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Ein Blick hinter die Kulissen: Johanna Taglieber, Universitätsassistentin am Institut für Fachdidaktik
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Ein Blick hinter die Kulissen: Johanna Taglieber, Universitätsassistentin am Institut für Fachdidaktik

Johanna Taglieber beschäftigt sich als Prae-Doc am Institut für Fachdidaktik (Bereich DiNGIM) mit den Themen Sprache(n) im Fachunterricht, Vorwissen-schaftliches Arbeiten und Aufgabenbasiertes Lernen im biologieunterricht.

Ein Blick hinter die Kulissen –
Ein Blick auf die Fachdidaktikerin in mir

taglieber_1Menschen sind bekanntlich vielfältig: Sie haben verschiedene Interessen, sprechen verschiedene Sprachen und denken auf ganz unterschiedliche Weisen über die Welt (nach). Und auch jeder Mensch ist für sich allein betrachtet vielseitig: vielseitig interessiert, mehrsprachig und (mehr oder weniger) vielseitig in seinen Denkweisen. Im Unterricht treffen diese vielfältigen und vielseitigen Menschen aufeinander und finden plötzlich gemeinsame Interessen, gemeinsame Sprachen und vielleicht sogar gemeinsame Denkweisen, die ganz wesentlich vom jeweiligen Fach – dessen Erkenntnisinteresse(n), Sprache(n) und Denkweise(n) – geprägt sind. Fachdidaktik fasziniert mich genau aus diesem Grund – weil sie die Vielfalt der Menschen in den Blick nimmt und danach fragt, wie Menschen allein und gemeinsam fachliche Phänomene durchdringen, aushandeln und in Sprache fassen.

Gleichzeitig erlebe ich die Fachdidaktik selbst als vielfältige und vielseitige Disziplin; nicht nur, weil sie die unterschiedlichsten Fächer unter einem Dach vereint, sondern auch, weil es innerhalb der jeweiligen fachdidaktischen (Unterrichts-)fächer – wie es Nicola Brocca in seinem Beitrag in dieser Reihe sehr schön beschrieben hat – immer darum geht, Grenzen zu setzen und sie zu überqueren[i]. Mein Forschungsinteresse rund um das Thema „Sprache(n) im Fachunterricht“ erfordert genau diesen interdisziplinären, vielperspektivischen Blick: (1) einen sprachwissenschaftlichen & sprachdidaktischen Blick auf die Sprachen, die im biologieunterricht verwendet werden, sowie deren Erwerb, (2) einen naturwissenschaftlichen & naturwissenschaftsdidaktischen Blick auf die fachlichen Konzepte und deren sprachliche Realisierung im naturwissenschaftlichen Unterricht und (3) einen allgemeindidaktischen & pädagogischen Blick auf die Rahmenbedingungen des unterrichtlichen Geschehens. Kurz: einen vielperspektivischen Blick, der über fachliche Grenzen hinaus reicht und die verschiedenen Perspektiven wieder bündelt, um den eigentlichen Fokus nicht zu verlieren. Deshalb muss und musste auch die Fachdidaktikerin in mir im Laufe der Zeit lernen, vielseitig zu sein, zu denken und zu sprechen.

 

Von der Projektidee zum Dissertationsprojekt

Im Jahr 2016 entstand am Institut für Fachdidaktik die Idee eines interdisziplinären Projekts zum Thema „Sprache im Fachunterricht“. Von dieser interdisziplinären Projektidee habe ich im Jahr 2016 kurz nach Abschluss meines Lehramtsstudiums für die Fächer biologie und Umweltkunde und Französisch erfahren. Über die Option, noch länger an der Universität zu bleiben, um dort zu forschen, hatte ich zu diesem Zeitpunkt zugegebenermaßen noch gar nicht nachgedacht. Nachdem ich aber schon im Rahmen meiner Diplomarbeit zur Rolle der bande dessinée (dt.: Comics) in Französischlehrwerken in Österreich, sowie im Rahmen einer studentischen Mitarbeit am Institut für Fachdidaktik (Bereich Didaktik der Sprachen) „Fachdidaktikluft“ geschnuppert hatte und auch meine – wenn auch unübliche – Fächerkombination eine gute Basis für dieses Forschungsprojekt war, fasste ich den Entschluss, diese Chance zu nutzen und mich im Rahmen einer Dissertation mit der Beziehung zwischen fachlichem & sprachlichem Lernen im biologieunterricht auseinanderzusetzen.

 

Von der Schule zurück an die Universität

Die anschließenden zwei Jahre, in denen ich in den unterschiedlichsten (schulischen und hochschulischen) Kontexten unterrichten durfte, haben mir die unterrichtspraktische Relevanz meines Forschungsthemas verstärkt vor Augen geführt. Als externe Lehrende an einer Übergangsklasse (Franziskanergymnasium Hall in Tirol) habe ich Asylwerber*innen auf ihre Pflichtschulabschlussprüfung in den Fächern „Natur & Technik“ und „Gesundheit & Soziales“ vorbereitet – einer Tätigkeit, der ich aktuell auch in der Erwachsenenbildung (bfi Tirol) nachgehe. Dieser sprachlich und inhaltlich äußerst heterogene Unterrichtskontext war und ist für mich als Lehrerin und Fachsprachendidaktikerin spannend und lehrreich. Mein Unterrichtspraktikum (BORG Innsbruck) hat mir aber gezeigt, dass es auch in sprachlich „weniger heterogenen“ Klassen notwendig ist, (fach-)sprachliche Lernziele des Fachunterrichts in der Unterrichtsplanung und -gestaltung immer explizit mitzudenken.

Durch meine Unterrichtspraxis habe ich erlebt, wie eng fachdidaktische Theorie, Forschung und Praxis verknüpft und wie stark sie voneinander abhängig sind. Nur zu oft beobachte ich, wie meine Schüler*innen bspw. die von Wagenschein (1962) beschriebenen Phasen der Versprachlichung naturwissenschaftlicher Beobachtungen durchlaufen. So muss ich in der Praxis Mittel und Wege finden, die den Lernenden helfen, von ihren – oft „naiv“ und alltagssprachlich formulierten – Beobachtungen und Erfahrungen naturwissenschaftliche Modelle und Gesetzmäßigkeiten abzuleiten und in einer abstrakteren, präziseren Sprache auszudrücken. Weil auch Unterrichtsmaterialien, Fachliteratur und Medien diese abstrakte und präzise naturwissenschaftliche Fachsprache nutzen, um über naturwissenschaftliche Themen zu informieren, zu berichten und zu diskutieren, zeigen mir Forschung und Praxis – nicht zuletzt in der derzeitigen durch SARS-CoV-2 ausgelösten Pandemie – wie wichtig sprachliche und naturwissenschaftliche Bildung als Türöffner zur Teilhabe an der Diskussion gesellschaftlich relevanter Themen ist und wie ausschließend diese Sprache gleichzeitig sein kann, wenn man sie nicht ausreichend beherrscht[ii].

All diese Erfahrungen haben mich im Jahr 2018 darin bestärkt, eine Stelle als Universitätsassistentin am Institut für Fachdidaktik, Bereich Didaktik der Naturwissenschaften, Geographie, Informatik und Mathematik (DiNGIM) anzunehmen, um mich noch intensiver der fachdidaktischen Theorie und meiner eigenen fachdidaktischen Forschung widmen zu können.

 

Von Fokus und Austausch

Seit Beginn meines Dissertationsprojekts arbeite ich in enger Zusammenarbeit mit meiner Kollegin Corinna Pieber und unserem interdisziplinären Betreuungsteam (Suzanne Kapelari, Barbara Hinger, Wolfgang Dür). Wir arbeiten in einem ständigen Wechsel zwischen individuellem Fokus und gemeinsamem Austausch, in dem auch wir immer wieder unsere fachdidaktische Fachsprache und die damit verbundenen Theorien und methodischen Zugänge aushandeln müssen.

In unserer Forschung gehen wir davon aus, dass der Erwerb naturwissenschaftlicher Fachsprachen mit dem Fremdsprachenerwerb verglichen werden kann. Unser Ziel ist es dabei, Task-Based Language Teaching (TBLT) – einen bewährten Ansatz aus der Fremdsprachendidaktik – auf den naturwissenschaftlichen Unterricht zu übertragen, um den Erwerb fachsprachlicher Kompetenzen von Schüler*innen zu fördern. Dazu erarbeiten, implementieren und evaluieren wir sprachsensible Aufgaben nach Prinzipien des TBLT –Corinna Pieber für den Physik-, ich für den biologieunterricht. TBLT stellt unter anderem die Authentizität und damit die Relevanz von Aufgaben für die Lernenden in den Vordergrund. Der erste gemeinsame Schritt der beiden Dissertationsprojekte war es daher, fachsprachliche Bedürfnisse von österreichischen Oberstufenschüler*innen zu identifizieren. Dazu haben wir nach authentischen fachsprachlichen Aufgaben und damit assoziierten Herausforderungen im naturwissenschaftlichen Unterricht gefragt. Auf Basis dieser Bedarfsanalyseii ist die systematische Vorbereitung auf die Vorwissenschaftliche Arbeit im naturwissenschaftlichen Regelunterricht der Oberstufe das zentrale Ziel unserer Aufgaben.

Im Sinne einer forschungsgeleiteten fachdidaktischen Lehre ist es mir wichtig, die Erkenntnisse aus meiner Forschungsarbeit auch in meine Lehrtätigkeit einfließen zu lassen. Da Sprache im biologieunterricht allgegenwärtig ist, kann sie auch in allen fachdidaktischen Lehrveranstaltungen thematisiert werden – sei es in der Lehrveranstaltung „Lehren und Lernen im Schulgarten“, wo der gärtnerische Fachjargon die Ausgangsbasis für das gemeinsame praktische Arbeiten ist; oder in der Lehrveranstaltung „Vorwissenschaftliches Arbeiten im Rahmen der Standardisierten Reifeprüfung betreuen und bewerten“, in der wir gemeinsam mit den Studierenden die Fachjury für die Auswahl der Siegerarbeiten der Dr. Hans Riegel-Fachpreise bilden und fachliche und sprachliche Qualitätskriterien für Vorwissenschaftliche Arbeiten diskutieren. 

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Verleihung des ersten Platzes des Dr. Hans Riegel-Fachpreises, September 2020

Seit Oktober 2020 arbeite ich neben meiner Anstellung als Universitätsassistentin auch in dem Erasmus+ Projekt sensiMINT, das in einem ko-konstruktiven Ansatz Lehrpersonen und Fachdidaktiker*innen aus sprachlichen und naturwissenschaftlichen Fächern an einen Tisch bringt, um gemeinsam Materialien und Qualitätskriterien für sprachsensiblen naturwissenschaftlichen Unterricht zu reflektieren und zu erarbeiten. In diesem Kontext sammle ich aktuell wichtige Erfahrungen in Bezug auf die Organisation und Durchführung von Drittmittelprojekten.

Bei all dem Fokus auf das Thema „Sprache im Fachunterricht“ ist es mir aber auch wichtig, einen Überblick über aktuelle Erkenntnisse und Tendenzen der fachdidaktischen Forschungscommunity zu bekommen; vor allem durch den Besuch und die Organisation nationaler und internationaler Tagungen.

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Präsentation des Dissertationsprojekts bei der Frühjahrsschule der FDdB in Halle an der Saale, Februar 2020 (© Malte Michelsen)

Der Schwerpunkt meiner administrativen Tätigkeiten liegt u.a. in der Tagungsorganisation – für die Vierte „Tagung der Fachdidaktik“ 2019 in Innsbruck, die GDCP & FDdB Jahrestagung 2019 in Wien, sowie die 9th International Conference on Task-Based Language Teaching, die im August 2022 in Innsbruck stattfinden wird. Darüber hinaus bin ich seit Beginn meiner Anstellung Mitglied der „Ethik-Subgruppe“ und damit maßgeblich in die Entwicklung eines Fragenkatalogs involviert, der Forschenden an unserer Fakultät dabei hilft, sich ihrer ethischen Verantwortung gegenüber Studienteilnehmer*innen, Interessensgruppen und der Forschungscommunity bewusst zu werden. 

Die bisherige – wenn auch kurze – Zeit als Mitarbeiterin der Fakultät für LehrerInnenbildung hat die Fachdidaktikerin in mir also vor allem dazu inspiriert, vielseitig zu sein: vielseitig interessiert, mehrsprachig und (mehr oder weniger) vielseitig in meinen Denkweisen.

 


[i] https://www.uibk.ac.at/fakultaeten/lehrerinnenbildung/aktuelles/2020/postdoc_ifd.html.de

[ii] Diese gesellschaftliche Relevanz fachsprachlicher Kompetenzen habe ich gemeinsam mit meinen Kolleg*innen im Tagungsband der Vierten Tagung der Fachdidaktik beschrieben: Taglieber, J.; Pieber, C.; Kapelari, S.; Dür, W.; Hinger, B. (2020): Eine interdisziplinäre Studie zum Einfluss von TBLT auf die Scientific Interlanguage von SchülerInnen im biologie- und Physikunterricht. https://www.uibk.ac.at/iup/buch_pdfs/fachdidaktik_8/10.15203-99106-019-2-07.pdf

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