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Repschinski Boris: Theologie als Wissenschaft
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Theologie als Wissenschaft

Autor:Repschinski Boris
Veröffentlichung:
Kategoriekurzessay
Abstrakt:
Publiziert in:Jesuiten - Mitteilungen der österreichischen Jesuiten 83/4, S. 8-10.
Datum:2012-09-06

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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An der Decke des Sitzungssaal des Dekanats der theologischen Fakultät an der Universität Innsbruck prangt eine Stuckinstallation mit vergoldeten Akzenten im Stil des Rokoko, in der die damals bekannten vier Wissenschaften abgebildet sind. Die Waage mit dem Schwert symbolisiert die Jurisprudenz. Globus und Zirkel repräsentieren die damals noch als Naturwissenschaft verstandene Philosophie. Geräte zur Herstellung von Arzneimitteln verweisen auf die Medizin. Und schließlich symbolisiert ein strahlendes Dreieck mit einem zentralen Auge die Theologie. Die Stuckinstallation setzt mit viel Pracht damalige Auffassungen in Szene. Die Wissenschaften sind einander gleichberechtigt, arbeiten einander zu, sind Teil eines gesamten Blicks auf den Menschen. Die Wissenschaften beurteilen und korrigieren sich gegenseitig.

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Diese schöne Harmonie der Wissenschaften ist spätestens seit dem 19. Jahrhundert abhanden gekommen. Geisteswissenschaften und Naturwissenschaften zerfielen in viele Einzeldisziplinen, und der enorme Wissensfortschritt besonders in den Naturwissenschaften führte oft zur Auffassung, dass Geisteswissenschaften, allen voran die Theologie, entbehrlich geworden seien. Das Wunder des Fortschritts ließ die Wunder Gottes veraltet aussehen. Der Glaube an Gott als den Urgrund allen Seins schien im Licht eines immer besseren Verstehens des Menschen und seiner Welt überholt. Theologie schien bestenfalls als Wissenschaft diskreditiert, schlimmstenfalls als schädlich. Diese Art von Atheismus scheint in den letzten Jahren mit Autoren wie Richard Dawkins wieder eine breitere Resonanz zu finden, zumal Dawkins sich selbst und seine Anliegen durchaus medienwirksam präsentieren kann. Da fahren dann Busse durch europäische Großstädte, die mit großen Aufklebern verkünden: „Gott existiert nicht, nun genieße das Leben!“

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Sicher ist die Theologie an dieser Entwicklung nicht ganz unschuldig. Noch immer zehrt sie an den Spätfolgen der Verurteilung eines Galilei. Auch die aus heutiger Sicht sinnlosen Versuche, naturwissenschaftliche Erklärungsmodelle wie beispielsweise die Evolutionstheorie zu verurteilen, haben die Theologie gelegentlich weltfremd erscheinen lassen. Die Rückkehr zu einem Kreationismus jedenfalls verhilft der Theologie nicht zu mehr Glaubwürdigkeit.

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Die im Stuck unseres Dekanatssitzungssaals beschworene Kooperation der Wissenschaften miteinander ist einer Konkurrenz gewichen. Naturwissenschaften meinen plötzlich, Aussagen über Gott machen zu sollen, während Theologen gelegentlich sehr wirklichkeitsfremd Aussagen zu Stammzelltherapien oder pränataler Diagnostik machen. Dazwischen stehen Menschen, die sich vielleicht nicht mehr mit christlichen Glaubenssätzen anfreunden können, die aber auch sehen, dass bestimmte Krankheiten immer noch zum Tod führen und mit der Frage nach dem Sinn des Lebens konfrontieren. Keine einzelne Wissenschaft erklärt eben das Phänomen Mensch vollständig. Bei allem Fortschritt in Natur- und Humanwissenschaften bleiben Dinge in unserer Welt und unserer Erfahrung, die wir nicht verstehen, und die uns vielleicht sogar oft Angst machen.

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In dieser Situation wird manchmal der Glaube an Gott zum Platzhalter für das nicht Erklärbare, oder schlimmer noch, für das noch nicht Verstandene. Wir können uns nicht vorstellen, was vor dem Urknall war, oder wie unser Universum aus dem Urknall entstanden ist. Aber wenn man dann einfach sagt, da war Gott, dann ist dies an Fundamentalismus grenzende Naivität. Gott ist nicht einfach das letzte Glied in einer Kette von Ursachen. Man kann Gott nicht dadurch „beweisen“, dass man auf von der Naturwissenschaft nicht erklärbare Phänomene zeigt.

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Doch ist Theologie ja letztlich nicht ein Erklärungsmuster unter vielen anderen für die Welt wie wir sie erleben und erfahren. Theologie hat ein ganz anderes Ziel als beispielsweise die Biologie oder die Physik. Theologie hat die Aufgabe, intellektuell verantwortetes Sprechen von Gott zu sein. Sie trifft sich mit anderen Wissenschaften in der kritischen Hinterfragung von wahrnehmbaren Phänomenen, doch sie tut dies nicht mit dem Ziel der Erklärung dieser Phänomene. Die Aufgabe der Theologie ist vielmehr die Frage nach der Art und Weise, wie der Glaube an Gott und das Reden von Erlösung und Gnade in unserer Welt überhaupt Sinn macht.

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Dies hat mehrere Konsequenzen. Zunächst muss sich Theologie auf andere Wissenschaften beziehen. Wenn es tatsächlich so ist, dass Gott die Welt und den Menschen geschaffen hat, dann darf menschliche Erkenntnis in Wissenschaften nicht grundsätzlich verdächtig sein. Das Sprechen von Gott muss beispielsweise der Vernünftigkeit der Evolutionstheorie Rechnung tragen. Theologie darf also nicht grundsätzlich irgendwelche Glaubensinhalte gegen andere Wissenschaftserkenntnisse ausspielen. Gleichzeitig jedoch muss Theologie die Dimension des Göttlichen auch gegenüber anderen Wissenschaften offen halten und auf eine Art darstellen, die menschlicher Einsicht vernünftig und begründbar scheint. Dem Irrtum, menschlichem Fortschritt sei irgendwann alles erklärbar und möglich, muss die Theologie das Geheimnis eines  Gottes entgegenhalten, der sich den Menschen zuwendet und ihnen Erlösung anbietet.

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Die vier Darstellungen der Wissenschaften unseres Sitzungssaals sind nicht zufällig angeordnet. Sie befinden sich in den vier Ecken des Raumes und sind auf die zentrale Darstellung des Lammes aus der Offenbarung des Johannes angeordnet. Alle Wissenschaften, nicht nur die Theologie, sind auf die zentrale Figur Christi hin bezogen. In unserer pluralistischen Welt bleibt es die Aufgabe der Theologie, diesen Bezug für alle Wissenschaften immer wieder einzufordern und herzustellen.

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