- Leseraum
| Zum Tod von Papst FranziskusAutor: | Wandinger Nikolaus |
---|
Veröffentlichung: | |
---|
Kategorie | kommentar |
---|
Abstrakt: | |
---|
Publiziert in: | |
---|
Datum: | 2025-04-22 |
---|
InhaltsverzeichnisInhalt1
 | Die Theologische Fakultät nimmt den Tod von Papst Franziskus mit Betroffenheit und Trauer zur Kenntnis. Im Auftrag unseres Dekans, der gerade verreist ist, möchte ich einige Gedanken zu dem am Ostermontag zu Ende gegangenen Pontifikat teilen. | 2
 | Sein öffentliches Wirken als Papst begann am 13. März 2013 mit einem berührenden „Buona sera“ und endete passenderweise am Ostersonntag, den 20. April 2025, mit dem päpstlichen Segen „Urbi et orbi“. Am Morgen danach verstarb dieser außergewöhnliche Papst. Dazwischen lagen zwölf Jahre des Dienstes an der Kirche und der Welt, der Reformbemühungen um diese Kirche, der Friedensbemühungen für die Welt und des Kampfes gegen Kräfte des Widerstandes. | 3
 | Nichts anderes hatte aber dieser Papst erwartet. Hier ist nicht der Ort für eine umfassende Würdigung seines Pontifikats. Ich möchte aber an einige theologische Meilensteine erinnern – ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit. | 4
 | Sein „Programm“ stellte Franziskus im November 2013 in dem Dokument Evangelii Gaudium vor, in dem schon viele Themen seines Pontifikats anklangen. Neben diesen Themen zeichneten sich v.a. die Prinzipien der Leitung ab, die er in seinem Stil der Kirchenleitung zum Tragen kommen ließ: dass die Zeit wichtiger sei als der Raum und man daher nicht schnelle Erfolge erwarten könne; dass die Einheit wichtiger sei als der Konflikt, der aber dennoch nicht um eines falschen Friedens willen vermieden werden solle, sondern ausgetragen werden müsse in der „Bereitschaft, den Konflikt zu erleiden, ihn zu lösen und ihn zum Ausgangspunkt eines neuen Prozesses zu machen“ (EG 227); dass die Wirklichkeit wichtiger sei als die Idee, was einen vor blinder Ideologisierung bewahre; und schließlich, dass das Ganze dem Teil übergeordnet sei. | 5
 | Franziskus, der erste Jesuit auf dem Stuhl Petri, lebte aus seiner ignatianischen Spiritualität, der er die besondere Sorge des heiligen Franziskus um die Armen und um die Schöpfung beigesellte. Aus dieser Kombination erklären sich viele seiner Initiativen und ebenso seine unkonventionelle Art. Oft betrat er Neuland in der Kirche durch scheinbar spontane Interviewaussagen, die zunächst in Gegensatz zur Lehre und Praxis der Kirche zu stehen schienen, um dann Wege zu eröffnen, die zumindest eine veränderte Praxis ermöglichten. Während manche bedauerten, dass er nicht auch die Lehre und die Gesetze der Kirche reformierte, warfen ihm andere vor, sich bereits jenseits der wahren Lehre zu bewegen. Die Diskussion über nötige Reformen bzw. Weiterentwicklungen wird sicher weitergehen. Mit Franziskus bleibt jedoch festzuhalten: Die Gradualität im menschlichen Reifen ist zu berücksichtigen und bei der Anwendung der Lehren und Gesetze ist sie zu beachten (Amoris Laetitia 295). Das menschliche Leben ist nie vollständig in Regeln und Gesetze einzufangen, denn die Wirklichkeit ist wichtiger als die Idee. | 6
 | Gleichzeitig hat dieser Papst mit ernsthafter Entschiedenheit Verbrechen bekämpft, die von Vertretern der Kirche begangen wurden, sei es im Bereich der Finanzen, sei es beim sexuellen und spirituellen Missbrauch von Minderjährigen und Schutzbedürftigen. Hier musste auch Franziskus erst lernen; seine Lernkurve war aber durchaus beachtlich. Dass ausgerechnet der Papst glaubhaft Klerikalismus anprangerte, hat neben dankbarer Erleichterung auch beleidigtes Unverständnis ausgelöst; ebenso die dezidierten Ansätze zu einer Dezentralisierung der Kirche und hin zu mehr Verantwortung der Ortsbischöfe bzw. der Bischofskonferenzen. | 7
 | In seiner Enzyklika Laudato Si‘ weitete Franziskus die kirchliche Soziallehre aus, so dass sie nun die Umweltethik miteinschließt, und fand deutliche Worte zur Klimakrise. Dabei war für den Papst klar, dass die soziale Frage und die Frage der Erhaltung der Lebensgrundlagen auf diesem Planeten zusammenhängen und zusammengehören. Versuche, das eine gegen das andere auszuspielen, sind nicht nur ethisch fragwürdig, sie sind sachlich unangemessen. | 8
 | Franziskus war auch der erste nachkonziliare Papst, der erste, der nicht selbst am II. Vatikanischen Konzil, zumindest als theologischer Berater, teilgenommen hat. Als solcher führte er die Impulse des Konzils in seiner Ganzheit weiter. Zu dieser Weiterführung gehört sicher v.a. die neue und vertiefte Bedeutung, die Franziskus der Synodalität in der Kirche zudachte. Nach seinem Verständnis ermöglichte die päpstliche Autorität die freie und offene Diskussion. Diese Autorität sollte aber den Prozess nicht kurzschließen, sondern ermöglichen – und in machen Fällen auch verlangsamen (die Zeit ist wichtiger als der Raum). Die neue Art der Durchführung der letzten Synoden tat ein Übriges: Diskussion an Tischen zu zehn Personen mit gemischter Besetzung aus Bischöfen, Priestern, Ordensleuten, männlichen und weiblichen Laien; Betonung auf der Tugend des Hörens und des Schweigens; und schließlich die päpstliche Entscheidung, das von der Synode verabschiedete Dokument unverändert zu approbieren. Vor wenigen Wochen war die Untersekretärin, also die stellvertretende Vorsitzende, der Synode – Sr. Nathalie Becquart – an unserer Fakultät zu Gast. Sie betonte in ihrem Vortrag, dass Synodalität, also das hörende Beraten aller Glieder der Kirche, die im gemeinsamen Priestertum der Getauften übereinkommen, das zweite Vaticanum „in a nutshell“ sei. Und dieser Prozess muss sich nun auf allen Ebenen der Kirche, in den Teilkirchen fortsetzen. | 9
 | Dieser Papst hat Prozesse v.a. angestoßen. Er konnte sie kaum zu Ende führen. Dessen war er sich aber durchaus bewusst. Ebenso, dass Prozesse, einmal angestoßen, eine – oft dramatische – Eigendynamik entwickeln, so dass sie der Initiator nicht mehr unter Kontrolle hat. Wird es Rückschläge geben? Ja, wahrscheinlich, denn Prozesse verlaufen nicht linear. Heißt das, dass die Initiativen scheitern werden? Nein, denn die Dynamik eines einmal angestoßenen Prozesses ist auch schwer zu stoppen oder dauerhaft umzukehren. Mit dem Ostersegen des Papstes kann die Kirche und kann die Theologie hoffnungsvoll in die Zukunft gehen, wenn sie Franziskus‘ Ausdauer und Bereitschaft zu hören sich aneignen. Möge er in Frieden ruhen. |
| - Autor

- Lesen Sie auch
- Zusatzfunktionen
|