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Niewiadomski Jozef: Sternstunden der Nachahmung - Sternstunden der Nachfolge
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Sternstunden der Nachahmung - Sternstunden der Nachfolge
(Eine Predigt im Rahmen der “Festwochen der alten Musik 2011" zum Thema: “Sternstunden”, gehalten in der Jesuitenkirche am Sonntag 21. August um 11.00 Uhr im Anschluss an Mt 16,16-20)

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2011-08-29

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Also, wenn das nicht eine Sternstunde ist? An einem so schönen Sonntag, zur besten Tageszeit, in der wunderbaren Barockkirche zu sitzen! Einer Kirche, in der man sich gar direkt auf einen Stern stellen kann, hier vorne vor dem Altar. Auf dem großen Stern stehend, den Blick nach oben wendend, erblickt der Kirchenbesucher in der Kuppel der innsbrucker Jesuitenkirche das Symbol des dreifaltigen Gottes. Eines Gottes, der nicht nur “droben überm Sternenzelt” wohnt. “Jahwe” steht oben auf dem traditionellen Dreiecksymbol. “Jahwe”: der Name für einen Gott, der die einzig relevante schicksalshafte Entscheidung der Menschheitsgeschichte trifft: die Entscheidung zur Bindung. Bindung an das erwählte Volk. Bindung an die ganz konkreten Menschen, koste es was es wolle. “Ich bleibe Dir treu! Treu, selbst oder gerade dann, wenn Du selber untreu wirst: untreu mir gegenüber, untreu den deinigen gegenüber, gar untreu dir selbst gegenüber. Ich bleibe Dir treu!” Wie viel an Sternstunden verdankt die Menschheit dieser zeitüberdauernden Entscheidung Jahwes? Der Entscheidung unseres Gottes für uns da zu sein. Immer und immer wieder wurden und werden Menschen wie Du und ich von seinem Geist ergriffen. Mit einer Selbstverständlichkeit sondergleichen stellen sie sich mit Haut und Haaren in den Dienst dieses Gottes, in den Dienst ihrer Mitmenschen. Wachsen über sich selber hinaus. Wahrhafte Genies auf dem Gebiet der Gottes- und Nächstenliebe. Übermenschlich groß. Groß im Tun und auch groß im Versagen.

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Ja, liebe Schwestern und Brüder, wenn das nicht eine Sternstunde ist? Dieser Gottesdienst in einer überfüllten Kirche, einer Kirche, die vom Weihrauch geradezu trunken ist. Einer Kirche, in der die wunderbaren Musikerinnen und Musiker - von der wunderschönen Kantorin schon ganz zu schweigen - Motteten und die “Parodiemesse” aufführen. Eine fünfstimmige Messe über das Lied “Der Pauer im Mossser Thal” von Jakob Regnart. Am glanzvollen innsbrucker Fürstenhof des Erzherzogs Ferdinand entstanden rettet diese Messe nicht nur etwas von den Sternstunden des damaligen Glanzes - der prickelnden Zeit einer Philippine Welser - in unsere Zeit hinein. Der besondere Kick der Parodiemesse bestand in der Kunst der Nachahmung. Eine bekannte Melodie aufgreifend variierte der Komponist das Thema, verband es mit liturgischen Texten, begab sich - wenn sie so wollen - in die Nachfolge anderer Meister, bekannter und anonymer, parodierte sie also im besten Sinn des Wortes. Nicht indem er sie - wie die modernen Zeitgenossen es meinen würden - lächerliche machte. Nein! Zum Meister wird man - und das scheint unsere Zeit zu vergessen - wenn man sich der Nachahmung anderer Meister widmet. Der Parodierer machte das Prinzip der Nachahmung bloß sichtbar.

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Etwas ähnliches scheint auch Jesus zu bezwecken. “Mit wem vergleichen mich dieMenschen?” Die gefragten Jünger erinnern sich an die Sternstunden der Menschheit. Jene Sternstunden, die am Horizont der Heilsgeschichte geradezu golden markiert wurden: johannes der Täufer, Elija,  Jeremia, andere Propheten. Muster gibt es ja genug. Muster zur Deutung all der Menschen, die vom Geist Gottes ergriffen über sich hinauswachsen. “Moment mal... Was soll der Vergleich aussagen?” “Die Zeitgenossen sehen in Dir den Nachahmer, den Parodierer also, einen Nachahmer, die die Sternstunden fortschreibt indem er die Alten nachahmend eigene Akzente auf die vertraute Melodie aufsetzt.” So weit so gut. Vom Geistesblitz getroffen, lehnt sich einer  - Petrus - weit aus dem Fenster der gesicherten Tradition. Scheint also selber nach den Sternen zu greifen: “Sohn Gottes. Sohn des lebendigen Gottes bist Du!” Bingo! Das hat gesessen. Das Bekenntnis wird nun zu jener Tat, die schicksalshaft seine Zukunft beeinflusst. Da drängt sich - so würde es jedenfalls Stefan Zweig sagen, der Autor des bekannten Buches: “Die Sternstunden der Menschheit” - da drängt sich “auf eine einzige Stunde”, gar nur “auf eine einzige Minute eine zeitüberdauernde Entscheidung” zusammen: hier die Entscheidung des himmlischen Vaters und die Entscheidung Jesu zugunsten dieses einfachen Fischers. Die Stunde der Nachfolge wird zur Sternstunde, einer Stunde, die eine neue Geschichte beginnt. Der Fischer wird zum Repräsentanten Christi, zu jenem Fels, auf dem die Kirche gebaut wird. Er selber und auch die Kirche groß in den Taten, groß im Glauben und in der Hoffnung, aber auch groß im Versagen. Hin und wieder gar erschreckend groß!

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“Wenn Dich auch andere verlassen... Ich, ich werde Dir treu bleiben!” “Diesen Menschen da...? Nein, nie gesehen! Oder doch... War aber bloß ein Lebensabschnittspartner. Längst Geschichte. Passé.” Die Sternstunde der Nachfolge bewahrt den Repräsentanten Christi nicht vor dem Treuebruch. Die Sternstunden der Kirche bewahren sie nicht vor dem Fall. Mit seinem Bekenntnis: “Auch wenn die anderen Dir untreu werden, ich bleibe Dir treu” ahmt Petrus die Entscheidung Gottes für die Menschen nach, sein eigener Akzent, die Eigenvariation mit der er seine Parodie bereichert, besteht in seinem Versagen, in seinem Treuebruch, in der Sackgasse, die er durch seinen Fall produziert. Und trotzdem, oder gerade deswegen habe Christus die Schlüssel des Himmelreiches - was für eine wunderschöne Metapher - diesem Menschen aus Fleisch und Blut übergeben. Schwache, oft der Verblendung verfallende Menschen , Menschen, die in ihrem “heiligen Eifer” hin und wieder auch zu Unmenschen mutieren können werden zu Repräsentanten Christi.

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Liebe Schwestern und Brüder, das Thema der “Sternstunde der Nachfolge Christi” fokussiert nicht nur das glanzvolle Ereignis, nicht nur den Geistesblitz, nicht nur den Karrieresprung, nicht nur das atemberaubende Wunder eines glanzvoll inszenierten Events mit einer Million begeisterter Jugendlicher. Das Thema der Sternstunden der Nachfolge fokussiert zuerst seinen eigenen Weg: den Weg unseres Gottes, den Weg eines Gottes, der unseretwegen Mensch wurde, den Weg eines Gottes, der - so paradox es heute klingen mag - unsere Wünsche nach Sternstunden parodiert, weil er den Wunsch nach den Sternen zu greifen aufnimmt: den Weg der Heroen, den Weg der Titanen, den Weg der im Guten bewährten, gar im Guten verhärteten. Er nimmt die Konturen dieses Weges auf und setzt eigene Akzente, indem er nach unten geht: er, der vermeintlich droben überm Sternenzelt wohnt und dort seine Heimat hat, er kommt herunter, wird selber Mensch. In allem uns gleich. In allem! Außer der Sünde. Er kommt herunter und stolpert. Er stolpert über die konkrete sündhafte Ausprägung unseres Menschseins. Stolpert über unseren Treuebruch. In unseren Sackgassen fällt er unserer Aggression zum Opfer, fällt in seinem Sterben tiefer als der Mensch je zu fallen vermögen wird. Bloß, um mit uns auf der Augenhöhe zu bleiben. Bloß, um mich in meinem Versagen aufzufangen. Bloß um sich mir: gerade in den Stunden der Schwachheit, gerade in den Stunden des Versagens zu schenken und so diese schicksalshafte Entscheidung des himmlischen Vaters, die Entscheidung zur Bindung an den ganz konkreten Menschen zu bewahrheiten. “Ich bleibe Dir treu, koste es was es wolle. Ich bleibe Dir treu, selbst dann, wenn Du dir selber untreu wirst.”

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Liebe Schwestern und Brüder. Verletzt durch die zahlreichen Missbrauchsgeschichten der Kleriker, aufgewühlt durch die skandalgeile Berichtserstattung, ausgehungert auf dem Wüstenweg der spirituellen Armut der verwalteten Pastoralstrategien sehnen wir uns alle nach  neuen Sternstunden der Kirche. Hier ist sie! Die Sternstunde der Nachfolge. Hier ... wo der große Stern da ist: im Umkreis des Altares. Hier und heute. Und dies nicht nur deswegen, weil heute Festspielzeit ist und die Parodiemesse gesungen wird. Heute, wo wir alle da gekommen sind und zu hören bekommen: “Nehmt und esst, das ist mein Leib! Nimm und trink! Und habe Anteil an meiner Person!” Die dramatisch geballte Stunde der Liturgie verdichtet die zeitüberdauernde Entscheidung Gottes für mich, für Dich, für uns alle. Uns, die wir aus dem ganz konkreten Alltag kommen, einen Alltag samt seinen atemberaubenden Höheflügen und erstickenden Sackgassen, dem Alltag mit seiner Langeweile und Routine, dem Alltag mit den unzähligen Treuebrüchen. Uns, die wir hier versammelt sind, wird Anteil geschenkt an der göttlichen Natur, an der Natur jenes Gottes, der nicht nur droben überm Sternenzelt wohnt, sondern als menschgewordene Liebe mitten unter uns lebt. Ja, wenn das nicht eine Sternstunde ist!

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