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Weber Franz: "Ich steh an deiner Krippen hier" - Krippentheologie
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"Ich steh an deiner Krippen hier" - Krippentheologie

Autor:Weber Franz
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:
Publiziert in:Diakonia 39 (2008) 411-416.
Datum:2008-12-22

Inhalt

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Weihnachtskrippen bringen die Botschaft der Menschwerdung konkret ins Bild. Sie sind ein Stück inkulturierte Inkarnationstheologie und laden zur Betrachtung ein: geschnitzte Mystagogie. Im Folgenden beschrieben anhand einer bekannten Tiroler Krippe.

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„Alle Jahre wieder" stehe ich schauend und staunend vor der Bilderwelt der Tiroler Weihnachtskrippen. Sie sind für mich mehr als nur ein faszinierend vielfältiger Ausdruck verschiedener Epochen der Volkskunst. In Tirol lebt der weihnachtliche Brauch des „Krippeleschauens", also des bewussten Besuchens verschiedener Krippen, der von Krippenvereinen, Pfarrgemeinden und Privatpersonen gepflegt wird. Die vielen Besucher, die die Weihnachtskrippen jedes Jahr anziehen, wecken in mir die Frage nach dem theologischen Gehalt und dem Verkündigungscharakter dieser Darstellungen der Weihnachtsbotschaft. Muss die Botschaft des Weihnachtsevangeliums nicht immer wieder verschiedene Festtags- und Alltagskleider menschlicher Lebenswirklichkeit anziehen, damit sie überhaupt „anschaulich" und mit unseren menschlichen Sinnen erfahrbar wird?

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Inkulturation der Weihnachtsbotschaft

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Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie sehr mich die bunt bemalten Krippenfiguren in meiner Heimatpfarre als Kind in ihren Bann gezogen haben (ich habe meine Mutter und meine Großmutter immer wieder buchstäblich zum Krippeleschauen „gezogen"). Als dann eines Tages - ich war inzwischen schon im Theologiestudium - eine Gruppe von Frauen bei uns daheim auf die Idee kam, große Krippenfiguren in heimatliche Volkstrachten „einzukleiden", löste das zunächst bei vielen Leuten Erstaunen und Befremden aus. Mir aber hat diese „Inkulturation" der Weihnachtsbotschaft eingeleuchtet.

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Später bin ich als Missionar solchen „Einkleidungen" immer wieder in verschiedenen kulturellen Kontexten begegnet. Ist es nicht eine theologische Konsequenz aus dem Evangelium der Menschwerdung, dass die Hirten in den Weihnachtskrippen in Afrika die bunten Kleider ihrer jeweiligen Stammeskultur tragen und dass Maria und Josef in Asien eben asiatische Gesichtszüge aufweisen? In einer der charakteristischen Tonkrippen vom Andenhochland in Peru kommt das Jesuskind in einem Binsenboot des Titicaca-Sees auf die Welt, und Maria und Josef sind - wie könnte es auch anders sein - wie Indios gekleidet.

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Die Botschaft der Menschwerdung wird immer wieder neu ausgesagt. Sie wird von Menschen einer bestimmten Kultur „verkörpert", die sich mit ihrem ganzen Leben gläubig in dieses heilige Geschehen hinein begeben. Sie verleihen dem Weihnachtsevangelium dadurch eine je neue Gestalt und Aussagekraft. Am deutlichsten wurde mir diese Aneignung und Verkörperung des Heilsereignisses der Geburt Jesu in Brasilien, wo vor der Mitternachtsmette Menschen aus Fleisch und Blut als Maria und Josef auftreten und eine so genannte „lebende Krippe" zur Darstellung bringen. Da „verkündet" dann ein „echtes" neu geborenes Kind - oft lautstark schreiend - die Geburt Jesu. Man kann über so viel Naivität der armen und einfachen Leute genau so lächeln wie über den Ernst und die Begeisterung, mit denen Kinder bei uns in Krippen- und Hirtenspielen das Weihnachtsgeschehen verkünden. Mich aber machen diese Versuche einer „Aktualisierung" theologisch nachdenklich.

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Ich gestehe, dass es mir lange nicht gelungen ist, zwischen dem, was ich aus der Exegese über den besonderen Charakter der neutestamentlichen Erzählungen von der Geburt Jesu weiß, und dem, was ich als Theologe über das Lebensgeheimnis der Inkarnation im Licht der Tradition der Kirche zu ergründen versuche, und meinem von der Bilderwelt der volkstümlichen Krippendarstellungen verschiedenster Art geprägten Vorstellungen eine Verbindung herzustellen. Im „Krippeleschauen", d.h. im Versuch, mich auf die Botschaft von Weihnachtskrippen, auf deren bildhafte Verkündigung und die dahinter liegende Theologie einzulassen, verringert sich für mich zusehends die Kluft zwischen theologischem Gedankengut und den Ausdrucksformen einer Volksfrömmigkeit, wie sie uns unter in den alten und neuen Krippendarstellungen begegnen.

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Zur Geschichte der Weihnachtskrippen

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Der Krippenforscher Rudolf Berliner definiert das Wort Krippe „als festzeitlich begrenzte, figürliche und verwandelbare Darstellung verschiedener Begebenheiten des evangelischen Weihnachtsberichtes mit Andeutung der Örtlichkeit"[1]. Das Weihnachtsgeschehen wird in den Krippen offensichtlich je neu verortet und damit lokal inkulturiert. Die Krippendarstellungen „reichen thematisch von der alleinstehenden Krippe bis zur figurenreichen Schilderung des gesamten Weihnachtsgeschehens"[2]. Sie ermöglichen ein „Miterleben der heiligen Geschichte" und sind als „Hilfsmittel zur geistlichen Pilgerfahrt gedacht".[3] Die Geburt Jesu stand genau so wie seine Passion als zentrales Thema des Christentums „immer schon wegen der Einfachheit und Klarheit des Geschehens im Mittelpunkt der Phantasie des Volkes"[4], das diese Ereignisse ohne Wissen um die je eigene literarische Gattung der neutestamentlichen Erzählungen entsprechend ausschmückte und sie in den Kontext der eigenen Kultur und Lebenswelt stellte.

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Schon auf spätromanischen Fresken, wie etwa auch auf der Darstellung der Geburt Christi am Altar von Schloss Tirol (um 1370), wird Jesus zum Beispiel im einfachen Stall eines Bauernhauses geboren. Maria badet das Kind in einem Holzschaff. Im Hintergrund verkündet ein Engel einem mit einem Schaffellmantel und Tiroler Hut bekleideten Hirten die frohe Botschaft der Weihnacht.[5]

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Im späten 16. Jahrhundert entstehen in Tirol die ersten „Kriplen", die zunächst nur aus einem in der Krippe liegenden Jesuskind bestanden, das in einem durch ein Drahtgitter abgesicherten Kasten aufbewahrt und zur Weihnachtszeit in den Kirchen aufgestellt wurde.[6] An der Entstehung und Verbreitung der Weihnachtskrippen waren nach dem Konzil von Trient die Orden der Franziskaner und Kapuziner und vor allem die Jesuiten maßgeblich beteiligt. Die Patres und Brüder versuchten in der Zeit der Gegenreformation den katholischen Glauben des Volkes durch kirchliche Volksschauspiele, durch prachtvolle Gottesdienste und durch die Anschaulichkeit eines bilderreichen religiösen Brauchtums zu stärken.

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In einem Nachruf auf den in Schwaz in Tirol geborenen Jesuitenbruder und Krippenbauer Josef Brandstetter (1541-1625) heißt es, dass seine „Krippen des neugeborenen Herrn so kunstvoll waren, daß die meisten in den Kirchen [...] durch ihre natürliche Einfalt anerkannt und sehr beliebt als Schaustücke waren"[7]. Erwähnenswert und theologisch bedeutsam ist zweifellos auch die Tatsache, dass schon im frühen Barock im religiösen Volksbrauchtum neben den großen Weihnachtskrippen auch so genannte Fastenkrippen mit der Darstellung der verschiedenen Stationen des Leidens Christi entstanden. In dieser volkstümlich-bildhaften Katechese wurde somit das Weihnachtsgeschehen mit der Passion in Verbindung gesetzt.[8]

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Eine neue Blütezeit erlebte die Krippenkultur im 18. Jahrhundert, die sich nun über die Städte und ihre Kirchen hinaus auch in den Märkten und Dörfern verbreitete. Selbst- und freiheitsbewusste Tiroler Bauern lassen sich zu dieser Zeit in den Krippen in ihrem Sonntagsstaat als Hirten darstellen. Die bäuerliche Bevölkerung steht hier nicht mehr am Rande des Geschehens, sondern fühlt sich selbst als Teil der Weihnachtsgeschichte.[9] „Echte Zeugnisse der barocken Volkskunst" und in ihrer Anschaulichkeit eine „Aufforderung zum Miterleben"[10] der Weihnachtsgeschichte waren auch die bekleideten Krippen des Barock, die unter dem aufgeklärten Kaiser Joseph II. durch Hofdekret aus allen Kirchen entfernt werden sollten. Der Superior des Franziskanerklosters in Telfs nannte sie sogar einen „Greuel im Tempel Gottes", der abgeschafft werden sollte. Ein aufgeklärter Salzburger Erzbischof befahl im Jahre 1782, dass „alle, teils ungereimten und ärgerlichen, teils lächerlichen und wenigstens unnötigen Dinge, als auch die Krippeln aus der Kirche wegbleiben und wo sie schon aufgestellt wären, weggeräumt werden sollen"[11]. Er musste diese Verordnung allerdings wegen der zahlreichen Proteste zurücknehmen.

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Allen Verboten zum Trotz überlebten die Krippen ihre aufgeklärten Gegner und kehrten - sofern man sie nicht zerstört hatte - zum Teil wieder in die Kirchen und Kapellen zurück. Aber man brauchte auch neue Kirchenkrippen. Die Bildhauer und Schnitzer, die unter dem aufgeklärten Staatskirchentum lange ohne Verdienst geblieben waren, erhielten nun vor allem von der Landbevölkerung neue Aufträge, die zur Entstehung beeindruckender geschnitzter Krippenkunstwerke führten.[12]

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Die Giner-Krippe von Absam[13]

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Ein unbestrittenes Meisterwerk dieser spätbarocken Epoche der Tiroler Krippenkunst ist die von Johann Giner dem Älteren zwischen 1793 - 1796 geschaffene Krippe in der Pfarr- und Wallfahrtskirche von Absam bei Hall in Tirol, die wie kaum eine andere dieser Art auch eine theologische Botschaft vermittelt. Die durchschnittlich 40 cm hohen Figuren in lichter, farbig kühler Ölfarbenfassung strahlen, wie der Krippenforscher Josef Ringler es ausdrückt, einen „feierlichen Ernst und eine spürbare Frömmigkeit"[14] aus. Das Werk zeugt von der Bodenständigkeit seines Schöpfers. Johann Giner stammte aus einer Bauernfamilie in Thaur bei Innsbruck und übernahm dort nach dem Tod seiner Mutter den Hof, den er neben seinen künstlerischen Schaffen bis zu seinem eigenen Tod bewirtschaftete.[15]

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Das von ihm dargestellte Weihnachtsgeschehen spielt sich in dieser und in anderen Giner-Krippen immer auf zwei Ebenen ab. Auf der höheren Ebene befinden sich die Heilige Familie und die Engel, die aber von ihrem geweihten Platz auf die niedrigere Ebene zu den Hirten hinabsteigen, um sie jeweils ganz persönlich zum göttlichen Kind zu führen. Die Engel sehen zum einen wie Altarengel aus und tragen einen um eine Schulter gelegten Mantel, zum anderen werden sie durch ihre je eigene Mimik und Gestik als einfühlsame individuelle Gesprächspartner der Hirten dargestellt. Die Hirten ihrerseits sind Menschen aus der bäuerlichen Umgebung des Künstlers. Sie tragen die typische Bauernmode ihrer Zeit: geschlitzte, halb- oder dreiviertellange oder an den Knien abgebundene Hosen mit Wadenstrümpfen, Sandalen oder Kurzstiefeln, Lodenröcke, Hemden und Hüte - ihre Arbeits- und Alltagskleider also, nicht ihre Sonntagstracht.[16]

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Während es die Hirten in den vielen anderen Krippendarstellungen wie in einer von der Verkündigung der Geburt des Messias ausgelösten Dynamik meist fraglos zum Stall von Bethlehem zieht, erscheinen die Hirten Johann Giners in der Absamer Krippe teilweise geradezu als aufgeklärte moderne Menschen, die mit den Boten vom Himmel in Diskussion treten, um ihnen ihre Skepsis, ihre Zweifel, Fragen und Ängste mitzuteilen. Die Engel lassen sich offensichtlich auf diese je eigene Glaubenssituation von Menschen ein. Jeder Hirte bekommt seinen eigenen Engel an die Seite gestellt. So scheint ein junger, selbstbewusster und noch gar nicht von der Weihnachtsbotschaft überzeugter Hirte von seinem Engel in ein Gespräch verwickelt zu werden, in dem der offensichtlich sehr irdisch gesinnte junge Mann mit einer nach oben weisenden Geste des Engels daran erinnert wird, dass mit der Geburt Jesu sich auch für ihn der Himmel geöffnet hat.

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Ein anderer Hirte führt seinen kleinen Sohn an der Hand. Beiden weist ihr Begleitengel den Weg zum göttlichen Kind. Besonders beeindruckend ist eine Zweiergruppe, die jedes Jahr ganz im Vordergrund des gesamten Krippenbaus Aufstellung findet: Einem Hirten, dessen Augen, Gesichtsausdruck und Körperhaltung einen ängstlichen Menschen zeigen, der seinen Engel Hilfe suchend anblickt, begegnet dieser mit einem liebevollen und ermutigenden, aber auch entschiedenen Blick. Der Engel schaut dem Mann nicht nur in die Augen. Er fasst ihn auch entschlossen an der Hand und nimmt ihn einfach mit auf den Weg zum Zentrum des Weihnachtsgeschehens.

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Nur ein Hirte hat schon das Ziel seines Weges erreicht. Er kniet voll Inbrunst und Andacht vor dem Jesuskind[17], das von einer jugendlich wirkenden, bescheiden gekleideten Mutter Maria mit seinen kleinen geöffneten Armen den Besuchern entgegen gereicht wird. Ein ebenso junger und dynamischer Josef blickt liebevoll-zärtlich auf das Kind und weist mit der Gestik seiner Hände auf Jesu als dem eigentlichen Mittelpunkt des Geschehens hin.

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Mystagogie eigener Art

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Man kann diese Absamer Krippe von Johann Giner und andere seiner Meisterwerke wie viele andere Weihnachtskrippen in Tirol und anderswo kaum mit Worten beschreiben. Man muss lange vor ihnen stehen und sie anschauen. Nur so kann man langsam mit den Augen des Herzens und des Glaubens „erschauen" und erahnen, welche Inhalte der Weihnachtsbotschaft der Künstler damit verkünden wollte. Giner hat es wie viele andere vor ihm und nach ihm meisterhaft verstanden, mit künstlerischer Qualität und volkstümlicher Ausdruckskraft seinen eigenen Glauben an die Kraft der Weihnachtsbotschaft und die schlichte Gläubigkeit der bäuerlichen Bevölkerung seiner Umgebung ins Bild zu setzen und ihm eine inkulturierte Gestalt zu verleihen. Aber dieser „Volksglaube" ist nicht so naiv und fraglos, wie das auf einen ersten Blick erscheint.

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Es mag gewagt oder vielleicht sogar überzogen erscheinen, die „Volkstheologie", die hinter einem solchen Kunstwerk wie der Giner-Krippe in Absam steht, als „Mystagogie eigener Art" zu bezeichnen. Engel sprechen Menschen im Namen Gottes in ihrer je eigenen Lebens- und Glaubenssituation ganz persönlich an. Wie kann ein Mensch überhaupt einen Zugang zu diesem Geheimnis des Glaubens, dass das ewige Wort „Fleisch geworden und unter uns gewohnt hat" (Jo 1,14) bekommen, wenn es nicht Botinnen und Boten gibt, die ihn dort abholen, wo er gerade steht? Vielleicht hat ein Krippenkünstler wie Johann Giner inmitten der äußeren Selbstverständlichkeiten eines spätbarocken Volkskatholizismus, der aber auch durch die kritischen Anfragen der Aufklärung herausgefordert wurde, intuitiv gespürt oder vielleicht auch im existentiellen Ringen um den eigenen Glauben leidvoll erfahren, dass schon damals nicht alle Menschen über jeden Zweifel erhaben waren. Wahrscheinlich brauchte es auch schon früher Weggefährtinnen und Weggefährten im Glauben, geistliche Begleiterinnen und Begleiter, denen man zuerst all die vielen Fragen und Anfragen stellen und die eigenen Ängste aussprechen durfte, die daran hindern, sich auf das Geheimnis der Menschwerdung einzulassen.

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Die Frage, wie Menschen heute nach dem Verlust volkskirchlicher Rahmenbedingungen und dem Ausbleiben familiärer religiös-kirchlicher Primärerfahrungen neu glauben lernen, gehört zweifellos zu den wichtigsten Herausforderungen der Seelsorge. Eine mystagogische Pastoral versteht sich in ihrem Ansatz und in ihrer Praxis als Begleitung und erschließende Hinführung zur Erfahrung „jener ursprünglichen und persönlichen Gottesbeziehung, die das alltagsweltliche Leben der Menschen umgreift, es bedingt und trägt und es als Geheimnis dieses Lebens erfahrungsbezogen und in lebensgeschichtlicher Konkretheit"[18] zu erahnen versucht. Dass eine solche Erschließung in wirksamer Form nicht nur mit Worten, sondern vor allem auch über eine Inkulturation der biblischen Botschaft in die Bilderwelt alltäglicher Lebenswelten von Menschen erfolgen kann und muss, davon scheinen - neben vielen anderen - vor allem auch die Krippenkünstler überzeugt gewesen zu sein.

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... bleib ich anbetend stehen

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Wenn ich Jahr für Jahr in der Weihnachtszeit - oft mehrmals - vor der Krippe in Absam und vor anderen Krippen stehe und mich nicht nur auf die Krippenfiguren einzulassen versuche, sondern auch die Menschen neben mir wahrnehme, die mit mir zum „Krippeleschauen" gekommen sind, dann verhilft mir der Text eines Weihnachtsliedes, das aus einem ganz anderen Kontext stammt, zu einem tieferen Zugang zu den Bilderwelten der Weihnachtskrippen.

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„Ich steh an deiner Krippe hier, o Jesu, du mein Leben", hat der große und tiefsinnige Paul Gerhardt um die Mitte des 17. Jahrhunderts gedichtet. „Ich komme, bring und schenke dir, was du mir hast gegeben." Es ist ein Lied voll andächtigen Staunens, mit dem der Dichter sich mit seinem ganzen Leben in dieses Heilsereignis der Geburt des Gottessohnes hineinbegibt.[19] Er weiß, dass er dieses Geheimnis nicht fassen kann. Und doch erfüllt ihn eine tiefe Freude. Er kann sich, wie es in der 4. Strophe zum Ausdruck kommt, an diesem Ereignis der Menschwerdung nicht „satt sehen". Er kommt an eine Grenze: „Und weil ich nun nichts weiter kann, bleib ich anbetend stehen." Ein solches staunend-anbetendes Krippeleschauen wird aber vielen von uns (post)modernen Menschen nicht leicht fallen.

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Krippentheologie ist Inkarnationstheologie. Was viele unserer Weihnachtskrippen auf eine oft naive Weise, die der Lust an fantasievoller Ausschmückung und der Gefahr der Verniedlichung und Verharmlosung des Weihnachtsgeschehens nicht immer entgeht, zum Ausdruck bringen, hat seinen heilsgeschichtlichen Grund in der Menschwerdung des Sohnes Gottes. „Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht" (Jo 1,18). Diese Kunde haben nach dem Zeugnis des Lukasevangeliums die Hirten als erste vernommen. Und sie haben sie weiter verkündet. Sie tragen sie weiter bis heute - fragend und staunend. Im „Krippeleschauen" lassen sich Menschen von dieser ursprünglichen Art der Begegnung mit dem Geheimnis der Menschwerdung zum Glauben führen.

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Anmerkungen

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[1] Zitiert nach J. Ringler, Alte Tiroler Weihnachtskrippen, Innsbruck-München 1969, 11.

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[2] G. Jászai, Art. Krippe. C. Weihnachtskrippe, in: E. Kirschbaum (Hg.), Lexikon der christlichen Ikonographie, Bd. 2, Rom-Freiburg-Basel-Wien 1970, 658.

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[3] Ebd. 256.

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[4] E. Egg/H. Menardi, Das Tiroler Krippenbuch. Die Krippe von den Anfängen bis zur Gegenwart, Innsbruck 21996, 9.

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[5] Ebd. 11-12.

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[6] Vgl. ebd. 13.

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[7] Zitiert nach Egg/Menardi, Anm. 4, 15.

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[8] Vgl. ebd. 14.

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[9] Vgl. ebd. 24.

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[10] Ebd. 41.

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[11] Zitiert nach Egg/Menardi, Anm. 4, 41-42.

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[12] Vgl. ebd. 46-49.

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[13] Bildmaterial dieser Krippe zugänglich unter http://touristicviews.com/krippe_absam/6krippe_absam_20.htm

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[14] Ringler, Anm. 1, 45.

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[15] Vgl. Egg/Menardi, Anm. 4, 49.

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[16] Vgl. ebd. 51.

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[17] Vgl. Ringler, Anm. 1, 45.

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[18] W. Simon, Art. Mystagogie. II., Religionspädagogisch und praktisch-theologisch, in: LThK3 , Bd. 7, 571.

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[19] Vgl. dazu S. Sandherr, „Ich steh an deiner Krippe hier", in: Magnificat. Das Stundenbuch, Dezember 2007, 378-381. Das Lied findet sich im Gotteslob unter der Nr. 141.

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In: Diakonia 39 (2008) 411-416.

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