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Wandinger Nikolaus: Die Wandlung von Emmaus. Gedanken zum Ostermontag 2021
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Die Wandlung von Emmaus. Gedanken zum Ostermontag 2021

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2021-04-06

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Lesungen: (Apg 2, 14.22b–33); 1 Kor 15, 1–8.11; Lk 24, 13–35

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Liebe Gläubige,

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dieser ca. 12 Kilometer lange Gang nach Emmaus, der hat es wirklich in sich, so reich ist diese biblische Erzählung. Ich möchte daher mit Ihnen einige Dinge ein wenig und beleuchten und bedenken:

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Jesus gesellt sich unauffällig dazu, so unauffällig, dass er nicht erkannt wird. Er wird aber auch deshalb nicht erkannt, weil er anders, verwandelt ist. Der Auferstandene ist nicht einfach so, wie er vorher war, sonst hätten sie ihn wohl erkannt. Er ist verwandelt, verklärt – das sind Worte, die es auch nicht wirklich verständlich machen, aber sie weisen uns darauf hin: Das Leben des Auferstandenen ist anders als vorher, es ist jetzt unzerstörbar, ewig, ganz in Gott geborgen. Wenn wir mit ihm auferstehen, wird das auch bei uns so sein.

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Jesus erkundigt sich, worüber die Jünger reden. Er kommt nicht einfach und sagt: Hallo, hier bin ich, ich bin auferstanden. Er fällt nicht mit der Tür ins haus. Er möchte wissen, was die Menschen bewegt. Seine Botschaft von der Auferstehung fährt nicht drüber über unsere Sorgen, über unsere Nöte, über unsere Trauer. Er sagt nicht, da ist eh nichts, es wird ohnehin gut. Er fragt nach: Was bewegt euch?

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Die Jünger können es kaum glauben: Weiß der wirklich nicht, was los war? Jesus fragt noch einmal nach. Er tut auch nicht so, als wüsste er schon Bescheid. Wir tun das ja gerne, sagen: Das kenne ich, mir geht es auch oft so. Jesus fragt noch einmal und ganz offen: „Was denn?“ Natürlich weiß er, wie die Kreuzigung für ihn war. Er will aber jetzt wissen, wie sich das für diese Jünger anfühlt. Indem sie es ihm erzählen, indem sie ihre Gefühle aussprechen, werden sie ihnen wahrscheinlich selbst erst richtig bewusst. Der Auferstandene macht quasi ein wenig Psychotherapie mit ihnen.

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Und in der Tat: Sie reden von sich, nicht von ihm. Sie beschreiben zuerst, was passiert ist: man hat ihn ans Kreuz schlagen lassen. Dann reden sie von ihrer Enttäuschung darüber: „Wir aber hatten gehofft, dass er der sei, der Israel erlösen werde.“ Ihre Hoffnung auf Erlösung wurde mitgekreuzigt. Vielleicht gehörten sie zu jenen, die jahrelang mit Jesus umhergezogen sind, seine Predigten gehört, seine Wunder gesehen haben, auf ihn gehofft, ja alles auf ihn gesetzt haben. Und jetzt ist alles für die Katz gewesen! Ihr Lebensentwurf zerbricht, sie sind haltlos und heimatlos geworden. Die Botschaft der Frauen platzt da nur wie eine erneute Störung hinein. Sie verunsichert nur und verstärkt ihr Selbstmitleid. Eine große Enttäuschung hat sie erfasst. Ja, es scheint, sie sind von Jesus enttäuscht: Hat er ihnen nicht falsche Hoffnungen gemacht? – Und jetzt sind sie allein.

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Geht es uns nicht auch immer wieder so? Manchmal sind wir tatsächlich sogar von Verstorbenen enttäuscht, weil sie gegangen sind und uns zurückgelassen haben. Und oft sind wir enttäuscht von Gott, weil es so aussieht, als wären unsere Hoffnungen vergeblich gewesen.

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Jesus hört sich das an. Dann widerspricht er; versucht die Perspektive zu ändern. Und es folgt einer der spannendsten Sätze dieser Erzählung: „Er legte ihnen dar, ausgehend von Mose und allen Propheten, was in der gesamten Schrift über ihn geschrieben steht.“ Hat Mose, haben die Propheten etwas über Jesus gesagt? Wörtlich nicht. Von einem Jesus aus Nazaret ist in der hebräischen Bibel nicht die Rede. Davon, dass der Christus – mit dem aus dem Hebräischen kommenden Lehnwort: der Messias – durch Leiden in seine Herrlichkeit eingehen musste, ist auch nirgends die Rede, allein schon deshalb, weil vom Messias kaum irgendwo gesprochen wird. Und doch: Wir ChristInnen glauben das. Wir lesen das Alte Testament anders als unsere jüdischen älteren Geschwister im Glauben ihre Bibel. Wir lesen all die Stellen, in denen es darum geht, dass ein unschuldiger Gerechter leiden muss und ihm Gott zur Seite steht, als Stellen, die von Jesus als dem Christus handeln. Schon Abel, der unschuldig erschlagen wird, ist dann ein Vorbild Christi. Diese Linie geht über so viele Psalmenbeter, die in Leid und Verfolgung zu Gott geschrien haben, über Job, den unschuldig Leidenden, bis hin zu jenem Knecht Gottes, auf den die vielen ihre Sünden abgeladen haben – gefangen im Irrtum, Gott hätte ihn geschlagen – wir haben es gerade am Karfreitag gehört. All diese unschuldig Leidenden sind Vorausbilder Christi. Jesus hat für uns das Verständnis dieser Bibelstellen neu geordnet, er hat sich selber durch ihr Beispiel verstanden und kam so zu einem neuen Verständnis davon, wie der Christus in seine Herrlichkeit eingehen sollte: durch Leiden. Nicht weil Gott das Leiden seines Sohnes will, sondern weil die Menschen die Barmherzigkeit Gottes, die ihnen der Sohn verkörperte, nicht aushielten.

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Den Jüngern wurde dadurch der ganze Kosmos ihres religiösen Verstehens umgekrempelt. Das kann uns ebenso geschehen: Wenn unsere Enttäuschung am größten, unsere Hoffnungslosigkeit am tiefsten, alles Bisherige umgestoßen ist, dann kann es plötzlich wieder ganz anders zusammengesetzt werden und einen neuen Sinn ergeben, einen neuen Lebensentwurf. Nicht immer ist das so, aber immer wieder einmal, wenn der Geist Jesu uns dabei hilft.

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Lukas berichtet nicht, wie die Jünger auf diese neue Deutung reagieren. Sie sind nun in Emmaus angelangt. Die Reise ist zu Ende, der Fremde will sich verabschieden. „Es war nett, euch kennengelernt zu haben“, so würde man heute sagen. Und jetzt – auf einmal – denken die Jünger nicht mehr nur an sich, sondern an den Fremden. Sie wissen, wo sie über Nacht bleiben, aber der Fremde? Sie laden ihn ein. Er soll nicht in der Nacht nach einem Quartier suchen müssen, er soll auch nicht im Freien campieren oder gar weitergehen müssen, möglichen Räubern oder wilden Tieren ausgesetzt.

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„Bleibe bei uns!“ Das ist noch kein frommes „Herr-Jesus,-Bleibe-bei-uns“ und hilf uns. Es ist ein simples, gastfreundliches „Bleibe-bei-uns: Du kannst bei uns übernachten“, das sich erst bewusst werden muss, welchen Gast es da eingeladen hat.

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Und es geschah beim Essen und Trinken. So oft hat Jesus mit Menschen gegessen und getrunken, mit Zöllnern, mit Sünderinnen, mit seinen Jüngerinnen und Jüngern, ja zuletzt mit dem Zwölfen in der Nacht, als einer von ihnen ihn verriet, ein anderer ihn verleugnete und die meisten übrigen sich in alle Winde zerstreuten. Jetzt, in Emmaus ist Jesus der Gast, sie haben ihn eingeladen – und da vertauscht er die Rollen und verhält sich wie der Gastgeber: Er nimmt das Brot, segnet es und gibt es ihnen. Und jetzt erkennen sie ihn. Und gerade nachdem sie ihn erkannt haben, entschwindet er auch wieder. Er ist nicht gekommen, um in sichtbarer Weise zu bleiben. Er ist gekommen, um ihr Leben wieder zusammenzubauen und als innere Kraft für immer in diesem Leben zu bleiben.

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Mir scheint diese Wendung eine wunderbare Sache: Wenn wir Jesus als Gast in unser Leben, an unsere Ostertische und besonders an den Tisch des Altars einladen, dann macht er sich selbst zum Gastgeber und schenkt uns Dinge, die wir uns nicht in den kühnsten Träumen erhofft hätten – wie den Jüngern in Emmaus.

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Diesen schenkt das zunächst ungeahnte neue Kraft: „In derselben Stunde“ machen sie sich auf, gehen also in der Nacht die 12 Kilometer nach Jerusalem zurück und finden dort die Elf, die sie vorher ebenso aufgeregt und niedergeschlagen, wie sie selber waren, verlassen hatten, nun auch erfüllt von Freude und Begeisterung. Dieser Jesus ist auch dem Simon erschienen, Kephas, dem Fels.

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Was uns Lukas berichtet, ist auch, was uns Paulus verkündet: Er ist auferstanden und viele haben ihn gesehen. Was unseren Glauben zusätzlich stärken kann, ist, dass wir die Erfahrung der Jünger und Jüngerinnen auch in unserem Leben machen können – hoffentlich schon gemacht haben: Wenn unser Leben in Enttäuschung auseinanderfällt, kann es sein, dass es auf wunderbare Weise neu zusammengesetzt wird und uns dann besser trägt als vorher. Das geschieht vor allem dann, wenn wir Jesus als Gast zu uns hereinbitten und er sich dann zu unserem Gastgeber macht.

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