„Bis 2030 werden weltweit 44 Millionen Lehrpersonen fehlen“, erklärte Davide Ruscelli, UNESCO-Projektleiter für die Internationale Taskforce für Lehrkräfte im Bildungswesen aus Paris, in seinem Vortrag und bezog sich dabei auf den kürzlich veröffentlichten Global Report in Teachers, addressing teacher shortages and transforming the profession. Viele Länder weltweit leiden bereits unter einem Lehrer:innenmangel, der zu einer qualitativen Verschlechterung des Bildungssystems führt. „Der weltweite Durchschnitt an professionell ausgebildeten Lehrpersonen liegt bei etwa 85 %. Dieser Durchschnitt sank in Europa und Nordamerika von 96 % im Jahr 2015 auf 88 % im Jahr 2022 im Grundschulbereich und von 89 % auf 83 % im Bereich der Sekundarstufe. Die nationale Bildungspolitik versucht, dieser Herausforderung zu begegnen, aber die Strategien sind unterschiedlich und nicht immer erfolgreich“, erklärte Davide Ruscelli und zog folgende Schlussfolgerung: „Dieser Bericht ist ein dringender Aufruf zur Anerkennung, Diversifizierung und Aufwertung des Lehrerberufs, um den Mangel zu beheben und den Beruf im Sinne eines neuen Sozialvertrags für die Bildung zu verändern“.
EE Ling Low, Professorin für Pädagogik und Dekanin für akademische und Fakultätsangelegenheiten, der Nanyang Technological University, Singapur, teilte ihre Gedanken zum Aufbau des „Archetyps der zukunftsfähigen Lehrerin/des zukunftsfähigen Lehrers“ und legte den Schwerpunkt auf die Lehrkräfteausbildung und die dafür zuständigen Auszubildenden. Die Fakultäten für Lehrer:innenbildung müssen sich den aktuellen Herausforderungen und gesellschaftlichen Entwicklungen stellen und sich für die Verbesserung der Lehrer:innenbildung weltweit einsetzen. Zentral ist, dass angehende Lehrpersonen von professionellen und gut vorbereiteten Lehrerbildner:innen lernen und ausgebildet werden. Forschungsergebnisse belegen, dass „erfolgreiche Lehrerbildner:innen unterschiedliche Bildungsziele kennen und über ein umfangreiches Fachwissen sowie pädagogisches und fachdidaktisches Wissen verfügen. Sie sind in der Lage, ihr inhaltliches Wissen zu organisieren und zu nutzen, um die Lernerfahrung ihrer Studierenden zu verbessern“. Die Lehrer:innenbildung sollten als Kernstück des Bildungssystems und als zentrale Ressource einer jeden Universität betrachtet werden“, so EE Ling Low weiter. Ein hochwertiger Lehrer:innenausbildung hat einen erheblichen Einfluss auf die Effektivität und die Fähigkeiten zukünftiger Lehrpersonen und damit auf die allgemeine Verbesserung der Leistungen der Schülerinnen und Schüler. Langfristig leisten diese Lehrpersonen einen wichtigen Beitrag zum allgemeinen Wohlergehen der Gesellschaft und tragen zu einer nachhaltigen Entwicklung bei.
Lin Goodwin, ehemalige Dekanin für Erziehungswissenschaften an der Universität Hongkong und Thomas-More-Brennan-Lehrstuhlinhaberin für Erziehungswissenschaften an der Lynch School of Education and Human Development in Boston, USA, sprach über ‚Perspektiven für eine neue Sicht auf die Lehrer:innenausbildung‘. Die Qualität und Wirksamkeit der Ausbildung hängen weitgehend von der Kompetenz und der Erfahrung der Lehrerenden ab. Die Lehrer:innenausbildung muss „die künftigen Schülerinnen und Schüler in den Mittelpunkt stellen und sollte eine Entwicklung vorantreiben, die sich vom Lehren von etwas hin zum Lehren von jemandem bewegt, nicht auf das Lehren über etwas, sondern auf das Lehren und Lernen für etwas sollte sie fokussieren“. „Das Ideal sind Lehrpersonen, die in der Lage sind, sich eine Zukunft vorzustellen, die sie sich für ihre Schülerinnen und Schüler wünschen, und die in der Lage sind, selbstbewusst für ihre Ziele einzutreten“. Lehrpersonen müssen unterstützt werden, um negativen politischen Einflüssen entgegenzuwirken zu können.
„Jede Schülerin und jeder Schüler sollte Zugang zu professionellen, gut vorbereiteten und gut unterstützende Lehrpersonen haben, die die Vielfalt der Lernenden, die sie betreuen, widerspiegeln“, fasste Lynn M. Gangone, Präsidentin und Chief Executive Officer der American Association of Colleges for Teacher Education (AACTE), Washington, USA, in ihren Vortrag zum Thema ‚Examining Innovation in a Period of Extreme Disruption‘ zusammen. Sie gab Einblick in ihre Arbeit in der US-Bildungspolitik und zeigte auf, wie politische Strömungen und Machtverhältnisse das US-Bildungssystem beeinflussen. Kurzsichtige Entscheidungen, die auf eine schnelle, aber schlecht durchdachte und vereinfachte Lösung abzielen, untergraben die Qualität der Lehrer:innenbildung und werden sich langfristig negativ auswirken.
Irma Eloff, Professorin für Pädagogische psychologie an der Universität Pretoria, Südafrika, Lehrbeauftragte an der Universität Innsbruck und Vorsitzende des Global Network of Deans of Education (GNDE), fasste dieses außergewöhnliche Treffen mit einem Dank an alle Vortragenden und Vertreterinnen und Vertretern von nationalen und internationalen Lehrer:innennetzwerken zusammen. „Wir müssen Lehrpersonen, Lehrerbildende und die Bildungspolitik enger zusammenbringen, um einen Wandel im Bildungswesen zu erreichen. Wenn wir das vierte Ziel einer nachhaltigen Entwicklung (SDG 4) „Hochwertige Bildung“ für alle erreichen wollen, müssen wir zusammenarbeiten und evidenzbasierte Ergebnisse berücksichtigen“.
Die Fakultät für LehrerInnenbildung an der Universität Innsbruck war die erste Institution, die das Symposium des Global Network of Deans of Education als persönliches Treffen ausrichtete und legte dadurch den Grundstein für weitere Veranstaltungen im Rahmen des Netzwerkes. Für Suzanne Kapelari, Dekanin der Fakultät für LehrerInnenbildung, und viele der Teilnehmenden war es eine herausragende Erfahrung, so viele hochrangige Bildungsexpert:innen aus der ganzen Welt hier an der Universität Innsbruck zu versammeln. Vor zwölf Jahren hat das Bildungsministerium in Österreich eine zukunftsweisende Entscheidung getroffen und sich an Forschungsergebnissen und weltweiten Erfahrungen orientiert. Österreich bietet seither allen künftigen Lehrpersonen der Sekundarstufen eine qualitativ hochwertige, universitäre Ausbildung an. Auf den derzeitigen Lehrer:innenmangel zu reagieren, indem man diese Errungenschaft untergräbt, ist kurzsichtig und wird unserer Gesellschaft langfristig Folgen zufügen. Internationale Netzwerke wie das Global Network of Deans werden uns helfen, aus Fehlern zu lernen, die andere bereits gemacht haben. Unsere Fakultät wird dieses Wissen und diese Erfahrungen auch in Zukunft nutzen und den globalen Wissensaustausch weiterhin unterstützen und fördern, denn nur so können wir ‚Hochwertige Bildung‘ für alle ermöglichen“.