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Scharer Matthias: Aus dem Schlaf geküsst
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Aus dem Schlaf geküsst
(Kooperative Fachdidaktik als Herausforderung der Fachwissenschaften)

Autor:Scharer Matthias
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:Wie können Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in einer Form kooperieren in der weder die Fachinhalte übersetzt und angewendet werden noch die Fachdidaktik inhaltsleer bleibt? Das Modell aus dem Bereich Kommunikativer Theologie fordert zur Auseinandersetzung in der gesamten LehrerInnenausbildung.
Publiziert in:# Der Beitrag erscheint leicht gekürzt in: Brunner, Hans u.a. (Hg.), Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung in der LehrerInnenbildung, Innsbruck-Wien: Studien Verlag 2002.
Datum:2001-12-05

Inhalt

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Für Regina Brandl zum Dank und Abschied

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Der Anlass für den folgenden Beitrag ist die Diskussion um Ziele, Inhalte und Systeme der gegenwärtigen und zukünftigen Ausbildung von lehramtskandidatInnen an der Universität Innsbruck. Obwohl ich mich bei dem vom Institut für LehrerInnenbildung und Schulforschung (ILS) gemeinsam mit dem Landeschulrat für Tirol veranstalteten Studientag zur neuen LehrerInnenausbildung mehrfach kritisch zur innsbruckspezifischen Ausweitung der schulpraktischen Ausbildung, zum strukturell geschlossenen Lehrveranstaltungscurriculum des ILS und zur Marginalisierung der Fachdidaktik geäußert hatte, wurde ich von den Veranstaltern eingeladen, einen einschlägigen Beitrag zur Entwicklung der Fachdidaktik aus religionspädagogischer bzw. theologischer Perspektive zu verfassen. Ich verstehe das als Einladung zum konstruktiven Dialog im Hinblick auf die künftige LehrerInnenausbildung an der Universität Innsbruck als gemeinsame Herausforderung. Mit meinem Beitrag schließe ich an den „Werkstattbericht" zur Fachdidaktik Religion (Brandl 1989) und die darin geforderte „systematische theoretische Aufarbeitung" bewusst an.

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1. Was ist mit der Fachdidaktik der Fall? Eine nichtempirische Analyse

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In den letzten Jahren floss viel pädagogische und didaktische Energie in Konzepte der Schulentwicklung und der schulpraktischen Bildung und Weiterbildung. Die Fachdidaktik konnte mit dieser Entwicklung - zumindest an den Universitäten - nicht mithalten. Im Zusammenhang mit der Revision der Studienpläne für das lehramt an den Universitäten zeigt sich das fachdidaktische Defizit dramatisch. An den meisten Fakultäten, die für das lehramt ausbilden, wurde es verabsäumt, entsprechende Strukturen und Personalressourcen für die fachdidaktische Forschung und Lehre zu schaffen. Die Fachdidaktik an Universitäten fristet nach wie vor ihr Dasein am Rande der Fachstudien, indem - in der Regel hochengagierte aber systemisch kaum wahrgenommene - (Vertrags-)lehrerInnen im Hochschuldienst und in das Forschungsgeschehen der Institute kaum eingebundene Lehrbeauftragte diesen zentralen Bereich der LehrerInnenausbildung wahrnehmen. Es ist nur an wenigen Universitäten und Fakultäten gelungen, Institute, Professuren und AssistentInnenstellen für Fachdidaktik zu schaffen. Eine Ausnahme bilden hier die Wirtschaftswissenschaften und die Theologischen Fakultäten, die eigene Institute bzw. Abteilungen für Fachdidaktik unterhalten bzw. sie - wie im Fall der Theologischen Fakultät Innsbruck - an einem Praktisch-theologischen Institut beheimaten.

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Die Bestimmungen des UniStG 1997 zur LehrerInnenausbildung sehen für lehramtsfächer ein Ausmaß von 20 - 25% des Studienumfanges für die pädagogische und fachdidaktische Ausbildung vor; die schulpraktische Ausbildung ist hierin noch nicht eingerechnet. Der neuen Aufgabenbeschreibung der lehramtsstudien entsprechend, sind diese insgesamt nicht nur fachlich, sondern auch fachdidaktisch, pädagogisch und schulpraktisch auszurichten (vgl. UniStG Anlage 1, 3). Die wesentliche Erweiterung der pädagogischen und fachdidaktischen Aufgabenstellung im Studium bringt nicht wenige Fakultäten in ein Dilemma, welches die mangelnde Aufmerksamkeit auf die Entwicklung der Fachdidaktik in der universitären Forschung und Lehre offenbart.

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Soll man einen möglichst großen Anteil der neu geforderten Lehre den SpezialistInnen für Pädagogik und Allgemeine Didaktik an den Einrichtungen für LehrerInnenbildung überlassen?

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Soll man der bisherigen Lehre im Fach den Mantel der Fachdidaktik umhängen, im Grunde aber so weiterfahren wie bisher?

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Soll man eine größere Anzahl von PraktikerInnen an die Universität holen und über sie die Fachdidaktik bestreiten?

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Alle drei Wege sind Sackgassen, weil sie das eigentliche Problem der Marginalisierung der Fachdidaktik an den Universitäten verschleiern. Diese Verschleierung aber hat grundlegende Folgen für die Legitimation und Plausibilität von Studien - speziell von geisteswissenschaftlichen - in der zweckrationalen Öffentlichkeit. Nicht wenige Fächer und Fachbereiche an den geisteswissenschaftlichen Fakultäten "leben" von den lehramtsstudien. Für den "Bildungsbetrieb" Universität wird außerdem die Fortbildung der AbsolventInnen in den Universitätslehrgängen und Lehrgängen mit universitärem Charakter (vgl. UniStG § 23 - 28) eine zunehmende - auch ressourcenrelevante - Bedeutung bekommen. Wenn die Fakultäten für den großen Bereich der LehrerInnenaus- und weiterbildung ihre Kompetenz im Hinblick auf die fachdidaktische Qualifikation der lehramtskandidatInnen und der LehrerInnen verspielen, wird das entsprechende negative Auswirkungen auch auf die fachwissenschaftliche Forschung und Lehre haben. In diesem Zusammenhang sind auch der zunehmende Konkurrenzdruck durch die in Österreich geplanten Pädagogischen Hochschulen und die generelle Debatte in der Öffentlichkeit zu berücksichtigen, die Lehreramtsstudien aus den Fakultäten wegen deren mangelnder fachdidaktischer Kompetenz auszulagern und sie insgesamt den Pädagogischen Hochschulen anzuvertrauen.

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2. Herausforderungen und kurzschlüssige Lösungen

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Seriöse lehramtsstudien an Universitäten sind nur über eine qualifizierte Fachdidaktik in enger Verbindung mit der Fachwissenschaft zu lösen. Die naheliegendste und m. A. trotz aller Ressourcenknappheit der Universitäten im Blick auf eine überzeugende LehrerInnenaus- und Weiterbildung unverzichtbare Lösung ist der Auf- und Ausbau einer Fachdidaktik in Forschung und Lehre, speziell an geisteswissenschaftlichen und naturwissenschaftlichen Fakultäten. Hiezu müssten durchdachte Fächerkooperationen gesucht und gefunden werden. Neue Lehrplankonzepte für den schulischen Unterricht wie der sogenannte Lehrplan 99 in Österreich, regen die Einführung von Bildungsbereichen an Stelle oder in Verbindung mit den traditionellen Unterrichtsfächern an und motivieren zu fächerverbindendem und fächerübergreifendem Unterricht und schulautonomer Lehrplangestaltung.

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Demgegenüber ist das komplexe System spezialisierter wissenschaftlicher Theorien für viele Studierende schon im Hinblick auf einen Gesamtzusammenhang eines Faches immer schwerer durchschaubar. Dies führt nicht selten dazu, dass AbsolventInnen der Universität in der Praxis mehr aus dem Gefühl, als aus einem kritischen fachlichen Bewusstsein heraus handeln. Die „subjektiven Theorien", die ihr Handeln leiten, sind wissenschaftlich um so unaufgeklärter, je undurchschaubarer und fremder ihnen auch in biographischer Hinsicht das Fach geblieben ist. Vielfach wird die Chance des Fachstudiums, die eigene Biographie auch fachspezifisch aufzuklären und sich eine kritische fachspezifische Hermeneutik bedeutsamer Interaktions- und Kommunikationsprozesse in den Praxisfeldern anzueignen, durch die Art und Weise des Fachstudiums unmöglich gemacht. Da der schulische Unterricht höchste Anforderungen an das kommunikative Handeln der PraktikerInnen stellt, eignen sich die Betroffenen das, was sie für die Bewältigung der Praxis zu benötigen meinen, außerhalb des Fachstudiums und in einem relativ unreflektierten Zusammenhang damit an: Know how aus dem Management, therapeutische Ansätze, Moderationstechniken, Umgang mit modernen Medien u.a. werden nach dem Prinzip „die Hauptsache es wirkt" selektiv und ohne den jeweiligen theoretischen Hintergrund bzw. das Gesamtkonzept mitzureflektieren in die eigene Praxis übernommen (vgl. Scharer 1995; 1997).

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Das Problem verschärft sich noch, wenn Studienreformen eine relativ willkürliche Kürzung von Stundenkontingenten der jeweiligen Fächer vorsehen, ohne eine sinnvolle interdisziplinäre Vernetzung voranzutreiben. Das Gefühl vieler AbsolventInnen der Universität, vor einem unverbundenen fachlichen „Steinbruch" zu stehen, der für die Praxis kaum hilfreich ist, verstärkt sich zunehmend (vgl. Mette 2000).

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Die - nicht zuletzt profilierungsmotivierte - rasant fortschreitende Ausdifferenzierung der für lehramtsstudien relevanten Fachwissenschaften scheint demnach künftige LehrerInnen tendenziell immer weniger dazu zu qualifizieren, was moderne schulische Lehrpläne einfordern: SchülerInnen nicht als tabula rasa, als Objekte von methodisch-didaktisch vermitteltem, parzelliertem Fachwissen zu sehen, sondern sie als Subjekte des Unterrichtsgeschehens wahr- und ernstzunehmen. Schulischer Unterricht ist keine Vorlesung, kein Seminar, kein wissenschaftlicher Kongress und keine ExpertInnenshow, sondern ein Bildungs- und Erziehungsgeschehen als ein gemeinsamer Frage- und Suchprozess nach den das individuelle und gemeinschaftliche Leben tragenden Werten, Einsichten und Erkenntnissen; letztlich ein Fragen und Suchen nach der das Leben gewissmachenden und ihm Sinn gebenden Wahrheit, in das auch die LeherInnen existentiell eingebunden sind. Wenn gemäß den Bildungs- und Lehraufgaben im Lehrplan 99 nicht nur im Religionsunterricht die SchülerInnen mit ihren unterschiedlichen Erfahrungen im Mittelpunkt des Unterrichtsgeschehens stehen sollen, sondern etwa auch die Aufgabe des Chemieunterrichtes dahingehend beschrieben wird, „die Schülerinnen und Schüler, ausgehend von deren Erfahrungsbereich und unter Berücksichtigung regionaler Besonderheiten, zu einem chemisch-naturwissenschaftlichen Denken hinzuführen" (Lehrplan 99 - Entwurf, 99), dann wird das ganze Dilemma der Trennung von Fachwissenschaft und Fachdidaktik offenbar. Gemäß den allgemeinen Bildungszielen des Lehrplanes 99 ist es u.a. Aufgabe jeglichen und nicht nur des Religionsunterrichtes „den Fragen und dem Verlangen nach einem sinnerfüllten Leben in einer menschenwürdigen Zukunft ... mit einer auf ausreichende Information aufbauenden Auseinandersetzung mit ethischen und moralischen Werten und der Dimension des Lebens zu begegnen. Die jungen Menschen sind bei der Entwicklung der eigenverantwortlichen Persönlichkeit zu fördern und in der Herausforderung, in ihrem Dasein Sinn zu finden, zu stützen". (Lehrplan 99 - Entwurf, 4).

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Angesichts solcher Herausforderungen durch den schulischen Unterricht erweist sich auch die „Ummantelung" der Fachwissenschaften mit einem didaktischen Anstrich als völlig unzureichend. In einer ernstzunehmenden Fachdidaktik geht es ja gerade nicht um die Übersetzung der fachwissenschaftlichen Inhalte in die unterrichtliche Praxis durch Zuhilfenahme möglichst attraktiver Methoden und Medien. Wie die ausdifferenzierten Wissenschaften zu ihrem Wissen kommen und was sie letztlich wissen, kommt in Bildungsvorgängen, die Kinder und Jugendliche als Subjekte des Unterrichtes mit ihren je eigenen Sachzugängen, mit ihrer Lebens- und Sozialgeschichte, mit ihrem Kommunikationsverhalten usw. ernst nehmen, auf einen die Fachwissenschaften zutiefst herausfordernden Prüfstand (vgl. Scharer 2001a). Wenn zutrifft, was viele LehrerInnen an Höheren Schulen in Fortbildungsseminaren immer wieder bekunden, dass sie nach dem Studium in mühevoller Eigenarbeit ihre fachliche Qualifikation neu erarbeiten müssen, dann hat die bisher verhältnismäßig umfangreiche fachwissenschaftliche Vorbildung versagt. Dies nicht in dem Sinne, dass die Fachwissenschaften ihre Erkenntnisse in schülerInnenangemessener Weise an die Studierenden vermitteln sollten. Fachwissenschaftliche Erkenntnis muss aber letztlich in einer Weise welt-, sinn- und handlungserschließend sein, dass sie bereits von den Studierenden als bildungsrelevant erkannt werden kann. Gerade dazu würde ein fruchtbarer Dialog zwischen Fachwissenschaften und Fachdidaktik, der auf gleicher Anerkennungsebene geführt wird, erheblich beitragen und Fachwissenschaften - wie ich später noch zeigen werde - aus ihrem spezialisierten Binnendasein befreien.

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Auch der dritte Weg, der - aus dem Mangel an anerkannter Fachdidaktik heraus - an nicht wenigen Universitäten, m.E. auch an der Universität Innsbruck, eingeschlagen wird, nämlich möglichst viel vom lehramtsstudium an die ExpertInnen für die allgemeinpädagogische und schulpraktische Ausbildung zu delegieren, ist zwar verständlich, bleibt aber letztlich unbefriedigend. Will man die Persönlichkeit von LehrerInnen nicht in eine pädagogisch-didaktische und eine fachspezifische Spaltung führen, dann bleibt für die allgemeindidaktischen Ausbildungsmöglichkeiten ein sehr bescheidener Teil; schon die Wahrnehmung der Kinder und Jugendlichen als Subjekte des Unterrichtes - ein Bereich, den man traditioneller Weise der Entwicklungs- und Sozialpädagogik zuschreiben würde, verändert sich fachspezifisch je nach dem, ob ich Chemie, Religion oder Sprachen unterrichte. Wenn es darum geht, dass die Fachwissenschaften lehramtsstudierende dazu befähigen, eine fachspezifische Hermeneutik im Blick auf den Gesamtzusammenhang des kommunikativen Bildungsgeschehens zu entwerfen, dann überfordert ein solcher Anspruch die Einrichtung für allgemeinpädagogische und schulpraktische Ausbildung im Hinblick auf ihre fachwissenschaftliche Expertise auf jeden Fall.

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3. Wenn FachwissenschaftlerInnen und FachdidaktikerInnen kooperieren

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Es ist evident, dass weder das Kompensationsmodell mit einer Ausweitung der Allgemeinpädagogik und Schulpraxis, noch das Verschleierungsmodell mit einer falschen Etikettierung fachwissenschaftlicher Lehr- und Forschungsinitiativen zu einer befriedigenden Lösung führt. Fachwissenschaften und Fachdidaktiken müssen in Forschung und Lehre strukturell und personell gleichwertig ausgestattet sein; das muss nicht bedeuten, dass es eine numerische Gleichgewichtigkeit zwischen FachwissenschaftlerInnen und FachdidaktikerInnen gibt. Vielmehr geht es um die Anerkennung der Fachdidaktik im System, die universitär nur durch adäquate Forschungs- und Lehrleistungen gewonnen werden kann. Selbst dann, wenn fachdidaktische Professuren errichtet, diese aber mit Personen besetzt würden, die den Makel "verhinderter" FachwissenschaftlerInnen an sich trügen, wäre kaum etwas gewonnen. Das Konzept einer Kooperativen Fachdidaktik, wie es an der Theologischen Fakultät neben der traditionellen Fachdidaktik und der Speziellen Fachdidaktik als Innovation auf den neuen Studienplan hin geplant ist, "lebt" aus der Anerkennung der Fachdidaktik durch alle Fächer der Theologie; die Fachdidaktik ist an der Theologie in das breite Forschungs- und Lehrspektrum einer Praktischen Theologie als einem der fünf theologischen Institute eingebettet. Eine ähnlich breite Verankerung der Fachdidaktik scheint es an der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät durch das Institut für Organisation und Lernen zu geben. Für die Anerkennung der Fachdidaktik im Rahmen der Praktischen Theologie waren schon bisher, neben den Forschungsleistungen des Institutes und der Abteilung, fächerübergreifende Lehrveranstaltung von nicht zu unterschätzender Bedeutung.

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3.1. DozentInnenseminar zur Vorbereitung des ULG "Kommunikative Theologie" als Modell für die Entwicklung einer Kooperativen Fachdidaktik

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Einen wesentlichen innovatorischen Impuls in Richtung einer Kooperativen Fachdidaktik gab die Ausarbeitung und Einführung des Universitätslehrganges Kommunikative Theologie an der Fakultät (vgl. Scharer 1999). Das Konzept dieses Lehrganges, der sich an AbsolventInnen der Theologie richtet und der inzwischen großes Echo u.a. in der Teilnahme entscheidender Funktionsträger in kirchlichen und außerkirchlichen Leitungsaufgaben gefunden hat, geht von einem mehrfach vernetzten Lernsystem aus. In einem fachwissenschaftlich und fachdidaktisch kooperativen Konzept werden integrativ verbunden

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  • die zentralen theologischen Themen unter biblischen, systematischen und gesellschaftlichen Aspekten
  • die Lebens-/Glaubensbiographie der Teilnehmenden und Lehrenden in ihrer theologischen Bedeutung
  • die kommunikativen Zusammenhänge im Gruppengeschehen in ihrer theologischen Relevanz
  • das rituellen Feiern des Glaubens im Lehrgang und deren theologische Bedeutung
  • interkulturell-weltkirchlichen Lernprozesse in Eigenerfahrung und theologischer Reflexion.
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Die LeiterInnen und TeilnehmerInnen lernen wechselseitig. Sie reflektieren ihre Lehre und Praxis theologisch und erweitern ihre pastorale und religionspädagogische Leitungs-, Konflikt- und Kommunikationskompetenz.

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Ein Spezifikum des Lehrganges ist die Vernetzung intensiver sozial-kommunikativer Studienteile mit Peer-Gruppen als dislozierte Studienmodule, die auch neue, interaktive Kommunikationsmedien wie eine virtuelle Lernumgebung mit einschließen; dazu kommt die internationale Vernetzung des Studienprogramms sowohl im Hinblick auf die TeilnehmerInnen als auf die Studienorte. Teil des Lehrganges ist die unmittelbare Begegnung mit einer anderen Kultur in einer Exkursion oder im Land; außerdem wird eine multikulturelle Zusammensetzung der Ausbildungsgruppe angestrebt.

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In einem einwöchigen, geblockten Projektentwicklungsseminar unter kooperativer Leitung des Tübinger Dogmatikers Jochen Hilberath als Systematiker und mir als Praktischem Theologen wurde das Projekt des Lehrganges konkretisiert; dabei wurde ein kooperativer und partizipierender Planungs- und Leitungsstil gepflegt und eingeübt, der mir auch für eine Kooperative Fachdidaktik im Sinne des Lernens am Modell unverzichtbar erscheint: Die LeiterInnen sind nicht nur ExpertInnen in ihrem jeweiligen Fachbereich; so authentisch wie möglich und so selektiv wie notwendig, werden sie mit ihrer ganzen Person, zu deren Selbstverständnis als FachwissenschaftlerInnen ihre Erkenntnisse und Überzeugungen, ihr Zweifeln, Fragen und Suchen gehören, greifbar. Ein solches Lehr- und Leitungsverständnis erinnert an profilierte LehrerInnen wie sie vermutlich jede/r aus der eigenen Schul- oder Studienzeit in Erinnerung hat: Über ihre Person und die Art und Weise ihrer - oft konfrontierenden - Kommunikation geben sie den SchülerInnen mit einem gediegenen Fachwissen die notwendige Lust an der Auseinandersetzung, Selbstvertrauen, menschlich-soziale und ethische "Reife" und vieles andere. Kann man eine solche, das fachwissenschaftliche Verständnis integrierende und gleichzeitig kommunikative Didaktik lernen?

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3.2. Themenzentrierte Interaktion nach R.C. Cohn als Aufmerksamkeitslenkung und kommunikative Didaktik

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Der Ansatz einer Kommunikativen Theologie wie er im erwähnten Universitätslehrgang vermittelt und an der Theologischen Fakultät Innsbruck in einem längerfristigen Forschungsprogramm erarbeitet wird, korreliert in hermeneutischer und didaktischer Hinsicht mit dem wertbezogenen Ansatz der Themenzentrierten Interaktion R. C. Cohn (vgl. u.a. Cohn 111992; Cohn/Farau 1984). Das bedeutet noch nicht, dass Theologie als Fachwissenschaft und TZI als kommunikativer Ansatz in Richtung einer Religionsdidaktik unkritisch miteinander verschwistert werden.

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Gerade die Theologie als Fachwissenschaft fordert zu Denkmöglichkeiten heraus, die das Verhältnis von Fachwissenschaft und Fachdidaktik nicht zementieren, sondern kreativ offen lassen: Jede noch so theoretisch anmutende theologische Reflexion ist in dem Sinne „praktisch" und damit kirchlich eingebunden, als sie die Gott- Mensch-Kommunikation und die Kommunikation der Menschen untereinander in den jeweiligen kulturellen Kontexten zum Gegenstand hat. Gleichzeitig kann sich eine (Fach-)Didaktik im theologischen Kontext, will sie sich nicht auf eine Methodologie und Unterrichtstechnik reduzieren, vom theologischen Kommunikationsverständnis nicht isolieren. Diese kreative Spannung im Sinne einer wechselseitigen Befruchtung von Theologie als Fachwissenschaft und Themenzentrierter Interaktion als Kommunikationsmodell wird dann am klarsten aufrecht erhalten, wenn die beiden weder voneinander getrennt (ungetrennt) noch miteinander so vermischt sind, dass man den Eindruck gewinnen könnte, über einen kommunikativen Ansatz bzw. eine Didaktik könnte die Schule „erlöst" werden; in diesem Sinn bleibt die Fachdidaktik „unvermischt" mit der Fachwissenschaft (vgl. Scharer 2001b).

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Im Sinne der beschriebenen Verhältnisbestimmung fordern sowohl das Welt- und Menschenbild der Themenzentrierten Interaktion, ohne das - nach den Aussagen der Gründerin - der Ansatz wie ein Zündholz im Heuschober wirkt, als auch ihre Arbeitshypothese die (Fach-)Theologie zu einer kritischen Rezeption dieses Ansatzes in mehrfacher Weise heraus:

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Die wertbezogenen Axiome der TZI gründen auf einem Menschenbild, das - motiviert in der persönlichen Betroffenheit der jüdischen Gründerin durch den Holocaust - die Balance von Autonomie und Interdependenz, von Eigenverantwortlichkeit (Chairpersonship) und solidarischer Bezogenheit, von wachstumsförderndem Lernen und realistischem Umgang mit Störungen und Widerstand u.a. in das Bewusstsein rückt.

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Die subjektiv-biografische Ebene (Ich), die neben der intersubjektiven- (Wir), der inhaltlich-sachlichen (ES) und der Kontextebene (Globe) jeden Lernprozess bestimmt, sind auch jene Ebenen, die moderne Theologien prägen.

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Im folgenden Schema (1) gebe ich einen zusammenfassenden Überblick zur Arbeitshypothese, zu den (wertorientierten) Axiomen und Postulaten der Themenzentrierten Interaktion R.C. Cohn.

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>> Schema 1 einfügen

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Traditionellerweise ist in der Theologie die Sachebene als wissenschaftliche Reflexion auf die jüdisch-christliche Offenbarung und kirchliche Tradition dominierend. Mit diesem Fokus ist sie den anderen Wissenschaften vergleichbar. Immer deutlicher entwickelt sich in jüngster Zeit eine "Biografische Theologie", welche den Sitz der (impliziten) Theologie (vgl. Hilberath/Scharer 2 2000) im Leben konkreter Menschen aufzuklären sucht (vgl. Dormeyer u.a. 2000; Lutz 1999). Durch die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil sich etablierende Koinonia-Communioforschung in Verbindung mit human- und sozialwissenschaftlichen Kommunikationstheorien (vgl. Hilberath 1999) wird die kommunikative Ebene (Wir) in der Theologie stark gemacht. Letztlich geht es dabei aus gnadentheologischer Perspektive und in Abhebung von Kommunikationstechniken u.ä. um kein methodisch-didaktisch herstellbares, sondern um ein "geschenktes" WIR (vgl. Scharer 1998). Die Kontext- oder Globe-Ebene findet besonders in jenen Theologien Ausdruck, in denen der herausfordernde Kontext durch die Betroffenheit tödlich Armer, Vergessener und Marginalisierter, speziell auch von Frauen in das Zentrum theologischer Aufmerksamkeit tritt: Befreiungstheologie, Politische Theologie, Feministische Theologie sind Beispiele von akzentuiert kontextbezogenen Theologien.

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Gegen die Vereinseitigung dieser Theologien, wie sie am deutlichsten in einer Isolierung der Sachebene von den existentiellen und kommunikativen Vollzügen und dem jeweiligen Kontext zum Ausdruck kommen, bringt das Bewusstsein von der "Dynamischen Balance" ohne der kein lebendiger Lernprozess, möglicherweise auch kein sinnvoller Forschungsprozess, zustande kommt, eine sach-, person-, interaktion- und kontextverbindende Perspektive ins Spiel, die nicht nur in fachdidaktischer, sondern auch in fachwissenschaftlicher Hinsicht einem Paradigmenwechsel gleichkommt.

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3.3. Wie Menschenbild und Kommunikationsverständnis die Fachdidaktik verändern

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An den zwei folgenden Beispielen will ich abschließend zeigen, wie erst aus der Vernetzung von Fachwissenschaft und Fachdidaktik heraus entscheidende fachdidaktische Fragestellungen gelöst werden können.

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3.3.1. Identität im Fragment

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Identität stellt zweifellos eine Leitkategorie pädagogischen und didaktischen Handelns dar (vgl. u.a. Erikson 1987). Das Identitätskonzept befreit in pädagogischer Hinsicht das Subjekt von der bloßen Eingliederung in einen kulturellen Überlieferungszusammenhang. Selbstbestimmung und individuelle Entwicklung kommen deutlich in den Blick. Wie nun die Entwicklung des Subjektes gedacht wird und worauf Identität letztlich abzielt, ist für die Didaktik von großer Bedeutung. In der Regel wird als Ziel von Erziehung und Bildung eine „stabile" Ich-Identität als Ausdruck der Persönlichkeitsreife angesehen, die sich mit Abschluss der Adoleszenz einstellen sollte. Auch auf religionspädagogischer Ebene wurden Identitätskonzepte rezipiert und auf die Frage der religiösen- bzw. Glaubensidentität als Ziel von Entwicklung, Erziehung und Bildung bezogen (vgl. u.a. Fowler 1989, Oser 1988), die einer solchen Ziellogik zuneigen.

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Auch ein theologisch orientierter Lernprozess stellt das Subjekt in das Zentrum. Dies ist schon aus der Praxis Jesu heraus zu begründen, der das Kind, das im antiken Kontext als eigenständige Person keine Beachtung findet, in die Mitte stellt (vgl. Mt 18,1-5). Das Ziel dieser Subjektorientierung sprengt allerdings die bekannten Identitätskonzepte und ihre didaktische Logik bei weitem. Jede und jeder einzelne ist insofern gleich wichtig als ihre/seine Geschichte mit Gott und den Menschen auch ein „Ort" göttlicher Selbstmitteilung ist und von daher die (auch wissenschaftliche) Rede von Gott wesentlich mitprägt. Besonders herausfordernd wird diese theologische Einsicht in den Texten der Lateinamerikanischen Bischofskonferenz von Puebla (1979), wenn sie von der „Option für die Armen" spricht:

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Die Armen verdienen ein vorrangiges Augenmerk, ungeachtet ihrer moralischen oder persönlichen Befindlichkeit. Geschaffen nach Gottes Bild und Gleichnis, um seine Kinder zu sein, wird dieses Bild jedoch verdunkelt, ja verhöhnt. Daher übernimmt Gott es, sie zu verteidigen, und er liebt sie (1142).

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Nicht eine besondere moralische oder persönliche Qualifikation gerade auch nicht eine stabile Ich-Identität machen Menschen, wie die LateinamerikanerInnen sagen, zu „interlocutores", wörtlich übersetzt zu „Buchstabierern" des Evangeliums, sondern einzig und allein ihre Würde von Gott her, die sie auch dann noch behalten, wenn sie von allen gesellschaftlichen Systemen marginalisiert, ausgeschlossen und zu Opfern gemacht werden (vgl. Scharer 1990; 2000). Die biografische Erdung der Theologie zielt nicht auf eine Glaubensidentität des Menschen, die ihn - im Sinne der Aufklärungslogik - als autonomes Subjekt unabhängig von anderen dastehen lässt. Mit dieser theologischen Einsicht korrelierend schützt das TZI-Bewusstsein von der mit der Autonomie untrennbar verbundenen Interdependenz, um die sich R. Cohn mit anderen VertreterInnen der Humanistischen Psychologie streitet, vor Identitätsfantasien, wie sie selbst manchen religionspädagogischen Entwürfen vom autonomen Glaubenssubjekt als Ziel der Entwicklung und Erziehung implizit innewohnen. Als kritische theologische Herausforderung des interdependenten Autonomieverständnisses der TZI bleibt freilich jenes christliche Menschenbild bestehen, das Identität nicht nur im Übergang, sondern innerweltlich bleibend als Identität im Fragment versteht: „Wir sind immer zugleich auch gleichsam Ruinen unserer Vergangenheit, Fragmente zerbrochener Hoffnungen, verronnener Lebenswünsche, verworfener Möglichkeiten, vertaner und verspielter Chancen. Wir sind Ruinen aufgrund unseres Versagens und unserer Schuld ebenso wie aufgrund zugefügter Verletzungen und erlittener und widerfahrener Verluste und Niederlagen. Dies ist der Schmerz des Fragments" (Luther 1992, 168).

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So gesehen erweitert sich von der Theologie her sowohl das entwicklungsoptimistische Axiom „Respekt gebührt allem Lebendigen und seinem Wachstum" (Cohn 1975, 120) als auch das Chairpersonpostulat in der TZI. Wenn ich mich nicht nur vorübergehend, sozusagen als notwendigen Entwicklungsabschnitt, sondern insgesamt als bleibend fragmentiertes Subjekt verstehe, dann kommt der Wachstumsbegriff an die Grenze; das Konzept der Chairperson fordert zur inneren Zustimmung mit dem Fragmentarischen in mir und bei anderen heraus: „Jede Begegnung mit anderen, die diesen als solchen ernst nimmt, muss zur erneuten Selbstrückfrage werden: 'Wer bin ich?' Das Ideal der Ich-Stärke und der gefestigten Identität, die sich von der Andersheit der begegnenden anderen nicht verunsichern und verwirren lässt, führt zur Gleichgültigkeit und Selbstabschließung gegenüber den anderen." (Luther 1992, 169).

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Eine (theologisch verstandene) Biografie als Rekonstruktion des Lebenslaufes ist dadurch gekennzeichnet, dass durch alle erinnerten und unausgestandenen Schuld- und Schamgeschichten hindurch, letztendlich Versöhnung mit dem Leben, wie es gelaufen ist, aufleuchtet: „Das Auf-sich-beruhen-lassen-Können ist ja gerade das Problem. Das setzt schon voraus, mit sich selbst versöhnt zu sein" (Siller 1995, 6). Andererseits gehört zur Biografie auch der Blick nach vorne: „Wie kann ich damit umgehen, dass ich eines Tages meiner Selbstmächtigkeit verlustig gehen werde?" (Siller 1995, 6). Aus diesem Zusammenhang bekommen die religiösen Grundfragen des Menschen und ihre symbolische Repräsentanz im Leben eine neue Dringlichkeit: „Wer bin ich? Wohin gehe ich? Was darf ich hoffen? In wessen Hände falle ich, wenn ich mir selber im Sterben aus der Hand gerate" (Siller 1995,6f)? Der Appell „Ich" zu sagen wird bei angereicherter Lebenserfahrung zur Herausforderung, die Identität nicht zu spalten und das bleibend Fragmentierte (vgl. Greiner 2000) umfassend zu bejahen. Nach Siller besteht darin „die Authentizität und Autorität, die einer oder einem im Alter zuwächst" (Siller 1995, 7).

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3.3.2. Kommunikation aus der Perspektive des „geschenkten" WIR

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Ähnlich wie der Identitätsbegriff gewinnt der Kommunikationsbegriff in der Didaktik zentrale Bedeutung; neuerdings vor allem auch im Hinblick auf die sogenannten Neuen Kommunikationsmedien und die Erschließung der virtuellen Welt. In den Leitvorstellung des bereits zitierten Lehrplanes 99 heißt es dazu: „Innovative Technologien der Information und Kommunikation sowie die Massenmedien dringen immer stärker in alle Lebensbereiche vor. Besonders Multimedia und Telekommunikation sind zu Bestimmungsfaktoren für die entstehende Informationsgesellschaft geworden. Im Rahmen des Unterrichtes ist diesen Entwicklungen Rechnung zu tragen und das didaktische Potenzial der Informationstechnologien bei gleichzeitiger kritischer rationaler Auseinandersetzung mit deren Wirkungsmechanismen in Wirtschaft und Gesellschaft nutzbar zu machen" (Lehrplan 99 - Entwurf, 4). Woher gewinnt die kritische rationale Auseinandersetzung um die Wirkungsmechanismen Neuer Medien ihre Kriteriologie, wenn nicht die Frage nach der virtuellen Kommunikation in den größeren Verstehenshorizont von Kommunikation überhaupt gestellt wird? Wie eng oder weit wird der Kommunikationsbegriff wissenschaftlich bestimmt?

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Gerade die (pseudo)religiöse Ladung der virtuellen Welt durch die Deutung mit traditionell theologischen Begriffen wie der Vergleich der virtual reality mit dem Himmel (vgl. Niewiadomski 1999) lassen im Hinblick auf eine fachdidaktische Rezeption des Kommunikationsbegriffes eine kurze (fach-)theologische Überlegung geboten erscheinen.

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Zu den authentischen theologischen „Orten", in denen sich Gott in der Geschichte von Menschen mitteilt, zählt nicht nur die Biografie sondern ebenso die Kommunikation. Im Glauben an den einen und dreieinen Gott der ChristInnen, der Beziehung ist, erschließt sich jede Kommunikation von Menschen als theologische Herausforderung. Diese bleibt nicht in der Abstraktheit eines theologischen Gedankenspiels: sie wird lebendig in der Kirche; aus katholischer Sicht sowohl in der Orts- wie auch in der Weltkirche (vgl. LG 13). Wenn die kommunikative Ebene aus einer ekklesiologischen Perspektive betrachtet wird, dann werden die Kommunikativität, aber auch die Alterität bis hin zur Fremdheit zur besonderen Herausforderung. Christliche Gemeinde ist speziell auch als feiernde Gemeinschaft nicht die charismatisch begeisterte, homogene Gruppe, in der sich alle ständig umarmen. Die Gruppe/Gemeinde ist als „geschenktes" und nicht „gemachtes" WIR Gabe des Geistes Gottes, trotz aller Fremdheit (vgl. Scharer 1998).

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In den vielfältigen Rollen und Beziehungen, in den oft schmerzvollen Wandlungen, wie sie in kommunikativen Lernprozessen erfahren werden können, liegt nicht nur eine interaktionelle Methode sondern die prozesshaft erfahrbare Wahrheit des einen und dreieinen Gottes, der in sich selbst Beziehung ist und im Gekreuzigten alle gruppendynamisch herstellbaren Einheits- und Harmoniefantasien radikal durchbricht und den Horizont auf eine neue, Fremdheit, Andersheit und Verschiedenheit einschließende Begegnungsqualität hin öffnet. Die Priorität von Störungen und Betroffenheiten, wie sie Ruth Cohn anmahnt, finden im gekreuzigten „Unterbrecher" eine theologische Tiefe, die durch kein didaktisches Postulat eingeholt werden kann. Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, wird zum Eckstein, der als Sündenbock ausgestoßene Gottesknecht, der das geknickte Rohr nicht zerbricht und den glimmenden Docht nicht auslöscht, wird von Gott her zum Erlöser; auch zum Erlöser der didaktisch aufbereiteten Schul- und Unterrichtswelten. Theologisch gesehen wird damit auch in der schulischen-/unterrichtlichen Kommunikation ein Raum für hohe Konfliktfähigkeit und eine besondere Sensibilität für die Anderen und Fremden, aber auch für die Ausschluss- und Opferstrategien von denen kein Unterrichtsprozess frei ist, eröffnet; schließlich geht es um das Bewusstsein, dass selbst die Kommunikation in einer aufsässigen Schulklasse noch etwas geschenkhaftes an sich haben kann (vgl. Scharer 1995).

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Im folgenden Schema fasse ich die (fach-)theologisch - didaktische Orientierung, die sich aus dem bisherigen ergibt und die fachspezifischen Unterrichtsplanungen vorausgeht, im Überblick zusammen. Im Anschluss daran wäre eine Kriteriologie für die konkrete Unterrichtsplanung und für den Unterricht zu entwickeln. Die sprengt allerdings den - ohnehin schon überzogenen - Rahmen dieses Beitrags.

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>> Schema 2 einfügen

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Literatur

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AutorInnenspiegel

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Matthias Scharer, Prof. Dr.theol. Ordinarius für Katechetik/Religionspädagogik am Institut für Praktische Theologie der Theologischen Fakultät mit Doppelzuordnung an das Institut für Kommunikation im Berufsleben und Psychotherapieforschung der Universität Innsbruck. Gestaltpädagogik, Supervision und grad. Lehrer der Themenzentrierten Interaktion R.C. Cohn. Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte: Kommunikative Theologie; Interkulturelle Religionspädagogik; Lehrplan- und Schulbuchforschung; Gemeindekatechese; Hochschuldidaktik.

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Der Beitrag erscheint leicht gekürzt in: Brunner, Hans u.a. (Hg.), Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung in der LehrerInnenbildung, Innsbruck-Wien: Studien Verlag Herbst 2001.

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