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Guggenberger Wilhelm: Laudate deum von Papst Franziskus: ein dringlicher Appell
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Laudate deum von Papst Franziskus: ein dringlicher Appell

Autor:Guggenberger Wilhelm
Veröffentlichung:
Kategoriekommentar
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2023-10-15

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Am Gedenktag des Heiligen Franz von Assisi hat Papst Franziskus das apostolische Schreiben Laudate deum veröffentlicht. Es stellt gewissermaßen ein Update für die mittlerweile schon wieder acht Jahre alte Enzyklika Laudato si dar. Der Erscheinungszeitpunkt dieses Textes ist ein beredtes Zeichen dafür, dass die Katholische Kirche nicht nur mit internen Problemen und Auseinandersetzungen beschäftigt ist, wurde doch zeitgleich die 16. ordentliche Weltbischofssynode in Rom eröffnet, von der – je nach Standpunkt - einiges im Hinblick auf die kirchlichen Strukturen erhofft, bzw. befürchtet wird. Man möchte meinen, dass man im Vatikan mit der Vorbereitung dieser Versammlung hinreichend beschäftigt war. Dass Papst Franziskus bei aller unleugbaren Bedeutsamkeit der Synode nicht darauf verzichtet den Blick nach außen zu wenden, unterstreicht meines Erachtens mit großer Deutlichkeit, dass die Kirche eine Sendung hat. In weniger salbungsvollen Worten ausgedrückt heißt das: die Kirche ist weder für sich selbst, noch für Gott da, sondern für die Welt.

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Inhaltlich finden sich in diesem relativ knappen Dokument keine großen Neuerungen gegenüber Laudato si. Worin sollten diese auch bestehen? Die Sprache ist aber schärfer, die Mahnungen noch wesentlich deutlicher. Der gesamte Text atmet die Atmosphäre der Dringlichkeit. So sagt der Papst gleich im zweiten Absatz: „… mit der Zeit wird mir klar, dass wir nicht genügend reagieren, während die Welt, die uns umgibt, zerbröckelt …“.

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Wie schon in Laudato si erweist sich Franziskus auch in Laudate deum als naturwissenschaftlich kompetent oder zumindest gut beraten. Er gibt sich nun aber nicht mehr damit zufrieden, Erkenntnisse der Klimaforschung in groben Zügen wiederzugeben. Dieser Text referiert konkrete Zahlen, Messergebnisse und Bedrohungsszenarien aus den Reporten des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), so dass jeder Vagheit von Anfang an der Boden entzogen wird.

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Keinen Zweifel lässt der Papst auch neuerlich daran, dass wir es bei der Klimathematik nicht mit einem ökologischen Sonder- oder gar Randproblem zu tun haben, sondern mit einer für die Menschheit existenziellen Herausforderung, die bei zunehmender Dauer immer größere soziale Verwerfungen hervorbringt. Markant hierzu die Nummer 58 des Schreibens: „Hören wir endlich auf mit dem unverantwortlichen Spott, der dieses Thema als etwas bloß Ökologisches, ‚Grünes‘, Romantisches darstellt, das oft von wirtschaftlichen Interessen ins Lächerliche gezogen wird. Geben wir endlich zu, dass es sich um ein in vielerlei Hinsicht menschliches und soziales Problem handelt. Deshalb bedarf es einer Beteiligung von allen. Auf Klimakonferenzen ziehen die Aktionen von sogenannten ‚radikalisierten‘ Gruppen oft die Aufmerksamkeit auf sich. In Wirklichkeit füllen sie jedoch eine Lücke in der Gesellschaft als Ganzer, die einen gesunden ‚Druck‘ ausüben müsste, denn es liegt an jeder Familie, zu bedenken, dass die Zukunft ihrer Kinder auf dem Spiel steht.“

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Eine Verschärfung lässt sich auch im Hinblick auf die Erwartungen und Forderungen an uns alle, insbesondere aber an die politisch Verantwortlichen erkennen. Laudato si war im Vorfeld der UN-Klimakonferenz von Paris 2015 veröffentlicht worden, in der Absicht den dort Versammelten auch einen spirituellen und ethischen Impuls mitzugeben. Nun steht die bereits 28. Conference of Parties (COP) in Dubai bevor. Hatte Paris zumindest auf dem Papier einige erfreuliche Ergebnisse erzielt, blieben die UN-Konferenzen seither enttäuschend, sowohl in ihren Beschlüssen, noch mehr aber freilich in ihrer Wirksamkeit. Kaum ein päpstliches Lehrdokument im Bereich der Soziallehre hat bislang derart konkrete Erwartungen an die Weltpolitik formuliert, wie es nun Laudate deum tut.

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Ohne Umschweife wird gesagt, dass wir die Energiewende deutlich schneller voranbringen müssen, und dass es dazu verpflichtende und überprüfbare Vorgaben braucht. Das ist nicht ein allgemein formuliertes Ziel für eine unbestimmte Zukunft, vielmehr muss es in Dubai realisiert werden, denn die Zeit drängt. „Damit soll erreicht werden, dass ein neuer Prozess eingeleitet wird, der drastisch und intensiv ist und auf das Engagement aller zählen kann. Das ist auf dem bisherigen Weg nicht geschehen, aber allein mit einem solchen Prozess wäre es möglich, die Glaubwürdigkeit der internationalen Politik zurückgewinnen, denn nur auf diese konkrete Weise wird es möglich sein, das Kohlendioxid nennenswert zu reduzieren und rechtzeitig die schlimmsten Übel zu vermeiden.“ (Laudate deum 59)

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Auch wenn kein Zweifel daran besteht, dass die Energie- und Klimawende eine Aufgabe für alle Menschen darstellt und sich niemand als gleichsam nicht betroffen zurücklehnen und mit dem Finger auf andere Zeigen kann, macht Franziskus doch sehr deutlich, dass es Menschen mit besonderer ökonomischer und politischer Macht gibt, die dadurch auch besondere Verantwortung tragen, da sie eine Minderheit bilden, die einflussreiche Entscheidungen für die große Mehrheit fällen, voranbringen oder eben auch verhindern kann. In diesem Punkt lässt sich eine etwas andere Akzentsetzung als in Laudato si beobachten, wenn es heißt: „Ich kann jedoch nicht bestreiten, dass es notwendig ist, aufrichtig zu sein und anzuerkennen, dass die wirksamsten Lösungen nicht allein von individuellen Bemühungen, sondern vor allem von bedeutenden Entscheidungen in der nationalen und internationalen Politik kommen werden.“ (Laudate deum 69)

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Freilich bleibt es dabei, „… dass es keine dauerhaften Veränderungen ohne kulturellen Wandel gibt, ohne eine Reifung im Lebensstil und der gesellschaftlichen Überzeugungen, und es gibt keinen kulturellen Wandel ohne einen Wandel in den Menschen. (Laudate deum 70)

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In beinahe unüberbietbarer Knappheit fasst der letzte Satz des Dokuments in Worte, worin der wesentliche Beitrag der Kirchen und Religionsgemeinschaften im Hinblick auf diesen Wandel bestehen kann. Wenn Menschen Gott loben und sich so auf eine sie übersteigende Realität beziehen, relativieren sie damit zugleich ihre eigene Macht und den Glauben an ihre Möglichkeiten. Loben sie Gott als Schöpfer der gesamten Welt, stellen sie sich in die Reihe der Geschöpfe, mit denen sie im permanenter Wechselbeziehung stehen, wie Franziskus unter Zitation von Donna Haraway betont. Dies bedeutet aber nicht, dass der Mensch klein gemacht werden soll, vielmehr bewahrt ihn die Verabsolutierung irdischer Wirklichkeiten vor Selbstzerstörung. „‘Lobt Gott‘ ist der Name dieses Schreibens. Denn ein Mensch, der sich anmaßt, sich an die Stelle Gottes zu setzen, wird zur schlimmsten Gefahr für sich selbst.“ (Laudate deum 73)

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Gott zu loben heißt für Franziskus im Gefolge seines Namenspatrons, in Liebe, Staunen und Aufmerksamkeit sich als Teil dieser Welt zu sehen, in Verbundenheit mit allem Leben und so das neuerlich kritisierte technokratische Paradigma zu überwinden, das die Natur als bloßes Objekt betrachtet und daran festhält, wir könnten für die Lösung jeglichen Problems ein probates Werkzeug erfinden.

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