischen Fingerabdruck. Da die Otolithen mit dem Alter der Fische wachsen, nehmen sie die verschiedenen Elemente, wie Jahresringe beim Baum auf“, erklärt Thalinger. Die weitere Analyse der aufwändig präparierten Gehörsteinchen wird in einem Speziallabor an der Universität für Bodenkultur in Wien durchgeführt. Wenn Fische zwischen zwei Gewässern hin und her wandern, kann diese Veränderung im Otolith nachgewiesen und so auch die Herkunft der Tiere bestimmt werden. „Die molekulare Methode für den Nachweis der konsumierten Beutefische ist hochsensibel und wir können auch kleinste DNA-Spuren nachweisen, wenn keine oder nur unbestimmbare Fischreste in den Speiballen enthalten sind. Allerdings gibt sie keinen Aufschluss darüber, wie viele Fischindividuen welcher Größe die Kormorane konsumiert haben“, erläutert Thalinger die Schwierigkeit der Methode, die Ergebnisse auch richtig zu interpretieren. „In diesem Fall ist die Kombination mit den morphologischen Untersuchungen sehr wertvoll.“

 

Die WissenschaftlerInnen bei der Feldarbeit. (Bild: Michael Traugott)

Opportunisten 

Kormorane sind Opportunisten und jagen dort, wo sie leicht an ihr Futter kommen. Die Vögel reagieren schnell auf Veränderungen in der Umwelt und auf das Verhalten der Fische selbst. Besonders die Laichzüge der Fische locken Kormorane an. „Im Jahresverlauf interessieren sich die Vögel nur bedingt für die größeren Renken. Allerdings sehen wir in unseren Auswertungen einen signifikanten Anstieg im Konsum dieser Fischart, der mit der Laichzeit zusammenfällt. Genauso verhält es sich auch mit Nachweisraten der wirtschaftlich nicht bedeutenden Seelaube. Dies ist allerdings nur logisch, befinden sich sonst nur selten so viele Beutetiere gleichzeitig an einem Ort. Die Jagd wird den Kormoranen dadurch extrem erleichtert“, so Thalinger und Traugott, die betonen, dass auch Kormorane so wenig Energie wie möglich in eine große Ausbeute investieren wollen. „Kormorane sind intelligente Tiere und sie suchen nicht spezifisch nach dem begehrtesten Fisch, sondern wählen eine optimale Strategie, um an Nahrung zu kommen“, verdeutlicht die Ökologin. Die Schlafplätze der Vögel müssen zudem auch nicht zwingend am bevorzugten Jagdgewässer sein, da die Tiere sich in einem Aktionsradius von bis zu 70 Kilometern bewegen, um an geeignete Nahrung zu kommen. Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass der Großteil der Fischnahrung jedoch aus dem Chiemsee stammt. Fische sind besonders in Mitteleuropa eine begehrte und umkämpfte Ressource. Die Ergebnisse der ausführlichen Analysen zeigen, dass sich der Speiseplan der Fische nur teilweise mit den Interessen der Fischer überschneidet.

 

Die Kormorankolonie am Chiemsee. (Bild: Bettina Thalinger)

 Dieser Artikel ist in der aktuellen Ausgabe der „Zukunft Forschung“, dem Forschungsmagazin der Universität Innsbruck, erschienen. Eine digitale Version des Magazins ist hier zu finden.

 

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