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Niewiadomski Jozef: “Gott glaubt an Dich!”
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“Gott glaubt an Dich!”
(Ansprache des Dekans bei der Promotions- und Sponsionsfeier am 8. Mai 2010 im Kongresshaus in Innsbruck)

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriefak
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2010-05-17

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

1
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"Ich glaube nicht an Gott!", sagt ein typisch moderner Mensch zu einem Engel, der ihm erschienen ist und im Namen seines Gottes die Katastrophe ankündigt: das Ende der Welt. "Kein Problem!", entgegnet der Engel, "Gott glaubt auch nicht an dich!" Der kurze Dialog aus dem amerikanischen Katastrophenfilm "Legion" scheint unsere gegenwärtige Sinn- und Vertrauenskrise auf einen Schlag zu lösen.

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"Wie sollen wir denn an Gott glauben, wenn seine Kirche nicht an uns glaubt und kein Verständnis für unsere Situation aufbringt, uns gar ständig beleidigt, weil sie uns immer und immer wieder neu unter die Kategorie ‘öffentliche Sünder’ subsumiert?", sagen zahlreiche Wiederverheiratete Geschiedene und kehren der Kirche und auch Gott den Rücken. "Wie soll ich an Gott glauben angesichts all des Desasters, das seine pädophilen Priester und auch all die Vertuscher und Schläger angestellt haben. Geistlich wollen sie sein! Fleischlich, allzu fleischlich seid ihr Brüder - und pervers noch dazu! Die scheinheiligen Hirten, die sich doch bloß als korrupte Herrscher entpuppen." "Ich glaube nicht an Gott, und ich glaube auch nicht an seine Kirche! Sie ist für mich keineswegs ein haus Gottes und schon gar nicht: Porta coeli, die Eingangspforte zum Himmel", meint der abgeklärte und zumeist auch zynisch gewordene Zeitgenosse. Und der erzürnte Kirchenmann könnte diesem Gottesleugner entgegenschmettern: "Gott glaubt auch nicht mehr an dich! Warte mal, Er wird dir seinen Segen entziehen und dich ordentlich mit Fluch beladen. Austilgen wird Er dich! So steht es auf jeden Fall im biblischen Buch Deuteronomium, Kapitel 30!"

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Magnifizenz, lieber Herr Rektor Karlheinz! Keine Sorge, der Dekan der Theologischen Fakultät ist noch nicht durchgedreht und hat sich auch noch nicht in eine fundamentalistisch angehauchte Furie verwandelt. Inspiriert durch den zu Beginn zitierten Dialog aus dem amerikanischen Katastrophenfilm "Legion" habe ich bloß ein paar Arbeiten der heute graduierten Kandidatinnen und Kandidaten gegen den Strich gebürstet, um mich zuerst der Plausibilität dieser apokalyptisch gefärbten Unterhaltung - gerade im Jahre 2010 - zu vergewissern. Sie scheint ja das Dilemma der gegenwärtigen Sinnkrise zu lösen, kann gar zu einem befreienden Lacher animieren und zum "Hemdsärmelaufkrempeln" ermuntern, so ganz nach dem Motto: Jetzt - wo du erkannt hast, dass nicht einmal Gott an dich glaubt, weil es diesen Gott gar nicht gibt - jetzt kommt es einzig und allein nur noch auf dich an. Du selber musst dich durchboxen, also kontinuierlich den Glauben an dich selber pflegen, stark werden und stark bleiben. Zeig’ bloß keine Schwäche! Die allmählich fortschreitende Verwandlung der akademischen Landschaft in eine Produktionsstätte der für die Wirtschaft notwendigen - an sich selber unerschütterlich glaubenden - Spitzenkräfte bestätigt die Plausibilität der apokalyptisch gestimmten Unterhaltung. So weit, so gut. Tiefer gesehen bringt der kurze Dialog das Paradox und die Tragödie der modernen Menschheit auf den Begriff: Es ist die Tragödie jener Menschen, die den Glauben verloren haben, dass irgendjemand noch an sie glaubt. Dass er gerade dann an sie glaubt, wenn sie ganz unten sind, wenn ihnen das Wasser bis zum Hals reicht, wenn sie versagt haben, oder aber nie eine echte Chance im Leben gehabt haben. Es ist dies die Tragödie des modernen, sich immer mehr um sich selber drehenden Menschen, wenn und weil er wiederholt feststellen muss, dass es immer weniger Menschen in seinem Leben geben wird, die noch an ihn glauben und sich etwas von ihm erwarten. Gerade im fortgeschrittenen Alter werden diese Menschen immer rarer! Wir steuern also kulturell auf einen Punkt zu, an dem man die Gnadenlosigkeit konstatieren wird, so ganz nach dem Motto: Jeder für sich und Gott gegen alle!

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Meine Damen und Herren, die Gottesfrage - und das ist letztlich die einzig relevante theologisch-philosophische Frage - ist und bleibt eine Beziehungsfrage. Auf diese konkrete Formel lassen sich die meisten Arbeiten der heutigen Absolventinnen und Absolventen bringen. Sie alle trotzen der apokalyptischen Verzweiflung, indem sie den Glauben Gottes an den Menschen und den Glauben des Menschen an Gott durch ihre intellektuellen Anstrengungen zu rehabilitieren suchen. Alex Masangu - unser tansanianischer Freund, dessen Gesicht gar das aktuelle Werbeprospekt der Fakultät ziert - tut dies in seiner philosophischen Dissertation (betreut vom Koll. Hans Kraml; Zweitgutachter: Koll. Christian Kanzian) auf einem hohen Abstraktionsniveau. Er greift die Gotteslehre des großen Innsbrucker Philosophen und Rektor der Universität P. Emerich Coreth SJ auf und macht sie fruchtbar für seine Heimat Tansania. Unser Kapuzinerbruder Ernst Ehrenreich exegetiert unter der Leitung vom Koll. Georg Fischer (Zweitgutachter: Koll. Simone Paganini) das 30. Kapitel des Buches Deutoronomium: "Wähle das Leben!" Thora, das Gesetz Gottes, das jedem Menschen unmittelbar gegeben wird, verdichtet geradezu das Rechtsverhältnis und das Verhältnis gegenseitigen Vertrauens zwischen beiden Partnern, zwischen Gott und den Menschen, und ist somit der Wegweiser zu einem geglückten Leben und einer gelingenden Beziehung.

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Den ganz alltäglichen Spuren der Logik einer geglückten Beziehung geht die Diplomarbeit von Stephan Thaler (betreut von der Koll. Gertraud Ladner und vom Koll. Stephan Leher) nach: "Zeugen der Wahrheit" - Skizzen einer Spiritualität der Ehe bei Franz und Franziska Jägerstätter. Aus dem Glauben, dass Gott ihnen treu bleibt, dass also die Beziehung keine beliebige Variante, sondern eine Konstante im Leben darstellt, leben die beiden eine Gemeinschaft, die das Risiko der Verweigerung des Eids auf Hitler und damit auch den Bruch par excellence, den Tod nicht scheut und auch nicht die jahrzehntelang ertragene Ausgrenzung und Diffamierung als Witwe eines Verräters. "Die Ehe. Vom paradiesisch schönen Entwurf Gottes zur großen Herausforderung an die Pastoral": In der vom Koll. Franz Weber betreuten Diplomarbeit reflektiert Frau Margarete Pichler den wertschätzenden pastoralen Umgang mit Wiederverheirateten Geschiedenen. Gott glaubt ja an die Menschen, auch wenn diese versagen.

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"Seine Liebe setzt sich einer erstaunlichen Verletzbarkeit aus", auf diese Kurzformel bringt Jan Zoricak das christliche Gottesgeheimnis. Unser slowakischer Absolvent aus dem Redemptoristenorden korrigiert damit den apokalyptisch gestimmten Dialog aus dem Film "Legion". Seine Diplomarbeit: "Geheimnis des Kreuzes im Kontext der Trinitätstheologie. Was offenbart uns das Kreuz Jesu vom Geheimnis des Dreieinigen Gottes" (unter der Leitung des gerade Sprechenden geschrieben) reflektiert die zentrale christliche Botschaft: die Botschaft der Erlösung, genauso wie dies auch die Diplomarbeit von unserem nigerianischen Freund aus dem Servitenorden Joseph Chukwuneme Okoli tut: "Soteriology: Redemption in Context of Creation and the Eschatological Fullfilment" (betreut von der Koll. Gerda Riedl). Herr Okoli vertieft sich gleich in die eschatologischen Folgen christlichen Glaubens, und mit seiner philosophischen unter der Leitung des Koll. Josef Quitterer geschriebenen Arbeit spondiert er heute zum Doppelmagister: "Resurrection: A Key to Immortality". "Auferweckung als Schlüssel zur Unsterblichkeit" rettet ihm die typisch menschliche Leiblichkeit, damit auch die Individualität der menschlichen Person nach dem Tod. Im verwandten Gebiet, wenn auch mit einem anderen Schwerpunkt, bewegt sich Frau Karin Goller in ihrer Diplomarbeit. Sie nimmt das Phänomen der Nahtoderfahrung kritisch unter die Lupe, und betreut vom Koll. Hans Goller (kein Nahverwandtschaftsverhältnis) fragt sie, ob es Bewusstsein ohne funktionierendes Gehirn geben kann. Ihr Fazit: Menschsein lässt sich nicht auf den Körper reduzieren.

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So oder so gewendet: Theologinnen und Theologen bemühen sich um alternative Sichtweisen der Wirklichkeit und des Lebens, weil sie aus der Perspektive Gottes die Beziehung als die alles tragende und auch alles rettende Konstante zur Sprache bringen, so als ob sie den schon "sehenden" Menschen noch einmal die Augen öffnen wollten. Diese Formel habe ich dem Titel der Diplomarbeit von Frau Elisabeth Unterleitner entnommen. Betreut von der Koll. Gerda Riedl fragt sie, auf welche Weise schon der Blick das Gelingen aber auch das Scheitern zwischenmenschlicher Beziehungen mitbestimmt. Was unter den Menschen voll von Ambivalenzen ist, weil der Blick im Leben meistens zum begehrlichen Blick wird, das kann in der Geschichte zwischen Gott und Mensch einen Grad an Eindeutigkeit erreichen, die nicht mehr überboten werden kann. Weil Gott sie vom ersten Augenblick ihrer Empfängnis erwählte, und weil sie diese Erwählung nicht vereitelte, gilt Maria als die Begnadete par excellence. Die Kirche hat diese Logik im Dogma der "Immaculata Conceptio" auf den Begriff gebracht, und Cyrill Charles Gehrer - unser Schweizer Absolvent - nimmt das Dogma als Stolperstein des katholisch-protestantischen Dialogs wahr, und sie übt sich unter der Leitung der krankheitsbedingt allzu früh pensionierten Kollegin Silvia Hell in der ökumenischen Hermeneutik zur Auslegung und Aktualisierung des katholischen Dogma.

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Meine Damen und Herren, kann der christliche Erlösungsglaube auch im Kontext der zynischen Verengung des Blicks - wie in dem anfangs zitierten Dialog zur Sprache gebracht - auf eine prägnante Kurzformel reduziert werden? Ja! Und diese lautet: Gott glaubt an den Menschen, auch wenn der Mensch sich von ihm losbindet und selber an diesen Gott nicht mehr glaubt. Der unerschütterliche Glaube Gottes an den Menschen, an den Menschen so wie er ist, führt diesen Gott in die allerschlimmsten Abgründe des Menschen selber. Gott kann ja nicht zurücktreten, er kann auch die Beziehung nicht aufkündigen. Vielmehr steigt er hinunter in die Abgründe menschlicher Existenz, damit niemand am Abgrund seiner eigenen Seele an der Erkenntnis verzweifelt, dass es niemanden gäbe, der noch an ihn glaubt: Er glaubt an mich, an das von allen isolierte Opfer und auch an mich, den von allen verworfenen Täter. "Ich glaube nicht an Gott!", sagt der moderne Mensch. "Aber Gott glaubt immer noch an Dich und traut Dir noch viel zu!" Dies immer wieder neu in unserer Welt sichtbar zu machen, eine solche Aussage auch rational zu begründen, das bleibt die unverzichtbare Berufung von Theologinnen und Theologen. Peter Ferner verdichtet diese Optik in seiner Dissertation auf eine konkrete, in der gegenwärtigen kulturellen Situation vielleicht schwierigste Berufung. Betreut vom Koll. Roman Siebenrock (Zweitgutachter: Koll. Willi Rees) reflektiert er die Frage der Identität des Priesters. "Hirte oder Herrscher?": Welche Optik ermöglichen kirchlichen Dokumente, theologische Reflexion, aber auch die konkrete Erfahrung der Diözese Innsbruck?

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Über den unerschütterlichen Glauben Gottes an den Menschen denken die TheologInnen nach, aus diesem Glauben bewältigen Millionen und Abermillionen von Menschen ihren Alltag, diesen Glauben feiert die Kirche in ihrer Liturgie. In der Feier treten die Gläubigen ja in das himmlische Heiligtum und in die Fülle der Beziehungen des dreifaltigen Gottes ein und erheben ihre Herzen und auch ihren Blick nach "oben". Die schon Sehenden öffnen in der Feier ihre Augen neu! Patrick Markus Gleffe hat unter Leitung vom Koll. Reinhard Meßner (Zweitgutachter: Józef Niewiadomski) das einzigartige Experiment gewagt, das Bildprogramm der Pfarrkirche St. Leopold zu Dornbirn Hatlerdorf in Korrelation zu bringen zu den Grundvollzügen der römischen Messen. Entstanden ist eine Art liturgischer Führer durch die Kirche selbst und eine vollständige Messerklärung, die die Eucharistie als Zugang zu einem himmlischen Geschehen darstellt. "Domus Dei et porta coeli"- haus Gottes und die Pforte des Himmels - Gleffe hebt nicht ab, sondern taucht ein: in die konfliktbeladene Gegenwart, aber auch in die versöhnte göttliche Zukunft. Beides gibt es - das dürften sie inzwischen gelernt haben -, weil Gott selber unerschütterlich an uns Menschen glaubt.

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Liebe Absolventinnen und Absolventen! Bleiben sie Ihrer Berufung als Theologinnen und Theologen treu, einer Berufung, die die Not des Vertrauensverlustes in unserer Gegenwart wendet. "Ich glaube nicht ... Ich glaube nicht an Gott!", sagen viele Menschen der Gegenwart. "Gott glaubt aber an Dich! Glaubt an Dich auch dann oder gerade dann, wenn Du den Glauben verlierst!" Wie gesagt: Gottesfrage ist und bleibt eine Beziehungsfrage. Leben Sie aus der Kraft dieser Beziehung, leben Sie die Beziehung und feiern Sie diese auch. Auch oder gerade durch die ausgelassene Feier Ihrer akademischen Graduierung, eine Feier, in der sie miteinander essen und miteinander trinken und ... Sie wissen es eh schon. Einen schönen Tag, Euch und Ihnen allen, wünscht die Theologische Fakultät.

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