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Niewiadomski Jozef: und wie ging sie weiter? Die Geschichte vom verlorenen Sohn und seinem barmherzigen Vater?
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und wie ging sie weiter? Die Geschichte vom verlorenen Sohn und seinem barmherzigen Vater?

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:# Originalbeitrag für den Leseraum
Datum:2007-03-23

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Predigt am Laetare-Sonntag am 18. März 2007 um 11 Uhr in der Jesuitenkirche in Innsbruck

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Und wie ging sie weiter, die Geschichte vom verlorenen Sohn und seinem barmherzigen Vater? Dem Vater, der - anscheinend - problemlos die Hälfte seines Vermögens dem leichtsinnigen Sohn verschenkt, den Pubertierenden in die Fremde ziehen lässt und als dieser nach dem großen Scheitern zurückkommt, ihm noch ein Fest bereitet? Ohne im Geringsten böse zu sein, ohne den erhobenen Zeigefinger, vor allem aber ohne das Erniedrigende: "Na siehst du, das hätte ich dir schon damals sagen können, dass die Sache so enden wird." Was spielte sich also nach dem Fest ab?

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Wurde aus dem abenteuerlustigen Burschen, aus dem Ausreißer, aus demjenigen, der den Freuden des Lebens nicht abgeneigt war, wurde aus ihm nun ein anständiger, braver Mann - einer, der heiratet, seine Frau und seine Kinder liebt, "am Feiertag mit ihnen in die Kirche geht" oder auch in die Berge, einer, der auf Ordnung, vor allem aber auf den Ruf seiner Familie bedacht ist? Oder - was meiner Meinung nach wahrscheinlicher ist, weil eben menschlicher -, ist der gerade zurückgekommene Sohn, derjenige, der sich von seinem Vater vor kurzem noch umarmen ließ und das Freudenfest ausgiebig feierte, ist dieser zurückgekommene Sohn vielleicht noch einmal ausgerissen: mit neuer Lebenslust, vor allem aber mit neuen Geldern, die er wiederum verjubeln konnte...?

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Ganz gleich, was sich da abgespielt haben mag. Eines ist sicher: Die Reaktion des Vaters dürfte immer dieselbe gewesen sein. Er hielt zu seinem Sohn! Sollte dieser "bürgerlich-brav" geworden sein, sollte sich dieser die Hörner ein für alle mal abgestoßen haben, so hätte der Vater mit Stolz auf die Familie geschaut und würde den lieben "Opa" spielen. Sollte aber der Hallodri noch einmal ausgerissen sein, so würde der Vater auf der Kreuzung auf den Fortgegangenen warten. Mit einem gewaltigen Hoffnungsüberschuss im Herzen, er würde darauf harren, dass dieser zurückkommt; wüsste er doch, dies werde spätestens dann der Fall sein, wenn der Lebenslustige keinen einzigen Euro mehr in der Tasche haben würde und auch des Bettelns müde wäre. Auf der Kreuzung würde der Vater ohne Groll im Herzen stehen, vielleicht nur trauriger als beim ersten Mal: mit Tränen in den Augen, weil jener Sohn, den er schon einmal tot geglaubt hatte, schon einmal verloren und wiedergefunden hatte, weil dieser Sohn noch einmal verlorengegangen ist und diesmal vielleicht auch wirklich tot wäre...

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Dieses rührende Bild des Herzens ist alles andere als selbstverständlich. Das Bild wird sofort von unserem gesunden Menschenverstand in die Schranken gewiesen. "So kann es doch nicht gehen! Irgendwann musste der Vater doch genug gehabt haben! Irgendwo muss es doch eine Grenze geben, an der die Kraft der Verletzung, an der die Härte der Beleidi-gung stärker sein wird als alle Nachsicht, alle Barmherzigkeit und alle Kraft der Versöh-nung. Und vor allem: das Geld; mit dem Geld, mit dem Vermögen konnte es doch nicht so weitergegangen sein! Irgendwann wäre das ganze Geld weg.... Wenn der Vater in seiner Verblendung oder seinem Altersstarrsinn dies nicht kapiert haben sollte, so hätte doch der andere Sohn den Alten entmündigt, um den Hof und das ganze Vermögen zu retten."

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Diese Weisheit des gesunden Menschenverstandes, eine Weisheit, die tagein, tagaus, jahrein, jahraus durch die Erfahrung auch bestätigt wird, diese Weisheit schneidet dem jesuanischen Gleichnis die Sinnspitze ab; sie macht aus einer theologisch wahrhaft revolutionären Geschichte ein drastisches Beispiel, das sich gut bei der Erziehung der Kinder verwenden lässt. So nach dem Motto: "Pass auf, dass es dir nicht so ergeht wie diesem Ausreißer. Zuerst Hallodri, zuerst Lebenslust in Fülle, dann die üppige Mahlzeit bei den Schweinen!" Man könnte die Geschichte auch noch fromm erzählen und ihren Ausgang auf die "Zeit" nach dem Tod verschieben: Im Jenseits würde dann die enttäuschte Liebe des Vaters gerächt werden! Denn, wie heißt es doch im stillen Kämmerlein der gesunden menschlichen Vernunft: "Güte und Liebe, einmal abgewiesen, schlagen in das Gegenteil um! Und je größer die Liebe einmal war, umso stärker wird dann der Zorn und auch der Hass sein!" Spätestens nach dem Tod werden also all die Hallodris in die Hölle stürzen - der liebe Gott wird sich schon für die Beleidigung zu rächen wissen! Diese Pädagogik des gesunden Menschenverstandes ist nicht die Erfindung allzu eifriger Prediger, sie gründet in der Alltagsrationalität, oft wird sie durch die Erfahrung bestätigt. Wie oft sagen wir: "selber schuld", wenn wir auf den "Tun-und-Ergehen-Zusammenhang" schauen ... Doch diese Pädagogik des gesunden Menschenverstandes schneidet der jesuanischen Geschichte die eigentliche Sinnspitze ab.

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Denn: Für Jesus ist diese Erzählung ein Bild von Gott, dazu noch das schönste Bild. Es ist nicht das Bild eines Gottes, der zum Hilfsgesellen unserer pädagogischen Bemühungen degradiert wird. Nein! Jesus präsentiert uns einen Gott, der - um es zuerst ganz einfach zu sagen - ganz gleich, was passiert, für die Menschen da ist. Aber nicht so wie ein betagter Großvater, der früher hinter dem sprichwörtlichen Ofen dahindämmerte, nichts mehr wahrnahm, aber dennoch da war, ganz gleich, was passierte. Nein. So nicht! Nicht im Modus der Gleichgültigkeit ist Gott da. Jesus präsentiert einen Gott, der - ganz gleich, in welche Sackgasse sich der Mensch verstrickt hat, von welcher Schuld der Mensch auch geplagt wird - sich dadurch auch isoliert und abkapselt -, dieser Gott ist da: als ein grenzenlos barmherziger Vater, ein Vater, der den Menschen ein Stück weiterbringt: weiter, als die Sackgasse dies erlaubt. Das Vermögen dieses Gottes, sein Reichtum: das ist seine Liebe. Und diese kann nicht so verjubelt werden wie das Geld.

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Diese Liebe ist grenzenlos und sie kommt auch grenzenlos jedem Menschen zu. Mehr noch: Sie kommt zuerst gerade jenen zu, die verlorengegangen sind und draußen bleiben. Sie kommt also - um banal konkret zu werden - zuerst nicht denjenigen zu, die sich bemühen, nicht denjenigen, die tagein, tagaus ordentlich bleiben und Sonntag für Sonntag in die Kirche gehen. Sie kommt anscheinend zuerst denjenigen zu, die ausgerissen sind wie der verlorene Sohn. Und das ist ein Skandal.

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Das ist der eigentliche Skandal des Christentums..., dass diejenigen, die es anscheinend nicht so ernst nehmen wie wir, dass die, die ihr Leben ohne Gott, ohne die Kirche, ohne den Papst und die Bischöfe verbringen, dass auch sie von diesem Gott geliebt werden. Mehr noch: dass Gott ihnen das Fest bereiten lässt und sogar die besten Mastkälber schlachtet. Können wir das schlucken? Denken wir da nicht sofort: Wozu dann noch das, was wir da machen? Wozu die Kirche, wozu die Messe, wozu die tagtägliche Bemühung? Wenn Gottes Barmherzigkeit sich den anderen zuwendet - gar überschwänglich zuwendet -, wozu die tägliche Plage mit der Religion?

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Da geht es uns wie dem anderen Sohn? Wir setzen uns seine Brille auf? Wie der auf Ordnung bedachte Erbe machen auch wir dem Vater Vorwürfe, der in unseren Augen doch viel zu barmherzig ist. "Schau mal uns an! Wir sind doch die ganze Zeit dabei. Wie die Arbeiter im Weinberg haben wir das ganze Leben lang für dich geschuftet. Wir haben uns bemüht. Uns hast du aber kein Fest gemacht! Diese da aber: die erstbesten dahergelaufe-nen Huren und Säufer, diejenigen, die deine Ehre in den Schmutz gezogen haben, diejenigen, die dein Vermögen verjubelt und auf deine Liebe gepfiffen haben, diese da: Du willst ihnen ein Fest machen? Du willst sie uns gleichstellen? Nein... So etwas kann es nicht geben."

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Liebe Schwestern und Brüder! Es gibt Grenzen der Barmherzigkeit; es gibt auch Grenzen für die Versöhnung. Diese liegen aber nicht bei Gott. Nicht Gott ist derjenige, der sagt: "So weit und keinen Zentimeter weiter." Nein. Die Menschen sind es, vielleicht auch wir. Wir sind diejenigen, denen die Barmherzigkeit des alt gewordenen Vaters, des Vaters, der auf der Kreuzung steht und auf seinen immer wieder neu ausgerissenen Sohn wartet..., wir sind diejenigen, denen diese Barmherzigkeit ein Dorn im Auge ist. Weil wir uns dadurch gefoppt fühlen, weil wir uns ungerechtet behandelt glauben. Scheitert die Barmherzigkeit Gottes an den Gerechten, an den Sich-Bemühenden und den Braven? Kehren wir aber noch einmal zum jesuanischen Gleichnis zurück.

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Da gibt es nämlich noch eine überraschende Sinnspitze, die wir allzu leicht übersehen und über die wir problemlos hinweglesen. Nachdem der ältere Sohn erfahren hat, dass sein Vater dem verlotterten Bruder sogar ein Fest bereiten lässt, weigert er sich, das Haus zu betreten. Dadurch kapselt er sich ein. Ohne es zu bemerken, isoliert er sich und verliert die Gemeinschaft seines Vaters. Bis zu diesem Zeitpunkt selbstverständlich integriert und im Grunde auch glücklich, bis zu diesem Zeitpunkt ein Leben wie im Bilderbuch und nun ganz unerwartet doch ... der Absturz ... in die Isolation. Der ältere Bruder sitzt draußen, böse und zunehmend aggressiv, während drinnen alle lachen, essen und trinken und tanzen. Ohne es zu merken, wird der gerechte und brave Sohn, der leistungsstarke und im Grunde zufriedene Mensch zu einem homo incurvatus in se ipsum: zu einem in sich selbst verschlossenen - auf sich selbst bezogenen - Menschen. Und was macht der Vater? Er überlässt den älteren Sohn nicht seiner Selbstisolation. Er ist auch für ihn da. Er ist schon immer für ihn da gewesen, aber nun ist er auf eine besondere Weise für ihn da. Der Vater ergreift die Initiative. Der Vater geht zum skandalisierten Gerechten hinaus, um diesen aus seiner Abkapselung und Selbstisolation zu befreien. "Komm, wir gehen zusammen ins Haus hinein und feiern...!"

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Liebe Schwestern und Brüder! Der Vater, der da zu seinem gerechten, fleißigen und "guten" Sohn hinauskommt, um ihn zu bitten, er möge doch hereinkommen, dieser Vater kommt sich nicht zu blöd vor. Gott ist sich selber nicht zu schade, vor seinen braven und fleißigen Kindern sich gar zu erniedrigen und bei ihnen für seine verlotterten Töchter und Söhne zu bitten: "Wir müssen uns doch freuen und feiern, denn eure Schwestern und Brüder waren tot und leben wieder." Die eigentlich überraschende Sinnspitze unserer Geschichte vom barmherzigen Vater liegt also bei der Umkehrung des Verhältnisses der beiden Söhne zum Vater. Der verlotterte Sohn kehrt selber nach Hause zurück. Freilich hat er Hunger. Er hat auch allerlei Erniedrigung erfahren. Das Leben hat ihn genug geschla-gen. Deswegen geht er auch auf seinen Vater zu und ergreift seine Hand. Er kehrt um. Der brave, leistungsstarke und gerechte Sohn, derjenige, der niemals in der Gosse lag, dieser verschließt sich in sich selber und ist zu einer Initiative unfähig.

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In seinem Groll wird er auch immer einsamer und immer verbitterter. Selbst der letzte Diener verlässt ihn, um beim Fest dabei zu sein ... Nicht einmal die Hunde leisten ihm Gesellschaft in seiner selbst gewählten Isolation. Man könnte dies theologisch auf eine Grundregel zurückführen und den Sachverhalt auch folgendermaßen ausdrücken: Dieser gerechte und gute Sohn bewegt sich kerzengerade auf eine Hölle zu! Auf die Hölle der radikalen Abkapselung, auf die Hölle der radikalen Isolation. Auf jene Hölle, wo nur ein Gesetz gilt: Jeder glaubt sich alleine in der Hölle und genau das ist die Hölle! Aus einer solchen Hölle der Selbstisolation gibt es keine Umkehr. Nur noch eine stärkere Selbstab-kapselung! Zu diesem selbstisolierten Sohn muss nun der Vater hinausgehen, es muss einer von außen kommen, um den älteren Sohn zu befreien. Der verlotterte Sohn ging auf seinen Vater zu, zum skandalisierten Gerechten musste der Vater hinaus!

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Und was heißt dies? Es sind nicht diejenigen, die verlorengegangen sind, die in der Gosse gelandet sind, die die Welt geschlagen hat, die sich vor der göttlichen Barmherzigkeit verschließen. Nein! Sie werden im wahren Sinne des Wortes umkehren und auf den barmherzigen, sie immer schon erwartenden Gott zugehen. Die Frommen, Guten und Gerechten aber?

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Empört verlangen sie oft die Strafe, die Hölle für die Verlotterten, ohne zu merken, wie sie sich selber dadurch isolieren, wie sie sich von dem Gott, mit dem sie immer schon zusam-men waren, entfernen, wie sie sich dadurch in die eigene Hölle ihrer Selbstgerechtigkeit einschließen und zu einer Umkehr unfähig werden. Und gerade ihnen gilt die Fortsetzung der Geschichte vom verlorenen Sohn und seinem barmherzigen Vater. So paradox dies auch klingen mag, gerade an den Gerechten wird der Vater seine grenzenlose Barmherzig-keit noch einmal offenbaren. Er wird zu ihnen hinausgehen und ihnen zeigen, dass auch sie im Grunde nur aus seinem Vermögen und seinem Reichtum, seiner immer schon da gewesenen, zuvorkommenden Liebe, aus seiner Gnade gelebt haben und nicht aus ihrer eigenen Leistung und ihrer eigenen gerechtigkeit! Er wird ihnen zeigen, dass sie dieser zuvorkommenden Liebe nun umso mehr bedürfen, wenn sie nicht bis in alle Ewigkeit draußen, in der Kälte vom Fest ausgeschlossen bleiben wollen.

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Wie wird die Geschichte also weitergehen? Die Geschichte vom verlorenen Sohn und seinem barmherzigen Vater? Gott selber wird uns die Brille unserer Selbstgerechtigkeit abnehmen, Gott selber wird uns umkehren. Er selber wird uns fähig machen, an seinem großen Fest, am Fest der Versöhnung, am Fest der Barmherzigkeit teilzunehmen. Dann werden die Mastkälber geschlachtet ... für alle ... auch für uns. Dann wird der Laetare-Sonntag kein Ende haben ... Der Sonntag der Freude.

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