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Guggenberger Wilhelm: Leidenschaft - Vom Ringen des Menschen mit sich selbst.
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Leidenschaft - Vom Ringen des Menschen mit sich selbst.

Autor:Guggenberger Wilhelm
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:Im Rahmen der Innsbrucker Theologischen Sommertage 2002 wurde der Frage nach dem Menschen als Ebenbild Gottes nachgegangen. In diesem Kontext wurde auch der Aspekt der Emotionalität und Leidenschaftlichkeit des Menschen behandelt. Dieser Artikel spricht Möglichkeiten an, mit denen unterschiedliche Gesellschaften der Ambivalenz von Leidenschaft beizukommen versuchten bzw. versuchen. Die moderne, marktwirtschaftlich organisierte Konsumgesellschaft erscheint in diesem Kontext als Raum, in dem Leidenschaften offen ausgelebt werden können. Dies ist aber ein Irrtum. denn gerade in dieser Gesellschaftsform wird der Mensch zum rationalen Tier degradiert.
Publiziert in:Erscheint demnächst als Beitrag in: Der Mensch - Ebenbild Gottes. Aspekte eines christlichen Menschenbildes. Hg. K. Breitsching u. W. Guggenberger, Thaur 2003.
Datum:2003-04-03

Inhalt

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Dass in einem theologischen Buch dem Thema Leidenschaft so breiter Raum gegeben wird, mag die Leserin und den Leser etwas verwundern. Aber immerhin: Leidenschaften gelten der Anthropologie von alters her als diejenige Größe, die neben den Affekten die Emotionalität des Menschen bestimmt. Diese ist nun aber doch eine sehr wesentliche Realität, wenn es darum geht das Menschsein näher und besser zu begreifen. Ein Blick auf die leidenschaftliche Seite des Menschenwesens legt sich im Rahmen einer theologischen Betrachtung auch deshalb nahe, weil hinsichtlich dieser humanen Realität ein doppeltes Vorurteil besteht, was ihre Stellung im Bezug auf den christlichen Glauben betrifft.

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Der eine Aspekt dieses Vorurteils besteht in der Behauptung, Begehren und Leidenschaft seien für ein christliches Ethos lediglich als verdammenswerte Negativphänomene existent. Damit setzt sich der Beitrag von Willibald Sandler in diesem Band auseinander. Er zeigt recht deutlich, dass die weit verbreitete Annahme, das biblische Denken sei schlechterdings mit Stoizismus(1) bzw. weltentsagender Askese gleich zu setzen, tatsächlich als Vorurteil einzustufen ist.

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Mein Beitrag widmet sich gleichsam der Rückseite dieses Vorurteils und damit seinem zweiten Aspekt, der besagt, dass die moderne, aus den Fesseln der Religion gelöste und daher säkulare Gesellschaft, besonders in ihrer marktwirtschaftlich geprägten Form, dem leidenschaftlichen Begehren des Menschen breiten Raum gebe, ja dieses endlich frei und in sein Recht setze. Diese Annahme gilt es kritisch zu diskutieren. Das bedeutet, dass ich zunächst Gründe nenne, weshalb ich sie für ein Vor- ja Fehlurteil halte. Im weiteren geht es mir aber darum zu zeigen, in welche Sackgassen uns ein von der Dimension des Religiösen losgelöster, säkularisierter Umgang mit Emotion und Leidenschaft führen kann, vermutlich notwendigerweise führen muss.

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1. Was ist Leidenschaft?

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Was sind nun eigentlich Leidenschaften? Eine auf Immanuel Kant zurückgehende Definition besagt: Leidenschaft ist der zur bleibenden Neigung gewordene und so auf Dauer gestellte Drang, der das gesamte Denken, Fühlen und Wollen durchdringt und beherrscht.

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Es handelt sich also um eine gefühlsmäßige Regung, die aber nicht nur spontan aufblitzt, sondern sich verfestigt, zumindest über eine bestimmte Zeit hinweg zu einem prägenden Antrieb unseres Handelns wird und diesem eine bestimmte Richtung weist. Leidenschaft steht somit auch in engem Zusammenhang mit dem Begriff des Begehrens. Unser Handeln und Entscheiden wird auf ein Ziel der Begierde hin ausgerichtet, sodass wir mit all unserer Kraft danach streben, dieses, uns begehrenswert erscheinende Ziel zu erreichen. (2)

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Dass ein solches Streben zwiespältig sein kann, ist ebenfalls altes Wissen der Menschheit. Wir sprechen wohl nicht zufällig davon, dass man von Leidenschaft entflammt wird, oder auch von brennender Leidenschaft. Ebenso wie das physische Feuer sowohl erhellende und wärmende, als auch vernichtende Energie besitzt, sind unsere Leidenschaften ambivalent. Sie können die besten Kräfte des Menschen freisetzen, belebend und motivierend wirken, aber auch zu blindwütigem Toben führen, in dem ein Mensch sich selbst und andere zugrunde richtet. Nicht umsonst enthält der Begriff Leidenschaft nicht nur im Deutschen einen Hinweis auf das leidverursachende Potential der so bezeichneten Emotionen. Auch in der englischen und in den romanischen Sprachen findet sich die selbe Spur. (3)

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Die Ambivalenz der Leidenschaft kommt auch deutlich in den unterschiedlichen Positionen, die etwa Immanuel Kant (1724-1804) und Georg Friedrich Hegel (1770-1831) ihr gegenüber einnehmen zum Ausdruck. Kant schreibt in seiner Metaphysik der Sitten:

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"Die Tugend also, so fern sie auf innerer Freiheit gegründet ist, enthält für die Menschen auch ein bejahendes Gebot, nämlich alle seine Vermögen und Neigungen unter seine (der Vernunft) Gewalt zu bringen, mithin der Herrschaft über sich selbst, welche über das Verbot, nämlich von seinen Gefühlen und Neigungen sich nicht beherrschen zu lassen, (der Pflicht der Apathie) hinzu kommt; weil, ohne dass die Vernunft die Zügel der Regierung in ihre Hände nimmt, jene über den Menschen den Meister spielen."  (4)

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Eindeutig wird hier die Unterwerfung der Affekte und Leidenschaften - über sie spricht Kant im Kontext der zitierten Stelle - unter die Vernunft gefordert. Im Hintergrund dieser Position steht das Ideal der Selbstgesetzgebung und das Aufklärungspostulat sich aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit zu befreien, die eben auch in einem Beherrschtwerden durch die eigenen Affekte und inneren emotionalen Zwänge bestehen kann. Innerlich frei ist nach dem Verständnis Kants demgemäß nur der Mensch, der Herr und Meister seiner selbst ist.

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Hegel hingegen sieht auch die positiven Energien, die menschliche Leidenschaft enthält. Er ist daher nicht bereit sie generelle ethisch zu disqualifizieren.

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"Die Leidenschaft enthält in ihrer Bestimmung, dass sie auf eine Besonderheit der Willensbestimmung beschränkt ist, in welche sich die ganze Subjektivität des Individuums versenkt, der Gehalt jener Bestimmung mag sonst sein, welcher er will. Um dieses Formellen willen aber ist die Leidenschaft weder gut noch böse; diese Form drückt nur dies aus, dass ein Subjekt das ganze lebendige Interesse seines Geistes, Talentes, Charakters, Genusses in einen Inhalt gelegt habe. Es ist nichts Großes ohne Leidenschaft vollbracht worden, noch kann es ohne solche vollbracht werden. Es ist nur eine tote, ja zu oft heuchlerische Moralität, welche gegen die Form der Leidenschaft als solche loszieht."  (5)

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Die Tatsache, dass Hegel die emotional-leidenschaftliche Qualität des Menschen auch in positiver Weise in sein Urteil mit einbezieht und ihr sogar den Status als Motor aller großen menschlichen Leistungen zuerkennt, kann als Hinweis darauf gelesen werden, dass der Zugang Kants die menschliche Lebensrealität letztlich in unzulässiger Weise beschneidet und somit zur schöpferischen Unfruchtbarkeit verurteilt. Freilich darf aber nicht übersehen werden, dass Hegel Leidenschaftlichkeit als solche weder gut noch böse nennt; sie ist zu beidem fähig. Auch das Böse - so können wir daher wohl folgern - läuft zu seiner vollen Größe nur dort auf, wo es weder von bloßer Logik, noch vom kurzfristigen Affekt, sondern von anhaltender Neigung getragen ist.

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Diesem Befund der Doppeldeutigkeit entspricht der individuelle und gesellschaftliche Umgang mit der Leidenschaft. Man kann diese als Ressource menschlicher Kreativität und Schaffenskraft suchen, sie als Impulsgeber fördern, ihr als vitaler Energie freien Lauf lassen, oder aber man kann versuchen sie möglichst einzudämmen, zu überwinden oder gar zu eliminieren. Dazwischen liegt ein breites Spektrum an Versuchen der Leidenschaftskultivierung.

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2. Vom menschlichen Umgang mit Leidenschaft

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Angesichts meines Vorhabens, den Stellenwert von Leidenschaften in der modernen, liberal-marktwirtschaftlichen Gesellschaft kritisch unter die Lupe zu nehmen, ist es unverzichtbar zunächst einen Blick zurück in die Geschichte zu werfen. Dabei stoßen wir auf unterschiedliche "Modelle" des Umgangs mit Leidenschaften in ihrer nicht ungefährlichen Doppeldeutigkeit, die unter bestimmten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und in bestimmten historischen Epochen dominant waren und bevorzugt praktiziert wurden, auch wenn sie nicht ausschließlich in einer bestimmten Phase der Menschheitsgeschichte zu finden sind. Die hier skizzierten Modelle sind auch nur als typologische Wegweiser zu verstehen, nicht als hinreichende Beschreibung komplexer menschlicher Verhaltensweisen.

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2.1 Ritualisierung der Leidenschaft

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Ein relativ archaischer und in diesem Sinn erster Versuch die überbordende Energie menschlicher Leidenschaft zu bändigen, ist deren Ritualisierung - oder exakter ausgedrückt: die ritualisierte Entfesselung der Kraft der Leidenschaften. An bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten kann so allen Leidenschaften unter regulierten Bedingungen freier Lauf gelassen werden. Die Gesellschaft öffnet sich gleichsam selbst Ventile, mittels derer ein emotionaler Überdruck geregelt werden kann, bevor er sich zu destruktiver Explosivität aufstaut. Viele Völker kennen ekstatische Kulte und Feste in deren Rahmen die üblichen Regeln des Zusammenlebens außer Kraft gesetzt sind.

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Wir können darin eine spielerische Form des Auslebens von Eifersucht, Neid, Rachsucht und Ressentiment sehen. Dies ist besonders in jenen Riten der Fall, in denen die gesamte gesellschaftliche Hierarchie für eine exakt begrenzte Zeit umgekehrt wird. Die Mächtigen werden symbolisch gestürzt. Die ansonsten Machtlosen dürfen einen Sieg davontragen. Auch der wohl allgemeinmenschlichsten Leidenschaft - jener des sexuellen Begehrens - wurde selbst in frühen Hochkulturen immer wieder in ritualisierten, orgiastischen Kulten völlig freier Lauf gelassen; häufig verbunden mit unmäßigem Konsum von Genuss- oder Rauschmitteln.

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Ein Überrest solcher "Ventilrituale" ist der Karneval, der sich auch und gerade in christlich geprägten Gesellschaften erhalten konnte. Nicht grundlos ist dieser im Jahreslauf zeitlich unmittelbar vor der Fastenzeit angesiedelt, in der es um besondere Zügelung und Zurückhaltung geht. Um dem Fasten eine reale Chance zu geben, werden der "Fleischeslust" für einige Tage die Zügel locker gelassen (6). Da übergeben Bürgermeister die Schlüssel der Stadt an die Narren, da werden "Gemeine" gekrönt und Narrenreiche errichtet, deren lächerliche Herrscher dann wieder verjagt werden. Die verkehrte Welt wird im Spottlied hymnisch besungen. Das Faschingskostüm bricht ursprünglich die strenge stände- und geschlechterspezifische Kleiderordnung auf. Im Eingraben des Faschings mag sogar eine gewaltsamer Sturz des symbolischen Königs und seine ungestraft bleibende Ermordung nachklingen. Und selbst die tolerierte sexuelle Freizügigkeit ist im Fasching ansatzweise erhalten.: Da wird schon 'mal ein Auge zugedrückt; von den moralischen Sittenwächtern, eventuell sogar von Lebens- und Ehepartnern.

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Auch sportliche Wettkämpfe dürften einen ihrer Ursprünge in Ritualen der Leidenschaftsableitung haben. Ehrgeiz, das streben nach Ruhm, das leidenschaftliche Trachten danach, an erster Stelle zu stehen, können hier ausgelebt werden. Die Bündelung des Ehrgeizes auf ein punktuelles Ereignis und eine ganz spezielle Form des Wettkampfes hin, vermag ihn im Zusammenleben jenseits dieses Ereignisses wesentlich zu mildern. Sport hat in diesem Sinne eine Sublimierungsfunktion. Freilich kennt gerade der Sport von allem Anfang an strenge Spielregeln. Nichts desto weniger gibt er aber dem egoistischen Streben an die Spitze zu gelangen Raum, fordert dieses sogar. Während wir im Alltag doch stets eine potentielle Gefährdung des sozialen Zusammenhalts durch dieses Streben empfinden. Gerade in traditionellen, sehr statischen Gesellschaften darf Ehrgeiz daher kaum offen gezeigt werden.

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Je aufgeklärter und rationaler das Gepräge einer Gesellschaft wird, um so weniger funktionieren Leidenschaftsventile in der Form von Ritualen und exzessiv-orgiastischen Festen. Eines ihrer letzten Refugien haben sie gegenwärtig im Bereich der Kunst. (7)

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2.2 Externe Kontrolle der Leidenschaft

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Eine zweite Form der Reaktion auf die ambivalenten Kräfte der Leidenschaft möchte ich als externe Kontrolle bezeichnen. Dazu bedarf es einer potenten Autorität, die nicht nur die Möglichkeit besitzt, das Handeln der Menschen zu überwachen, sondern auch die Macht, gegebenenfalls einzugreifen. Sanktion und Strafe sind hier das Mittel der Wahl, um die ungezügelte Wildheit der Emotionalität in den Griff zu bekommen. Die Autorität dazu kann in den Händen weltlicher oder geistlicher Führer und deren Machtapparat liegen. Staatliche Macht etwa, die über Polizei, Zensur, ja eventuell ein Spitzelwesen verfügt, aber auch Religionsgemeinschaften kennen solche Formen der externen Kontrolle. Man denke etwa an die islamische Sittenpolizei, wie sie im Iran oder in Afghanistan Realität ist. Eine wesentliche Aufgabe dieser Sittenpolizei ist es, auf die korrekte Kleidung der Frauen und auf den angemessenen Umgang der Geschlechter miteinander zu achten. Dass daraus soziale Diskriminierung von Frauen resultiert, braucht nicht betont zu werden. Das eigentliche Ziel, worauf solche Kontrollen gerichtet sind, ist aber die sexuelle Leidenschaft. Da ihre Konflikthaftigkeit bekannt ist, wird alles unternommen, damit sie im öffentlichen Raum erst gar nicht geweckt wird. In einer Kultur, für die Ehre und Schande zentrale Richtmarken sind, hat das besondere Bedeutung, da die Verletzung sexueller Tabus praktisch immer mit der Verletzung des Ansehens der gesamten Familie verbunden ist.

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Doch auch eine Leidenschaft wie der Ehrgeiz kann externer Kontrolle unterworfen werden. So zeichnen sich hierarchische Gesellschaften etwa generell dadurch aus, dass in ihnen klar vorgegebene Karrieregrenzen (8) bestehen. Auch in der mittelalterlichen Zunftordnung war vorweg festgelegt, was ein Handwerker erreichen konnte. Die Vorgaben waren überaus restriktiv und machten den Aufstieg zum Meister nicht allein vom Können abhängig. Noch undurchlässiger waren freilich die Grenzen zwischen den Ständen. Dadurch waren dem Wettbewerb und den leidenschaftlichen Aufstiegswünschen der Menschen Grenzen gesetzt, die größtenteils als unüberwindbar akzeptiert wurden. Das Märchen kennt im Motiv des Handwerksgesellen, der es bis zum König bringt eine rein fiktive Ausnahme zu dieser Regel, die allerdings die Leistung des Unmöglichen voraussetzt; meist den Sieg über diverse Ungeheuer.(9)

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Die gesellschaftlichen Normen, deren Umsetzung extern kontrolliert und überwacht wird, gelten dabei nicht bloß als Gesetz, vielmehr bringen sie eine Wertordnung zum Ausdruck, von deren Schutz sich die Gesellschaft in ihrem Bestand abhängig weiß. Die Bewahrung des gemeinschaftlichen Lebens vor einem Übermaß an Begehrensenergie geht damit vom kultischen Ritual auf die Sittlichkeit und ihre Gebote über.

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2.3 Interne Kontrolle der Leidenschaft

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Die dritte und letztlich effizienteste Form der Leidenschaftshegung stellt die interne Kontrolle dar. Gesellschaftliche Spielregeln, Grenzsetzungen und Einschränkungen werden im psychoanalytischen Sinn internalisiert. Das eigene Gewissen ist nun die Autorität, welche die aus den Ufern tretende Leidenschaft rasch wieder in ihre Schranken weist. Die Sanktionierung des zügellosen Auslebens der Passion erfolgt durch den Verlust der Selbstwertschätzung oder durch Schuldangst,  (10) die mit ewiger Verdammnis rechnet. Die Grenze zwischen interner und externer Kontrolle ist freilich fließend. Eine Gesellschaft, in der starke internalisierte Regulierungen vorhanden sind, weist auch meist einen hohen Grad an sozialer Überwachung auf. Jeder Blick eines anderen, dem die selben Normen gelten, kann zur Anklage für einen Menschen werden, der sich schuldig fühlt, auch wenn keinerlei greifbare soziale, geschweige denn rechtliche Sanktion erfolgt. (11)

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Interne Kontrolle setzt allerdings Erziehung, Formung und Prägung des Charakters voraus. Das Gewissen des Menschen mag als Anlage gegeben sein, seine inhaltliche Orientierung ist jedoch stets sozial modelliert. Interessant ist nun, dass im 16. und 17. Jhd. diese Form der Eindämmung menschlicher Leidenschaften immer weniger zu überzeugen vermag. Zumindest geht das aus den Schriften zeitgenössischer Denker hervor. Das ist um so überraschender, als gerade Humanismus und Aufklärung voll und ganz auf die Karte der Erziehung und Bildung setzten. Dem deutschen Aufklärer Gotthold Ephraim Lessing etwa erschien nicht nur das Individuum erziehbar, sondern das Menschengeschlecht in seiner Gesamtheit. (12)

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Ein Urteil darüber, wie es zum wachsenden Misstrauen gegenüber den sittlichen Selbstzügelungskräften des Menschen kam, muss ich schuldig bleiben. Die Untersuchung dieser komplexen Frage überschreitet einerseits meine historisch-geistesgeschichtliche Kompetenz, andererseits dürfte sie den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Eine Quelle des Argwohns gegenüber der sittlichen "Selbstbeherrschung" dürfte aber wohl im Zerbrechen des einheitlichen, relativ geschlossenen Weltbildes und des gemeinsamen religiösen Glaubens liegen. Das abendländische Weltbild, das Europa seit dem frühen Mittelalter als Einheit geformt hatte, war durch die Konfessionskriege im Gefolge von Reformation und Gegenreformation massiv in Frage gestellt worden. Wo plötzlich verschiedene Weltanschauungen, Moralvorstellungen und Lebenskonzepte nebeneinander möglich sind, drängt sich die Hinterfragung der je eigenen Orientierung aber geradezu auf. Parallel damit schwindet auch die soziale Kontrolle. Denn gesellschaftlicher Druck kann bestenfalls noch von einer kleinen Gruppe ausgeübt werden, die sich von den umgebenden Alternativen ihrerseits in Frage gestellt sieht. Auch wenn das Verbissenheit und Fanatismus von Kleingruppen, die versuchen sittliche Ideale hoch zu halten, zuspitzen mag, so ist nun die Möglichkeit der Flucht und des Ausbruchs aus einem Normengefüge in gesteigertem Maße gegeben.

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Man könnte in dieser Situation natürlich neuerlich verstärkt auf externe Kontrolle setzen. Derartige Restaurationsbemühungen lassen sich ja auch tatsächlich beobachten. Sie sind jedoch mit dem Problem konfrontiert, dass externe Kontrolle nur dann funktionieren kann, wenn es eine sittlich zuverlässige, über ausufernde Leidenschaftlichkeit erhabene Elite in der Gesellschaft gibt. Ihr hatte sich die Pädagogik bislang ja auch zugewandt. Dass Bauern, Leibeigene, Tagelöhner, Knechte und Mägde eher von Leidenschaften und Trieben bestimmt sind, als von Tugend und Vernunft, das hatte man immer angenommen. Aber an Fürsten, Adel und Klerus wurden andere Ansprüche gestellt. Daher verwandte man auf ihre Erziehung viel Mühe. Wenn nun aber selbst sie nicht Herr ihrer selbst sind; wie soll dann eine gesellschaftliche Ordnung entstehen, die den Leidenschaften Zügel anzulegen vermag?

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Die Erfahrung der Weltanschaulichen Pluralität und der zwischen unterschiedlichen Weltanschauungsgruppen schwelenden, brandgefährlichen Konflikte bedingte damit wohl einerseits die Forderung nach Vernunftzentriertheit im Sinne der Aufklärung, deren Ziel der Exodus aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit des Menschengeschlechts war. Andererseits wurde durch sie aber auch der durchaus nicht auf Mündigkeit und Selbstverantwortung gerichtete Versuch motiviert, jenseits individueller Leistungen und Entwicklungen Strukturen der Hegung und Zähmung maßloser Emotion zu stärken.

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3. Leidenschaft in der modernen Welt

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Das Thema der menschlichen Leidenschaft stellte im 16. und 17. Jahrhundert ein offenbar überaus wichtiges Thema in der europäischen Gesellschaft dar. Als Indiz dafür sei lediglich die Malerei genannt. Eines der häufigsten religiösen Motive in jener Zeit, das keinen explizit biblischen Stoff darstellt, ist wohl die Versuchung des heiligen Antonius. Eines der bekanntesten Werke mit diesem Titel hat Hieronimus Bosch an der Schwelle zum 16. Jhd. gemalt. Es wurde prägend für die Darstellungsweise des Themas in der Folgezeit. Das Sujet war sicherlich auch deshalb so beliebt, weil es die Möglichkeit bot, der Fantasie des Künstlers freien Lauf zu lassen. Aber das Interesse am Thema der Versuchung durch Dämonen wurzelt wohl tiefer. Der Kampf gegen die Dämonen ist eines der Leitmotive der Literatur der frühchristlichen Mönche, jener Wüstenväter, die sich im dritten Jahrhundert als asketische Anachoreten und Eremiten in die ägyptische Wüste zurückzogen. Die Dämonen, deren Anfechtungen sie laufend ausgesetzt waren, symbolisieren das Streben nach irdischen Gütern, sexuelles Verlangen, Ehrgeiz, Geltungssucht und Stolz - Kräfte also, die man wohl getrost unter die Leidenschaften zählen kann. Der Kampf der alten Wüstenväter gegen diese Leidenschaften fasziniert mehr als ein Dutzend Jahrhunderte später die Menschen noch immer oder auch aufs Neue und treibt in der künstlerischen Phantasie ständig neue Blüten.

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Die Tradition der ägyptischen Väter verweist allerdings auch darauf, dass es nicht die persönliche Leistung des Menschen ist, wenn seine Leidenschaften ihn nicht überwältigen. Der Sieg über sie kann nur errungen werden, wenn der Mensch sich ganz Gott anvertraut. Was in diesem Kampf besiegt werden soll ist freilich die "dunkle" Seite der Leidenschaft. Es sind die Laster, die Menschen in ihrem gesamten Wünschen und Agieren besetzen. Es sind aber auch alle Affekte, die aus dem Maß geraten sind und nur deshalb negative Folgen zeitigen. (13) Die Strategie mit diesen Kräften umzugehen ist in der spirituellen Mönchsliteratur die Ausrichtung der Leidenschaft auf Gott. Damit ist mehr gemeint als bloße Askese. Das Ziel ist nicht Abtötung sondern eine bestimmte Form der Orientierung von Emotion. Als Verdeutlichung dieses Gedankens möchte ich eines der Väterworte zitieren, das ausnahmsweise von einer Mutter erzählt, die dreizehn Jahre lang von einem Dämon der Unreinheit angefochten wurde:

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"Einmal griff sie dieser Geist der Unreinheit besonders heftig an, indem er ihr die Eitelkeiten der Welt vorgaukelte. In der Furcht Gottes und aus Askese gab sie nicht nach, sondern bestieg das Dach des Kellions, um zu beten. Da zeigte sich der unreine Geist leibhaftig und sprach: 'Du hast mich besiegt, Sarrha.' Aber sie antwortete: 'Nicht ich habe dich besiegt, sondern mein Herr Christus.'"  (14)

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Die Unterwerfung, das Dienstbarmachen des Dämons gelingt also nicht den rationalen Kräften der Vernunft, auch nicht der asketischen Tugend der Mutter Sarrha; sie erfolgt einzig und allein dadurch, dass diese ihren Blick über die Dinge ihrer Welt - auch wenn das nur die dürftige Welt der Wüste ist - erhebt, auf das Dach ihrer Einsiedelei steigt und auf Christus sieht.

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Aber zurück in die Neuzeit: Der Historische Zeitraum in dem ich mit meinem kurzen Rückblick nun angelangt bin, ist für unser Thema von besonderem Interesse, da in ihm eine neue Idee aufblüht, wie man mit Leidenschaften umgehen könnte. Wir begegnen nun dem Gedanken, dass es doch möglich sein müsste, die maßlose Energie der Leidenschaften derart zu arrangieren, dass sie sich selbst im Zaum halten. Wenn es offenkundig so ist, dass die Leidenschaftlichkeit des Menschen sich immer wieder über das verträgliche Maß hinaus Bahn bricht und über seine, im Feld der Vernunft selbst gesteckten Ziele triumphiert, dann könnte doch der Versuch lohnen, Leidenschaft gegen Leidenschaft zu richten, Feuer mit Feuer zu bekämpfen. Auf diesem Wege ließe sich dann vielleicht so etwas wie ein Gleichgewicht der Kräfte zustande bringen.  (15) Bei Autoren wie Francis Bacon, Baruch Spinoza, David Hume - um nur einige Namen zu nennen - findet sich in unterschiedlicher Ausprägung dieser Gedanke. Auch der französische Philosoph Adrien Helvetius (1715-1771) folgt der Logik eines Gleichgewichts der Kräfte. Er grenzt schließlich einen Teil der Leidenschaften, die er grundsätzlich zu den Grundübeln der Menschheit zählt, ab. Den abgesonderten Teil bezeichnet er als Interessen.  (16) Die Interessen zeichnen sich im Unterschied zu den übrigen Leidenschaften dadurch aus, dass sie die Menschen dazu bringen, ihr Zusammenleben vernünftig und besonnen zu gestalten. Interessen sind demnach so etwas wie positive oder zumindest harmlose Leidenschaften. Dabei ist allerdings interessant, welchen Antriebskräften solch positive Funktion zugeschrieben wird. Der politische Philosoph Thomas Hobbes etwa findet im Streben nach angenehmen Empfindungen bis hin zur Genussucht und vor allem im Bestreben Schmerz und Tod zu meiden eine solch ausgleichende emotionale Kraft. Der Arzt und Poet Bernard de Mandeville spricht sogar der Habgier eine besänftigende Eigenschaft zu. Immerhin steht habgieriger Geiz verschwenderischer Genusssucht entgegen und setzt dieser Grenzen. Andererseits aber öffnet die Genusssucht dem Geizigen die Hände, so dass er zum Konsumenten wird und so anderen indirekt nützt. Der Clou der Sache ist, dass auch wenn diese Emotionen nicht in einem ethischen Sinn gut genannt werden können, ihr Vorhandensein doch zu positiven und wünschenswerten Ergebnissen führt. Die Bedeutung dieses Gedankens für die spätere Geistesgeschichte kann gar nicht groß genug veranschlagt werden.

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Entscheidend für den skizzierten Gedankengang der Isolierung von Interessen aus dem Feld der Leidenschaft ist, dass diese ihre dämonische Macht verlieren. Aus der Teufelsfratze wird ein, wenn schon nicht sympathisches, so doch verständiges und vernünftiges Angesicht. Wie ist das möglich?

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Die Harmlosigkeit der Interessen liegt in ihrer Berechenbarkeit begründet. Durch Berechenbarkeit wird die Leidenschaft nicht aus der Welt geschafft, aber sie wird handhabbar; so wie die Kräfte der Natur durch Messen und Berechnen in ein festes Gefüge von Gesetzen eingereiht und dadurch handhabbar, ja nutzbar gemacht werden. Für Thomas Hobbes etwa würden Ehrgeiz und Habgier jegliches Bedrohungspotential für ein friedliches Zusammenleben verlieren, sobald sie nur ähnlich exakt erkannt und berechenbar wären wie geometrische Formen. (17)

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Besonders dem modernen Menschen ist es unerträglich eingestehen zu müssen, dass er nicht autonomes Subjekt, nicht Herr über sich selbst ist. Nur der Mensch, der sich selbst das Gesetz des Handelns gibt kann in unseren Augen als vollwertig und gut bezeichnet werden. Das Selbst wird aber in neuzeitlicher Tradition vor allem als rationales Selbst gesehen. Das Leiblich-triebhafte erscheint gleichsam als Fremder im eigenen Haus. Das macht die Tatsache, dass Leidenschaften Herrschaft über uns gewinnen können so kränkend.  (18) Nicht umsonst hatte Siegmund Freud gemeint, dass neben der Entdeckung der Heliozentrik unseres Planetensystems, die die Erde aus der Mitte des Kosmos rückte und der Lehre von der Evolution, die den Menschen in die lange Reihe tierischer Entwicklung stellt, besonders seine eigene Theorie über das Unterbewusste, das menschliche Selbstbild in der Moderne aufs Tiefste erschüttert und verunsichert hätte.

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Die Kränkung durch immer wieder aus dem Ruder laufende Kräfte und Regungen in uns selbst ist freilich wesentlich älter als die Erkenntnisse der Psychoanalyse. Um ihr etwas entgegen setzen zu können - so meine These - entwickelt nun eigenartigerweise im 18. Jhd. nicht die Ethik, auch nicht die Politik im klassischen Verständnis einer weisen Verwaltung des Gemeinwesens, sondern die Ökonomie neue Instrumentarien.  (19)

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3.1 Ökonomische Zügelung der Leidenschaft

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Die moderne Wirtschaftstheorie entwirft von ihren Anfängen an Modelle, die es ermöglichen sollen, Leidenschaften so zu arrangieren, dass sie gesellschaftsverträglich werden. Ziel ist es, die Urkraft der Passionen ins Joch zu spannen. Auf diese Weise gelingt es der Vernunft letztlich doch wieder, Herr über sie zu werden, auch wenn die innere Energie der Leidenschaften ungebrochen bleibt. Mit mathematischer Exaktheit und der Akribie des Naturforschers machte sich so der Leibarzt von Madame de Pompadour, François Quesnay (1694-1774) an die Erstellung seines Tableau économique, einer graphischen Darstellung wirtschaftlicher Kreisläufe, die er sich nach dem Vorbild des Blutkreislaufs im menschlichen Körper organisiert dachte. Politische Planung erschien bereits ihm, wie manch anderem prominenten Ökonomen in späteren Jahren,  (20) zu korrumpierbar und fehleranfällig, als dass sie die wirtschaftlichen Vorgänge zum Wohl aller zu gestalten vermöchte. Er setzte daher auf die Herrschaft der Natur  (21) und ihrer Gesetze auch in diesem Bereich und erhob das berühmte laissez faire zum Grundprinzip seiner Lehre. Im deutschsprachigen Raum dominiert zu jener Zeit die sogenannte Kameralistik, die - weit mehr als bloße Ökonomie - Gesetzmäßigkeiten zwischen Gütern und Menschen mit der Absicht formulierte, Regierungswissen, also Wissen darüber, wie die menschliche Gesellschaft gelenkt und geordnet werden kann, zu generieren.  (22) Auch dieses Denksystem orientierte sich stark an den jungen Naturwissenschaften.

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Im Werk des Klassikers der modernen Wirtschaftswissenschaft schlechthin, Adam Smith (1723-1790) findet sich das Thema der Zügelung von menschlicher Leidenschaft an prominenter Stelle. Auch Smith spricht bereits von Interesse, konkret vom Eigeninteresse, das gesellschaftlich so arrangiert werden soll, dass die dadurch motivierten Handlungen dem Wohl aller in der Gemeinschaft dienen. Auch er trennt also zwischen „verwertbaren" Interessen und quasi „unbrauchbaren" Leidenschaften. Wobei zweitere eher am Rande und nur en passant in Erscheinung treten, was m.E. weit verbreitete Fehlinterpretationen, zumindest aber eine einseitige Rezeption dieses Autors zur Folge hat.

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Eines der bekanntesten Zitate von Smith ist das Folgende:

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"Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers oder Bäckers erwarten wir das, was wir zum Essen brauchen, sondern davon, dass sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen. Wir wenden uns nicht an die Menschen- sondern an ihre Eigenliebe, ..."  (23)

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Die Wahrnehmung der eigenen Interessen durch jeden von uns hält somit nicht nur die Wirtschaft in Gang, sie versorgt auch die jeweils anderen mit dem Lebensnotwendigen. Darüber hinaus ist die keineswegs altruistische Interessenverfolgung, wenn sie in gewisse Marktregeln eingebettet bleibt, auch Quelle von Entwicklung und allgemeinmenschlichem Wohlstand. Dieser Gedanke wird wieder und wieder als Grundaxiom der liberal-marktwirtschaftlichen Gesellschaftsordnung genannt.

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Da Adam Smith aber keineswegs ein oberflächlicher Denker ist, fragt er sich auch, worin dieses Eigeninteresse denn eigentlich besteht, wodurch es inhaltlich bestimmt wird. Seine durchaus nüchterne, vielleicht auch ernüchternde Antwort auf diese Frage lautet:

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"Woher entsteht dann also jener Wetteifer, der sich durch all die verschiedenen Stände der Menschen hindurchzieht, und welches sind die Vorteile, die wir bei jenem großen Endziel menschlichen Lebens, das wir 'Verbesserung unserer Verhältnisse' nennen, im Sinne haben? Dass man uns bemerkt, dass man auf uns Acht hat, dass man mit Sympathie, Wohlgefallen und Billigung von uns Kenntnis nimmt, das sind die Vorteile, die wir daraus zu gewinnen hoffen dürfen. Es ist die Eitelkeit, nicht das Wohlbefinden oder das Vergnügen, was uns daran anzieht."  (24)

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Die Eitelkeit also begründet das Interesse, jene Eitelkeit, die aus dem Vergleich mit den anderen erwächst und sich an ihrem Urteil orientiert. Gerade die Dimension des Vergleichens und die daraus entstehende Dynamik, einander überflügeln zu wollen, macht aber deutlich, dass gerade die Eitelkeit und die eng mit ihr verwandten Emotionen des Neides und der Eifersucht keineswegs zu den harmlosen Leidenschaften zählen, sondern im Gegenteil zu jenen, die am meisten zur Gefährdung des inneren Friedens von Gemeinschaften beitragen. Smith weist somit unmissverständlich darauf hin, dass die exakte Trennung von Interesse und Leidenschaft letztlich nicht möglich und nur ein terminologischer Trick ist. Nichts desto weniger bleibt er aber seinem Grundgedanken treu, dass Leidenschaft im Feld der Ökonomie gefahrlos, ja letztlich segenbringend ausgelebt werden kann. Sein Vertrauen in die positive Wirkung des Strebens nach Vorrang und Reichtum bleibt ungebrochen.

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Smith gewinnt dieses Vertrauen aus seinem Gottesglauben. Vom Schöpfer - so seine Überzeugung - ist die Welt so eingerichtet, dass selbst aus Unvernunft und Laster der Menschen noch Heil entsteht. Das Heil der Menschheit ist daher auch getrost Gottes Fügung zu überlassen, ja es scheint geradezu menschliche Anmaßung zu sein, sich dafür verantwortlich zu fühlen. Vielmehr ist der Schöpfungsnatur freier Lauf zu lassen. Auch wenn Smith sich im Rahmen der christlichen Tradition bewegt, entspricht sein Gottesbild, das darin zum Ausdruck kommt, in Vielem nicht dem biblischen. Er setzt vielmehr einen deistischen Gott voraus, einen Uhrmacher, der die Welt einmal in Gang gesetzt hat und ihr nun selbst ihren Lauf lässt, weil sie wie ein mechanisches Getriebe nur einen ganz bestimmten, vorprogrammierten Weg gehen kann. Menschliche Freiheit und Schöpfungsverantwortung haben in einem solchen Konzept freilich wenig Raum und werden letztlich von einem starken Schicksalsglauben überlagert.

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Was am Ansatz von Adam Smith neben dem bislang gesagten weiter auffällt ist, dass Ehrgeiz, Ruhmsucht und Eitelkeit allesamt durch ökonomischen Erfolg befriedigbar scheinen. Das gesamte Motivbündel der "Jagd nach Reichtum, Macht und Vorrang"  (25) lässt sich offenbar kürzen und auf den gemeinsamen Nenner der Jagd nach Reichtum bringen. Das ist bezeichnend für alle Ansätze der ökonomischen Zügelung der Leidenschaft: sie Reduzieren die potenziell destruktiven menschlichen Antriebe auf den, der Habgier  (26). So war denn nun eines der alten Laster, ja eine Todsünde  (27) zum Heilmittel im Kampf gegen die Leidenschaften geworden. Die Habgier mit dem Etikett "Interesse" versehen wurde nun plötzlich als ehrbares Motiv anerkannt und "... mit der Aufgabe betraut, jene anderen Leidenschaften einzudämmen, die lange Zeit als viel weniger tadelnswert gegolten hatten." (28) Man könnte das Konzept salopp folgendermaßen charakterisieren: Wenn Müßiggang aller Laster Anfang ist, dann ist möglicherweise Geschäftigkeit (zu verstehen im wörtlichen Sinn des Geschäftemachens) aller Laster Ende.

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Wodurch qualifiziert sich das ökonomische Interesse für diese herausragende Stellung? Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass Berechenbarkeit ein entscheidendes Kriterium dafür ist, eine Leidenschaft zum Interesse zu erklären. Habgier scheint schon dadurch besonders kalkulierbar zu sein, dass sie als allgemeine Eigenschaft eingestuft wird, oder um es mit einem weitverbreiteten Ausspruch auszudrücken: Jeder ist käuflich; das ist nur eine Frage des Preises. Ob das eine wahre Behauptung ist mag dahingestellt bleiben, jedenfalls greift offenbar die Überzeugung um sich, sie sei es. (29)

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Noch wichtiger als die Allgemeinheit des Interesses am Haben dürfte aber die gute Formalisierbarkeit ökonomischer Interessen sein. Der Versuch Vor- und Nachteile einer Entscheidung abzuwägen mag nicht immer ganz einfach sein. Sobald man die Frage in die Logik des Preises übertragen hat, lassen sich Kosten und Nutzen weit eher veranschlagen. Und schließlich - was nicht übersehen werden sollte - sind Beziehungen, die in der abstrakten Sprache der Zahlen gepflegt werden, weitaus weniger konfliktanfällig als etwa politische, ethische, weltanschauliche oder religiöse Kontakte, die stets von Werthaltungen in ihrer ganzen diffizilen Pluralität beeinflusst und auch beeinträchtigt werden.

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So überrascht es wenig, dass die Ökonomie schließlich nicht nur mit der hypothetischen Annahme arbeitet, Menschen - sofern sie in das Wirtschaftsgeschehen verflochten sind - könnten durch das rationale Verfolgen von Eigeninteressen hinlänglich charakterisiert werden, sondern dieses Prinzip der individuellen Vorteilsmaximierung darüber hinaus zur allgemeinen Interaktionstheorie erhebt. (30)

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4. Triebhaft und rational - aber nicht leidenschaftlich

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Das Menschenbild das sich so allmählich breit zu machen vermochte ist jenes, das den Namen homo oeconomicus trägt. Der homo oeconomicus ist ein rationaler, egoistischer Nutzenmaximierer. Rationalität bedeutet in diesem Kontext die Fähigkeit, die in einer bestimmten Situation gegebenen Handlungsmöglichkeiten zu erkennen und die gemäß den eigenen Präferenzen beste Möglichkeit zu wählen. Oder um es mit den Worten eines deutsch-italienisch Philosophen zu sagen: "Rational ist ein Plan, wenn er möglichst gute Aussichten hat, möglichst viele und möglichst wichtige Wünsche zu erfüllen."  (31) Die dieser Rationalität folgenden, berechnenden Individuen, die einander als berechnende Individuen wahrnehmen, instrumentalisieren sich gegenseitig weitgehend als bloße Mittel der eigenen Interessenbefriedigung. Auf welche Ziele sich das Interesse richtet, das befriedigt werden soll, gibt entweder die Natur vor - im Sinne physischer Bedürfnisse - oder aber die Fantasie und Einbildungskraft des einzelnen entwirft sich Ziele, Präferenzen, Wünsche etc. " 'Ich rechne, also bin ich' - lautet (...) Die Identitätsformel des im Übrigen identitätslosen Homo oeconomicus."  (32)

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Ein solches Menschenbild und das daraus abzuleitende Gesellschaftsbild strahlen Sterilität und Kälte aus. Das freilich steht keineswegs im Widerspruch zur Ursprungsintention der Ökonomie als Instrument der Glättung von Leidenschaftswogen. Denn wer als rationaler Egoist gemäß dem eigenen Interesse handelt ist damit voll und ganz auf sich selbst zentriert, in einer Weise, die zwar jede Form von beabsichtigtem Altruismus, aber eben auch Neid und Missgunst ausschließt. (33) "Soweit er zu seinem 'Nächsten' nicht in einer besonderen Beziehung steht, bedeutet es ihm zunächst nichts, ob es diesem gut oder schlecht geht. Er blickt weder mit Neid noch mit Schadenfreude auf ihn, er erfreut sich aber auch nicht an seinem Wohlergehen." (34) So zumindest die Theorie

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Was diese Theorie vergessen zu haben scheint ist, dass an ihren historischen Wurzeln das Bewusstsein stand, dass jedes Interesse in Eitelkeit wurzelt, die zwar auch selbstzentriert ist, aber stets mit dem Umweg über den anderen und daher auch immer in prekärer Tuchfühlung mit Missgunst und Neid. Bei einem Autor wie Adam Smith war noch das Bewusstsein vorhanden, dass es naiv ist

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„..., das gesellschaftliche Leben als Inbegriff von Subjekt-Objekt-Beziehungen zu modellieren. Vielmehr dringt in die Subjekt-Objekt-Beziehung der Dritte ein - er mag nun Parasit heißen (wie bei Michel Serres), Partisan (wie bei Carl Schmitt) oder Rivale (wie bei René Girard)."(35)

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Die Ignoranz gegenüber diesem Faktum, die zumindest den neoliberalen Mainstream der Wirtschaftstheorie auf einem Auge blind macht,  (36) lebt von einer zentralen Voraussetzung: Das nach Kosten-Nutzen-Argumenten optimierte ökonomische Interesse muss in einem Feld der unendlich sich ausdehnenden Objekte potentieller Begierde sich bewegen können. Dann und nur dann kann es sich als harmlos und wenig konfliktiv erweisen.

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Dass dies so ist, wird deutlich, sobald man sich die sozial vermittelte Struktur des menschlichen Begehrens und somit auch der Interessen vergegenwärtigt. Das bedeutet, dass nur der allerkleinste Teil unserer Begierden und Wünsche durch die natürlichen Bedürfnisse vorgegeben ist, die wir als leibliche Wesen nun einmal haben. Diese so genannten Subsistenzbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung, eine schützende und wärmende Unterkunft etc. sind relativ leicht und rasch zu befriedigen. Alles was darüber hinaus geht - und das ist es ja was menschliche Kultur ausmacht -, ist Ausfluss der Orientierung aneinander. "Das Begehren ist nämlich immer auf den anderen bezogen."  (37) Der französisch-amerikanische Kulturwissenschaftler René Girard spricht in diesem Kontext von mimetischem Begehren, wobei das griechische Wort Mimesis für Nachahmung steht. Nachgeahmt wird ein Vorbild oder Modell von dem ein Individuum lernt, was begehrenswert ist. Daher kann gesagt werden: "Man wählt nicht das Objekt, sondern den Wunsch des anderen, das Wünschenswerte."  (38) So entstehen Moden und Trends, Dialekte und Kunststile. So entstehen aber auch Neid und Rivalitätskonflikte, denn wer den Wunsch des anderen zu dem seinen macht, kommt dem anderen früher oder später bei der Realisierung dieses Wunsches ins Gehege, sofern die Objekte der Begierde endlich und nicht teilbar sind.

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Die Unendlichkeit des Objektbereiches ist es daher gerade, die zwischen den einander bewundernden und beneidenden Subjekten Frieden schafft; zumindest einen Frieden der gegenseitigen Nicht-Einmischung. Wenn die Grenze des Erreichbaren sich immer weiter in die Ferne schiebt, wie ein Horizont, auf den ich mich zu bewege, bleibt der Wettlauf um den Siegeskranz im Gange und damit "harmlos". Erreichte Ziele haben nämlich einen doppelten Pferdefuß. Zum einen schaffen sie Feinde, weil Erfolg immer anziehend wirkt auf andere, die sich meine Wünsche zu eigen machen und sich damit längerfristig auch meinen Erfolg anzueignen drohen. Zum anderen enttäuschen erreichte Ziele für gewöhnlich auch,  (39) solange kein Ziel erreicht wurde, das die Frage, die der Mensch sich selbst ist, zu beantworten vermag. Die moderne Ökonomie verspricht uns eine solch befriedende Unendlichkeit. Sie verspricht uns die Unendlichkeit der Warenwelt, noch mehr aber die Unendlichkeit der Geldwelt.

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Die Logik des Kapitalismus besteht in ihrem Kern darin, Geld - sprich Kapital - zum eigentlichen Objekt der Begierde aller Wirtschaftsteilnehmer gemacht zu haben. Karl Marx hat dieses Zentrum der modernen Ökonomie entlarvt.  (40) War in älteren Wirtschaftsformen Geld lediglich ein Medium, das den Austausch von Waren räumlich, zeitlich und sozial erleichterte (eine Ware wird gegen Geld getauscht, mit dem anderswo oder zu einem späteren Zeitpunkt oder von einer anderen Person eine andere Ware erworben werden kann), so steht im Kapitalismus sowohl am Anfang als auch am Ende des Tauschprozesses Geld. Die Ware hingegen vermittelt nur noch das Werden des Geldes zu Geld. Kapital wird nicht deshalb in den Produktionsprozess investiert, um in den Besitz der hergestellten Waren zu gelangen, sondern um Gewinn zu lukrieren. Gewinn bedeutet mehr Geld. Geld ist nun aber gerade in seiner zeitgenössischen Form als Buchgeld, das im Grunde nur noch als Zahl in der virtuellen Welt elektronischer Medien existiert, weitgehend befreit von den Fesseln des Raumes und der Zeit. Das heißt konkret: Geld ist grundsätzlich grenzenlos vermehrbar  (41) und es ist grenzenlos begehrbar; denn nie ist ein absolutes Genug an Geld erreicht und immer wird es irgend jemanden geben, der noch mehr Geld hat und dem es daher als nachahmenswertem Modell nachzueifern gilt. Das Geld steht im Kapitalismus als Symbol für unser grenzenloses Begehren schlechthin. Dadurch erhält es eine geradezu religiöse Aura; (42) es kann so auch unsere Leidenschaften bündeln wie ein Brennglas.

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So lange das leidenschaftliche Begehren sich also auf dem zerdehnten Feld des stets erweiterten Warenangebotes austoben kann, bleibt es hinter der sachlich nüchternen Maske des Interesses gut verborgen. Ein durchaus effizienter Trick, der seine Überzeugungskraft aus der Tatsache gewinnt, dass das Unendlichkeit suggerierende Geld als Symbol auf alle nur denkbaren Waren verweist und die Waren ihrerseits auf Ziele wie Ansehen, Anerkennung, Erfolg, Geliebtsein, Begehrtsein etc. verweisen, die weit jenseits ihres materiellen Wertes liegen. Als Beleg dieses Zusammenhangs mag der Hinweis auf einen x-beliebigen Werbetrailer genügen.

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Somit lässt sich auch jenes Menschenbild aufrecht erhalten, das uns sagt, wir bestünden im Wesentlichen aus unvermittelt auf (materielle) Güter gerichteten Bedürfnissen und einer Vernunft, die es uns erlaubt diese Güter möglichst effizient zu erlangen. Der homo oeconomicus erscheint als glaubwürdiges Modell unseres Selbstverständnisses.

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Wir akzeptieren also eine Vorstellung, dergemäß wir einerseits vernunftbegabte Geistwesen sind, andererseits mit unserer Leiblichkeit aber auch noch in der Welt des tierisch Instinkthaften stehen, dessen naturgegebene Bedürfnisse zu befriedigen sind. Eine solche Vorstellung ist zweifellos richtig. Es stellt sich aber die Frage, ob sie auch umfassend ist, ob sie also wirklich erfasst, was den Menschen zum personalen Wesen macht, das in Freiheit anderen Freiheiten begegnen und so letztlich auch Partner Gottes werden kann. Dies wage ich zu bezweifeln.

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Geweckt wird dieser Zweifel dadurch, dass das Menschenbild des homo oeconomicus gerade jene menschliche Realität klammheimlich in Vergessenheit geraten lässt, die wir Leidenschaft nennen, und die weder in der rationalen, noch in der triebhaften Natur des Menschen aufgeht. Von einer Befreiung der Leidenschaften kann hier gerade nicht die Rede sein. Denn neben der Rationalität wird zwar die Begierde, das leibliche Bedürfnis, aber nicht das Begehren, das ein in der zwischenmenschlichen Begegnung gedeihendes Streben ist, akzeptiert. Im Bild des homo oeconomicus, das als Leitikone der kapitalistischen Marktgesellschaft gelten kann, werden Aspekte der menschlichen Realität korrekt porträtiert, aber eben nur Aspekte; es hinterlässt ein Zweidrittelbild des Menschen.

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Auf die volle, unbeschnittene Realität des Menschenwesens verweist Erich Fromm, wenn er zwischen Vernunft, instinkthaftem Trieb und Leidenschaft unterscheidet. Der Trieb sichert unser physisches Überleben. Die Leidenschaft hingegen richtet sich auf jene existentiellen Bedürfnisse, die mehr sind als Überlebensnotwendigkeiten. Ohne diese letztgenannte Komponente, wären wir wohl kaum mehr als findige Tiere. Denn - so Fromm -:"Der Mensch kann nicht als bloßer 'Gegenstand' leben, als Würfel, der aus einem Becher rollt; er nimmt ernstlich Schaden, wenn man ihn auf das Niveau eines Fütterungs- und Fortpflanzungsautomaten reduziert, selbst wenn er dabei jede Sicherheit erhält, die er braucht."  (43) Auch R. Girard will zwischen der triebhaften, bedürfnisorientierten Begierde und dem menschlich-leidenschaftlichen Begehren unterschieden wissen. (44)

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Die daraus folgende dreigliedrige Betrachtungsweise der menschlichen Natur findet sich freilich nicht erst in der zeitgenössischen psychologie. Bereits Platon unterschied drei Seelenteile des Menschen, wie er es nennt. Diese sind: der vernünftige, der triebhaft tierische und - zwischen diesen angesiedelt - der thymotische.  (45) Der griechische Begriff Thymos lässt sich schwer ins Deutsche übertragen. Manche Übersetzungen bedienen sich des Adjektivs „zornmütig".  (46) Der Grund dafür ist, dass es sich nach Platon bei Thymos auch um jenen Antrieb im Menschen handelt, der sich gegen Unrecht empört, das Eigene (im materiellen, wie im ideellen Sinn) verteidigt und zur Rache motiviert. Der Begriff hat aber doch wohl eine weitere Bedeutung. Thymos ist nämlich auch auf das "Machthaben, Siegen und Berühmtsein"  (47) gerichtet. Im Wesentlichen handelt es sich bei diesem Seelenteil daher wohl um ein 'Organ' der Anerkennung. Thymos als drittes Element neben Vernunft und instinkthaftem Trieb strebt also nach Achtung. Dies ist ein Gedanke, dem Georg Friedrich Hegel in seinem Werk breiten Raum gab. Der bekannte amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama fasst den überaus komplexen Gedankengang kurz so zusammen:

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"In der Phänomenlogie des Geistes beschreibt Hegel einen primitiven 'ersten Menschen', der zu Beginn der Geschichte lebt ... Hegels 'erster Mensch' unterscheidet sich ... dadurch radikal von den Tieren, dass seine Bedürfnisse sich nicht nur auf reale, im wahrsten Sinn des Wortes fassbare Objekte richten wie etwa ein Steak, eine warme Pelzjacke oder einen Unterschlupf zum Wohnen, sondern auch auf nicht materielle Objekte. Vor allem begehrt dieser Mensch das Begehren anderer Menschen, er will von anderen anerkannt werden."  (48)

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Was für den Menschen des Anfangs gilt, prägt im Denken Hegels den gesamten Lauf der Geschichte bis in die Gegenwart. Alles ist durchdrungen von der Sehnsucht des Menschen geachtet, geschätzt, geliebt oder gefürchtet zu sein - jedenfalls in den Augen der anderen einen Stellenwert zu haben und Ansehen zu genießen. Das macht den Menschen erst zum Menschen. Wer hingegen die bloße Existenz höher stellt als das Ziel des Anerkanntseins, degradiert sich selbst zum Knecht - wie Hegel es nennt -, der im Grunde nur noch ein Untermensch ist, oder eine zufriedene Kuh - wie Erich Fromm es bezeichnet.  (49)

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Anerkennungssehnsucht steht daher auch in engem Zusammenhang mit dem Thema der humanen Selbstachtung. Begriffe wie Freiheit und verantwortliche Lebensgestaltung sind aufs Engste damit verbunden. Wobei mehr gemeint ist, als die Freiheit aus der Fülle des Warenkorbes das eine oder das andere Objekt zu wählen, ohne jedoch jemals dem Gebot des Konsumzwanges zu entkommen.  (50) So betont Fukuyama, dass das "... Gefühl der Würde oder des Selbstwerts, das die Wurzel von Thymos bildet, mit der Ansicht des Menschen verwandt [ist], dass er ein moralisch handelnder sei, dem echte Wahlfreiheit offenstehe."  (51) Der Eifer und die Leidenschaftlichkeit des Thymos sind es also auch, die uns aus der Selbstbescheidung in einer Situation heraus reißen, in der wir unsere Ratio dem Diktat der Triebe unterwerfen und unsere Sehnsucht nach Achtung und Anerkennung in einer endlosen Tretmühle des Mehr-Habens-als-andere sich totlaufen lassen.

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Eine derartige Selbstbescheidung hatte bereits Friedrich Nietzsche (1844-1900) Mit bitterem Sarkasmus und beißendem Spott gegeißelt. Er spricht in seinem Zarathustra vom letzten Menschen, der nicht mehr den Pfeil seiner Sehnsucht über sich hinauswirft.

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„'Wir haben das Glück erfunden' - sagen die letzten Menschen und blinzeln. ... Ein wenig Gift ab und zu: das macht angenehme Träume. Und viel Gift zuletzt, zu einem angenehmen Sterben. Man arbeitet noch, denn Arbeit ist eine Unterhaltung. Aber man sorgt, dass die Unterhaltung nicht angreife. Man wird nicht mehr arm und reich: beides ist zu beschwerlich. Wer will noch regieren? Wer noch gehorchen? Beides ist zu beschwerlich. ... Man hat sein Lüstchen für den Tag und sein Lüstchen für die Nacht: aber man ehrt die Gesundheit. 'Wir haben das Glück erfunden' sagen die letzten Menschen und blinzeln."  (52)

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Das Glück und die Zufriedenheit des Letzten Menschen sind weder Tugend noch deren Ergebnis. Sie sind nicht Ausdruck der an ein Ziel gelangten Sehnsucht nach Erfüllung, sondern lediglich ein permanent weiter getriebenes Suchen nach neuen kleinen Sehnsüchten, vorläufigen Erfüllungen, neuen kleinen Sehnsüchten, vorläufigen Erfüllungen usw. Norbert Bolz spricht davon, dass das Streben nach Glück vom Glück des Strebens abgelöst wurde.  (53) Der letzte Mensch ist „...unfähig, Scham darüber zu empfinden dass er sich nicht über seine Bedürfnisse erheben kann." (54)

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5. Ist der leidenschaftliche Mensch noch zu retten?

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Wenn es also stimmt, dass das Weltbild der zeitgenössischen Ökonomie uns auf das Niveau eines klugen Tieres herabdrückt, so dass wir nur noch als amputierte Menschen in Erscheinung treten, und wenn wir zurecht ein Unbehagen in dieser Situation empfinden, stellt sich die Frage, welche Alternative uns denn noch bleibt. Gibt es einen Weg zurück zum Ritual, zur Überwachung durch externe Kontrolle oder zum puritanischen Moralismus  (55)? Können oder wollen wir diesen Weg nicht beschreiten, bleibt dann nur die Zügellosigkeit der Gewalt, die der Zügellosigkeit der Leidenschaften, die miteinander im Wettkampf um ihre Stillung stehen, entspringt?

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Tatsächlich scheint die Gewalt beständig vor der Tür unserer Welt zu lauern, die wir doch so trefflich nach dem sanften Maß des ewigen Marktfriedens eingerichtet haben. Denn die Amputation der Seele hinterlässt einen ziehenden Phantomschmerz. Die Frage, die der Mensch nicht nur hat, sondern ist, lässt sich nicht leugnen; sie fordert Antwort. Anders als das amputierte physische Glied vermag der abgespaltene und verleugnete Seelenteil nachzuwachsen. Häufig tut er dies dann aber in wucherndem Wildwuchs und in entsetzender Entstellung. Der Terror des 11. September 2001 und alles wofür er steht, hat in Fukuyamas Augen seine Wurzeln exakt in diesem entstellten Wiedererwachen der Leidenschaft. Denn die Menschen

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„... werden dagegen aufbegehren, undifferenzierte Mitglieder eines universalen, homogenen Staates zu sein, die überall auf dem Globus gleich sind. ... Sie wollen Ideale, für die sie leben und sterben können, und sie wollen ihr Leben riskieren, auch wenn durch die Ordnung des internationalen Staatensystems der Krieg nicht mehr möglich ist."  (56)

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Hollywood und McDonalds sind dabei die Chiffren einer Globalisierung, die die weltweite Ausbreitung des homo oeconomicus oder des letzten Menschen propagiert. Die Rebellion gegen diese Globalisierung hält das Banner des Thymos, des leidenschaftlichen Seelenfeuers hoch. Aber sie tut es großteils in einer ziellosen, rein destruktiven Art und Weise. Der Kampf ist ein Kampf um des Kampfes Willen geworden. Gleichgültig ob es nun die blonde Bestie oder der Gotteskrieger ist; die Macht vernichten zu können und dabei der Gefahr für das eigene Leben nicht zu achten, wird zum Siegel besonderen Adels, wird zum Zeichen des Übermenschen, der sich stolz gegen das degenerierte Konsumtier homo oeconomicus erhebt.

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Triste Aussichten sind das, wenn uns nur die Wahl zwischen bluttriefender Gewalt und wohlgeschmiertem Konsumismus bleibt, wenn die Weltgeschichte nur als Zickzacklinie des zwischen diesen beiden Polen hin und her schwingenden Pendels der Zeiten denkbar ist - hie und da gebremst durch diktatorische Macht. In dieser Trostlosigkeit setzen wir uns allerdings selbst gefangen, sofern wir unseren Ursprung vergessen und seine Präsenz in unserer Gegenwart ignorieren. Dieser Trostlosigkeit setzten wir uns aus, sofern wir auf unsere Gottebenbildlichkeit vergessen, die uns unendlich hoch stellt, uns zugleich aber jene Hybris verbietet, in der wir uns selbst an die Stelle des Urbildes setzten möchten.  (57)

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Als Wesen, die nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffen sind, können wir im Endlichen kein Ziel finden, das uns wirklich befriedigen würde. Als Wesen, die den Samen der Transzendenz in uns tragen, ist unsere Sehnsucht eine unendliche und auf das Unendliche gerichtet. Sofern wir das zu leugnen beginnen, demontieren wir unsere eigene Menschlichkeit.

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Richten wir diese unbegrenzte Sehnsucht, die Leidenschaft nach Anerkennung, die im Letzten Sehnsucht nach unbedingter Bejahung ist, aber auf Endliches - etwa auf irdische Güter - stürzen wir uns in das Chaos der gegenseitigen Vernichtung. Denn endliche Güter - werden sie zum unbedingten Ziel erhoben  (58) - führen notgedrungen in den rivalisierenden Konflikt mit anderen, der uns vor die ultimative Wahl stellt: Ich oder Du?! Aus dieser Zwangslage befreit uns auch "... das singuläre Schauspiel einer Kultur, die auf der Koppelung von entfesselter Masseneifersucht und entgrenzter Konsumgüterproduktion beruht."  (59) nicht. Die Opfer des Marktfriedens mögen aufgeschoben sein, in eine Zukunft, die vielleicht jenseits der eigenen Lebenszeit liegt und abgeschoben in die toten Winkel der medialen Weltaufmerksamkeit; sie fallen dennoch an. Und sofern sie sich zum destruktiven Gegenschlag gegen jene Gesellschaft erheben, deren ausgeschiedene Barbaren sie nur noch sind, mögen wir sie sogar ein wenig beneiden, um ihre impulsive, archaische Vitalität, die sogar das nackte Leben daran setzt, um ein "Ideal" zu verfolgen.

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Doch auch wer seine Hoffnung auf die nicht-materielle Anerkennung durch endliche Wesen setzt, läuft Gefahr sich in seinem leidenschaftlichen Begehren zu verfangen. Denn selbst unsere Fähigkeit zu lieben, uns anderen zuzuwenden und sie anzuerkennen ist eine begrenzte. Menschliche Liebe bleibt der Exklusivität verhaftet und damit der Gefahr der Eifersucht und des Neides ausgesetzt. Nur die Anerkennung durch ein Du, das bei mir präsent sein kann, ohne sich anderen dadurch zu entziehen, vermag unsere Sehnsucht derart zu stillen, dass wir einander nicht zu Rivalen werden. Dieses Du nennt der biblische Glaube Gott.

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Für den Kirchenvater Augustinus war daher einzig und allein der Mensch, der Gott dient, fähig dazu, seinen Leidenschaften zu gebieten. Ein Geist, der nicht im Dienst Gottes steht, ist für ihn ständig den Verführungen lasterhafter Dämonen preisgegeben.

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„Darum sind die Tugenden, die zu besitzen er sich einbildet, und durch die er dem Leib und den Leidenschaften gebietet, wenn er sich nicht Gott, sondern den Erwerb und Besitz anderer Güter, es mögen sein, welche sie wollen, als Ziel setzt, vielmehr Laster als Tugenden." (60)

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Im endgültigen Frieden der Gottesherrschaft wird es hingegen keine (leidenschaftlichen) Laster mehr geben, was zur Folge hat, dass die Menschen weder mit sich selbst noch miteinander streiten müssen. (61) Erinnern die von Augustinus angesprochenen vorgeblichen Tugenden nicht an jene des Konsumfriedens, an die Tugend der rationalen Nutzenmaximierung? Ist der homo oeconomicus nicht auch ein Mensch, der im Kampf mit den ihn bedrängenden Dämonen ein Bündnis mit Dämonen eingeht, weil er verkennt, wo ein befreiendes Ziel für sein Streben zu finden wäre? Ist es also nicht gerade die Gottvergessenheit der Moderne, die uns dazu zwingt, uns unsere Leidenschaft zu versagen, sie zu verleugnen?

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Meine Gedanken versuchten Argumente für eine Bejahung dieser Frage beizubringen. Die moderne Welt, insbesondere in ihrer Ausprägung als Konsumwelt muss meines Erachtens als Mittel zur Fesselung, ja Unterdrückung der Leidenschaft des Menschen mit den Mitteln der interessengeleiteten Rationalität gesehen werden. Damit gewinnen wir Frieden, aber einen faulen Frieden, der um den Preis unserer Selbstverstümmelung erkauft ist und damit überaus prekär bleibt. Wie eine christlich fundierte Alternative dazu gestaltet sein könnte, ist die Leitfrage des folgen Beitrages in diesem Buch.

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Anmerkungen:  

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 1. Die antike Philosophie der Stoa orientierte sich wie vor ihnen bereits die Epikuräer in der Ethik besonders am Prinzip der Apatheia, also der Leidenschaftslosigkeit. Dabei geht es darum, gleichsam über den eigenen Gefühlsregungen zu stehen und sich ihnen nicht blindlings auszuliefern. "Das Ziel der Tugend ist erst erreicht, wenn diese [die Affekte] ganz überwunden sind, die Seele von Leidenschaften befreit ist." Störig, H.J.: Kleine Weltgeschichte der Philosophie. Erweiterte Neuausgabe. Stuttgart 1998, 195 Weiter fordert die stoische Ethik auch Unerschütterlichkeit (Ataraxie) gegenüber den Widerfahrnissen, die von außen auf uns zukommen. Freilich besteht in diesem Zugang die Gefahr, dass Mangel an Emphase und emotionalem Engagement zu selbstgenügsamem Egoismus führen. Die Stoiker umschifften diese Gefahr größtenteils. Dem stoischen Apathiegedanken recht nahe verwandt sind fernöstliche Weisheitslehren wie jene Buddhas oder Lao Tses.

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2. Der Begriff Leidenschaft taucht in der deutschen Sprache erst im 17. Jahrhundert auf und entspricht der lateinischen Formulierung motus animi. Dies ist eine sehr weit gefasste Bezeichnung für emotionale Bewegtheit. Inhaltlich präzisere Entsprechungen für Leidenschaft im lateinischen Sprachgebrauch sind etwa desiderium (Begehren, Streben), libido (Verlangen, Begierde), voluptas (Lust, Liebhaberei), vitium (Laster, Fehler) etc. Darin spiegelt sich bereits die große Bedeutungsbreite des Terminus Leidenschaft.

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3. Der entsprechende englische Terminus lautet passion, der französische passion, der italienische passione.

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4. Kant, I: Die Metaphysik der Sitten. Hg. Von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften. Berlin 1902, Band 10, Kapitel XV, 408.

105
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5. Hegel, G.F.: Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundriss (1830), Herausgegeben von F. Nicolin/D. Pöggeler. Hamburg 1959, § 474, 383.

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6. Die alpenländischen Fastnachtsbräuche, die durchwegs aus heidnischen Winteraustreibungsriten hervorgegangen sind, stehen m.E. in einem anderen kulturgeschichtlichen Kontext, wenngleich sie im Laufe der Zeit wohl auch Karnevalselemente in sich aufgenommen haben.

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7. Man denke etwa an die Orgien-Mysterienspiele des Aktionisten Hermann Nitsch. Die Aussage des Künstlers, wonach Bestandteil der Veranstaltung auch "gebotener Exzess" sei, zeigt die Paradoxie aller ritualisierten Leidenschaftsableitung. Der orgiastische Exzess, das Schranken- und Regellose schlechthin, ist notwendig und wird angeordnet.

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8. Der deutsche Soziologe Niklas Luhmann etwa schreibt über Hierarchien: "Stratifikation regelt die Inklusion von Menschen in die Gesellschaft dadurch, dass sie bezogen auf Teilsysteme, Inklusionen und Exklusionen festlegt. Man kann nur einer Schicht angehören und ist genau dadurch von anderen Schichten ausgeschlossen." Luhmann, N.: Die Gesellschaft der Gesellschaft. Frankfurt a.M. 1997, 688. Der Terminus Karriere im Modernen Verständnis kann erst rückwirkend auf die gemeinten Gesellschaften angewendet werden, weil er ihrem Geist im Grunde völlig fremd ist.

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9. Man ist geneigt im Ungeheuer ungezügelte, destruktive Kräfte des Menschen selbst zu erkennen. Wer Herr über diese Kräfte ist, erhält auch die Erlaubnis die Grenzen gesellschaftlicher Hierarchie zu durchbrechen.

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10. Tillich, P.: Sein und Sinn. Zwei Schriften zur Ontologie (Werke 11) Stuttgart 1969, 125ff.

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11. Beeindruckendes literarisches Zeugnis einer Gesellschaft, in der externe und interne Kontrolle, einander perfekt ergänzend, Menschen fest in ihrem Griff haben, ist der Roman Der scharlachrote Buchstabe von Nathaniel Hawthorne (1804-1864), der im puritanischen, nordamerikanischen Kleinstadtmilieu des 17. Jhds. spielt.

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12. Ein 1780 erschienenes geschichtsphilosophisches Werk Lessings trägt den Titel Die Erziehung des Menschengeschlechts.

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13. Eine der vier Kardinaltugenden der antiken Tradition ist die Mäßigung (Sophrosyne). Sie verweist darauf, dass menschliche Eigenschaften oft nur deshalb von der Tugend zum Laster werden, weil sie in ein Zuviel oder ein Zuwenig abgleiten. Nach Aristoteles ist das Gute stets in der Mitte zu suchen, im rechten Maß.

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14. Weisung der Väter. Apophthegmata Patrum, auch Gerontikum oder Alphabetikum genannt. Eingeleitet und Übersetzt von Bonifaz Miller. Freiburg i.Br. 1965, Spruch 885, 290.

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15. Es ist wohl kein Zufall, dass ein solcher Gedanke sich in einer Zeit aufblühender Naturwissenschaft entwickelt. Die Logik der Physik Newtons wird auf das Seelenleben des Menschen übertragen. Mechanistische Modelle vom Wesen des Menschen entstehen, in denen Emotionen wie die kosmischen Kräfte der Anziehung und Abstoßung von Massen behandelt werden.

116
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16. Vgl. Hirschman, Albert O.: Leidenschaften und Interessen. Politische Begründung des Kapitalismus vor seinem Sieg. Frankfurt a.M. 21984, 36; auch Vogl, Joseph: Kalkül und Leidenschaft. Poetik des ökonomischen Menschen. München 2002, 43f.

117
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17. Vgl. Vogl, Kalkül und Leidenschaft (s. Anm. 16), 40.

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18. Auf Grundlage dieser Haltung konnte Immanuel Kant Leidenschaft nur als eine Art Geisteskrankheit bezeichnen.

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19. Der Kanadische Philosoph Paul Dumouchel spricht in diesem Sinne geradezu von einer Ablöse von Moral und Politik durch Ökonomie. Vgl. Dumouchel P./Dupuy J.-P.: Die Hölle der Dinge. René Girard und die Logik der Ökonomie. Thaur 1999, 179f.

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20. Ich denke hier besonders an Adam Smith oder Friedrich August von Hayek.

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21. Davon leitet sich der Name dieses ökonomischen Konzeptes ab: Physiokratie.

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22. Vgl. Vogl, Kalkül und Leidenschaft (s. Anm. 16), 67-69.

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23. Smith, A.: Der Wohlstand der Nationen. Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen. Aus dem Englischen übertragen von H.C. Recktenwald. München 1974, 17.

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24. Smith, A.: Theorie der ethischen Gefühle. Nach der Auflage letzter Hand übersetzt von W. Eckstein. Hamburg 1926, 71

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25. Smith, A.: Ebd.

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26. Adam Smith scheint Habgier persönlich durchaus verabscheut zu haben, was ja auch seiner stark stoisch geprägten Ethik entspricht. Wir wissen auch, dass er selbst ein sehr bescheidenes, geradezu asketisches Leben führte und einen großen Teil seiner Einkünfte für karitative Zwecke verschenkte. Auch über Eitelkeit äußerte sich Smith überaus kritisch. Individuelle Tugendhaftigkeit erscheint ihm aber nicht als tragfähiges Fundament einer Gesellschaftsordnung, da sie seiner Ansicht nach nicht in ausreichendem Maße vorhanden ist.

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27. Avaritia, Geiz oder Habgier zählt in der abendländischen Tradition neben Stolz, Neid, Zorn, Wollust, Unmäßigkeit und Trägheit zu den sieben Todsünden.

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28. Hirschman, Leidenschaften (s. Anm. 16), 50.

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29. Dieser Überzeugung entspringt offenbar auch das im 17. Jhd. in England entstandenes Sprichwort: "Interest will not lie." Das Mehr-Wollen ist demnach ein ungeschminkt sich präsentierendes Begehren, das wohl auch wegen seiner Üblichkeit wenig Grund zu Scham und Verstellung kennt. Vgl. Hirschman, Leidenschaft (s. Anm. 16), 50.

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30. Der Münchner Wirtschaftsethiker Karl Homann spricht von Ökonomik als Modell der Erklärung menschlichen Handelns in allen Lebensbereichen, nicht mehr nur im wirtschaftlichen. Vgl. Homann, K./Suchanek, A.: Ökonomik: Eine Einführung. (Neue ökonomische Grundrisse) Tübingen 2000. Diese Ausweitung des Denkmodells nennt er selbst ökonomischen Imperialismus. „Wissenschaftler, Politiker und Wirtschaftssubjekte reagieren im Prinzip in der selben Weise rational auf die Situationen, in denen sie stehen, wenn auch die ‚Währung', in denen ihre Kosten und Nutzen anfallen, verschieden sein können ..." Homann, K./Pies, I.: Wirtschaftsethik in der Moderne: Zur Ökonomischen Theorie der Moral. In: Ethik und Sozialwissenschaften 5 (1994 a), 3-12, 7.

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31. Hösle, V.: Moral und Politik. Grundlagen einer Ethik für das 22. Jahrhundert. München 1997, 181.

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32. Ulrich, P.: Integrative Wirtschaftsethik. Grundlagen einer lebensdienlichen Ökonomie. Bern 1997, 188.

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33. Vgl. Kirchgässner, G.: Homo Oeconomicus. Das ökonomische Modell individuellen Verhaltens und seine Anwendung in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Tübingen 1991, 16.

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34. Ebd., 46.

135
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35. Bolz, N., Das konsumistische Manifest. München 2002, 54.

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36. Auf nur einem Auge besteht diese Blindheit offensichtlich, bedenkt man, dass die moderne Ökonomie im Bereich von Marketing und Werbung permanent bewusst und sehr effizient mit dem Motiv des Neides und der Eitelkeit arbeitet.

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37. Bolz, Das konsumistische Manifest (s. Anm. 35), 100.

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38. Bolz ebd. „Was man Begehren oder Leidenschaft nennt, ist nicht zufällig oder manchmal, sondern immer mimetisch, das heißt nachahmend. Unser Begehren kennzeichnet nicht unser tiefstes Wesen, sondern hat einen fremden Ursprung. Es ist vor allem sozial ..." Girard, R.: Gewalt und Gegenseitigkeit. In: Sinn und Form 54 (2002), 437-454, 438.

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39. Bolz, Das konsumistische Manifest (s. Anm. 35), 99: "I can't get no satisfaction - das ist das ganze Geheimnis des Begehrens. Mit anderen Worten: Das Begehren des Menschen zielt immer auf etwas, das nicht benennbar ist. Und deshalb muss man kaufen und kaufen." Ausführlich werden die philosophischen und psychologischen Grundlagen dieses Phänomens der Enttäuschung durch Erfolg beschrieben in. Dumouchel/Dupuy, Die Hölle der Dinge (s.Anm. 19): 123-126. Vgl. auch Girard, R: Figuren des Begehrens. Das Selbst und der Andere in der fiktionalen Realität. (Beiträge zur mimetischen Theorie 8) Thaur/Münster 1999, 174.

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40. Marx beschreibt den Wechsel vom Tauschschema W-G-W (Ware-Geld-Ware) zum Schema G-W-G (Geld-Ware-Geld) in: Zur Kritik der Politischen Ökonomie. In: Marx, K./ Engels, F.: Werke. Band 13. Berlin 71971, 101f.

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41. Auf den internationalen Kapital- und Devisenmärkten wird heute in großer Unabhängigkeit von der Realgüterproduktion Geld vermehrt. Dennoch stehen auch dies Märkte freilich auf dem Fundament der Produktion von Gütern und Dienstleistungen, die immer auch Ressourcen verbrauchen. Die Unendlichkeit des Geldes bleibt angesichts der Endlichkeit dieser Ressourcen daher letztlich Illusion. Daraus entsteht das Problem, dass wir unseren Lebensraum massiv überbeanspruchen. Die daraus resultierenden ökologischen und humanitären Katastrophen sind bekannt.

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42. Zur religiösen Dimension unseres Wirtschaftssystems vgl. Palaver, W.: Kapitalismus als Religion. In: Quart. Zeitschrift des Forums Kunst-Wissenschaft-Medien. Nr.3+4 (2001) 18-25.

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43. Fromm, E.: Anatomie der menschlichen Destruktivität. Stuttgart 1974, 7.

144
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44. Girard: Gewalt und Gegenseitigkeit (s.Anm. 38), 438. Begierde übersetzt dabei den französischen Begriff appétit, Begehren hingegen désir.

145
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45. Vgl. Platon: Der Staat. Buch IV. zitiert nach: Jubiläumsausgabe sämtlicher Werke IV. Zürich 1964, 245. Platon ordnet den drei Seelenteilen drei Stände im Staat zu, den er, wie in der Antike üblich, in Parallele zur menschlichen Person gestaltet sieht. Der Vernunft entsprechen die Leiter und Lenker des Staates, die er als Philosophenkönige beschreibt. Dem Trieb entspricht der sogenannte Nährstand, also Bauern und Handwerker, die für das Lebensnötige sorgen. Dem thymotischen Seelenteil entsprechen die Wächter der inneren und äußeren Ordnung, also die Kriegerklasse. Aristoteles vertritt zwar eine Zweiteilung der Seele in rationale und irrationale Bestandteile - demgemäß unterscheidet er auch Tugenden des Verstandes und des Charakters - dennoch vermag er das allgemeine Begehrens- oder Strebevermögen des Menschen diesen beiden Sphären nicht wirklich eindeutig zuzuweisen und platziert es irgendwo dazwischen. Vgl. Aristoteles: Nikomachische Ethik. Buch I, 13, 1102a-1103a.

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46. Adam Smith verwendet parallel dazu in seiner Theorie der ethischen Gefühle den englischen Begriff irascible.

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47. Platon: Der Staat. Buch IX (s.Anm. 45), 457.

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48. Fukuyama, F.: Das Ende der Geschichte. Wo stehen wir? Aus dem Amerikanischen von H. Dierlamm, U. Mihr und K. Dürr. München 1992, 207.

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49. Vgl. Fromm: Anatomie (s.Anm. 43), 240.

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50. Vgl. Willke, H.: Atopia. Studien zur atopischen Gesellschaft. Frankfurt a.M. 2001, 13. Der Autor beschreibt den Marktmechanismus als System, das die Menschen vor allem als Konsumenten zwar noch braucht, diese aber in eine vorgegebene Form einschließt, wie Ziegel in einer Mauer: "Die Person ist 'just another brick in the wall'. Der einzelne darf sich rational und eigennützig verhalten, aber indem er dies tut, vollzieht er eine Systemlogik, die nicht die seine ist und die keine Rücksicht auf kollaterale Schäden nehmen kann."

151
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51. Fukuyama: Das Ende der Geschichte (s.Anm. 48), 236.

152
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52. Nietzsche, F.: Also sprach Zarathustra. Ein Buch für alle und Keinen. Zarathustras Vorrede 5. Werke - kritische Gesamtausgabe hg. Von G.Colli und M. Montinari VI,1. Berlin 1968, 12-14. Nietzsches Lösung ist freilich der Rücksichtslose Weg der Macht, der Weg zum Übermenschen, der bedenkenlos über seine Opfer hinweggeht und jegliche Schwachheit verachtet.

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53. Bolz, Das konsumistische Manifest (s. Anm. 35), 89.

154
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54. Fukuyama: Das Ende der Geschichte (s.Anm. 48), 400f.

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55. Dieser scheint ja mit seiner weltverneinenden Askese gerade der totalen Verzweckung und Ausbeutung der Schöpfung und damit auch dem Siegeszug der kapitalistischen Wirtschaftsform den Weg geebnet zu haben. Vgl. Scheler, M.: Ethik und Kapitalismus. Zum Problem des kapitalistischen Geistes. Hg. Und eingeleitet von K. Lichtblau. Frankfurt a.M. 1999, 103.

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56. Fukuyama: Das Ende der Geschichte (s.Anm. 48), 416. "Ein Begehren das keine Anerkennung findet, schlägt um in die Zerstörung des anderen.", schreibt Bolz in: Das konsumistische Manifest (s.Anm. 35), 2002, 55.

157
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57. Vgl. Oberforcher, R.: Zur Anthropologie des biblischen Schöpfungsglaubens. In diesem Band.

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58. Als Mittel zum Zweck der Sicherung und Verschönerung unserer Existenz benötigen wir sie freilich. In diesem Sinn hat das Streben auch nach irdischen Dingen einen vertretbaren und guten Sinn.

159
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59. Sloterdijk, P.: Erwachen im Reich der Eifersucht. Nachwort zu: Girard, R.: Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz. Eine kritische Apologie des Christentums. Aus dem Französischen von E. Mainberger-Ruh. 441-254, 253.

160
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60. Augustinus, A.: Vom Gottesstaat (De civitate die). Aus dem Lateinischen Übertragen von W. Thimme. Buch 11-22. Düsseldorf 41997, 579.

161
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61. Vgl. ebd. 582. Die Begriffe Leidenschaft und Laster übersetzen hier die gleiche Vokabel, nämlich vitium. Dieser Begriff ist wesentlich enger als der Leidenschaftsbegriff, den ich voraussetze und rein negativbesetzt.

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