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Niewiadomski Jozef: Die Reformaufgaben des neuen Papstes
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Die Reformaufgaben des neuen Papstes

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriekommentar
Abstrakt:
Publiziert in:Erschienen in der Furche vom 15. März 2013, S. 11.
Datum:2013-03-20

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Für Pausenfüller in skandalarmen Zeiten scheint man gerüstet. Kurz vor dem Konklave wurde ja die alte “Weissagung des Malachias” ausgegraben. Die Liste der 112 Päpste, die in der Weissagung beschrieben sind, endet mit dem nun beginnenden Pontifikat. Der letzte “Petrus Romanus”, wie er in der Prophezeiung heißt, werde von den Muslimen aus der Stadt vertrieben, Rom werde zerstört, der Weltuntergang wird Wirklichkeit werden. Da unsere Alltagskultur zwischen einem grenzenlosen Fortschrittsoptimismus und dem apokalyptischen Szenario hin und her pendelt, dürfte auch dieser apokalyptisch gefärbte Pontifex aus den Schlagzeilen nicht gänzlich verschwinden. Er wird auch für kritische Berichterstattung im Kontext unserer Wohlfühlmentalität sorgen. So unterschiedlich die Erwartungen an den neuen Papst gewesen sein mögen, ein Grundtenor hält sich durch. Dieser Papst solle die Kirche so reformieren, “dass ich mich in ihr wohl fühle”. Das “wissenschaftlich” dokumentierte “Sich-nicht-Beheimatetfühlen” wird als entscheidender Grund für die Entfremdung der Massen von der Kirche ausgegeben. Oft gerechtfertigt mit dem Eingangssatz der Pastoralkonstitution “Gaudium et spes”: “Freude und Hoffnung der Menschen von heute ist Freude und Hoffnung der Jünger Jesu Christi”.

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Was vom Konzil als Grundimpuls der Empathie gedacht wurde, degenerierte in letzten Jahren zur simplen Projektionswand auch für viele kirchlich engagierte Kreise. Was aber dem einen Freud ist, das kann dem anderen Leid sein. Ganz gleich also, welche Entscheidungen der neue Papst im Kontext der sog. “heißen Eisen” treffen wird, ob er die Frauen, oder nur die verheirateten Männer zur Weihe zulässt, oder nicht, für eine “Anti-Front-Papst” sorgt schon unsere pragmatisch-individualistische Kultur selber. Die Front blieb ja nur Johannes Paul I. erspart. Seine Amtszeit war zu kurz. Der sarkastische Unterton soll nicht das Missverständnis provozieren, das Anliegen einer Kirchenreform wäre dem Dogmatiker kein Anliegen. Ganz im Gegenteil. Die Erfahrungen des “Positionskrieges”, der in den letzten Jahren zwischen der sog. “Basis” und der “Hierarchie” geführt wurde, haben ihn aber skeptisch gestimmt. Die zu Schlagzeilen gegossenen Positionen und die fehlende Bereitschaft beiderseits zu einem Kompromiss, vor allem aber das regelmäßige  “Abfeuern der Kanonen” auf  Gegner hat nur das “Hinterland” zerstört. Die Unterwanderung der Fronten ist von Nöten. Diese gelingt aber nicht durch direkte Konfrontation. Wie dann?

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Über kein anderes Thema hat es in den Tagen der Sedisvakanz ein derartiges Einverständnis gegeben, als über das Thema der Kurienreform. Bereits Kardinal König klagte, dass sich die vatikanische Kurie im Verlauf der nachkonziliaren Epoche zu einer dritten Instanz zwischen dem Papst und dem Bischofskollegium entwickelt hat. Weil sich kuriale Autoritäten jene Kompetenz angeeignet haben, die den Bischöfen zukommt, steigerte sich der Zentralismus  auf eine atemraubende Weise. Freilich sind an der Entwicklung auch die Bischöfe der Welt selber nicht ganz unschuldig. Viele haben allzu willig ihre Kompetenz - gerade dort, wo es unbequem hätte sein können - an “Rom” delegiert. So avancierte “Vatikan” zu einer Art Blackbox, in die man problemlos all die Probleme verstecken konnte, vor denen die lokale Kirchen und auch ihre populärsten Bischöfe ratlos standen.

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Kurienreform hat also nur dann einen Sinn, wenn das Episkopat der Welt auch wirklich bereit ist, die Verantwortung für die Lokalkirchen zu übernehmen. Deswegen müssen auch die Strukturen der Lokalkirchen gestärkt werden. Wie aber müsste die Kurie selbst – realistisch – reformiert werden?

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Von zentraler Bedeutung ist die Architektur der Kurie. Die neun Kongregationen, von Kardinälen geleitet, bilden das institutionelle Gründgerüst der Kirche Die entscheidenden theologischen Weichenstellungen des 2. Vatikanischen Konzils im Kontext des ökumenischen und interreligiösen Dialogs und des Verhältnisses von Kirche und Welt fanden ihren institutionellen Niederschlag in der Einrichtung neuer Päpstlicher Räte. Als “Gürtel flankierender Maßnahmen” stehen sie eigentlich für die “zweite Liga” der vatikanischen Institutionen. Diese Architektur spiegelt die Wahrnehmung der Hierarchie der Beschlüsse des Konzils wider. Die Hochschätzung der dogmatischen Konstitution “Lumen gentium” geht ja vielerorts Hand in Hand mit der Degradierung der Pastoralkonstitution “Gaudium et spes” und des Dekretes über die Religionsfreiheit: “Dignitatis humanae”. Eine Kurienreform vor diesem Hintergrund tut heute not. Und dies auch im Hinblick auf die Fragen nach hierarchischer Spitze unter den Behörden selbst. Die Übergänge von der “Heiligen Inquisition” zum “Heiligen Offizium” und dann zur “Glaubenskongregation” markierten revolutionäre Wenden im Selbstverständnis der Kirche. Die seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil stattgefundene Veränderung des kirchlichen Lebens, vor allem aber der kulturelle Umbruch in der Gesellschaft hat aber inzwischen die “Glaubenskongregation” in ihrem Selbstverständnis und auch in ihrer Funktion der “Glaubenshüterin” zu einem problematischen Organ im Leib der Kirche gemacht. Nun betrafen die entscheidenden theologischen Weichenstellungen der Pontifikate von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. die Einschätzung der Tragweite der Reformen des Konzils. Sah der erste im Konzil  einen tieferen Einschnitt in die Tradition der Kirche,  positionierte deswegen die Katholische Soziallehre konsequent im heilsgeschichtlichen Rahmen, verweigerte auch der Pius-Bruderschaft jegliche Zugeständnisse, so “ruderte” der zweite exakt in diesen Zusammenhängen stückweise zurück. Der jetzige Papst könnte einen klaren Akzent für die Frage der Rezeption und der Interpretation des Konzils setzen, wenn er die Glaubenskongregation mit dem Päpstlichen Rat: “Iustitia et pax” unter einem Dach zusammenführt. Ein derartiger Akt würde die Einheit beider “ekklesialen Eckstein-Konstitutionen” (“Lumen gentium” und “Gaudium et spes”) unterstreichen und Ausbildung neuer Kultur lehramtlicher Verkündigung weiter fördern. Bei aller Anerkennung der Bemühungen von Papst Benedikt um die Rehabilitierung dogmatischer Wahrheiten, muss man doch sagen, dass die Formulierung dogmatischer Inhalte unabhängig von pastoralen Tatsachen bloß religiöse Ladenhüter produziert, oder aber zu unnötigen Missverständnissen und Konflikten führt. Gerade die Sozialenzykliken und die Dokumente von “Iustitia et pax”, deren Schwerpunkt im Kontext der relevanten Problemen der Welt von heute (wie Armut und Gewalt) lag, haben anderseits glaubwürdig das vollbracht, was Benedikt theoretisch wollte, nämlich die Wahrheit des Evangeliums für unsere Zeit neu durchbuchstabiert. Eine Zusammenführung beider Organe und die Positionierung der neuen Kongregation an der Spitze vatikanischer Ämter würde das institutionelle Gesicht der Kirche nachhaltig verändern. Dieser erste - und entscheidender - Schritt könnte natürlich fortgesetzt werden in der Umwertung des Wertes anderer Räte, wie etwa des Rates zur Förderung der Einheit der Christen, oder aber jenes für den interreligiösen Dialog. Sie alle gehören in die “erste Liga”.

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Die inhaltlich motivierte Reform der Architektur der Kurie wäre aber durch  Maßnahmen einer Dezentralisierung der Kurie zu unterstützen. Dies kann nicht nur durch den Akt einer simplen Verlagerung der Zuständigkeiten erfolgen. Der Seitenblick zu analogen globalen Institutionen könnte zeigen, dass internationale Organisationen zwar eine klare Zentrale haben, viele ihrer Behörden jedoch weltweit verstreut sind. Die Dezentralisierung vatikanischer Ämter und deren Verlagerung auf unterschiedliche Kontinente würde zum einen den für das Gedeihen “kurialer Seitenblickementalität” so wichtigen Nährboden abschaffen. Es ist ja zuerst dieser Ort selber, der die dort versammelten Priester und Prälaten, Bischöfe und “Möchte-Gern-Bischöfe”, Kardinäle und “Möchte-Gern-Kardinäle” in ihrer geschlossenen klerikalen Burgmentalität prägt. Zum anderen aber würde die dezentrale Lokalisierung “vatikanischer Kurie”, sofern diese auch inhaltlich begründet wird, deren Inkulturierung in der spezifischen Tradition der jeweiligen Kontinente begünstigen.

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Der letzte Schritt von Benedikt hat das Amt vermenschlicht. Der neue Papst Franziskus soll nicht ein Supermann werden. Wohl aber ein “globaler Sympathieträger” und überzeugender Glaubenszeuge. Sein erstes Auftreten weckt diesbezügliche Hoffnungen. Das Schicksal eines “ekklesialen Sündenbocks” wird ihm aber auch nicht erspart bleiben. 

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