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Niewiadomski Jozef: Laetatus sum! Predigt bei den „ Festwochen der Alten Musik“ in der Jesuitenkirche am 4. August 2024
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Laetatus sum! Predigt bei den „ Festwochen der Alten Musik“ in der Jesuitenkirche am 4. August 2024

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2024-08-07

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Predigt bei den „ Festwochen der Alten Musik“ in der Jesuitenkirche am 4. August 2024 (auf dem Hintergrund der Sonntagslesungen: Ex 16,2-4.12-15; Joh 6,24-35)

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„Woher kommen wir?“ Diese Frage steht in der ganzen Stadt auf den Plakaten der Innsbrucker Festwochen der Alten Musik. Und unsere Kirchenmusikerin Frau Brigitte Wurzer gibt heute eine brillante Antwort darauf – vermutlich auch die schönste. „Laetatus sum“ – Ich freute mich, bin gar glücklich! So steht es auf dem Plakat der Musica Sacra, dem Plakat, das zu diesem Gottesdienst einlädt. Laetati ergo sumus: Und dies natürlich auch deswegen, weil Frau Wurzer zusammen mit der Capella Claudiana und dem Marini Consort diesen Festspielgottesdienst gestaltet und uns allen, den vielen – sehr vielen – Menschen eine Stunde der Freude an der exzellenten Alten Musik schenken. „Laetatus sum“ steht aber in unserem Kulturkreis zuerst für die ersten Worte des sehr oft vertonten Psalms: „Ich freute mich, als man mir sagte: ‚Zum haus des Herrn wollen wir pilgern‘“ (Ps 122,1). Unsere Kirchenmusik konterkariert also die Frage: „Woher kommen wir?“, indem sie den Schwerpunkt auf das „Wohin“ setzt. Wohin gehen wir also? Und dies in einer Zeit, die von Krisen schwanger ist. In einer Zeit, in der Menschen Angst haben: Angst vor der Klimakatastrophe, Angst vor dem Krieg, Angst vor dem Zusammenbruch ihrer Lebensqualität, Angst vor den Mitmenschen.

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Nicht Ängste prägen heute die Atmosphäre dieses „hauses des Herrn“, zu dem Sie alle – bei diesem wunderbaren Wetter – gepilgert sind. Die Freude ist es! Die Freude, die wir zuerst mit dem spanischen Priester und Komponisten Thomás Luis de Victoria teilen, dem Mann, dessen Musik für viele den Inbegriff der liturgischen Musik bildet. Auch er hat nämlich den Psalm: „Ich freute mich“ vertont, nahm dann seine Musik als Vorlage für die Komposition einer Messe, bewies damit ein tiefsinniges Gespür für die Liturgie, die ja mit Freude im „haus des Herrn“ gefeiert wird. So schuf er eine Messe, die bis in unsere Zeit durch den wunderbaren Klang und die Echoeffekte begeistert. Die heute umso mehr begeistert, als unsere Musikerinnen und Musiker der drei Chöre auf den Emporen verteilt sind und uns durch den wunderbaren Klang die zentralen, sinnstiftenden Botschaften vermitteln. Deswegen: Laetati, laetatae sumus: glücklich sollen wir uns preisen, weil wir in einem Mysterium integriert sind: dem Mysterium des menschgewordenen Gottes. Aus bedingungsloser Liebe zu uns Menschen ist er Mensch geworden, nahm uns also an: so wie wir sind. Und warum? Um uns aufs Neue zu sensibilisieren auf die existentielle Bedeutung der Fragen: „Woher kommen wir?“ und „Wohin gehen wir?“

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Die Agnostiker und Atheisten werden gleich einwerfen: Wir sind doch nur ein Produkt der Evolution und auch ein Ergebnis der wissenschaftlich fundierten Manipulationen. Und der Prediger wendet ein: Damit ist noch nichts gesagt über unsere menschliche Würde und unser Ziel. Die heutzutage so populären Reduktionen des Menschen – ganz gleich ob biologistisch, chemisch oder physikalisch motiviert: Diese Reduktionen des Menschen beantworten die wichtigste anthropologische Frage nicht; mehr noch: sie verbannen letztendlich die Menschheit in eine geistlose Wüste. Eine Wüste, in der die Menschen nur noch um das sprichwörtliche goldene Kalb tanzen, oder aber nur murren können, nur noch nach Fleischtöpfen Ausschau halten können, selbst den Fleischtöpfen veganer Natur. Eine Wüste, in der die Menschheit zwar zurückblicken kann, zurückblicken auf die Etappen ihrer Evolution, aber im Grunde kein gemeinsames Ziel mehr haben kann, deswegen bloß umherirren wird und immer wieder außer Atem gerät, so ganz nach dem Motto: „Wir wissen zwar nicht wohin, dafür aber sind wir schneller dort“.  Eine Wüste, in der die Angst überhandnimmt, die Angst vor dem Mitmenschen, die Angst vor dem morgigen Tag, die Angst vor dem Untergang. In diese Wüste hinein steigt nun Gott selber, jene unbegreifliche Transzendenz, die von keiner der wissenschaftlich motivierten Reduktionen eingeholt werden kann. Diese unbegreifliche Liebe nimmt durch ihren Geist Gestalt in den menschlichen Wüsten. Sie wird gar selber Mensch. Gott entäußert sich, wird einer von uns. Erleidet die Folgen all unserer Verirrungen in den vielen geistlosen Wüsten, stirbt gar den schrecklichen Tod, um uns und auch unserer Welt das Leben zu schenken.  Und wie und wodurch?

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„Ich bin das Brot des Lebens“, sagte ER: „Das wahre Brot vom Himmel“, jene Speise und jener Trank, die nichts, aber schon gar nichts mit den sprichwörtlichen „Fleischtöpfen Ägyptens“ zu tun haben, mit dem „Großen Fressen“, oder aber mit den luxuriösen Orgien, die unsere Spezies in ihrer geistlosen Wüste zur Zeitvertreibung inszenieren kann. „Das wahre Brot vom Himmel“ steht nämlich da für die Hingabe: für die Hingabe des menschgewordenen Gottes. „Das wahre Brot“ steht für die göttliche Hingabe an die Menschheit. Es ist jene Hingabe, durch die in unseren Wüsten Oasen der Mitmenschlichkeit erblühen. Und es ist jene Hingabe, die allein stärker ist als der Tod, eine Hingabe, die auch deswegen uns allen „das ewige Leben“ schenken kann.

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Diese Hingabe feiern wir nun. Von dieser Hingabe künden die liturgischen Texte der traditionellen Messe, Texte, die Thomás Luis de Victoria so wunderbar vertont hat. Es sind dies Texte, die das Wunder der von Gott gewollten und geliebten Menschheit besingen. Jener Menschheit, die sich immer und immer wieder in ihren kulturellen und politischen Wüsten in den Sackgassen des Egoismus, der Rivalität und der Gewalt verirrt. Jener Menschheit aber, deren Sünden vom Lamm Gottes durchgelitten und hinweggenommen werden. Deswegen künden sie vom Lob, dem Lob, der kaum schöner klingen kann, als dies in unserer Jesuitenkirche heute der Fall ist.

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Laetati, laetatae ergo sumus: Freuen wir uns also, weil wir zu diesem haus gekommen sind und in das göttliche Mysterium eingetaucht sind. Denn dieses Mysterium allein gibt uns eine authentische Antwort auf die Frage: „Wohin gehen wir?“ Wir gehen der Resurrectio mortuorum – der Auferweckung der Toten – entgegen. Und „Vita aeterna“ – das ewige Leben – ist unser Gewinn.  Der Gewinn, den wir unserem Gott: dem Deus Sabaoth verdanken.

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