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Presseaussendung 125/2005 – Universität Innsbruck

Erste Habilitationsfeier an der Uni Innsbruck

Die Habilitation ist die höchste akademische Prüfung, in der herausragende Leistungen in wissenschaftlicher Forschung und universitärer Lehre nachgewiesen werden müssen. Zur Anerkennung dieser Leistung lud die Universität Innsbruck heute erstmals zur feierlichen Habilitation. Rektor Manfried Gantner überreichte die Habilitationsurkunde an vier AkademikerInnen der Universität Innsbruck.

 

„Wir wollen eine neue Tradition – eine Innovation hier an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck begründen“, freut sich Rektor Gantner über die erste feierliche Überreichung der Habilitationsurkunden. Entscheidende Vorraussetzungen für die Habilitation sind die Promotion, die Probevorlesung, das Kolloquium und die positive Beurteilung der vorgelegten wissenschaftlichen Arbeit. Durch die Habilitation kann der Bewerber seine besondere Befähigung zu selbständiger und wissenschaftlicher Forschung und Lehre nachweisen und so seine Lehrbefugnis – die venia docendi – erlangen. Im deutschsprachigen Raum ist die Habilitation Vorraussetzung für einen Ruf als Hochschullehrer an eine Hochschule.

 

Heute, Freitag, reihten sich mit Dipl.-Psych. Cord Benecke (Institut für psychologie), Dr. Anna Iwanowa (Institut für psychologie), Dr. Jens Boenigk (Institut für Zoologie und Limnologie) und Dipl.-Ing. Dr. Bernhard Wett (Institut für Umwelttechnik) vier weitere Habilitanden in die Reihe der Lehrenden der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck ein.

 

„In der Automobilindustrie gibt es viele Modelle. Sie sind unsere Top-Modelle, das High-End unserer Produktionslinie“, vergleicht Rektor Manfried Gantner die Habilitanden mit einem Beispiel aus der Wirtschaft. „Die Habilitation ist ein großes Ziel eines jeden Wissenschafters. Ich gratuliere Ihnen herzlich zu ihrem großen Erfolg“, so Gantner weiter. Auch Vizerektor Tilmann Märk gratuliert: „Spitzenforschung braucht Geld, Zeit, Kontinuität, aber vor allem auch junge Forscher wie Sie, die mit Begeisterung und Ausdauer zu Spitzenergebnissen beitragen.“

 

PD Dr. phil. Dipl.Psych. Cord Benecke:

Die Forschungsinteressen von Cord Benecke, geboren in Norddeutschland, liegen im Bereich Klinische Emotionsforschung und Psychotherapie-Forschung. Hierzu laufen derzeit verschiedene Projekte, u.a. das vom Jubiläumsfonds der ÖNB finanzierte Projekt „Affektivität, Beziehung und psychische Störung“. Seine Forschungen treffen auf reges internationales Interesse, was sich in zahlreichen Vortrags-Einladungen ausdrückt. Außerdem ist er regelmäßig Gastdozent am TFP-Institut in München sowie bei der „Postgradualen Weiterbildung Psychoanalytische Psychotherapie“ der Universität Zürich. Benecke wurde in die Forschungskommission der Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft (DPG) berufen, deren Geschäftsführer er seit 3 Wochen ist. Mit seiner Habilitationsschrift „Affekt, Repräsentanz, Interaktion und Symptombelastung bei Panikstörungen“ legte Cord Benecke eine empirische Arbeit zur Grundlagen-Psychotherapieforschung vor. Die zentrale Fragestellung zielt auf den Zusammenhang von Affekten, Selbst- und Objektrepräsentanzen sowie der Symptomatik bei Patientinnen mit einer klinisch relevanten Angstsymptomatik, d.h. Panikstörung ab.

 

Dr. Anna Iwanowa:

Dr. Anna Iwanowa wurde in Sofia in Bulgarien geboren. Sie entwickelte an der bulgarischen Akademie der Wissenschaften ein eigenes Modell zur Aufklärung der Wirkungen von Arbeitstätigkeitsmerkmalen und organisationalen Bedingungen auf die Gesundheit, das Erleben und das Verhalten der arbeitenden Menschen. Dieses Modell untersuchte sie in verschiedenen empirischen Studien äußerst genau und habilitierte sich mit diesen Arbeiten im Jahr 2000 an der Akademie der Wissenschaften in Bulgarien zum ersten Mal. Im Jahr 2001 wurde Frau Dr. Iwanowa als Vertragsassistentin an das Institut für psychologie der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck bestellt. Sie befasste sich weiter intensiv mit der Überprüfung und Präzisierung des von ihr in Bulgarien entwickelten Modells und konnte anhand von umfangreichen Stichproben in Österreich, Italien und Liechtenstein empirische Belege für dessen nationalitätsunabhängige Gültigkeit belegen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen hat sie im Jahr 2004 in ihrer Habilitationsschrift „Das Ressourcen-Anforderungen-Stressoren Modell. Bezüge zur Gesundheits- und Persönlichkeitsförderlichkeit in der Arbeitswelt“ zusammengefasst und sich zum zweiten Mal habilitiert.

 

Dr. Jens Boenigk:

Jens Boenigk wurde 1970 In Deutschland geboren. Seit 2001 ist er Wissenschafter am Institut für Limnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und seit dem Jahr 2004 lehrt Boenigk am Institut für Zoologie und Limnologie der Universität Innsbruck. In seinen Habilitationsschriften befasst er sich mit Räuber-Beute-Beziehungen auf der untersten Stufe der Nahrungskette. So hat Boenigk in seinen Studien belegt, dass auch in Räuber-Beute Verhältnissen von einzelligen Lebewesen – auf mikroskopischem Niveau –viele Regeln oder Verhaltensweisen gelten, die auch im Großen zu beobachten sind. In seinen Arbeiten ist er auch auf die Diversität dieser einzelligen Lebewesen, einer wenig beachteten Gruppe von Lebewesen, eingegangen. „Insgesamt stellt die Arbeit von Herrn Boenigk eine bemerkenswerte wissenschaftliche Leistung dar“, betont Dekan Prof. Georg Bernd Pelster in seiner Laudatio: „Herr Boenigks Arbeiten betreten in mancher Hinsicht Neuland und tragen Wesentliches zu unserem Verständnis dieser wenig bekannten Organismen und ihrer nicht zu unterschätzenden Funktion in der Natur bei“:


Dipl.Ing. Dr. Bernhard Wett:

Bernhard Wett, geboren in Innsbruck, verfasste seine Habilitation mit dem Titel „Separate biologische Prozesswasserbehandlung im Schnittpunkt von Abwasser- und Schlammlinie“ zum Fachgebiet der Umwelttechnik. Unter „Prozesswasserbehandlung“ versteht man die Reinigung von Abwasser. Im engeren Sinn wird damit Abwasser bezeichnet, das bei der Entwässerung von ausgefaultem Klärschlamm als Filtrat oder Zentrat produziert wird. Das Prozesswasser enthält in sehr hohen Konzentrationen Ammonium, das bei der anaeroben Schlammstabilisierung in Lösung geht und eine erhebliche interne Rückbelastung für eine Kläranlage darstellt. Wett hat ein eigenes Verfahren für Kläranlagen entwickelt. Die Bedeutung dieses Verfahrens wird deutlich durch die Publikationen in internationalen wissenschaftlichen Zeitschriften, wie dem Journal Water Science and Technology und dem Journal Water Research. Wett erhielt dafür ein EU-Patent. Das Verfahren wurde bereits in zwei Großkläranlagen implementiert. Eine davon ist die Kläranlage des Abwasserverbandes Achental-Inntal-Zillertal, in der auch die notwendigen Pilotversuche im großtechnischen Maßstab durchgeführt wurden. Weiters arbeitet Wett an einem Projekt im Rahmen des LIFE-Programmes der Europäischen Kommission mit dem Titel „Technologievergleich und Ökobilanz von Abwasserreinigungsanlagen in alpinen Extremlagen“ sowie einem EU-Projekt zur Trinkwassergewinnung aus flussnahen Brunnen am Ganges in Indien.

Die Bezeichnung Habilitation ist im akademischen Bereich seit 1684 üblich. Jedoch wurde erst 1819 in Preußen die erste Habilitationsordnung durch Wilhelm von Humboldt als Sektionschef für Kultus und Unterricht im Preußischen Innenministerium erlassen. In Österreich wurde die Habilitation im Zuge der bürgerlichen Revolution von 1848 unter Federführung von Universitätsreformer Minister Leo Graf Thun-Hohenstein eingeführt. In Verbindung mit dem bürgerlichen Ideal von „Lehr- und Lernfreiheit“ wurde auch in Österreich, anknüpfend an das Berliner Modell der Humboldt-Universität, die Habilitation zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses eingeführt.

 

Da es in Innsbruck in den Jahren nach der Revolution von 1848 weder eine medizinische, noch eine katholisch-theologische Fakultät gab, waren die ersten Innsbrucker Habilitanden Juristen, Ökonomen und Philosophen. Erster habilitierter Dozent an der Universität Innsbruck war der Historiker Rudolf Kink im Jahr 1848/49. Der Jurist Josef Oberweis war 1856 der erste Habilitand der Innsbrucker Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät. 1863 habilitierte sich der erste Naturwissenschafter, Chemiker Ludwig Barth. Mit dem historischen Nationalökonomen Julius Platter erhielt der erste „Sozial- und Wirtschaftswissenschafter“ eine nationalökonomische Venia.

 

Der Akademische Senat der Universität Innsbruck lehnte mehrmals die Zulassung von Frauen zur Habilitation ab. Erst im Jahr 1929/1930 konnten sich die ersten zwei Frauen habilitieren. Mit Martha Moers und Franziska Mayer-Hillebrand, beide Vertreterinnen der experimentellen psychologie, war der Bann gebrochen.

 

 

 

Rückfragehinweis:

 

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Büro für Öffentlichkeitsarbeit und Kulturservice

Leopold-Franzens-Universität Innsbruck

 

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