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Wandinger Nikolaus: Gottes Plan B?
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Gottes Plan B?
(Gedanken zu Mariä Empfängnis 2008)

Autor:Wandinger Nikolaus
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:Das Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Gottesmutter steht so ziemlich zu allem quer, was man sich denken kann. Vielleicht lässt es sich besser verstehen, wenn man ganz weit ausholt und zurückgeht zu Gottes Schöpfungsplan ... Schlagworte: Mariä Empfängnis; Vorsehung; Heilsgeschichte
Publiziert in:
Datum:2008-12-11

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Lesungen: (Gen 3,9-15.20); Eph 1,3-6.11-12; Lk 1,26-38

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Liebe Gläubige,

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das heutige Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Gottesmutter steht so ziemlich zu allem quer, was man sich denken kann: zu unserer Konsumwelt, die in Österreich sogar den seltsamen Spagat schafft, den heutigen Tag als Feiertag zu behalten, aber doch die Geschäfte zu öffnen. Was soll das für ein Feiertag sein? Quer aber auch zum heutigen Evangeliumstext, der von der Verkündigung - und in einem damit von der Empfängnis Jesu durch Maria erzählt; das Fest feiert aber doch die Empfängnis Mariens durch deren Eltern. Und schließlich wohl auch quer zum spontanen Empfinden vieler Gläubiger: ohne Erbsünde empfangen? Was soll das sein? Warum nur Maria? Ist das nicht eine ungerechte Bevorzugung?

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Um dieses Fest ein wenig zugänglich zu machen, möchte ich heute sehr weit ausholen, ganz weit zurückgehen und ein wenig spekulieren. Gehen wir zurück an den Anfang der Welt, den Anfang der Schöpfung, und fragen uns, was eigentlich Gottes Plan mit dieser seiner Schöpfung war. Warum erschafft er das Universum, unsere Galaxie, unser Sonnensystem, unsere Erde, Einzeller, Pflanzen und Tiere - und schließlich Menschen als sein Abbild? Warum das Ganze?

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Der christliche Glaube sagt uns: Der eigentliche Grund dafür ist, dass Gott selber sich den Menschen mitteilen, sich ihnen in Liebe schenken wollte; ihnen Gemeinschaft mit ihm selbst und untereinander geben wollte; und hoffte, dass sie darauf in Dankbarkeit und Liebe reagieren würden. Nicht sofort und auf einmal sollte das alles geschehen, sondern als Höhepunkt einer langen Heilsgeschichte. Die Menschen würden sich die Welt zunutzte machen, sie aber auch pflegen; sie würden einander anerkennen und lieben lernen. Und sie würden hinter allem ­- vor allem hinter den anderen Menschen - den gütigen, freigiebigen Gott immer besser erkennen und ihn lieben lernen bis er eines Tages ihnen selber gegenübertreten würde in der Fülle der Zeiten: zuerst als Mensch-gewordener Gott, der sie hinführte zum Vater, dann in ewiger göttlicher Herrlichkeit.

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Und wenn dies gelänge, wenn eine universale Gemeinschaft der Liebe zwischen den Menschen und schließlich zwischen ihnen und Gott entstünde, dann wäre das für die Menschen die Teilnahme an Gottes ewiger Herrlichkeit, ein Glück, das sich irdisch gar nicht ausmalen lässt. Aber weil Liebe der Dreh- und Angelpunkt dieses Plans ist - die Liebe Gottes zu den Menschen und ihre antwortende Liebe auf ihn - deshalb konnte diese Gemeinschaft nicht einfach vom Himmel fallen. Liebe ist einerseits ein Geschenk, das einem widerfährt; sie ist anderseits auch die freie Tat einer Person, die man nicht erzwingen oder notwendig machen kann. Täte man das, so wäre es keine Liebe mehr. Damit Liebe also möglich ist, kann diese Welt noch nicht am Anfang vollendet sein. Sie ist gut, aber sie enthält die Notwendigkeit zur Weiterentwicklung und damit auch die Möglichkeit zur Fehlentwicklung; sie enthält die Freiheit zur Liebe und damit auch die zum Hass.

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Und in der Geschichte zeigt sich immer wieder, wie leicht und wie oft die Gemeinschaft der Menschen, die sich zu einer Gemeinschaft der Liebe entwickeln sollte, zu einer Gemeinschaft des Hasses und der Verfolgung wird und wie sehr dann das Bild Gottes verzerrt wird. Er erscheint nicht mehr als gütiger, freigiebiger Vater, sondern als Aufpasser oder gar Rächer. Die Welt erscheint nicht mehr als Garten der Möglichkeiten, sondern als feindliches Terrain, das es zu erobern gilt. Und die anderen Menschen sind nicht mehr Abbilder des guten Gottes, sondern meine Rivalen und Gegner, die ich - im Namen des strengen Gottes - bekämpfen und unterwerfen muss.

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Und nicht selten rotten sich die Menschen zusammen zu einer „Gemeinschaft" ganz anderer Art, die jene verfolgt, vertreibt oder gar vernichtet, die angeblich in diese Gemeinschaft nicht gehören, weil sie anders sind: schwarz anstatt weiß; ausländisch anstatt inländisch; jüdisch anstatt arisch; falschgläubig anstatt rechtgläubig; kurz: einfach fremd anstatt „normal".

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Und wenn wir ehrlich sind: auch in unseren Köpfen und Herzen finden sich passende Vorurteile, die nur darauf warten, aktiviert zu werden. Auch wenn wir niemanden verfolgen, müssen wir immer wieder feststellen, dass in unseren Herzen Gleichgültigkeit, Ablehnung und - ja, auch Hass viel stärker sind als Mitgefühl, Annahme und Liebe.

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Der christliche Glaube macht die gewagte Aussage, dass das bei allen Menschen - außer eben Jesus und seiner Mutter - so ist; dass alle Menschen spontan eher zur Gewalt als zum Frieden neigen. Wir merken das nur meist nicht, weil unsere so vielgepriesene menschliche Kultur diese Gewaltneigung abschwächt, in weniger schädliche Bahnen lenkt und so einen brüchigen Frieden aufrecht erhält. Aber wehe, wenn die Kultur zusammenbricht; dann bricht unsere Gewalt auch wieder hervor. Das ist es unter anderem, was das Christentum mit dem Wort Erbsünde bezeichnet.

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Ist Gottes Schöpfungsplan also gescheitert? Man könnte es glauben. Die Frage ist: Hatte Gott einen Plan B? Kann er durch das Gewirr von falschen Gottes- und Menschenbildern noch durchdringen? Könnte ein Mensch-gewordener Gott das alles wieder zurechtrücken? Die Menschen wieder erfahren lassen, dass Gott ein barmherziger Vater ist und alle Mitmenschen dessen Kinder und daher untereinander Schwestern und Brüder? Doch wie sollte der Gott-Mensch, wenn er aufwachsen sollte wie jedes menschliche Kind, also inmitten einer von der Sünde gefangenen Welt, wie sollte er selbst das rechte Vaterbild von Gott erfahren können?

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„Für Gott ist nichts unmöglich" sagt uns das heutige Evangelium und wohl deshalb ist es für das heutige Fest passend. Denn wir feiern, dass der Mensch Jesus, den wir als Sohn Gottes bekennen, eine Mutter haben durfte, die innerlich frei war von den Verzerrungen der Sünde: sie konnte sich ganz als Magd Gottes verstehen und seinem Wunsch folgen, weil sie intuitiv wusste, dass dieser Gott ihr niemals Böses will; dass das „fürchte dich nicht" des Engels nicht eine hohle Phrase war, sondern Teil der langen Heilsgeschichte, in der Gott sich müht, den Menschen doch endlich die Angst vor ihm zu nehmen. Maria konnte das annehmen und leben und ihrem Sohn vermitteln. Und so wurde dieser hineingeboren in eine von der Sünde gezeichnete Welt. Und doch gab es für ihn darin eine sündenfreie Insel: seine Mutter, die sein Menschsein zutiefst prägte. Und so konnte dieser Jesus Gott, den ewigen Vater, unverzerrt zeigen und die Liebe zu den Menschen leben.

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Doch wohin hat es ihn gebracht? Haben ihn nicht die alten Mächte der Sünde ans Kreuz geschlagen? Ist er nicht einer der vielen, die dem Wahn der Sünde zum Opfer fielen? - Das ist wahr. Ist also auch Plan B gescheitert? Ist dann Jesu Auferstehung und die Vergebung, die er danach noch einmal bringt, Gottes Plan C?

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Liebe Gläubige,

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Sie merken, dass es sich ad absurdum führt, Gott immer neue Notfallpläne zu unterstellen. Die Lesung aus dem Epheserbrief sagt etwas anderes: Sie betont, dass der Plan Gottes schon vor der Erschaffung der Welt alles mit eingeschlossen hat: die fatalen Umwege der Sünde und die Erlösung durch Christus. Was von uns aus gesehen wie ein neuer Notfallplan Gottes aussieht, ist letztlich nur eine Episode, ein Akt, in Gottes Heilsdrama, dessen gutes Ende Gott schon geschrieben hat; dessen dramatische Wendungen er aber zulässt um unserer Freiheit willen. Dieses Drama zeigt uns, dass es keinen menschlichen Abgrund gibt, den Gott nicht überwinden könnte; dass er ihn aber nie mit Gewalt und Drohung, sondern mit Liebe und Geduld überwindet.

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Die Schöpfung und wir Menschen können gar nicht so tief fallen, als dass Gott nicht auch darunter ein Sicherheitsnetz gespannt hätte, das uns auffängt. Es sind aber keine Netze A, B, C - es ist die eine, unendliche Liebe Gottes, aus der niemand herausfällt; sie findet immer wieder einen Weg, Menschen zu erreichen und um sie zu werben. Und alle diese Wegen laufen auf Christus zu, den Gott-Menschen, der auch in einer von der Sünde geprägten Welt eine Insel des Heiles gefunden hat, eben weil Gott seine Mutter, eine junge Frau aus Palästina, herausgenommen hat aus dem Unheilszusammenhang - nicht als Bevorzugung für sie, sondern als Hoffnung für alle.

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