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Sandler Willibald: Eucharistische Erneuerung
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Eucharistische Erneuerung

Autor:Sandler Willibald
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:
Publiziert in:W. Guggenberger / N. Wandinger (Hg.), Sakramente - Tote Riten oder Quelle der Kraft? Vorträge der achten Innsbrucker Theologischen Sommertage 2007 (theologische trends 17). 2008, 84-121.
Datum:2008-12-11

Inhalt

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1. Eucharistie - eine strömende Kraftquelle?

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Liturgie, und damit vor allem die Feier der Eucharistie „ist der Höhepunkt, dem das Tun der Kirche zustrebt, und zugleich die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt" (2. Vatikanum, Liturgiekonstitution, Art. 10).1 Aber erfahren wir unsere Messfeiern wirklich als strömende Kraftquellen? Gewiss gibt es viele Christen, die das von Herzen bejahen können. Dafür sind gewiss die liturgischen Erneuerungsbewegungen seit Beginn des 20. Jahrhunderts mitverantwortlich. Sie mündeten in die Liturgiereform nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil: Volkssprache, Volksaltar, neue Hochgebete, überarbeitete Lesungsordnungen und das Leitprinzip einer tätigen Teilnahme des ganzen Kirchenvolkes ermöglichen den Christen ein tiefes gemeinschaftliches Eintauchen in das Geheimnis der Eucharistie.

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Viele hingegen empfinden die Eucharistiefeiern als relativ kraftlos, - trotz oder wegen der Liturgiereform. Ihnen scheint die Statistik Recht zu geben. Die Kirchenbesuche sind in Deutschland und Österreich in den vergangenen 40 Jahren um gut die Hälfte zurückgegangen.2 Trotz einer gewissen Stabilisierung und vorsichtigen Anzeichen für eine neue Attraktivität von Gottesdiensten in den vergangenen Jahren3 ist der Eindruck einer fortgesetzten Krise von Religion, Kirche und Liturgie verbreitet. Er verführt zu gegenseitigen Schuldzuweisungen und verschärft die Polarisierung zwischen progressiven und konservativen bzw. traditionalistischen Christen.4 Letztere machen die Liturgiereform für den Plausibilitätsverlust des Christentums verantwortlich: Der feierliche Vollzug des eucharistischen Mysteriums wäre durch aktivistische Betriebsamkeit und achtlose Geschwätzigkeit profanisiert worden.5 - Im direkten Gegensatz dazu machen liberale Christen die Zugeständnisse Roms an traditionalistische Gruppierungen für eine latente Kirchenkrise verantwortlich. Die Liturgiereform sei auf halbem Wege steckengeblieben und würde nun hinter Erreichtes zurückfallen: Die Sprache der Hochgebete sei immer noch zu weit vom heutigen Sprachgebrauch entfernt. Spielräume für die Mitwirkung von Laien und insgesamt zu kreativer Gestaltung wären durch die römische Instruktion „Redemptionis sacramentum"6 aus dem Jahr 2004 stark reglementiert worden. Eine einschränkende Neuübersetzung der weltoffenen Formulierung „für alle" in den Wandlungsworten - in „für viele" oder „für die vielen" - steht bevor.7 Eine verschärfte Unduldsamkeit in Bezug auf ökumenische Interkommunion und Kommunionempfang von wiederverheirateten Geschiedenen verfestige das unattraktive Bild einer „mauernden" Kirche.

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Polarisierungen haben die fatale Wirkung, dass sie - zentrifugal - den Bezug zur Mitte verstellen.8 Liturgie lebt aber vom Bezug zur Mitte, - von ihr her strömt ihre Quellkraft. Die Mitte der Eucharistie ist der dankbar empfangende und lobpreisende Bezug zum Gott Jesu Christi. Das klingt selbstverständlich, lässt sich aber innerhalb von Reformdiskussionen nur schwer konkretisieren. Man kann es nicht machen, sondern sich nur schenken lassen, - und das nur in einer entspannten, festlichen Atmosphäre, die nicht auf Abgrenzungen fixiert ist. In der Hitze der Kontroversen scheint ein lebendiger Gottesbezug allenfalls noch als Wert auf, dessen Verlust man den Gegnern vorwirft.

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Ein Gedankenexperiment kann die Problematik verdeutlichen: Stellen Sie sich vor, sie sollen einen Wunschkatalog für eine liturgische Erneuerung im 21. Jahrhundert zusammenstellen. Was muss Ihrer Meinung nach unbedingt erreicht werden? Vielleicht würden Sie Änderungen bei den Zulassungsbedingungen verlangen: Der Kommunionempfang soll für wiederverheiratete Geschiedene möglich werden; ebenso für Christen aus anderen Konfessionen. Oder sie erwarten umgekehrt, dass sich Priester und Bischöfe endlich an die römischen Bestimmungen halten. Vielleicht steht eine Verflüssigung der liturgischen Strukturen auf Ihrer Liste, mit mehr Spielräumen für kreative Gestaltungsmöglichkeiten; oder umgekehrt eine effektivere Vermeidung von zweifelhaften liturgischen Experimenten. Vielleicht wünschen Sie Reformen beim Priesteramt: die Aufhebung des Zölibats oder die Weihe von Frauen; oder sie hoffen, dass genau das nicht passieren wird. - Stellen Sie sich nun vor, Ihr kompletter Wunschkatalog wäre bereits Wirklichkeit geworden. Wäre für eine so veränderte Kirche garantiert, dass die Eucharistie für sie in vollem Maße strömende Kraftquelle ist? Vermutlich wären Hindernisse für das Strömen dieser Kraft beseitigt. Aber was ermöglicht positiv, dass Kirche von dieser Quelle gespeist wird?

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Kirche, das ist die Gesamtheit aller Christen, repräsentiert durch die messfeiernde Gemeinde. Für diese Menschen als je einzelne und als Gemeinschaft miteinander sollte laut dem eingangs genannten Konzilszitat die Messfeier der Höhepunkt sein, dem all ihr Tun zustrebt, und die Quelle, aus der ihre Kraft strömt. Verbesserungen des „Angebots" Eucharistie sowie der sie regelnden Strukturen sind dafür gewiss wünschenswert, vielleicht sogar unverzichtbar, aber nicht ausreichend. Entscheidende Veränderungen müssten bei den Christen, bei den Kirchbesuchern selber erfolgen. Man kann hier von Motivation, sakramentaler Disposition oder Eucharistiefähigkeit sprechen. Bei all dem geht es vor allem um eines: dass im Besuch der Messfeiern die Liebe zum dreieinen Gott, zu Jesus Christus, zur Eucharistie und damit zur Kirche in den Herzen der Menschen hell auflodert.

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Aber lenkt die Konzentration auf eucharistische Spiritualität nicht von den Anliegen eucharistischer Reform ab? Die Geschichte der Liturgischen Erneuerung bestätigt das Gegenteil. Die Liturgiereform nach dem Zweiten Vatikanum war die einschneidenste in der gesamten Kirchengeschichte. Möglich wurde sie durch sechzig Jahre liturgischer Bewegung bzw. Erneuerung. Diese brachte während der ersten zwanzig Jahre kaum Reformimpulse ein.9 Für ihre Anfangszeit gilt: „Das vorrangige Anliegen der Liturgischen Bewegung war keineswegs die Liturgiereform, sondern die Erneuerung des Glaubenslebens aus der Liturgie."10 In der bewusst vollzogenen gemeinschaftlichen Feier der Eucharistie ging den Menschen Gott auf. Es war schlicht und einfach diese Erfahrung, die intellektuelle Eliten ebenso in die Kirche führte wie breite Strömungen der Jugend, - und einem unansehnlichen Katholizismus eine Attraktivität verlieh, die wenige Jahrzehnte zuvor schlichtweg unvorstellbar war.11

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Erfahren wir die Eucharistie als strömende Kraftquelle - in einem angemessenen Maß? Eine Antwort auf diese Frage ist relativ. Sie hängt davon ab, wie viel an Kraft wir ihr als möglich zutrauen. Schauen wir auf den geschichtlichen Ursprung der Eucharistie, dann müssen wir hier einen sehr hohen Maßstab ansetzen. Den Leitsatz für eucharistische Erfahrung gaben wohl die Emmausjünger, als sie an ihre Wanderung mit dem unerkannten Jesus zurückdachten: „Brannte uns nicht das Herz?" (Lk 24,32). - Eucharistie ist in ihrer Mitte Begegnung mit dem auferstandenen Jesus Christus. Hierin liegt die Quelle ihrer Kraft. Um diese zu ermessen, müssen wir nachvollziehen, was die Begegnung mit Jesus Christus für Menschen vor zweitausend Jahren bedeutet hat.

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2. Die verwandelnde Kraft der Begegnung mit Jesus nach den Evangelien

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Eines fällt sofort auf, wenn wir die Evangelien lesen: Die Begegnung mit Jesus erzeugte eine ungeheure Wirkung, - teils positiv, wenn Menschen alles liegen und stehen ließen, um ihm zu folgen, aber auch negativ: Er hat unglaubliche Aggressionen ausgelöst. Grund für diese Ausstrahlung Jesu war seine Verbundenheit mit dem göttlichen Vater. Von daher erschloss Jesus den Menschen einen Zugang zu Gott. Das wirkte befreiend, aber auch bedrohlich.

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Um das nachvollziehen zu können, müssen wir jenen durchschnittlichen Zustand verstehen, den die Bibel als „sündig" bezeichnet: Durch problematische Vorbilder und infolge von erfahrenen Verletzungen haben Menschen von Kind an eine harte Schale entwickelt, mit der sie sich gegenüber anderen profilieren und vor ihnen schützen. Diese harte Schale ist zutiefst verwachsen mit der personalen Identität eines Menschen, - mit seiner Lebensgeschichte, den bestimmenden Beziehungen, gesellschaftlichen Rollen und erworbenen Fähigkeiten.12 Menschen sind durch eine „harte Identität" festgelegt, mit der sie sich auf bestimmte Merkmale hin definieren, von bestimmten Menschen (die diese Merkmale nicht haben) abgrenzen und mit anderen (die diese Merkmale in hervorragendem Maße besitzen) bis zur Verschmelzung identifizieren. Im Hinblick auf Ausgrenzung und identifizierende Zugehörigkeit berühren sich individuelle und gemeinschaftliche bzw. gesellschaftliche Identität: Ich bin wer ich bin, weil ich nicht so bin wie diese und jene anderen. - Wir sind wer wir sind, weil wir nicht so sind wie diese und jene anderen.

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Solche harte (grenzbestimmte, greifbare, vorweisbare) Identität führt in verschiedener Hinsicht zu Entfremdungen:

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  • Entfremdung von anderen Menschen, denen gegenüber ich abgrenzende Mauern aufbaue oder die ich nur mit Vorbehalt akzeptiere: nämlich insoweit, als sie bestimmte Kriterien erfüllen. Liebe, deren Wesen eine bedingungslose Akzeptanz von Menschen ist, wird hier unmöglich, und zwar sowohl im Lieben als auch im Geliebtwerden von anderen. Dabei wird unser tiefstes Verlangen nur erfüllt durch die Erfahrung von Liebe, in der wir bedingungslos um unserer selbst willen angenommen werden und fähig sind, andere Menschen bedingungslos um ihrer selbst willen anzunehmen.
  • Entfremdung gegenüber mir selbst, weil ich mich auf bestimmte eigene Merkmale fixiere, die hilfreich sind für soziale Akzeptanz, aber meinem Wesen vielleicht gar nicht entsprechen. Ich kann mich dann nur selber annehmen, soweit ich diese Merkmale bei mir vorfinde. Echte Selbstliebe wird so unmöglich.
  • Entfremdung gegenüber Gott, für den jeder Mensch (auch ich selbst) und alles Geschaffene von seinem Wesensgrund her Bild ist, - aber dieses Ebenbild ist verstellt durch festlegende Identifizierungen. Gottes Liebe kann mich so nur mehr in gebrochener Weise erreichen: gebrochen von außen - durch Mitmenschen und die Welt - und gebrochen von innen, von jenem Ursprungspunkt meiner Existenz, von dem her ich als Gottes Geschöpf bleibend gut bin.
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Wir müssen uns die Ausstrahlung von Jesus - also nicht nur das, was er sagte und wie er handelte, sondern die Gesamtheit seines erscheinenden Seins - so vorstellen, dass sie bei den begegnenden Menschen die Schalen ihrer harten Identität unterlief oder aufgesprengte und Gottes Liebe so in einer ungekannten Intensität erfahrbar machte.

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In diesem Zusammenhang lässt sich Jesu zentrale Botschaft vom Gottesreich erschließen: „Die Zeit ist gekommen, das Gottesreich ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium" (Mk 1,15). Begegnung mit Jesus bedeutet eine besondere Gnadenzeit - „die Zeit (Kairós) ist gekommen -, in der sich unerwartet der tief verstellte Zugang zum wahren, liebenden Gott neu öffnet. Ineins damit werden echte Nächstenliebe und Selbstliebe möglich. Die Begegnung mit Jesus schafft so den Untergrund zum Wachstum einer erneuerten, heilen Form liebender Gemeinschaft, die ganz um einen wahren, unverstellten Gottesbezug zentriert ist:13 „Das Gottesreich ist nahe."

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Dass Jesus bei den ihm Begegnenden die „Schalen harter Identität" und die damit verbundene Entfremdung durchbricht, bedeutet allerdings nicht, dass diese Kräfte automatisch entmachtet sind. Es hat erst eine partiale Ablösung stattgefunden: Die stolzen oder ängstlichen, aggressiven oder defensiven Selbstdefinitionen bleiben als Teil der eigenen Geschichte mit einer hohen Definitionsmacht erhalten; sie sind nun aber nicht mehr selbstverständlicher und damit unerkennbarer Kernbestand des eigenen Selbst, sondern können von dem gnadenhaft freigelegten wahren Seinsgrund her objektiviert und wahrgenommen werden. Die von Jesus angesprochene Person wird frei, dazu Stellung zu nehmen. Sie kann sich davon distanzieren, um sich so entschieden auf das Fundament des sich erschließenden Gottes zu stellen. Tut sie das, dann folgt sie damit Jesu Aufruf: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium."

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Der durch die Begegnung mit Jesus freigesetzte Mensch kann aber auch die objektivierten Bestandteile harter Identität erneut wählen. Die Versuchung dazu besteht vor allem für „Reiche", die durch ihre Umkehr viel zu verlieren hätten: Ansehen, materiellen Wohlstand, die Zugehörigkeit zu einer elitären Klasse. Wer seine durch die Begegnung mit Jesus kritisch objektivierten „harten" Identitätsanteile erneut wählt, muss ineins damit den Grund ihrer kritischen Objektivierung zurückweisen, nämlich Jesus und den, in dessen Namen er wirkt: Gott.

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Jesus beschreibt diese negative Wahl als Herzensverhärtung und warnt dringend vor ihr.14 Wer durch die Begegnung mit Jesus von seiner Sünde (und ihrer Folge: der Verblendung) befreit und so frei wurde, Gott von Angesicht zu Angesicht zu wählen, kann mit einem Nein sein Heil endgültig verwirken.15

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Müssen wir einen solchen definitiven Heilsverlust für Pharisäer und Schriftgelehrten und andere, die Jesus ablehnten, annehmen? Tatsächlich hat Jesus sie dringend vor dieser Gefahr gewarnt, aber er bemühte sich auch weiterhin um sie, und das macht nur Sinn, wenn ihre Entscheidung gegen Gott noch nicht besiegelt war. Das wiederum ist nur möglich, wenn sie auch durch die Begegnung mit Jesus nicht einen völlig freien Blick auf Gott gewonnen haben. Wir müssen annehmen, dass ihre „Schale harter Identität" durch Jesu Gottesreich-Ankündigung nicht voll durchbrochen werden konnte.16 Wir stoßen hier auf die Macht der Sünde in ihrer kollektiven Dimension. Individuelle und gemeinschaftliche Identität sind eng miteinander verwoben. Isolierte Einzelmenschen, - Arme, Ausgegrenzte und Menschen, die niederere Positionen in der Gesellschaft einnahmen (Frauen und Kinder) -, waren nicht so stark in der Sündenmacht kollektiver Identität verstrickt: sie konnten Heilung, Befreiung und Sündenvergebung erfahren. Viele der Reichen und Angesehenen waren aber tiefer in die kollektive Macht der Sünde verstrickt. Durch die Begegnung mit Jesus wurde diese Sündenmacht nicht gebrochen, sondern sogar noch verschärft. Das heizte Konflikte mit Jesus an, und Jesus ging diesen nicht aus dem Weg. Er überließ die verstockten Sünder nicht sich selber, sondern ging ihnen nach, warb weiter um sie und deckte die verborgenen Anteile harter Identität bei ihnen auf. Durch dieses Vorgehen kritischer Solidarität provozierte er sie in der denkbar schärfsten Weise, bis er in Jerusalem am Kreuz hingerichtet wurde.

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Jesu Kreuzestod steht so in engstem Zusammenhang mit seiner Gottesreichbotschaft. Diese proklamierte das nahe bevorstehende Ende der Sündenmacht und damit einen nahe bevorstehenden, unverstellten Zugang zu einem gemeinschaftlichen Leben ganz von Gott her. Diese Naherwartung bezieht sich auf den Kreuzestod Jesu; in ihm liegt der Schlüssel zur Überwindung der Sündenmacht auch in ihrer tiefsten, kollektiven Dimension. Dies geschah zum einen durch eine Aufdeckung der geheimen Wurzelkräfte der Sünde; im kollektiv sanktionierten Todesurteil gegen Jesus offenbarten sie sich als Lüge und Mord (vgl. Joh 8,44), als Austreibung von Gottes Gegenwart aus der Welt. Zweitens ging diese Aufdeckung mit einer erneuten Friedensbotschaft einher, welche den Teufelskreis der Todesmächte unterbrach. Die ersten Worte des Auferstandenen an die verschreckt zurückgebliebene Jüngergemeinde waren: „Der Friede sei mit euch", - und in der Folge blieb die neu sich konstituierende Gemeinschaft frei von Ressentiment, Hass und Rachebedürfnis gegen die Verurteiler Jesu. Drittens bewiesen die Jünger nach Jesu Auferstehung und der Ausgießung des Heiligen Geistes - der nach dem Johannesevangelium beim Kreuzestod Jesu freigesetzt wurde17 - eine frappierende Unabhängigkeit von den kollektiven Todesmächten: Die ehemals Überängstigten fürchteten weder den sozialen Tod einer gesellschaftlichen Stigmatisierung oder Ausstoßung noch den physischen Tod. Kreuzesnachfolge wurde bis zum Martyrium möglich, - und das nicht aus Ressentiment, sondern in einer Haltung der Feindesliebe und Vergebung.

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Vor allem die Apostelgeschichte führt diesen Freimut auf das Wirken des Heiligen Geistes zurück, der machtvollen Gegenwart Gottes im Inneren der Menschen, die bis in die vorbewussten und willentlich unverfügbaren Antriebe von Wille, Gefühl und Erkenntnis wirkt. Der Geist Jesu - sein innerster Lebensprinzip, das als Mittler des gottväterlichen Willens als personal zu begreifen ist -, war auf die Jünger übergegangen, und die Möglichkeit zu dieser Übergabe gründete im Kreuzestod. Dieses Geschehen der Transposition und Transformation der ihm begegnenden Menschen hat Jesus im letzten Abendmahl symbolisch verdichtet: „Nehmet und esset alle davon: Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird."

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3. Eucharistie als Sakrament der Begegnung mit Jesus Christus

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Wie die Menschen vor zweitausend Jahren Jesus begegneten, so können sie ihm bis heute im Sakrament der Eucharistie begegnen. Wird aber die symbolische - wenngleich realsymbolisch-sakramentale - Begegnung mit Jesus nicht ungleich schwächer erfahren als das grundstürzende Zusammentreffen, das seine Zeitgenossen gemäß dem Zeugnis der Evangelien erlebten? Unser Überblick im vorigen Kapitel zeigt umgekehrt die Grenzen von historischen Einzelbegegnungen. Die volle Kraft von Sündenüberwindung und Gottesreichbegründung setzte die Begegnung mit Jesus längs seines ganzen Geschicks voraus: in seinem öffentlichen Wirken, seinen aufdeckenden Gerichtsworten, in Kreuzestod, Auferstehung und Ausgießung des Heiligen Geistes.18 Das Sakrament der Eucharistie vergegenwärtigt das gesamte Heilsdrama Jesu und hat damit ein Potential, das historischen Einzelbegegnungen überlegen ist. Dann aber stellt sich noch schärfer die Frage: Warum lassen uns durchschnittliche Messfeiern so erstaunlich folgenlos zurück?

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Diese Frage lässt sich nur aus dem Blick auf die Mitte der Eucharistie beantworten. Dazu werde ich im Folgenden einige Wesenszüge der Eucharistie erschließen, und zwar ausgehend von der Begegnung von Sündern mit Jesus, wie ich sie im vorigen Kapitel skizziert habe.

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3.1 Dank und Lobpreis

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Von der Wortbedeutung her heißt Eucharistie „Danksagung", oder besser - in Übersetzung des hebräischen Wortes berakah - Lobpreis, Danksagung und Segnung.19 Gott wird gelobt und verherrlicht für seine Schöpfung und für seine Taten. Diese Gebetsform ist zentral im eucharistischen Hochgebet, besonders am Anfang in der Präfation. In der durchschnittlichen Gebetspraxis ist sie weniger vertraut. Bitt- und Dankgebet stehen in einem Bezug zu den uns vertrauten alltäglichen Anliegen; Lobpreis löst sich von allen Interessenszusammenhängen und blickt nur noch verherrlichend auf Gott. So ist er Ausdruck reiner Gottesliebe: Gott wird bejaht um seiner selbst willen, nicht mehr im Blick auf erhaltene oder erhoffte Gaben. Solcher Lobpreis ist eine Gebetsform, die uns mehr als andere nur im Heiligen Geist möglich ist (vgl. Röm 8,26). Ihr liegt die Erfahrung zugrunde, dass wir von Gott geliebt sind, - angenommen ganz um unserer selbst willen, vorgängig zu jeder Verpflichtung und zu jeder Leistung. Diese Erfahrung stillt jenen tiefsten Durst, den selbst der Besitz der ganzen Welt nicht erfüllen könnte. Wer wirklich in die Gegenwart Gottes eintaucht, kann deshalb schlagartig alle Bedürfnisse vergessen. Da ist nur noch Fülle, und der Entschluss fällt leicht, von daher alles andere loszulassen, um in radikaler Christusnachfolge alles Verfügbare in Gottes Disposition zu stellen. „Solo dios basta" - „Gott allein genügt" (Theresia von Avila).

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Wie exemplarisch die Sündenfallgeschichte zeigt, ist es ein Hauptindiz von Sünde, dass Eucharistia - lobpreisende Dankbarkeit - verweigert und unmöglich wird. Der in Sünde verstrickte Mensch kann Gott nicht mehr loben und ihm nicht mehr danken. So entsteht ein Grundgefühl des Mangels und der unersättlichen Begierde. Die Schöpfung ist dem in Sünde Verstrickten nicht mehr Realsymbol von Gottes Liebe, sondern eine Ansammlung von Feigenblättern (vgl. Gen 3,7), die die sündig erahnte existentielle Nacktheit verdecken sollen. Verstrickt in Mechanismen von Begehren und Angst, reißt der sündige Mensch an sich, was ihm doch nur in der Weise eines Geschenks seine tiefste Sehnsucht erfüllen könnte.

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Angesichts dieser sündigen Situation ist Eucharistie das Geschehen einer erlösenden Transformation - begonnen mit dem Schuldbekenntnis vor Gottes Angesicht - die uns freisetzt zum Lobpreis, der in Gemeinschaft mit den erlösten Geschöpfen - Engeln und Heiligen - erklingt. So können wir sagen: Eucharistie ist die Feier unseres Lobpreises, der antwortet auf Gottes zum Lobpreis freisetzende Eucharistia (im Sinne von liebendem Segnen), - denn: „Nicht darin besteht die Liebe, daß wir Gott geliebt haben, sondern daß er uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat" (1 Joh 4,10).

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3.2 Mahl und Opfer

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Ist die Eucharistie Messopfer oder Abendmahl? Diese ausschließende Entgegensetzung ist charakteristisch für die eingangs erwähnte Polarisierung zwischen konservativen und liberalen bzw. zwischen traditionalistischen und progressiven Christen.

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Tatsächlich wurde der lange vernachlässigte und gegenreformatorisch verdrängte Mahlcharakter der Eucharistiefeier durch Theologie und liturgische Bewegungen des 20. Jahrhunderts wiedergewonnen. Eucharistie gründet im Geschehen eines Mahles. Und auch wenn es das letzte Abendmahl nicht einfach wiederholt, bleibt der Charakter eines Gemeinschaftsmahles mitbestimmend. Kommunizieren ist kein individuelles Konsumieren, sondern ein gemeinschaftliches und gemeinschaftsstiftendes Mahlhalten. Die Eucharistie baut jene, die den Leib Christi empfangen, zu einem gemeinsamen Leib auf.

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„Ist der Kelch des Segens, über den wir den Segen sprechen, nicht Teilhabe am Blut Christi? Ist das Brot, das wir brechen, nicht Teilhabe am Leib Christi? Ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib; denn wir alle haben teil an dem einen Brot." (1 Kor 16f)

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Einseitig wird die eucharistische Mahlpraxis dort, wo der erlösende Mahlherr aus dem Blick gerät und so Eucharistie zu einer bloßen Wiederholung alltäglich-gemeinschaftlicher Gruppenerfahrung abzugleiten droht.

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An diesem Punkt ist allerdings höchste theologische Vorsicht geboten. Es würde alles verzerren, wenn man die Eigenart eucharistischer Mahlfeier auf Kosten von oder in Gegensatz zu gemeinschaftlichen Gruppenerfahrungen entwickelt. Authentische Eucharistie unterbietet diese nicht, sondern enthält und überschreitet sie.

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Primär besteht dieser Überschritt darin, dass sich Gemeinschaft ganz um den Mahlherrn Jesus Christus als Mitte sammelt. Auf der Ebene der liturgischen Texte geschieht dies ganz gewiss; wie aber kann man unterscheiden, dass solche christologische Zentrierung über bloßes Wortgeklingel hinaus auch tatsächlich die versammelte Gemeinschaft prägt?

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Dazu kann nun als zweites Kriterium eine Ausrichtung auf universale Gemeinschaft benannt werden.20 Die eucharistische Mahlfeier überschreitet also dort eine bloße Zelebration vorhandener Geselligkeit, wo die Gemeinschaft auf Universalität hin aufgebrochen wird. Eucharistie feiert die Gemeinschaft der ganzen Kirche - aller Orte, aller Zeiten, zusammen mit allen Engeln und Heiligen -, und dies im Blick auf das Heil der ganzen Welt. Auch wenn nicht alle anwesend sind, ja auch wenn nicht einmal jeder zugelassen ist, wird durch die Anwesenden und Zugelassenen ein Geschehen universaler Offenheit zelebriert. Wie es in der Begegnung mit dem Jesus der Gottesreichbotschaft geschah (vgl. 2. Kapitel): Gemeinschaftliche Identität gegen andere wird gewandelt in eine positiv-bezogenen Identität, die ganz von Gott her kommt und damit offen ist für alle Menschen.

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Von daher zeigt sich nun auch, was dieses „Für alle" konkret bedeutet: nicht allein den generösen Einbezug jener Fernsten, die so weit weg sind, dass sie uns ohnehin nicht auf die Füße treten können. Vielmehr steht der Anspruch einer universalen Communio auf dem Prüfstand in Bezug auf jene Nächsten, mit denen wir unversöhnt sind, und die uns auf diese Weise verborgen-machtvoll und beinah unablässig heimsuchen: entweder arrogant-abwertend als Negativfolie für unsere negativ-grenzenden Selbstdefinitionen; oder als Projektionsleinwand für unsere neidischen Begierden; oder als traumatische Stoßstellen unserer Existenz, die wir aus Furcht vor neuerlichen Verletzungen ängstlich verdrängen.

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Universale Communio steht oder fällt im Blick auf diese unbequemen Zeitgenossen. Hier ist ein Bergpredigtwort leitend für das eucharistische Messopfer:

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„Wenn du deine Opfergabe zum Altar bringst und dir dabei einfällt, daß dein Bruder etwas gegen dich hat, so lass deine Gabe dort vor dem Altar liegen; geh und versöhne dich zuerst mit deinem Bruder, dann komm und opfere deine Gabe." (Mt 5,23f)

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Wir müssen dazu nicht die Eucharistiefeier verlassen. Die Versöhnung hat ihren Ursprungsort vor dem Angesicht Gottes (das in seiner Liebe Versöhnung ermöglicht): im allgemeinen Schuldbekenntnis. Nicht umsonst steht dieses an der Eingangsschwelle zur Eucharistiefeier, und es zeigt sich uns hier in seiner enormen Bedeutung.21

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Eucharistie ist also Gemeinschaftsmahl mit dem Ziel einer solchen universalen Communio. Wenn wir Mahl so verstehen, dann kann es nicht mehr einfach gemacht werden. Dann müssen wir es uns schenken lassen aus der Bereitschaft heraus, uns selber verwandeln und versöhnen zu lassen durch die friedensstiftende Begegnung mit Jesus Christus. Wie wir im vorigen Kapitel gesehen haben, bedürfen wir zur Erlangung einer universalen, niemanden ausschließenden Communio des Erlösungswirkens Jesu, das seinen Einsatz bis zum Tod voraussetzt.

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Diese Selbsthingabe Jesu in den Tod, mit dem Ziel der Überwindung unserer kollektiven Sündenverstrickung, können wir gemäß biblischem Wortgebrauch als (Kreuzes-)Opfer bezeichnen. Wenn wir diese Bedeutung von Opfer und die universale Dimension des eucharistischen Mahls berücksichtigen, dann löst sich jeder Gegensatz zwischen Messopfer und Abendmahl auf. Wir müssen dann sagen: Das eucharistische Mahl setzt das Kreuzesopfer voraus.

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Damit haben wir auch - theologisch richtig - bei einem „katabatischen (absteigenden) Opferverständnis" angesetzt: Das Messopfer ist nicht zuerst ein Tun von uns Menschen. Keinesfalls ist es die eigenmächtige Wiederholung von Jesu Kreuzesopfer durch uns auf symbolischer Ebene. Vielmehr ist es die erinnernde Vergegenwärtigung des einmaligen Kreuzesopfers, welches Jesus Christus gewirkt hat.

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Diese Vergegenwärtigung erfolgt nicht bloß äußerlich drandenkend, sondern in einer sakramental-wirksamen Weise, die auch unsere eigene Einbindung in dieses Hingabegeschehen beinhaltet. Das zeigt sich in der Gabenbereitung, in der wir Brot und Wein nicht nur repräsentativ für die Schöpfung, sondern stellvertretend für uns selber anbieten. Mit den Gaben bringen wir zugleich uns selber dar, damit ineins mit den Gaben auch wir selbst gewandelt werden. „Wir bitten dich: Schenke uns Anteil an Christi Leib und Blut und lass uns eins werden durch den Heiligen Geist" (Kommunionepiklese im 2. Hochgebet).

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3.3 Gericht

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Die Begegnung mit Jesus hat viele seiner Zeitgenossen nicht zum Glauben gebracht, sondern - dort wo sie die Umkehr verweigerten - in Situationen des Gerichts: Ihre Sünde wurde nicht vergeben, sondern verschärft. Sie lieferten sich Wirkmechanismen aus, die sie in der Weise des Selbstgerichts tiefer ins Unheil verstrickten. Jesus hat die Menschen mit harten Gerichtsworten vor dieser Gefahr gewarnt. Aber er hat sie auch nicht einfach sich selber überlassen, sondern ist ihnen nachgegangen. Wie wir gesehen haben, wirkte sich dieses Nachgehen meist verschärfend aus: Menschen vertieften ihren Hass gegen Jesus bis hin zum Beschluss, ihn zu töten. Aber durch das Kreuz öffnete Jesus den verstockten Menschen neu eine Heilsmöglichkeit durch die groß gewordene Schuld hindurch. Auch das Gericht steht somit im Dienst des Heils.

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Wenn Eucharistie wesentlich Begegnung mit Jesus ist, dann muss ihr auch diese Gerichtsdimension eignen. Paulus spricht davon in aller Schärfe im elften Kapitel des ersten Korintherbriefs:

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„Zunächst höre ich, dass es Spaltungen unter euch gibt, wenn ihr als Gemeinde zusammenkommt; zum Teil glaube ich das auch. 19 Denn es muss Parteiungen geben unter euch; nur so wird sichtbar, wer unter euch treu und zuverlässig ist. 20 Was ihr bei euren Zusammenkünften tut, ist keine Feier des Herrenmahls mehr; 21 denn jeder verzehrt sogleich seine eigenen Speisen, und dann hungert der eine, während der andere schon betrunken ist. 22 Könnt ihr denn nicht zu hause essen und trinken? Oder verachtet ihr die Kirche Gottes? Wollt ihr jene demütigen, die nichts haben? Was soll ich dazu sagen? Soll ich euch etwa loben? In diesem Fall kann ich euch nicht loben. 23 Denn ich habe vom Herrn empfangen, was ich euch dann überliefert habe: Jesus, der Herr, nahm in der Nacht, in der er ausgeliefert wurde, Brot, 24 sprach das Dankgebet, brach das Brot und sagte: Das ist mein Leib für euch. Tut dies zu meinem Gedächtnis! 25 Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch und sprach: Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut. Tut dies, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis! 26 Denn sooft ihr von diesem Brot esst und aus dem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt. 27 Wer also unwürdig von dem Brot isst und aus dem Kelch des Herrn trinkt, macht sich schuldig am Leib und am Blut des Herrn. 28 Jeder soll sich selbst prüfen; erst dann soll er von dem Brot essen und aus dem Kelch trinken. 29 Denn wer davon isst und trinkt, ohne zu bedenken, dass es der Leib des Herrn ist, der zieht sich das Gericht zu, indem er isst und trinkt. 30 Deswegen sind unter euch viele schwach und krank, und nicht wenige sind schon entschlafen. 31 Gingen wir mit uns selbst ins Gericht, dann würden wir nicht gerichtet. 32 Doch wenn wir jetzt vom Herrn gerichtet werden, dann ist es eine Zurechtweisung, damit wir nicht zusammen mit der Welt verdammt werden. 33 Wenn ihr also zum Mahl zusammenkommt, meine Brüder, wartet aufeinander! 34 Wer Hunger hat, soll zu hause essen; sonst wird euch die Zusammenkunft zum Gericht."22

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Wir sehen hier den eucharistischen Einsetzungsbericht umrahmt von einer Geschichte von Rücksichtslosigkeit und Spaltung. Paulus beschreibt hier eine frühe Form der Eucharistie, bei der sich diese an ein Sättigungsmahl anschloss. Angesichts eines unsolidarischen Mahlverhaltens der Korinther warnt Paulus vor einem unwürdigen Kommunizieren. „Denn wer davon isst und trinkt, ohne zu bedenken, dass es der Leib des Herrn ist, der zieht sich das Gericht zu, indem er isst und trinkt." Wie lässt sich diese Aussage, die Paulus überdies noch drastisch durch Hinweise auf Krankheit und frühen Tod untermauert, nachvollziehen?

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Eine Deutung ist möglich von den Dynamiken gemeinschaftlicher Identität her, wie ich sie im 2. Kapitel bereits skizziert habe.23 Eine kollektive Identität, die sich der Ausgrenzung anderer verdankt, ist geeignet, einen relativen Frieden in Gemeinschaften zu sichern, - auch wenn hierbei Gewalt zur Begrenzung von Gewalt gebraucht wird.24 Die Begegnung mit Wirken und Botschaft Jesu Christi unterminiert solche Formen ausgrenzender Identitätssicherung. Wer sich radikal auf ihn einlässt, gewinnt aber zugleich die Möglichkeit eines tieferen, reinen Friedens, der sich allein einer reinen Ausrichtung auf den liebenden Vatergott verdankt. Wenn sich nun Menschen und Gemeinschaften auf die Kraft Jesu Christi und seiner Botschaft nur halbherzig einlassen, dann wird der problematische soziale „Kitt" einer ausgrenzenden Identität geschwächt, ohne dass die neue Form gemeinsamer Identitätsbildung genügend wirksam wird. Angewandt auf die Begegnung mit Jesus Christus in der Eucharistie heißt das: „Wer davon isst und trinkt, ohne zu bedenken, dass es der Leib des Herrn ist, der zieht sich das Gericht zu, indem er isst und trinkt."25

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Von daher fällt Licht auf die ärgerliche Tatsache, dass gerade sehr fromme und enthusiastische christliche Gemeinden und Gemeinschaften - angefangen bei der Paulusgemeinde von Korinth bis heute - sich oft in massive Formen von Unfrieden, Spaltung und Unversöhnlichkeit verirren. In solchen Fällen liegt der Verdacht nahe, dass sie sich eucharistisch „das Gericht gegessen haben", weil sie „den Leib des Herrn nicht bedachten". Zu bedenken, dass es der Leib des Herrn ist, das hat - wie der Zusammenhang von 1 Kor 11 deutlich macht - mit der sozialen Dimension des Leibes Christi zu tun. Gerade individualistische Ausprägungen von eucharistischer Frömmigkeit sind in hoher Gefahr, diese gemeinschaftliche Dimension zu vernachlässigen.

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Der traditionelle Katholizismus nimmt die Gefahr eines unwürdigen Kommunizierens sehr ernst. Er warnt vor einem Kommunizieren im Stand schwerer Sünde.26 Dieser heute weithin verloren gegangene Ernst erweist sich von unseren Überlegungen her als höchst berechtigt, - wenn nur die soziale Dimension der Sünde genügend berücksichtigt wird. Verbunden mit einem individualistisch reduzierten Sündenverständnis ist die Gefahr, dass sich Gemeinschaften „das Gericht essen", für den traditionellen Katholizismus besonders hoch, - wenn sich nämlich Kirchgänger durch eben erfolgte (im Blick auf soziale Sünde unzulängliche) Beichte sicher wähnen, das Sakrament würdig zu empfangen.27

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Bis jetzt habe ich das eucharistische Gericht im Blick auf gemeinschaftsstabilisierende und -zersetzende Kräfte erklärt. Dieser Ansatz lässt sich auf andere Bereiche menschlicher Existenz hin verallgemeinern. Fürs erste ist der friedliche Zusammenhalt von Gemeinschaften bedeutsam für das reibungslose Funktionieren anderer Bereiche, - zum Beispiel des wirtschaftlichen Erfolges, oder auch - über sozialpsychologische und psychosomatische Zusammenhänge - der Gesundheit. Zweitens trifft das für gemeinschaftliche Identität Aufgewiesene auch für die individuelle Identität zu. Ein halbherziges Sicheinlassen auf die christliche Botschaft kann so auch persönliche Identitätskrisen heraufbeschwören, und diese können wiederum mannigfaltige psychische und psychosomatische Auswirkungen haben. Schließlich werden durch eine radikale Ausrichtung auf Jesus Christus - in der Überwindung unheiler Identifikationen und Definitionen und der Gewinnung von heilvoller, authentischer Identität - Heilungskräfte freigesetzt, die bei halbherzigem christlichem Leben blockiert bleiben. - „Deswegen sind unter euch viele schwach und krank, und nicht wenige sind schon entschlafen." - Von unserem Ansatz her wird dieser irritierende Satz nachvollziehbar. Er unterstellt so weder magische Fluchwirkungen noch die Vorstellung von einem zornig dreinschlagenden Gott.

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Katholische Sakramententheologie spricht von einer zuverlässigen Wirkung der Sakramente „ex opere operato", d.h. unabhängig von der Würdigkeit von Sakramentsspender und Sakramentsempfänger.28 Traditionell wird diese Wirkung selbstverständlich als heilvolle Gnadenwirkung begriffen. Dieser Schluss ist voreilig und nicht zwingend.29 Wie Paulus warnt, kann diese „verlässliche" Wirkung des Sakraments auch Gericht bedeuten. Allerdings ist hierbei zu berücksichtigen, dass auch das Gericht (im Sinne eines durch unwürdige Begegnung mit Gott ausgelösten Selbstgerichts) letztlich auf Heil zielt: nämlich durch das Zerbrechen von akkumulierten gottlosen Anteilen der Identitätssicherung hindurch. In diesem Sinn konnte auch Paulus feststellen: „...wenn wir jetzt vom Herrn gerichtet werden, dann ist es eine Zurechtweisung, damit wir nicht zusammen mit der Welt verdammt werden" (Vers 31).

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3.4 Himmlische Liturgie

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Eucharistie ist Begegnung mit Gott durch Jesus Christus, - und zwar in einer Intensität, die im Blick auf den noch unerlösten Zustand der Welt den Charakter einer zeichenhaften, noch nicht umfassend einlösbaren Verheißung trägt. Auch (und gerade) dort, wo Eucharistie in vollem Ernst und unverkürzter Disposition vollzogen wird, hat sie etwas von einer Taborerfahrung (vgl. Mk 9,2-8). Das heißt nicht, dass die eucharistische Erfahrung die Welt unverändert lässt. Über den Sendungsauftrag des „Gehet hin in Frieden"30 wirkt sie weiter, um die Strukturen der Sünde in der Welt aufzudecken und aufzubrechen. Die Macht des Todes - in einer Todesangst, die allgegenwärtig ist, vor allem als Angst vor dem „sozialen Tod" durch abfällige Urteile, Marginalisierung und soziale Stigmatisierung - wird geschwächt, und lebensförderliche Kräfte einer positiv-bezogenen Identitätsbildung werden gestärkt: Dankbar vermag der eucharistische Mensch Gottes Spuren in allen Menschen und Dingen aufzufinden. Aber mit alldem werden Leid und Kampf nicht schlechthin beendet; analog zu den Folgen von Jesu öffentlichem Wirken können sie sogar verschärft weitergehen.31

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In der Feier der Eucharistie tritt der Mensch aus den Kämpfen seiner gegenwärtigen Welt heraus in sein eigentliches Ziel und seinen eigentlichen Ursprung. Zusammen mit allen Engeln und Heiligen stimmt er in himmlischer Liturgie das Dreimalheilig an (vgl. Offb 4,6) und gewinnt so einen himmlischen Standort, um als Christ „in dieser Welt, aber nicht von dieser Welt"32 die täglichen Herausforderungen zu bestehen.

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Obwohl diese eschatologische Dimension in den liturgischen Texten deutlich vorkommt, wird sie heute nur wenig wahrgenommen, - im Unterschied zur Liturgie der Ostkirchen. Im Zweiten Vatikanischen Konzil und in neueren Enzykliken ist sie hingegen deutlich herausgearbeitet:

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„In der irdischen Liturgie nehmen wir vorauskostend an jener himmlischen Liturgie teil, die in der heiligen Stadt Jerusalem gefeiert wird, zu der wir pilgernd unterwegs sind, wo Christus sitzt zur Rechten Gottes, der Diener des Heiligtums und des wahren Zeltes (Vgl. Offb 21,2; Kol 3,1; Hebr 8,2). In der irdischen Liturgie singen wir dem Herrn mit der ganzen Schar des himmlischen Heeres den Lobgesang der Herrlichkeit. In ihr verehren wir das Gedächtnis der Heiligen und erhoffen Anteil und Gemeinschaft mit ihnen. In ihr erwarten wir den Erlöser, unseren Herrn Jesus Christus, bis er erscheint als unser Leben und wir mit ihm erscheinen in Herrlichkeit (Vgl. Phil 3,20; Kol 3,4)"33

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4. Eucharistische Erneuerung

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Ausgehend vom Leitgedanken der Begegnung mit Jesus Christus habe ich einige zentrale Momente der Eucharistie skizziert. Eucharistie erwies sich dabei vor allem als erlösendes Geschehen: Die Begegnung mit Jesus Christus bricht die Schalen unserer harten Identität auf und eröffnet einen unverstellten Zugang zum wahren Gott. Die Wirkung des Sakraments der Eucharistie besteht dabei wesentlich in einer Transformation unserer Existenz. Unsere Anteile von negativ-grenzender Identität werden aufgedeckt, unterbrochen und so geschwächt, und die Anteile einer positiv-bezogenen Identität (in der freien Übernahme unserer Sendung von Gott zu den Menschen) gestärkt. Diese Transformation hat eine gemeinschaftliche Dimension: In der Wandlung von Brot und Wein werden wir zugleich in den Leib Christi gewandelt. Der gemeinschaftliche Christusleib ist seiner wesentlichen Ausrichtung nach universal. Konkret zielt die eucharistische Transformation vor allem auf Versöhnung der unversöhnten Glieder des Leibes Christi.34 Die Universalität ist aber nicht nur eine räumliche, sondern auch eine zeitliche. Nicht nur mit allen Lebenden, sondern auch zusammen mit allen bereits Verstorbenen stimmen die Eucharistiefeiernden den Lobpreis Gottes an. Die ganze Schöpfung in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft findet sich im eucharistischen Lobpreis zusammen. Die Welt nimmt in diesem Geschehen ihre Vollendung vorweg. Zusammen nicht nur mit den Heiligen sondern auch den Engeln feiert sie himmlische Liturgie.

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Damit sind drei Dimensionen der Eucharistie im Zusammenhang skizziert: die soteriologische, die gemeinschaftliche und die eschatologische. Die Stärke der liturgischen Erneuerung des Zwanzigsten Jahrhunderts bestand vor allem in einer Wiedergewinnung der gemeinschaftlichen Dimension. Die eschatologische Dimension wird hingegen erst in Ansätzen wahrgenommen. In diesem Bereich dürften noch ungehobene Schätze für eine eucharistische Erneuerung verborgen liegen. Die Urkirche hat aus einer konkret verstandenen Naherwartung auf den in Herrlichkeit wiederkommenden Jesus Christus ungeheure Kräfte freigesetzt. In einem buchstäblich-chronologischen Sinn hat sich die Naherwartung als Irrtum erwiesen, und im Gefolge dieser Ernüchterung droht bis heute ein Arrangement mit dieser Welt, welches die weltüberschreitenden Aspekte der Liturgie entwertet und so ihre weltverwandelnde Kraft beschneidet. Oder Christen rutschen in den entgegengesetzten Straßengraben: durch eine Abspaltung der Liturgie von den konkreten Problemen der Welt wird ein von der Welt unbeeinträchtigtes Feiern der himmlischer Liturgie ermöglicht. Damit kann Liturgie zum wunderbaren Schauspiel werden, dessen man auch nach stundenlang stehendem Mitfeiern nicht müde wird. Bleibt die Spaltung von der Welt aber bestehen, droht solche Liturgie zu einem Fluchtort zu werden, - im Sinne von Marx̓ Kritik Opium des Volkes: hochwirksames Opium zwar, aber Opium.

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Eine starke Alternative erwächst dort, wo himmlische Liturgie und Weltoffenheit sich miteinander verbinden.35 Diese Verbindung wird durch die soteriologische Dimension von Eucharistie gewährleistet: Durch die Begegnung mit dem Himmlischen wird die Welt herausgefordert, in die Krise getrieben36 und transformiert.

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Während die eschatologische Dimension von Eucharistie im Zwanzigsten Jahrhundert in der katholischen Kirche nur unentfaltet blieb, gibt es für die soteriologische Dimension beklagenswerte Defizite, - und zwar vor allem auf der Ebene eines allgemeinchristlichen, die liturgischen Feiern unterfütternden, lebensrelevanten Glaubenswissens. Bis in die erste Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts war im katholischen Bereich noch die Anselmsche Satisfaktionslehre populär: Christus ist für unsere Sünden gestorben, und damit leistete er Genugtuung für unsere unendliche Sündenschuld Gott gegenüber. Diese Sichtweise war verbunden mit einem angstbesetzten Bild von einem zornig strafenden Gott. Seit ca. vierzig Jahren hat sich glücklicherweise die Vorstellung eines liebenden, barmherzigen und voraussetzungslos vergebenden Gott weithin durchgesetzt. Ineins damit ist aber das Anselmianische Erlösungsmodell für eine Mehrheit von Christen ersatzlos zerbrochen. In der Folge wurden zentrale soteriologische Aussagen der Liturgie - vor allem aus den Hochgebeten - weitgehend unverständlich. In den Wandlungsworten kann zwar die liebende Selbsthingabe Jesu spontan gespürt und dankbar wertgeschätzt werden. Wozu und warum Jesus sein Blut für uns vergossen hat, bleibt allerdings schleierhaft. Man versuche nur, folgenden zentralen Text zu verstehen: „Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünden der Welt..."

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Die Rede vom Opfer Christi fällt im - gewiss am häufigsten verwendeten - Zweiten Hochgebet vollständig aus. Im Dritten und Vierten Hochgebet kommt sie vor, aber in einem weit geringeren Maße als im seit 1400 Jahren weitgehend gleich gebliebenen ersten Hochgebet. Dieses wirkt heute für die meisten Christen hermetisch und wird demgemäß kaum mehr verwendet. Der Verzicht auf die Opferterminologie vermeidet zwar vordergründig den Eindruck von Irritation und Missverstehen, verschleiert aber zugleich ein mangelndes Verständnis zentralster eucharistischer Sinnelemente.37

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Das Zweite Hochgebet wurde zusammen mit dem Dritten und Vierten seit dem Missale von 1970 dem römischen Messkanon zur Seite gestellt. Wenn das Hochgebet II auf eine Opferterminologie verzichtet, die seit 1400 Jahren zentral im Römischen Messkanon verankert war, haben dann nicht die Traditionalisten mit dem Vorwurf Recht, die Liturgiereform habe einen Bruch mit der katholischen Tradition verursacht? - Gegen einen solchen Verdacht muss zuerst daran erinnert werden, dass das Zweite Hochgebet auf das älteste vollständig erhaltene Eucharistiegebet aufbaut, das von Hippolyt in seiner Schrift „Traditio Apostolica" ungefähr im Jahr 215 wiedergegeben wurde.38

Dieses bemerkenswerte Faktum könnte nun allerdings einen anderen, geradezu umgekehrten Verdacht von Traditionsbruch aufwerfen: Ist damit etwa die Opferterminologie des Römischen Hochgebets eine Entstellung eines früheren Eucharistieverständnisses, welches ohne Opfervorstellungen auskam?39 Ausschlaggebend für eine angemessene Antwort muss über den bloßen Wortgebrauch hinaus die im Hochgebet angesprochene Sache sein. Und hier können wir feststellen, dass die soteriologische Dimension, die im Römischen Hochgebet durch den Opferbegriff ausgedrückt ist, auch im Hochgebet des Hippolyt voll gegenwärtig ist.40 Im Zweiten Hochgebet hört sich das so an: „Um deinen Ratschluß zu erfüllen und dir ein heiliges Volk zu erwerben, hat er sterbend die Arme ausgebreitet am Holze des Kreuzes. Er hat die Macht des Todes gebrochen und die Auferstehung kundgetan." - Das klingt leichter verdaulich als die Rede des Ersten Hochgebets von Lobopfer, Verkündigung des heilbringenden Leidens und Darbringung der „reinen, heiligen und makellosen Opfergabe".41 Und doch ist ohne angemessenes soteriologisches Verständnis auch nicht nachvollziehbar, wie Jesus infolge seines Kreuzestodes „die Macht des Todes gebrochen" habe, - nämlich nicht nur für sich, sondern für uns alle.

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Unverstanden bleibt damit auch die Bedeutung einer sakramentalen Vergegenwärtigung des Christusereignisses. Sie droht zur bloßen Erinnerung an ein Geschehen zu depravieren, dessen Aufforderungscharakter „Tut dies zu meinem Gedächtnis" sich dann auf eine Mahlfeier zur fröhlichen Selbstvergewisserung der je schon vorhandenen Gemeinschaft reduziert. Wandlung von Brot und Wein bleibt dann ebenso theoretisch wie die Wandlung der Gemeinschaft, weil der Ursprung der verwandelnden Kraft aus dem Blick verloren ist: die befreiende Kraft des ganzen Christusereignisses in öffentlichem Wirken, Tod, Auferstehung und Geistsendung. Zwar wurden gegenüber einem verbreiteten nackten Unverständnis des eucharistischen Geschehens - in lateinischsprachigen und stillen Eucharistiefeiern, die vom nicht verstehenden Kirchenvolk mit zusammenhanglosen Gebetsübungen oder willkürlichen Messallegorien begleitet wurden - durch die liturgische Erneuerung entscheidende Fortschritte erzielt; vor allem durch den reicher gedeckten Tisch des Wortes in Lesungen und Evangelien. Tief erfahrbar wurde so die Kraft des öffentlichen Wirkens Jesu. Wird das Christusereignis allerdings unter Ausblendung von Tod und Auferstehung auf Jesu öffentliches Wirken beschränkt, bleibt Jesus bloßes Vorbild. Auch damit kann - wie in den vorösterlichen Jesusbegegnungen seiner Zeitgenossen - Bedeutendes freigelegt und befreit werden. Aber unangetastet bleibt damit jene tiefere Kraft kollektiver Sünde, die sich in der heutigen Welt vor allem durch unmenschliche Eigengesetzlichkeiten manifestiert. In solcher Reduzierung wirkt das Wort Gottes zu schwach, um unseren gehetzten Alltag aufzubrechen. Die Heilserfahrung bleibt beschränkt auf selige Sonntagsstunden.

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Hier besteht ein Defizit, das von konservativen Christen gewiss deutlich gespürt wird. Wenn Traditionalisten den Vorwurf äußern, die Liturgiereform habe den Blick auf Gott verstellt und die Menschen würden sich nun nur noch selber feiern, dann sehen sie ein echtes Problem, das sie aber fälschlich der Liturgiereform in die Schuhe schieben. Das Problem ist der Verlust der soteriologischen Dimension, - zumindest auf der Ebene des Verstehens.42

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Die Fixierung auf die tridentinische Liturgie weist hier nur scheinbar einen Ausweg. Die traditionelle Lehre - mit Anselmscher Satisfaktionstheorie in verbreiteter vulgarisierter Form - wird hier zwar ohne Abstriche beibehalten, aber unverstanden und so ohne Auswirkungen auf die konkreten Herausforderungen der Welt. Unverstanden droht die penibel begangene Liturgie zum sakralen Kult eines homo religosus abzugleiten, bei der jede Unterscheidung des Christlichen dahinfällt.43

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Während der vergangenen Jahrzehnte wurde wichtige theologische Arbeit für eine heute genügende Soteriologie geleistet. Im Blick auf die hier entfalteten Schwerpunkte der Eucharistie muss eine solche Soteriologie Bezüge zur Gemeinschaftsdimension und zur eschatologischen Dimension von Eucharistie herstellen können. Zudem muss sie auf ein Glaubenswissen hin entwickelt werden, das für eine breite Mehrheit von Christen eingängig ist.44 Im zweiten Kapitel habe ich eine solche Skizze auf der Grundlage der Innsbrucker Dramatischen Theologie45 versucht.

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5. Übungen zur eucharistischen Erneuerung

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Eucharistische Erneuerung ist mehr als Reform von Eucharistie. Sie wurzelt in einer Erneuerung der Christen durch Eucharistie, und diese Erneuerung vollzieht sich im Grunde in jeder Messfeier. Nach dem hier entwickelten Ansatz besteht sie vor allem in einer erlösenden Transformation zu einer nicht ausgrenzenden Form von Identität, die in der Beziehung zum Gott Jesu Christi gründet und auf die Bildung von Gemeinschaften offen ist, die sich nicht der Ausgrenzung anderer verdanken. Von daher trifft die eingangs zitierte Konzilsaussage den Kern der Sache: „Liturgie ist der Höhepunkt, dem das Tun der Kirche zustrebt, und zugleich die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt."

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Nun ist diese Quellkraft faktisch oft nur in einer höchst eingeschränkten Weise erfahrbar. Ich habe drei Dimensionen beschrieben, längs derer sich noch entfaltbare oder ungehobene Potentiale für ein tieferes Eintauchen in die liturgische Kraftquelle finden lassen. Fragt man nach konkreten Ansätzen für eine weitergehende liturgische Erneuerung - im Sinne einer weiteren Freisetzung jener transformierenden, erneuernden Quellkraft, die aus der Eucharistie entspringt -, so kann man dazu ganz allgemein auf drei Ebenen ansetzen:

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1. Änderungen der festgelegten liturgischen Texte. Diese sind nur auf weltkirchlicher Ebene durch Papst und Gottesdienstkongregation möglich. Da die drei Dimensionen von Communio, Soteriologie und Eschatologie durchwegs in hohem Maße in der Liturgie berücksichtigt sind, halte ich Änderungen auf dieser fundamentalsten Ebene zunächst nicht für dringlich.46 Es muss vielmehr darum gehen, bereits Vorhandenes auf wirksamere Weise zu vollziehen.

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2. Änderungen in der Gestaltung von Eucharistiefeiern. Im Sinne der bisher genannten theologischen Anliegen sind hier Akzentsetzungen bei Predigt und Liedauswahl möglich. Wichtiger ist ein achtsamer, keinesfalls hastiger Vollzug des eucharistischen Hochgebets. Aufmerksame, gut disponierte Kirchgänger sollen wenigstens eine Chance haben, die ungeheuer dichten Texte in tieferer Weise zu mitzuvollziehen. Die Messe sollte so gestaltet werden, dass die eigentliche Eucharistiefeier auch mit ihren ersten beiden Teilen von Gabenbereitung und Eucharistischem Hochgebet wirklich im Zentrum steht und nicht zwischen Wortgottesdienst und Kommunionspendung eine reduzierte „Sandwichposition" einnimmt.

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3. Vertiefung der Eucharistiefähigkeit für die mitfeiernden Laien. Bedenkt man, welch gewaltige Aufbrüche die Liturgiebewegung der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts unter ungleich schwierigeren Voraussetzungen (im Hinblick auf die vorgegebene Messform) ermöglicht hat, dann darf dieses Feld der persönlichen Disposition für Eucharistiefeiern nicht unterschätzt werden. Im Folgenden möchte ich dazu einige Übungen skizzieren, mit denen ich im Blick auf eine Vertiefung der drei Dimensionen gute Erfahrungen gemacht habe.47

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Vorweg sei festgestellt, dass solche vertiefende Bemühungen leichter fallen, wenn sie von mehreren Messteilnehmern in Gemeinschaft vollzogen werden. Die Einrichtung von Eucharistiekreisen, die sich einer spirituell tiefgehenden Vorbereitung der Sonntagsmessen widmen, können hier eine große Hilfe sein, - ebenso das Angebot von eucharistischen Exerzitien.48

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5.1 „Mitnehmen" von anderen (abwesenden) Menschen

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Allem voran ist Eucharistie der feierliche Vollzug eines dankbar-lobpreisenden Empfangens, und dieses Empfangen ist wesentlich ein gemeinschaftlicher Vorgang: Ich empfange Zusagen (zum Beispiel ganz schlicht: „Der Herr sei mit euch") nie nur als einzelner und nie nur für mich allein. Hier kann ich mich im Geiste mit bestimmten anderen Menschen verbinden. In meiner eucharistischen Übungspraxis habe ich dazu vor allem Menschen ausgewählt, von denen ich den Eindruck hatte, dass sie mich in meiner Gottesbeziehung irgendwie blockieren. Das können Personen sein, mit denen ich nicht versöhnt bin, oder auch Menschen, von deren Urteil oder Wertschätzung ich mich abhängig fühle. Sich mit ihnen im empfangenden Vollzug der Eucharistiefeier zu verbinden, kann eine heilende und befreiende Wirkung haben.49

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Eine Zeitlang experimentierte ich damit, dass ich mir vor dem Messbesuch bestimmte Menschen zum „Mitnehmen" vornahm. Damit machte ich allerdings keine sehr guten Erfahrungen. Es schien so, als ob das damit vorgenommene Programm meine Aufmerksamkeit auf den Vollzug der Eucharistiefeier beschneiden würde, - oder umgekehrt: Wenn ich mich ganz von der Messe leiten ließ, vergaß ich meist meinen Vorsatz. Besser ging es mir damit, dass ich ganz spontan jene Menschen einbezog, die mir während der Eucharistiefeier nachdrücklich in den Sinn kamen. Ich nehme diese Menschen dann so lange in meinem persönlichen Feiern mit, bis sie sich von selber „verabschieden". - Diese Form der Übung hilft mir auch gegen Ablenkungen. Wer kennt das nicht: Auf einmal stört ein bestimmter Gedanke, zum Beispiel die Sorge über eine unerledigte Aufgabe die Andacht. Oft sind damit bestimmte Personen verbunden, zum Beispiel Menschen, denen ich für eine ordentliche Erledigung der Aufgabe verantwortlich bin. Indem ich solche Personen in mein eucharistisches Feiern einbeziehe, kann ich zugleich die ablenkende Kraft des störenden Gedankens in Richtung auf eine eucharistische Aufmerksamkeit umlenken. Das hilft meist mehr als der Versuch, Ablenkungen zu unterdrücken.

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5.2 Gabenbereitung als Selbsthingabe

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Bei der Gabenbereitung achte ich auf folgenden Zusammenhang: Mit Brot und Wein bringen wir Messfeiernden uns selbst vor Jesus hin, - und das von uns, was wir selbst gemacht und hervorgebracht haben (wie der Weinbauer den Wein und der Bäcker das Brot), so gut oder so schlecht es uns auch vorkommt. Wir bringen es vor Gott hin, damit er es verwandelt und fruchtbar macht.

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„Gepriesen bist du, Herr, unser Gott, Schöpfer der Welt. Du schenkst uns das Brot, die Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit." - Ich preise Gott für das, was ich hervorgebracht habe. Durch seine Hilfe ist es geglückt. Und wenn es mir unzulänglich erscheint, lege ich es vor ihn hin, damit er es zum Besseren wandle.

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Besonderes Gewicht bekommt im Zusammenhang dieser Übung auch folgender Text aus der Gabenbereitung: „Herr, wir kommen zu dir mit reumütigem Herzen und mit demütigem Sinn. Nimm uns an und gib, dass unser Opfer dir gefalle."

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5.3 Christus durch andere Kommunizierende empfangen

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Ich möchte diese Übung mit einer Geschichte motivieren: Ein Christ, der seinen Glauben sehr ernst nimmt, geriet in die Lebenssituation eines wiederverheirateten Geschiedenen. Er war zwar mit den römisch-katholischen Gesetzen, die für diesen Fall generell den Kommunionempfang verbieten, nicht einverstanden. Aber er hatte sich ganz für ein Christsein als Katholik entschieden und wollte sich deshalb nicht einfach über ungenehme Gesetze hinwegsetzen.50 So entschied er sich, bei seinen täglichen Messbesuchen konsequent auf den Kommunionempfang zu verzichten. Zu seiner Überraschung erlebte er diesen Verzicht nicht als Mangel. Während der Kommunion blieb er sitzen und schaute den Kommunizierenden zu. Dabei wuchs für ihn eine innere Verbindung mit den Kommuniongängern, über die er Gnade und Frieden empfing. Die Erfahrung, die er dabei machte, verdichtete sich für ihn zu einer bisher übersehenen Einsicht: Niemand kommuniziert für sich allein.

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Diese Erfahrung ist auch dann möglich, wenn wir zur Kommunion gehen. Wenn ich die Kommunion empfange, empfange ich sie für andere mit.51 Wenn ich dann wieder in der Bank sitze oder kniee, kann ich Jesus nun auch über andere Kommuniongänger empfangen. Dankbar schaue ich sie an oder umarme sie in meiner Vorstellung, wenn sie vom Kommunionempfang zurückkehren.52

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5.4 Eintreten in die himmlische Liturgie

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Für diese Übung empfiehlt es sich, eine Viertelstunde vor Beginn der Eucharistiefeier in der Kirche zu sein. Bereits auf dem Weg zur Kirche bereite ich mich auf die Vorstellung vor, „in den Himmel zu kommen". Mit wacher Erwartung betrete ich die Kirche. Wahrscheinlich war ich schon viele Male hier, und vielleicht gefällt mir das Gotteshaus gar nicht besonders. Aber das macht heute nichts. Diesmal wird es anders sein, denn meine Sinne sind geschärft. Gott hat mir die Augen geöffnet, und ich bin nun fähig, auch im Mittelmäßigen und Minderwertigen Spuren der Schönheit - die Handschrift Gottes - zu entdecken.

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Sollten schon Menschen in der Kirche sein, nehme ich sie mit Freude und Erwartung wahr. In meiner Vorstellung eines Eintritts in den Himmel sind sie meine Schwester und Brüder, die mir vorausgegangen sind. Falls ich sie gar nicht kenne oder mir bereits eine weniger günstige Meinung über sie gebildet habe, macht das gar nichts. Auch sie sind dazu hier, um von der großen Liebe Gottes verwandelt zu werden. Ebenso freue ich mich über alle Menschen, die in den Kirchenraum dazukommen. Ich nehme sie bewusst war, kann ihnen auch freudig zunicken und sie im Geiste umarmen. Dazwischen nehme ich die Bilder und Skulpturen in der Kirche wahr: Es sind Engel und Heilige, die meinen Lobpreis Gottes unterstützen.

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Wenn dann die Eucharistiefeier beginnt, wird es mir leichter fallen, mich mit allen Sinnen für die himmlische Liturgie zu öffnen. Meine Sinne sind geschärft für die verborgene Tiefendimension von allem Geschaffenen und insbesondere von jedem Menschen: Jede und jeder ist im Grunde ihres/seines Seins Gottes Ebenbild und strahlt die Herrlichkeit Gottes wider, - wenn auch meist „mit verhülltem Angesicht" (vgl. 2 Kor 3).

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So wird es mir bald möglich sein, in jene Botschaft einzustimmen, die vor über tausend Jahren ukrainische Abgesandte nach dem Besuch der byzantinischen Liturgie in der Hagia Sophia an ihren König Wladimir sandten:

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„Wir wussten nicht, ob wir im Himmel oder auf der Erde waren. Niemals haben wir eine solche Schönheit gesehen ... Wir können es nicht beschreiben. Nur eines können wir sagen: Hier wohnt Gott unter den Menschen."53

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Anmerkungen:

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1 Eine aktualisierte Fassung dieses Aufsatzes findet sich im Internet unter http://theol.uibk.ac.at/itl/759.html

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2 Vgl. B. Gilles, Durch das Auge der Kamera. Eine liturgie-theologische Untersuchung zur Übertragung von Gottesdiensten im Fernsehen, Münster 2001, 135. - Allerdings ist zu bedenken, dass dieser Rückgang nicht zwangsläufig auf Kirchenkrise und Schwächen in der Liturgie zurückzuführen ist. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kam es zu massiven gesellschaftlichen Umbrüchen - die Volkskirche unmöglich machten, und rapide Rückgänge für jede Art von Vereinen bewirkten. Es ist wahrscheinlich, dass diese Umbrüche unter anderen Bedingungen (z.B. ohne Liturgiereform) zu weit stärkeren Rückgängen bei Kirchengliedschaft und Kirchenbesuch geführt hätten.

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3 Zumindest in Österreich haben sich die Kirchenbesuchszahlen zuletzt stabilisiert. An vielen Orten sind Gottesdienste und Pfarrleben heute lebendig und attraktiv. Neue Initiativen wie die „Lange Nacht der Kirchen" (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Lange_Nacht_der_Kirchen) werden auch von einer breiten Öffentlichkeit wahrgenommen.

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4 Allerdings haben sich diese beiden Richtungen des Katholizismus mittlerweile so weit voneinander entfernt, dass es kaum mehr zu direkten Schlagabtauschen kommt. Die Polarisierung wird heute eher an kontroversen Reaktionen auf Stellungnahmen des Papstes und des Vatikans zur Liturgie deutlich.

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5 Vgl. M. Mosebach, Häresie der Formlosigkeit. Die römische Liturgie und ihr Feind. Wien u.a. 2003.

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6 Im Internet: http://www.vatican.va/roman_curia/congregations/ccdds/documents/rc_con_ccdds_doc_20040423_redemptionis-sacramentum_ge.html

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7 Vgl. dazu: Gestorben für wen? Zur Diskussion um das "pro multis". Hg. von M. Striet, Freiburg i.Br.-Basel-Wien 2007.

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8 Vgl. W. Sandler, „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?" Das unterscheidend Christliche an Jesus von Nazaret. In: K. Breitsching / J. Panhofer (Hg.), Jesus. Vorträge der siebten Innsbrucker Theologischen Sommertage 2006 (theologische trends 16). Innsbruck 2007, 119-153, hier: 119-122; im Internet: http://theol.uibk.ac.at/itl/703.html

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9 Laut Arno Schilson waren die dokumentierten Neuerungsforderungen in den ersten zwanzig Jahren bescheiden. Sie beschränkten sich faktisch auf angemessenere liturgische Zeiten - Möglichkeit Osterliturgie in der Nacht und Gründonnerstagsfeier am Abend - sowie eine breitere Verwendung der Muttersprache in der Liturgie. Vgl. A. Schilson, Die liturgische Bewegung. Anstöße - Geschichte - Hintergründe. In: K. Richter / A. Schilson (Hg.), Den Glauben feiern. Wege liturgischer Erneuerung. Mainz 1989, 11-48, hier: 14.

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10 Schilson (ebd.) 46.

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11 Vgl. Schilson (ebd.) 23-30.

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12 Zur Metapher der sündigen Schale vgl. W. Sandler, Der verlorene und gefundene Gott. Teil 1: Der Mensch im Blick auf Schöpfung und Sündenfall. Im Internet: http://theol.uibk.ac.at/itl/740.html. - Zur den im folgenden skizzierten zwei Grundtypen von Identität vgl. W. Sandler, Heilung von Gemeinschaft bei Jesus von Nazaret. Im Internet: http://theol.uibk.ac.at/itl/738.html, darin das Kapitel: 3. Heilung von Gemeinschaft als Transformation von einer abgrenzend-identifizierenden zu einer positiv-bezogenen Identität.

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13 Dieser wahre, unverstellte Gottesbezug bewirkt eine von Gott her positiv-bezogene Identität im Unterschied zu der oben beschriebenen sündigen, negativ-grenzenden Identität.

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14 Vgl. Mt 13,14f.

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15 Jesus beschreibt das als „Sünde gegen den Heiligen Geist" und sagt, dass sie nicht vergeben werden kann. Vgl. Mk 3,28f.

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16 Das wird zuletzt ganz deutlich, wenn Jesus am Kreuz in Bezug auf seine Verurteiler ausruft: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun" (Lk 23,34).

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17 Vgl. Joh 19,30: „Und er neigte das Haupt und gab seinen Geist auf." Der griechische Originaltext („parédoken tò pneûma") hat zugleich die Bedeutung: Er übergab seinen Geist.

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18 Vgl. dazu die Fünf-Akte-Struktur der dramatischen Christologie nach Raymund Schwager. Vgl. ders., Jesus im Heilsdrama. Entwurf einer biblischen Erlösungslehre (IThS 29). Innsbruck, Wien 1990. Ein knapper Überblick findet sich in: R. Schwager, Dramatische Theologie und theologische Politik, im Internet: http://theol.uibk.ac.at/itl/438.html - Die Apostel konnten autorisierte Zeugen für das Christusereignis sein, weil sie Jesus durch sein ganzes Wirken und Geschick hindurch immer neu begegnet sind.

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19 Vgl. K. Koch, Eucharistie. Herz des christlichen Glaubens. Freiburg/Schweiz 2005, 42f.

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20 Beide Kriterien stehen beieinander im Schlüsselsatz, mit dem die dogmatische Konstitution des Zweiten Vatikanums beginnt: „Die Kirche ist ja in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott [1. Kriterium] wie für die Einheit der ganzen Menschheit. [2. Kriterium]" (Lumen Gentium 1, Hervorhebungen und Einfügungen in eckigen Klammern von mir).

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21 Vgl. dazu auch das folgende Kapitel 3.3.

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22 1 Kor 11,18-34; Hervorhebungen von mir.

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23 Vgl. dazu auch Raymund Schwager: „Die eucharistische Feier verlangt eine Selbstprüfung. Wird diese nicht in genügender Tiefe durchgeführt, dann ergibt sich notwendigerweise ein ungewollter Prozeß des Selbstgerichts, das nach der Überzeugung des Paulus sogar bis in die leibliche Existenz hineinreicht. Die Liturgie ist folglich nicht nur Darstellung einer Dramatik; als wirksame Vergegenwärtigung löst sie einen Gerichtsprozeß aus und provoziert Entscheidungen, die in die innerste Tiefe der Beteiligten eingreifen" (R. Schwager, Jesus im Heilsdrama [s. Anm. 18], 287).

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24 Vgl. dazu die Theorie von René Girard. Eine umfassende Einführung gibt: W. Palaver, René Girards mimetische Theorie. Im Kontext kulturtheoretischer und gesellschaftspolitischer Fragen (Beiträge zur mimetischen Theorie 6). Münster, 22004.

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25 In ähnlicher Weise warnt Jesus im Doppelgleichnis vom Turmbau und vom Krieg vor halbherziger Nachfolge: „Wenn einer von euch einen Turm bauen will, setzt er sich dann nicht zuerst hin und rechnet, ob seine Mittel für das ganze Vorhaben ausreichen? Sonst könnte es geschehen, dass er das Fundament gelegt hat, dann aber den Bau nicht fertigstellen kann. Und alle, die es sehen, würden ihn verspotten und sagen: Der da hat einen Bau begonnen und konnte ihn nicht zu Ende führen" (Lk 14,28-30). - Jesus folgert daraus nicht, man solle Turmbau und Krieg (gegen die freigesetzten Mächte der Sünde) - als Metaphern für die Nachfolge Christi - besser bleiben lassen, wenn die Mittel vielleicht nicht reichen; vielmehr solle man den Weg der Nachfolge mit letztem Einsatz angehen: „Darum kann keiner von euch mein Jünger sein, wenn er nicht auf seinen ganzen Besitz verzichtet" (ebd., Vers 33).

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26 Vgl. dazu im Konzil zu Trient: „Wenn es sich nicht ziemt, daß einer zu irgendwelchen heiligen Verrichtungen anders hinzutrete als heilig, so muß sich sicherlich, je mehr die Heiligkeit und Göttlichkeit dieses himmlischen Sakramentes einem christlichen Manne bekannt ist, jener umso gewissenhafter davor hüten, ohne große Ehrfurcht und Heiligkeit [Kan. 11] zu seinem Empfang hinzutreten, zumal da wir bei dem Apostel jene schreckensvollen Worte lesen: ‚Wer unwürdig ißt und trinkt, ißt und trinkt sich das Gericht, wenn er nicht den Leib des Herrn unterscheidet' [1 Kor 11,29]. Deshalb muß sich derjenige, der kommunizieren will, sein Gebot ins Gedächtnis zurückrufen: ‚Es prüfe aber der Mensch sich selbst' [1 Kor 11,28]." (Denzinger/Hünermann, Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen, Freiburg im Br. u.a. 371991, Nr. 1646.)

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27 Habe ich damit die verlässliche Wirkung „ex opere operato" des Bußsakraments in Frage gestellt? Für die Wirkung des Bußsakraments „ex opere operato" müssten ähnliche Überlegungen berücksichtigt werden, wie ich sie im folgenden Haupttext bzgl. der Eucharistie skizziere. In traditionell-katholischer Terminologie: Die (im Blick auf soziale Sünde) unzulängliche Beichte bedeutet, dass das Sakrament wirksam, aber nicht fruchtbar ist. Dasselbe gilt in der Folge für das Sakrament der Eucharistie: Die Wirksamkeit kann zunächst in der Weise des Gerichts erfolgen - im Blick auf die erfahrbaren Folgen: unfruchtbar -, aber über diesen Umweg den Zugang zur Gnade neu aufbrechen.

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28 Vgl. Denzinger/Hünermann (s. Anm. 26) Nr. 1608.

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29 Das hier Entfaltete entspricht allerdings der traditionellen Unterscheidung zwischen Wirksamkeit und Fruchtbarkeit von Sakramenten. Bei schlechter Disposition des Empfängers sind demnach Sakramente wirksam, aber nicht fruchtbar. Ich würde hier mit 1 Kor 11 hinzufügen: Die Unfruchtbarkeit beschränkt sich nicht notwendig auf den Ausfall einer Gnade, sie kann auch in zerstörerischer Weise Selbstgericht bedeuten.

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30 Noch deutlicher heißt es im Lateinischen: „Ite, missa est" - „Geht, es ist ausgesandt".

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31 Von daher hat Hans Urs von Balthasar die Existenz des Christen „unter dem Zeichen der Apokalypse" (vgl. ders., Theodramatik III, Einsiedeln 1980, 15-63) als dramatisches Zugleich von Liturgie und Schlacht beschrieben (vgl. ders., Theodramatik II/2, Einsiedeln 1976, 31-34.

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32 Vgl. Gal 2,20; Phil 3,20; 2 Kor 10,3.

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33 Zweites Vatikanum, Liturgiekonstitution, Artikel 8. Vgl. auch Johannes Paul II., Enzyklika Ecclesia de Eucharistia, Nr. 19f. Besonders ebd. Nr. 19:„Die Eucharistie ist wirklich ein Aufbrechen, der [sic!] sich über der Erde öffnet. Sie ist ein Strahl der Herrlichkeit des himmlischen Jerusalem, der die Wolken unserer Geschichte durchdringt und Licht auf unseren Weg wirft." - Theologische Werke zur eschatologischen Dimension der Eucharistie: G. Wainwright, Eucharist and Eschatology, London 1973. E. Keller, Eucharistie und Parusie. Liturgie- und theologiegeschichtliche Untersuchungen zur eschatologischen Dimension der Eucharistie anhand ausgewählter Zeugnisse aus frühchristlicher und patristischer Zeit. Freiburg 1989. - Populärtheologisch ist lesenswert: S. Hahn, Das Mahl des Lammes. Die Messe als Himmel auf Erden, Augsburg 2003.

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34 Hier müsste das Verhältnis zwischen Eucharistie und dem Sakrament der Buße geklärt werden. Wie von der Gerichtsdimension der Eucharistie her deutlich wird (siehe oben, Kapitel 3.3), setzt Eucharistie die rechte Disposition für einen würdigen Empfang voraus, was durch den Empfang des Bußsakrament vorbereitet werden kann. Anderseits zielt Eucharistie auf eine Integration der zerstreuten Glieder des Leibes Christi und hat so auch selber eine versöhnende, sündenvergebende Wirkung.

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35 „Eine bedeutsame Konsequenz der eschatologischen Spannung, die in die Eucharistie eingeschrieben ist, besteht auch darin, dass sie uns auf dem Weg durch die Geschichte einen Impuls gibt und in die tägliche Arbeit und Pflicht eines jeden einen Samen lebendiger Hoffnung legt. Wenn die christliche Sichtweise nämlich dazu führt, auf ‚einen neuen Himmel' und ‚eine neue Erde' zu blicken (vgl. Offb 21, 1), so schwächt dies nicht, sondern fördert unseren Verantwortungssinn für die gegenwärtige Welt" (Johannes Paul II., Enzyklika Ecclesia De Eucharistia, Nr. 20).

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36 Vgl. dazu oben, Kapitel 3.3.

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37 Die Rede vom Opfer kommt noch im Gabengebet vor, wird hier aber im Allgemeinen wohl gleichbedeutend mit Gabe verstanden.

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38 Vgl. dazu Meyer, Eucharistie, 104-107.

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39 Dieser Verdacht könnte verstärkt werden durch den Umstand, dass ein noch früheres, wenngleich nicht vollständig erhaltenes Eucharistiegebet, nämlich der Didache, auch ohne Opferbegriff auskommt.

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40 „Wir sagen dir Dank durch deinen geliebten Knecht, Jesus Christus, ... der, deinen Willen erfüllend und dir ein heiliges Volk erwerbend, seine Hände ausgebreitet hat, als er litt, um vom Leiden zu befreien alle, die an dich glauben, der, als er aus (seinem) freien Willen dem Leiden überliefert wurde, damit er den Tod zerstöre, die Fesseln Satans zerbreche, die Unterwelt mit Füßen trete, die Gerechten erleuchte, eine Grenze (dem Tod?) festsetze, und die Auferstehung offenbare ..." (Zitiert nach Meyer, Eucharistie 105).

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41 Allerdings zeigen schon diese kurzen Textausschnitte ein anderes theologisches Problem, das im Kontext des Opferbegriffs im Römischen Kanon über lange Zeiten virulent war. Nämlich die Frage, wer denn nun der eigentliche Opfernde ist: Jesus Christus oder der die Kirche repräsentierende ‚Messopferpriester'? Eine unvorsichtige Lesart kann hier schon übersehen lassen, dass das Erste Hochgebet - im Sinne des Hebräerbriefs und gegen die Kritik Luthers (der wiederum Recht hatte mit der Unterstellung eines weit verbreiteten Fehlverständnisses vom Messkanon) - eindeutig im ersten Sinne auszulegen ist. Siehe dazu: Meßner, Unterschiedliche Konzeptionen des Meßopfers im Spiegel von Bedeutung und Deutung der Interzessionen des römischen Canon missae.

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42 Bei aller genannten Kritik bleibt ein „Glaubenssinn des Gottesvolkes" („sensus fidelium") zu berücksichtigen, der in glücklicher Inkonsequenz auch bei unzulänglichen Glaubenserklärungen das wesentliche Verständnis für einen vollen Glauben bewahren kann.

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43 Dieser Eindruck hat sich mir bei der Lektüre von Mosebachs „Die Häresie der Formlosigkeit" (s. Anm. 5) mehrfach aufgedrängt.

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44 Hierin bestand ja die enorme Durchsetzungskraft der Soteriologie Anselms von Canterbury: dass er sie in zeitgenössische Vorstellungen gießen konnte, die seine Theorie für breite Schichten christlicher Bevölkerung über Jahrhunderte hinweg plausibel machen konnte.

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45 Als Überblick zur Innsbrucker Dramatischen Theologie vgl. W. Sandler, Die offen zu haltende Mitte. Negative Theologie in dramatischer Polyperspektivität. In: A. Halbmayr / G. M. Hoff (Hg.), Negative Theologie heute? Zum aktuellen Stellenwert einer umstrittenen Tradition (Quaestiones Disputatae 226). Freiburg - Basel - Wien 2008, 152-170, hier: 161-168; im Internet: http://theol.uibk.ac.at/itl/760.html

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46 Allerdings hat die Beibehaltung der Formulierung „für alle" in den Einsetzungsberichten eine hohe Bedeutung im Sinne des beschriebenen universal-kommunialen Ansatzes. Die Form „für viele" würde dieses Anliegen auf höchst problematische Weise verunklären. „Für die vielen" erscheint mir als gerade noch tragfähiger Kompromiss. Zu den diesbezüglichen Kontroversen s. Anm. 7.

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47 Ich habe einige dieser Übungen im Rahmen von Eucharistischen Exerzitien im Alltag vorgeschlagen. Vgl. dazu die folgende Anmerkung.

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48 Vgl. W. Sandler, Der Weg zur Mitte. Eucharistische Exerzitien im Alltag, im Internet: http://theol.uibk.ac.at/itl/758.html - Ich habe diese Exerzitien in der Fastenzeit 2008 zweimal angeboten, in Gruppen von jeweils 18 bzw. 25 Personen. Den Abschluss bildete eine Eucharistiefeier, die bei einfacher Gestaltung bei zahlreichen Teilnehmern zu tiefen Gnadenerfahrungen führte.

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49 Vgl. dazu oben, die Kapitel 3.2 und 3.3. Gut geht diese Übung auch umgekehrt im Blick auf Menschen, mit denen ich mich in Liebe und Dankbarkeit verbunden weiß.

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50 Zudem kam er zu dem Schluss, dass die verbreitete Ignoranz dieser Gesetze eigentlich ziemlich unpolitisch sei. Wenn sich in liberalen Kreisen ohnehin niemand daran hält, fällt der nötige Druck zu einer Reform aus. Damit sind Betroffene in konservativen Umfeldern und kleineren Dorfgemeinden, wo wiederverheiratete Geschiedene noch gesellschaftlich stigmatisiert sein können und für sie ein Kommunionempfang grundsätzlich nicht möglich ist, mit ihrer Not alleingelassen.

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51 Zum Beispiel für Personen, die mir gerade in den Sinn kommen. Vgl. dazu die vorherige Übung.

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52 Diese Übung muss nicht zur problematischen Vorstellung eines Mehrfachempfangs führen. Vielmehr ist das Empfangen des Leibes Christi ein Prozess, der in die gemeinsame Leibwerdung mündet. Von daher halte ich diese auf andere bezogene postkommuniale Besinnung für keineswegs schlechter als die übliche Besinnung in privater Versenkung.

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53 Zitiert nach S. Hahn (s. Anm. 33) 114

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