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Vonach Andreas: Anmerkungen zu Sensibilität, Verantwortung und Manipulierbarkeit im Gebrauch von Sprache und in der Übernahme von Jargon
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Anmerkungen zu Sensibilität, Verantwortung und Manipulierbarkeit im Gebrauch von Sprache und in der Übernahme von Jargon
(Antwort auf den Vortrag von Chefredakteur Claus Reitan am Fakultätstag)

Autor:Vonach Andreas
Veröffentlichung:
Kategoriekommentar
Abstrakt:
Publiziert in:# Beitrag am Fakultätstag 2002: Theologie treiben in Zeiten des Krieges
Datum:2002-05-07

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

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Sehr geehrter Herr Chefredakteur, Herr Dekan, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren!

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Die Botschaft - des Herrn Chefredakteur an uns Theologen - hört ich wohl, und es fehlt mir auch nicht der Glaube daran; im Gegenteil: ich würde das allermeiste davon durchaus unterschreiben.

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Dennoch möchte ich die Gelegenheit nützen, wenn ein Vertreter der Medien anwesend ist, einige Überlegungen zu jenem sensiblen Verantwortungsfeld anzustellen, das den Theologen und Journalisten gemeinsam ist, nämlich jenem des Gebrauchs von Sprache. Und ich möchte dies in vier Punkten tun.

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1) Sie haben in Ihrem Referat sehr klar und nachvollziehbar zwischen blutigen und unblutigen Kriegen unterschieden. Nun besteht aber trotz der klaren Differenzierung zwischen beiden eine enge Beziehung. Und sie haben selbst einige gute Beispiele gebracht, wie aus unblutigen Kriegen der Ungerechtigkeit sehr schnell blutige Kriege der Rache, Verteidigung und Verzweiflung werden können.

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Und gerade in diesem Zwischenbereich scheint mir ein äußerst sensibles Feld zu liegen, ein Feld in dem Manipulation, Propaganda und Demagogie besonders gut greifen. Aber gerade deshalb liegt genau in diesem Bereich auch ein ungeheures Verantwortungsfeld. Diese Verantwortung wahrzunehmen und durch Berichterstattung, seriöse Bewusstseinsbildung etc. alles zu tun, dass der unblutige Krieg nicht in einen blutigen umschlägt, ist die Pflicht sämtlicher Informationsträger; dies sind in erster Linie die Medien, aber auch die Theologen und Kirchenvertreter sind hier aufgerufen, ihrer Sendung entsprechend zu reden und zu handeln.

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2) Es stimmt, dass die „neue Dimension" des derzeitigen Krieges auch darin besteht, dass die Form des Terrors nicht (nur) vom Militär geführt wird und dass dieser Krieg offiziell nicht erklärt wird.

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Aber der Gehalt dieser Aussage hängt natürlich sehr wesentlich damit zusammen, welcher Definition von „Krieg" und welcher Definition von „Terror" man zu folgen geneigt ist. Denn dieser Terror wendet sich ja zum Teil gegen von Militärs geführte Attacken (Selbstmordattentate an israelischen Bushaltestellen folgen z.B. meist auf israelische Militärinterventionen in den besetzten oder sogar autonomen Palästinensergebieten) und er antwortet teilweise auf „de-facto-Kriegserklärungen" (so darf es z.B. nicht wundern, wenn der anhaltende und teilweise sogar verstärkte Ausbau israelischer Siedlungen in den besetzten Palästinensergebieten von den betroffenen Palästinensern klarerweise als Kriegserklärung aufgefasst und gewertet wird).

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Dass diese neue Form des Krieges auch beinhaltet, dass die Angreifer teilweise ganz bewusst ihr eigenes Leben opfern, ist sicher bis zu einem gewissen Grad nicht ganz nachvollzieh- und verstehbar; dennoch ist klar, dass ein solcher Schritt meist bedingt, dass der Betreffende subjektiv im Bewusstsein lebt, eigentlich nichts mehr zu verlieren zu haben.

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3) Auch in diesem Zusammenhang scheint mir bei den Massenmedien eine große Verantwortung im zweifachen Sinn zu liegen, die oft gar nicht, oft nur bedingt wahrgenommen wird:

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Erstens die Frage von Parteilichkeit, inhaltlicher Abhängigkeit, weltanschaulicher Ausrichtung bzw. Verpflichtung, ja von Weite und Offenheit. So wurden beispielsweise in der Nacht vom 12. auf den 13. September 2001 die bis dahin stärksten, ausgiebigsten und am meisten Menschenleben fordernden und Sachschaden anrichtenden Attacken des israelischen Heeres auf palästinensische Ziele seit dem Ausbruch der Al-Aqsa-Intifada im Oktober 2000 geflogen. Darüber haben die Medien in Europa praktisch vollständig geschwiegen, weil sich alles auf die Anschläge vom 11. September in den USA konzentrierte. Das israelische Heer hat dieses Faktum schamlos ausgenutzt - und wie es sich zeigte mit Erfolg. Kaum jemand hat die Ereignisse überhaupt wahrgenommen. So etwas sollte eigentlich nicht passieren.

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Zweitens die Frage der Übernahme von Jargons. Wer gibt vor was unter „Terror" zu verstehen ist, was hingegen unter dem Schlagwort „Kampf gegen den Terror"? Welche Militäraktionen sind „terroristisch", welche genau so viel Blutzoll erfordernden zählen hingegen zum „Kampf gegen den Terrorismus"? Sind sogenannte Vergeltungsschläge, die massenhaft das Leben von Frauen und Kindern fordern, nicht auch eine Form von Terror? Muss es von der Gegenseite nicht auch als zumindest eine Vorform von Terror aufgefasst werden, wenn ihnen durch eine wie auch immer legitimierte sogenannte „Weltpolizei" permanent ausgerichtet wird, dass sie zur „Achse des Bösen" gehören? Wer gibt überhaupt vor, was „gut" und was „böse" ist?

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Zu diesem Punkt gehört meines Erachtens auch die kritische Hinterfragung nach Übereinstimmung von formuliertem Ziel und erreichtem Faktum. Die offizielle Begründung für die amerikanischen Vergeltungsschläge auf Afghanistan und auch die Legitimation für die dafür erreichte breite Koalition oder mindestens Zustimmung war die Ausschaltung bzw. Gefangennahme von Osama bin Laden. Dieses Ziel wurde bis heute nicht erreicht, aber praktisch niemand klagt diesen Umstand ein. Trotz dem Nicht-Erreichen dieses Zieles wird bereits laut über weitere Invasionen in anderen Ländern nachgedacht und bezüglich etwaiger Koalitionen vorverhandelt. Auch hier wäre ein Handlungsbedarf, der vor allem auch die Medien betrifft, nämlich die Übereinstimmung von vorgegebenem und erreichtem Ziel einzuklagen und ein kritisches Auge auf solche Vorgänge zu werfen.

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4) Sie bemühen in ihrem Referat zur Definition der derzeitigen Hauptkrisen die Schlagworte von „aufgeklärter, multikultureller Zivilisation" versus „vormodernem, religiösem Fanatismus". Hier wäre anzufragen, ob ein solcher Gegensatz wirklich besteht bzw. konstatiert werden kann. Wie sieht es beispielsweise in Nordirland aus? Irland gilt generell als aufgeklärte Zivilisation; dennoch schlagen sich religiöse Fanatiker dort fast täglich die Köpfe ein. Kann also dieser Gegensatz wirklich aufrecht erhalten werden? Müssen wir nicht vielmehr mit Mischformen leben und rechnen? Offensichtlich macht religiös motivierter oder zumindest untermauerter Fanatismus auch vor sogenannten aufgeklärten Zivilisationen nicht halt, zumindest nicht notwendigerweise.

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Ich glaube, dass gerade in den aufgezeigten Punkten eine große und wesentliche Verantwortung mehrerer Menschengruppen liegt, sicher aber gehören sowohl die Journalisten als auch die Theologen dazu. Es ist die Pflicht von beiden Berufsgruppen, die in ähnlicher Weise sehr stark mit dem Phänomen der Sprache zu tun haben, in diesem Bereich das Bewusstsein zu schärfen. Es liegt viel Sprengkraft in der Frage, wie Sprache verwendet wird, und es liegt viel Übel in der unkritischen Übernahme von Jargons.

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In diesem Sinne wachsam zu sein und Missstände aufzuzeigen, wird eine bleibende und wesentliche Aufgabe sowohl der Medienverantwortlichen als auch der Theologen in unserer Gesellschaft bleiben.

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