Zur Ausstellung
Susanne Loewit
8. November 2019
Man könnte den künstlerischen Weg der in Reith bei Brixlegg geborenen und dann viele Jahre in Landeck lebenden Susanne Loewit als einen von außen nach innen bezeichnen. Sie arbeitete sich anfangs in Öl auf Leinwand, im Holzschnitt, Linolschnitt und mit Radierungen an Landschaften und Architekturen ab, dann an vegetabilen Formen, wobei es ihr bereits bei diesen Werken nicht um äußerliche Mimesis ging, sondern um das Herauslösen isolierter Sehnsuchtsorte oder schlicht um Farbkörper, Lichtkörper und Strukturen. Zum Weg von der äußeren zur inneren Form drängte auch eine biographische Notwendigkeit, nämlich die Befreiung von ihrem Vater Herbert Danler, dessen Landschafts- und Architekturbilder in seiner Tochter anfangs einen Echoraum gefunden zu haben schienen, von dem es abzuspringen galt.
Der Titel einer Ausstellung in Kematen in diesem Jahr, beyond, scheint diese Bewegung eines Darüberhinaus geradezu eindringlich auszudrücken. Dem waren etliche Jahre früher bereits Werkgruppen vorausgegangen, die sie mit identities bezeichnete und damit abstrakte Typen weiblicher Identitäten meinte, wobei sie die emotionalen Momente der Mutter, der Schwangeren oder der Geliebten abseits individueller und alltäglicher Verstrickungen interessierten. Insofern fügt sich der heutige Ausstellungstitel konsequent in diese große Bewegung des Darüberhinaus über die äußere Form. Loewit griff für diese Ausstellung auf den weiblichen Begriff des Archetypenvorrats aus der Analytischen psychologie C.G. Jungs zurück. Animus und Anima bezeichnen dort allgemein-menschliche Strukturen der Möglichkeit von Imagination und Emotion, die sich außerhalb als Ambivalenzen von Freude und Trauer, Liebe und Hass, Überheblichkeit und Minderwertigkeit darstellen. Dabei bleibt das kollektive Unbewusste in einer Ambivalenz zwischen weiblich und männlich, die Anima als bipolare Kraft, das Heilige und die Hure, ist auch das Weibliche der männlichen Seele.
Die Künstlerin, für die Anima eine Chiffre für die inneren Seelenzustände abgibt, sondiert nun – zwangsläufig – an den äußeren Erscheinungen. Sie bleibt dazu auf jenem Pfad, den zahlreiche Künstlerpersönlichkeiten über die Jahrhunderte begangen haben. Aus gegebenem Anlass der Feiern zu seinem 350. Todesjahr sei auf Rembrandt van Rijn verwiesen, der seine Porträts als Tore zum Innenleben der Abgebildeten verstand. Über drei Jahrhunderte später bleibt das Anliegen ähnlich, gleichwohl sich Techniken und Vorgehensweisen änderten. Susanne Loewit fotografiert Frauen in Alltagshaltung abseits gestellter Posen und zoomt am Computer in die Details, gerne auf Mund und Augen, um das Umfeld auszublenden, das Gesten im Allgemeinen leichter zu identifizieren erlaubt. Diese Reduktion und Einengung des Sichtfeldes soll der Betrachterin der in Öl auf Leinwand malerisch festgestellten Fragmente geradewegs einen möglichst großen Raum der interpretierenden und konstruierenden Sicht ermöglichen. Der auslotende Blick auf die vermeintlichen Seelenzustände der anonymen Frau wird damit unversehens zu einer Schau in die eigene Seelenlandschaft. Der geöffnete rot geschminkte Mund kann als Zeichen der Erotik ebenso wie als Ort der Kommunikation oder der Verbindung des Innen mit dem Außen dechiffriert werden. Der Mund ist ein besonders intensiver körpersprachlicher Signalgeber, der in der hier gezeigten Isolation seine ganze Geheimnishaftigkeit entfaltet. Loewit bettet dieses Geheimnis manchmal in das Muster eines orientalischen Teppichs ein. Solche Teppiche leben von verborgener Geometrie und magischen Mandalas, deren Bedeutung ebenso vielfältig und schwierig aufzulösen ist wie menschliche Seelenzustände.
Wie trügerisch äußerliche Hüllen sein können, erkennen Sie, wenn ich Ihnen verrate, dass diese Ausstellung von Susanne Loewit ein Jahr beschließt, in dem sie ein Lebensalter mit einer runden Zahl erreichte. Die Ziffer vor der Null, die ich Ihnen nicht verrate, würde Sie in Erstaunen versetzen. Daher können wir nun im Anschluss leichten Herzens auf diese offensichtliche Inkommensurabilität ebenso das Glas erheben wie vielleicht auch auf diesen schönen Abschluss von 20 Jahre Kunst im Gang – verbunden mit dem Dank an die treuen Besucherinnen und Besucher der Ausstellungen.
bis 13. Dezember
Text: Bernhard Braun