Nutztiere sollten laut ethologischen Ansprüchen und dem Wunsch vieler Konsumenten so „naturnah“ wie möglich gehalten werden. Doch die Freilandhaltung bringt häufig parasitäre Infektionen mit sich, die üblicherweise mit synthetischen Medikamenten behandelt werden. Natürliche Alternativen soll das Projekt HERBAL liefern, in dem die Freie Universität Bozen, die Edmund-Mach-Stiftung und die Universität Innsbruck in Kooperation die Eignung alpiner Kräuter zur Behandlung von Wurminfektionen untersucht.
Glückliche Hühner, Rinder oder Schafe, also Tiere, die möglichst „naturnah“ mit viel Auslauf gehalten werden – in diese Richtung geht der Trend in der Landwirtschaft. Doch das Leben im Freiland oder auf der Weide bringt die Tiere auch in Kontakt mit Parasiten wie Würmern. Für deren Behandlung stehen in der Veterinärmedizin vor allem synthetische Medikamente zur Verfügung. Ähnlich wie bei Antibiotika besteht bei diesen Anthelminthika die Sorge, dass ein übermäßiger Gebrauch dieser Mittel Resistenzen erzeugt und es zu Rückständen in den Produkten kommen kann. Auch aus diesem Grund stehen solche Entwurmungsmittel Bio-Betrieben nur sehr eingeschränkt zur Verfügung. Nach natürlichen Alternativen sucht derzeit ein Euregio-übergreifendes Forschungsteam: Hermann Stuppner vom Institut für pharmazie der Universität Innsbruck, Matthias Gauly von der Freien Universität Bozen, sowie die Gruppe Biotechnologie der Naturstoffe der Trentiner Edmund-March-Stiftung unter Leitung von Stefan Martens. In einem Verbundprojekt untersuchen die Wissenschaftler typische alpine Kräuter auf ihre anthelminthische Wirkung sowie Verträglichkeit für Nutztiere.
„Das Projekt HERBAL zielt einerseits darauf ab, eine Entwurmungsstrategie zu etablieren, die auf Kräutern basiert, die im Alpenraum wachsen. Andererseits möchten wir damit auch die wissenschaftliche Basis für neue Geschäftsmodelle liefern, also den Kräuteranbau und die Produktion solch alternativer Medikamente durch Landwirte und Start-ups“, erklärt Matthias Gauly. Seine Kollegen in San Michele widmen sich der Auswahl und den idealen Anbaumethoden in Frage kommender Bergkräuter, die dann vom Pharmakologen-Team um Hermann Stuppner in Innsbruck chemisch auf ihre Inhaltsstoffe analysiert werden. Das Bozner Team um Matthias Gauly und die Forscherin Ioanna Poulopoulou soll dann schließlich jene Kräuter auswählen, die sich für die Nutztiere am wirkungsvollsten erwiesen haben. Dafür werden verschiedene Kräuterextrakte in einem ersten Schritt im Labor in vitro an Wurmkulturen getestet. In einem zweiten Schritt wird dann überprüft, inwiefern Hühner die vielversprechendsten Extrakte auch fressen und vertragen und wie erfolgreich diese die Parasiten bekämpfen. Bringen diese Tests ein oder mehrere überzeugende Produkte hervor, erfolgt ein weiterer Vergleichstest in einem Betrieb.
Das aus dem Euregio Science Fund finanzierte Verbundprojekt läuft seit Anfang 2020 und soll innerhalb von drei Jahren abgeschlossen werden. „Obwohl auch wir in der Forschung mit den Einschränkungen durch die Coronakrise kämpfen müssen, legen wir große Priorität auf dieses Projekt, das einen Baustein für eine nachhaltigere Landwirtschaft und kleine regionale Kreisläufe liefern kann“, sagt Prof. Matthias Gauly.