Die Apotheke St. Magdalena in Hall im neuen Kleid
Fritz Michael Müller, 1933-1935
Anfang Juli 2022 konnte der Bestand des Architekten Fritz Michael Müller (1892, Groß-Ebersdorf/Niederösterreich – 1979, Porto Alegre/Brasilien) ins Archiv für Bau.Kunst.Geschichte übernommen werden. Auf dem Dachboden der St. Magdalena Apotheke in Hall fanden sich Architekturskizzen und Planunterlagen, die Müllers Bautätigkeit in Tirol dokumentieren.
Der Bestand umfasst über 100 Projekte. Müller war, nach einem Studium an der TH Wien, während seiner gesamten Zeit in Innsbruck (1921–1939) an der HTL Innsbruck tätig und die letzten zwei Jahre Direktor der Institution – bevor er 1939 aus politischen Gründen aus seinem Dienst entlassen wurde. Müller wanderte nach Brasilien aus, unterrichtete in Porto Alegre an der Universidade Federal Rio Grande do Sul und widmete sich vor allem dem Schul- und Kirchenbau. Zu den Werken Müllers in Tirol zählen.
Fritz Müller, Apotheke St. Magdalena, Hall in Tirol. Südfassade, 1934 © Archiv für Bau.Kunst.Geschichte, Nachlass Fritz Michael Müller.
Wohnbauten wie das haus Dr. Rungg in Innsbruck, zahlreiche Ausstattungen von Wohnungen oder Hotelbauten sowie Entwürfe von Bühnenbildern für die Passionsspiele in Erl. Müller widmete sich auch verschiedenen Erweiterungs- und Umbauten. Die Materialien in seinem Nachlass geben u.a. Aufschluss über Umbauten des Hotels Grauer Bär (1923), Erweiterungen des Sanatoriums Kettenbrücke (1938) in Innsbruck und über die Umbaumaßnahmen der Apotheke St. Magdalena in Hall (1933–1935).
Zwölf Jahre nachdem der Architekt Fritz Müller von Wien nach Innsbruck übersiedelt war, folgte ihm sein Bruder Josef (1890-1958) nach Tirol. Der Apotheker Josef Müller erwarb im August 1933 eine Liegenschaft am Unteren Stadtplatz in Hall, um ein Geschäft zu eröffnen. Für den Umbau des Bestandsgebäudes beauftragte Josef seinen Bruder Fritz als Architekten. Die Begründung einer neuen Apotheke in Hall stieß auf Widerstand. Der hiesige Apotheker Hermann Pollack, bislang der Einzige in der Stadt, protestierte gegen die Konkurrenz aus Wien. Allerdings erfolglos. Zudem wurde von Haller Bürgern Kontakt zum Bauherrn gesucht, um ihm die Beauftragung politisch genehmer Firmen im „vaterländischen Sinn“ anzutragen. Das Anliegen, Josef Müller möge die Arbeiten doch an „solche Gewerbetreibenden“ vergeben, „welche bezüglich Gesinnung vollständig einwandfrei sind“ (Schreiben vom 9.3.1934 von Notar Paul Mayr aus Hall an Josef Steger in Wien [Bekannter des Bauherrn]).
Bauaufnahmen und Pläne dokumentieren den Bestand des historischen Gebäudes, das direkt an die Haller Stadtmauer anschließt – bis zu dessen Umbau im Inneren, der Fassade und der Erschließung. Anhand eines überlieferten Kostenvoranschlags vom März 1934 lassen sich die geplanten Baumaßnahmen nachvollziehen. Das Bestandsgebäude war ursprünglich über das untere Geschoss von Norden über die Schmiedgasse erschlossen – und von Süden über den Unteren Stadtplatz, der im 19. Jahrhundert ausgebildet wurde.
Fritz Müller, Apotheke St. Magdalena, Hall in Tirol. Südfassade, 1933 © Archiv für Bau.Kunst.Geschichte, Nachlass Fritz Michael Müller
Der südliche Zugang zum Gewölbekeller wurde im Rahmen der Umbauten zur Apotheke zugunsten eines mehrstufigen Treppenpodestes aus Stampfbeton geschlossen, das direkt in den Verkaufsraum führt. Fritz Müllers verschiedene Fassadenentwürfe beziehen sich auf zwei Parzellenbreiten, d.h. das westliche Nachbargebäude und die heutige Apothekenfassade bildeten eine Einheit. Vermutlich war ein Zukauf der Nachbarliegenschaft geplant. Der Architekt zeichnete verschiedene Varianten der Fassade mit jeweils wiederkehrenden Elementen: Erhöhtes Treppenpodest, großes Schaufenster zum Ladenbereich, ein breiter Erker mit stark horizontaler Gliederung im Obergeschoss, ein rundes Fenster im Dachgeschoss und ein rund geführter, abgestufter Blendgiebel. Zur Umsetzung kam eine schlichte, glatte Fassade. Die prägnant gesetzten Fassadenausschnitte werden durch Kunststeinumrahmungen betont, die geometrische Rundführung des Eingangsbereichs wie auch der massive Erker setzen moderne Akzente. Das bestehende Giebelgesims wurde abgeschlagen und sollte in den ersten Entwürfen mit einem horizontalem Blendgiebel abschließen. Zur Ausführung kam ein historisierender Giebel mit einer Folge aus in Kunststein gefassten Bögen und Spitzen.
Der Innenausbau des Gebäudes mit Bauteilen, die bis ins 15. und 16. Jahrhundert reichen, erfolgte in großen Teilen bestandserhaltend, wenn evtl. auch aus wirtschaftlichen Gründen. So wurde u.a. das Treppenhaus beibehalten, das mit Innenhof der Belichtung der innenliegenden Räume dient. Die Fassade der St. Magdalena Apotheke zeigt sich zwar in neuem Kleid, präsentierte sich aber im Vergleich zum zwei Jahre zuvor fertiggestelltem Turmhotel Seeber in Hall von Lois Welzenbacher weit weniger radikal modern.
Literatur/Quellen:
TT, 7.11.1970, S. 15, Alfred Strobel (1897-1976): Tiroler als Kirchenerbauer in Brasilien; Werner Auer/Alfred Strobel, Tirol, schöpferisches Land Technik, Wissenschaft, Wirtschaft, Malerei, Bildhauerei, Architektur, Musik, Literatur seit 1918, Innsbruck 1984, S. 276-278; Heinz Moser, Von Apothekern, Ärzten, Badern und Hebammen, Hall 1996, S. 187; Christoph Hölz, Klaus Tragbar, Veronika Weiss (Hg.), Architekturführer Innsbruck, Innsbruck-Wien, 2017, S. 184.
Text: Hilde Strobl