- Leseraum
| Die Forderung der Zulassung von Ungetauften zur Kommunion: falsch verstandene Barmherzigkeit?Autor: | Hell Silvia |
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Veröffentlichung: | |
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Kategorie | artikel |
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Abstrakt: | Die evangelischen Kirchen haben das kinderoffene Abendmahl eingeführt. Nach einer ersten Erprobungsphase ist nun im November 2005 dieser Prozess abgeschlossen. Im Zuge der Einführung des kinderoffenen Abendmahls ist eine andere, theologisch viel gewichtigere Frage aufgetaucht: Sind nur getaufte Kinder zum Abendmahl zuzulassen oder auch ungetaufte? Wie geht man generell mit ungetauften Menschen um, die am Abendmahl teilnehmen wollen? |
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Publiziert in: | # Originalbeitrag für den Leseraum |
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Datum: | 2005-12-28 |
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Inhalt1
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„In der Evangelischen Kirche A.B. in Österreich sind alle Getauften zur Teilnahme an der Feier des Heiligen Abendmahls eingeladen und zugelassen“ - so lautete der Wortlaut eines Antrages an die Synode A.B., den der Theologische Ausschuss der Synode am 3. Juli 2002 einstimmig beschlossen hat. (1) Nach dem Beschluss der Einführung des kinderoffenen Abendmahl ist es zu einer flächendeckenden Phase der Einführung gekommen, die nun im November 2005 für abgeschlossen erklärt wurde. Kinder werden damit bereits vor der Konfirmation zur Kommunion zugelassen. (2) Der göttlichen Gabe des Abendmahls und ihrem Geber entspreche es nicht, den Sinn des Abendmahls rational erfassen zu wollen: Die Bedingung für die Teilnahme am Abendmahl dürfe nicht „ein vollständiges Verstehen der Handlung” (3) sein. Die Orientierungshilfe der EKD zu Verständnis und Praxis des Abendmahls liefert zwei Begründungen: „Zum einen wäre dann [wenn es um ein vollständiges Verstehen des Abendmahlsgeschehens ginge] die Kraft der göttlichen Gabe und ihres Gebers, sich dem Menschen selbst zu erschließen, sträflich unterschätzt; zum anderen darf schon wegen der offenen Mahlgemeinschaften Jesu kein Mensch wegen mangelnder Bildung, fehlender körperlicher oder geistiger Gesundheit, Entwicklungsreife oder zweifelhafter Moralität (4) vom Abendmahl ausgeschlossen werden.” (5) Den Grund dafür sieht die Orientierungshilfe in der Taufe gegeben. Getaufte Kinder dürfen, wie es in der Antike der Fall war, nicht grundsätzlich vom Abendmahl ausgeschlossen werden. Damals wurde allerdings, so räumt die Orientierungshilfe ein, ein christliches Milieu vorausgesetzt. Ein kinderoffenes Abendmahl hat dann Sinn, wenn ein solches Milieu gegeben ist. Die Kinder sollen durch die Teilnahme am Abendmahl in ein tieferes Verständnis des Sakraments hineinwachsen. Ein gewisses Verständnis für den Sinn der Handlung (nicht zu verwechseln mit einem rationalen Erfassen-Wollen) wird dabei vorausgesetzt. Auf eine kindgerechte Hinführung zum Abendmahl sei laut Orientierungshilfe zu achten. Zu bedenken wird gegeben, dass die von einem Segenswort begleitete Handauflegung angebrachter sein könnte als die Kommunion. Eine grundsätzliche Entscheidung liegt in der Kompetenz der Synoden bzw. Gemeinden und letzlich vor allem in der Verantwortung der Eltern.
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In dieser Diskussion um das kinderoffene Abendmahl ist eine andere, theologisch viel gewichtigere Frage aufgetaucht: Sind nur getaufte Kinder zum Abendmahl zuzulassen oder auch ungetaufte? Wie geht man generell mit ungetauften Menschen um, die am Abendmahl teilnehmen wollen? Laut einer Stellungnahme von Oberkirchenrat Michael Bünker am 27. Oktober 2004 sei die Entscheidung, ob ungetaufte Menschen zum Abendmahl zugelassen werden sollen oder nicht, „keine österreichische Frage mehr, sondern muss im europäischen Kontext mit anderen europäischen Kirchen gesehen werden” (6) . In nahezu allen evangelischen Gemeinden der Diözese Salzburg-Tirol sei laut Auskunft von Superintendentin Luise Müller das kinderoffene Abendmahl eingeführt. Als problematisch führt sie an, „dass Eltern hin und wieder ihre ungetauften Kinder zum Abendmahl” mitbringen. (7) Hier sei Klärungsbedarf gegeben. Das kinderoffene Abendmahl habe sich laut Superintendentin Müller bereits bestens bewährt. Es trage zu einer „Belebung des Gemeindelebens” bei; die „große Ernsthaftigkeit der Kinder bei der Abendmahlsfeier” wirke sich positiv aus. (8)
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Da nach evangelischem Abendmahlsverständnis die Kommunion zur Abendmahlsfeier wesentlich dazugehört, geht es nicht bloß um die Frage des - wie auch immer gearteten - Mitfeierns, sondern konkret um die Teilhabe an den Gestalten der Abendmahlsfeier, d.h. um die Kommunion.
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Und nochmals: Dürfen Ungetaufte zur Kommunion zugelassen werden? Die Frage nach dem rechten Verhältnis von Taufe und Abendmahl hat eine breite Diskussion ausgelöst. Zwei Positionen stehen einander gegenüber: zum einen die Position derjenigen, die der Auffassung sind, dass es nicht angebracht sei, Ungetaufte von der Mahlfeier fernzuhalten, zum anderen die Position derjenigen, die an landeskirchliche Bestimmungen erinnern, denen gemäß nur Getaufte zum Abendmahl zugelassen sind. Ich stelle zunächst beide Positionen dar.
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Reinhard Kähler, Studienleiter am Predigerseminar Brandenburg, gehört zu den Befürwortern der Zulassung von Ungetauften zum Abendmahl. Auf die Frage, ob die (evangelische) Kirche nicht stärker darauf achten sollte, Ungetaufte von der Mahlfeier fernzuhalten, antwortet er schlichtweg mit einem „Nein”. Warum sollten nicht auch die gestärkt werden, die noch nicht dazu gehören, so fragt er. (9) Da im Gottesdienst alle zum Herrenmahl eingeladen werden, könne es durchaus vorkommen, dass Ungetaufte daran teilnehmen. Statt sie zurückzuweisen, sollte ihnen, so Kähler, geholfen werden, zu erkennen, was sie empfangen haben. Warum sollten nicht auch die gestärkt werden, so fragt er weiter, die sich noch nicht für die Taufe entschieden haben, aber auch hoffen und leiden? Christus ist es, so Kähler, der bedingungslos einlädt. (10) „Wie verhindern wir, dass wir im Abendmahl das Zeugnis der bedingungslosen Annahme beschränken“, so fragt er ganz in diesem Sinn. Das Geschenk der Einladung dürfe der Mensch nicht ablehnen. Niemand, so Kähler, ist von sich aus würdig; alle und zwar ausnahmslos alle sind von Christus gerufen und gewürdigt. Wer Menschen, die gewissen Bedingungen nicht genügen, ausschließt, verstoße seiner Meinung nach gegen den Sinn des Abendmahls. Kurz fasst er zusammen: Nicht diejenigen „verelendigen” oder „missbrauchen” das Abendmahl, die es zusammen mit Menschen feiern, die „irgendwelchen Bedingungen nicht genügen”, „sondern die gegen den Geist der Einladung Jesu verstoßen”. (11) Wer Ungetaufte nicht zur Kommunion zulasse, handle damit, so die Auffassung dieser Richtung, gegen die Barmherzigkeit Jesu.
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Die Gegner der Zulassung von Ungetauften zum Abendmahl argumentieren mit dem wechselseitigen Hingeordnetsein von Taufe und Eucharistie. „Die Taufe ist die grundlegende Zugangsvoraussetzung für das Abendmahl, sie ist dem Abendmahl prinzipiell zeitlich und sachlich vorgeordnet.” (12) Die Taufe ist der Beginn des Glaubens, das Abendmahl das Sakrament auf dem Weg des Glaubens. Es wäre nach dieser Position falsch, alle Menschen und damit auch die Ungetauften unterschiedslos zum Abendmahl einzuladen, d.h. „ohne Einschränkung, ohne Benennung der Taufe als grundlegendes Sakrament der Zugehörigkeit zu Christus” (13) . Es würde, so die eben zitierte Stimme aus der evangelischen Kirche, der Lebensordnung der eigenen Kirche widersprechen. Die vermeintliche Offenheit wäre eine falsch verstandene. Das, was als bedingungslos werbend und offen gedacht ist, erweise sich letztlich, so die Position dieser Richtung, als trügerisch. Eine solche Offenheit würde an der Oberfläche verbleiben und ein tieferes Eindringen in den Glauben verunmöglichen.
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Die Kirchenordnung der Protestantischen Kirche in den Niederlanden (14) führt an, wer zum Abendmahl zugelassen ist: „Zum Mahl des Herrn sind eingeladen, die Jesus Christus bekennen, in den Lobpreis einstimmen und durch Glaubensunterricht zu diesem Geheimnis hingeführt worden sind“ (Artikel IX). Hier wird die Taufe nicht explizit genannt. Der Eindruck legt sich nahe, dass es gemäß dieser Ordnung in bestimmten Situationen durchaus möglich ist, Ungetaufte zur Kommunion zuzulassen.
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Nicht so in anderen Kirchenordnungen. Die Ordnung des kirchlichen Lebens der Evangelischen Kirche der Union (Entwurf 1997) (15) führt in Artikel 6 an: „Grundlegende Voraussetzung für die Teilnahme am Abendmahl ist die Taufe. Eingeladen sind alle getauften Glieder der evangelischen Kirche und anderer Kirchen, mit denen Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft besteht. Im Rahmen ‚eucharistischer Gastbereitschaft‘ sind auch Glieder solcher christlicher Kirchen eingeladen, mit denen noch keine Kirchengemeinschaft besteht.“ Letzteres bezieht sich nicht auf die Glieder der eigenen, evangelischen Kirche, sondern auf diejenigen aus anderen Kirchen. Als einzig ausschlaggebend wird die Taufe erachtet.
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In der Rechtssammlung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern werden die Zulassungsbedingungen für das Abendmahl klar geregelt: „Zum Abendmahl eingeladen sind alle getauften Glieder der evangelischen Kirche und anderer Kirchen, mit denen Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft besteht. Dies sind die im LWB zusammengeschlossenen und die in der Leuenberger Kirchengemeinschaft verbundenen reformatorischen Kirchen.” (16) „Zum Abendmahl zugelassen sind Kirchenglieder, die konfirmiert oder im Erwachsenenalter getauft wurden. Erwachsene Gemeindeglieder, die nicht konfirmiert sind, können durch die Pfarrerin oder den Pfarrer im Benehmen mit dem Kirchenvorstand nach gliedkirchlichem Recht zum Abendmahl zugelassen werden, wenn sie genügend vorbereitet und unterwiesen wurden. Während des Konfirmandenunterrichts und der Konfirmandenarbeit kann das Abendmahl auch schon vor der Konfirmation gefeiert werden...” (17) Die Konfirmation wird nicht als Bedinung für die Zulassung zum Abendmahl genannt. Was auf die Konfirmation zutrifft, gilt aber nicht für die Taufe. Ohne Taufe ist gemäß dieser Ordnung eine Zulassung zum Abendmahl nicht möglich. „Getaufte Kinder können nach gliedkirchlichem Recht in Begleitung ihrer Eltern oder anderer christlicher Bezugspersonen am Abendmahl teilnehmen, wenn sie entsprechend darauf vorbereitet worden und imstande sind, in der ihnen gemäßen Weise die Gabe des Abendmahls zu erfassen. Anderen Kindern kann mit einem Segenswort die Hand aufgelegt werden, wenn sie mit zum Altar treten. Dasselbe gilt auch für ungetaufte Kinder und Erwachsene.” (18) Ungetaufte sind in das Abendmahlsgeschehen anders einzubeziehen als Getaufte. Für sie wird eine Handauflegung mit Segenswort für angemessener gehalten.
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Sehen wir zu, welche Richtlinien die EKD gibt. 2003 ist die bereits erwähnte Orientierungshilfe zu Verständnis und Praxis des Abendmahls in der evangelischen Kirche erschienen. (19) In einem eigenen, kurzen Abschnitt widmet sie sich der Frage „Dürfen Ungetaufte am Abendmahl teilnehmen?” (Abschn. 3.10). Gleich zu Beginn wird festgestellt: „Seit ältester Zeit ist die Teilnahme am Abendmahl daran gebunden, dass ein Mensch zunächst durch die Taufe in die Gemeinschaft mit Christus und den Mitchristen hineingenommen ist und erst dann die spezifische Gestalt dieser Gemeinschaft im Abendmahl erfährt.” (20) Sollte in einem konkreten Fall wie z.B bei einem überregionalen Gottesdienst die Abendmahlsgemeinde unübersichtlich werden, dann sollte man ausdrücklich der Handhabung der Leuenberger Kirchengemeinschaft folgen und darauf hinweisen, dass die Einladung zur Kommunion für getaufte Christen gilt. Sollte jemand nichtgetauft sein und dennoch am Abendmahl teilnehmen wollen, so sollte man mit dieser Person ein Gespräch darüber führen, ob ihr Wunsch „im Sinne eines Taufbegehrens” (21) zu verstehen sei. Am Ende des kurzen Abschnitts wird zusammenfassend eingeschärft: „Eine grundsätzliche Öffnung des Abendmahls für Ungetaufte und eine undifferenzierte Einladung an alle entspricht...nicht dem evangelischen Abendmahlsverständnis.” (22)
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Der Rat des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes hat im Jahr 2004 Überlegungen und Empfehlungen vorgelegt, die das Abendmahl betreffen. (23) In einem eigenen Abschnitt (Abschn. 2.2) geht der Rat auf „Eucharistische Gastfreundschaft und offene Einladung zum Abendmahl“ ein. Deutlich wird, dass nach evangelischem Abendmahlsverständnis (sowohl nach evangelisch-lutherischem als auch nach reformiertem Verständnis) nur diejenigen zum Abendmahl eingeladen sind, die auch in ihrer jeweiligen Kirche zum Abendmahl zugelassen sind. Die Abfolge „Taufe - Abendmahl“ sei aus theologischen Gründen unumkehrbar. (24) Darauf haben Vorstand und Rat SEK in früheren Jahren mehrfach hingewiesen. „Zwar vertritt er [Vorstand / Rat] die Auffassung, dass aufgrund des Gnaden- und Bekenntnischarakters des Abendmahls die Taufe nicht im rechtlichen Sinn eine Bedingung für die Teilnahme am Mahl darstellen soll. (25) Gleichwohl stellt die Taufe in aller Regel die Voraussetzung dar.“ (26) Dies sei „in den meisten evangelischen Kirchen Konsens“ (27) . Zu bedenken wird gegeben, dass in der ökumenischen Praxis die Einladung an Nichtgetaufte oft ein Hindernis darstelle. Aus theologischen und ökumenischen Gründen müsse deshalb an der unumkehrbaren Abfolge von Taufe und Abendmahl festgehalten werden. Gegenüber dem Regelfall bestehe lediglich im pastoralen Bereich Spielraum. Was das konkret heißt, wird nicht näher ausgeführt. Eingeschärft wird allerdings, was die Vollversammlung der Gemeinschaft evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) am 9. Mai 1994 empfohlen hat: Bei der Einladung zur Kommunion sei ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass diese Einladung getauften Christen gilt. Weiters werden in den „Überlegungen und Empfehlungen“ die Aussagen der Evangelischen Kirchen in Deutschland (EKD) zitiert: „Eine grundsätzliche Öffnung des Abendmahls für Ungetaufte und eine undifferenzierte Einladung an alle entspricht...nicht dem evangelischen Abendmahlsverständnis.“ (28)
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Die Stellung der römisch-katholischen Kirche in der Frage „Zulassung zu den Sakramenten, im besonderen zur Kommunion“ ist eindeutig: „Wer die Taufe nicht empfangen hat, kann zu den übrigen Sakramenten nicht gültig zugelassen werden“ (c. 842 § 1, CIC/1983). Und weiters: „Jeder Getaufte, der rechtlich nicht daran gehindert ist, kann und muß zur heiligen Kommunion zugelassen werden“ (c. 912, CIC/1983). In c. 842 § 2 CIC/1983 wird erinnert, dass die Sakramente „Taufe, Firmung und Eucharistie“ zusammengehören: „Die Sakramente der Taufe, der Firmung und der heiligsten Eucharistie sind so eng miteinander verbunden, daß sie zur vollen christlichen Initiation erforderlich sind.“
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Was folgt daraus konkret für die Frage der Zulassung von Ungetauften zur Kommunion?
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Erstens: Taufe und Eucharistie gehören zusammen. Das ursprüngliche Ritengefüge der christlichen Initiation ist seit der Spätantike und dem Mittelalter zerbrochen. (29) Was ursprünglich als Einheit deutlicher erkennbar war, hat sich in ein selbständiges Sakrament der Firmung und in eine Ersteucharistie auseinanderentwickelt. Die Frage, ob Ungetaufte zur Kommunion zugelassen werden dürfen, stellte sich damals so nicht.
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Zweitens: Die Taufe ist der erste Schritt in einer christlichen Initiation. Es hätte keinen Sinn, den zweiten Schritt vor dem ersten zu setzen. Mit der Taufe beginnt der Weg der Initiation, in der Eucharistie erhält das Begonnene (d.i. die explizit gemachte Christusverbundenheit und die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Kirche) seinen krönenden Höhepunkt: Feier des Leibes Christi (Eucharistie als Leib Christi und damit zusammenhängend: Kirche als Leib Christi). (30)
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Drittens: Von Mitgliedern der evangelischen Kirche ist öfters das Argument mit der Barmherzigkeit Jesu zu hören: Jesus hätte in seiner Barmherzigkeit niemanden vom Abendmahl ausgeschlossen. Er hätte Menschen unterschiedslos an seinen Tisch geladen. Das Argument wird im Blick auf eucharistische Gastfreundschaft gebracht, aber auch im Blick auf die Zulassung von Ungetauften zum Abendmahl. Das, was im ersten Moment sehr großzügig gedacht zu sein scheint, erweist sich bei näherem Hinsehen als nicht haltbar. Jesus hat Menschen in unterschiedlichen Situationen eingeladen, das Reich Gottes anzunehmen; er hat diese Einladung aber niemals unverbindlich ausgesprochen: Wer das Reich Gottes annehmen will, muss sich bekehren, d.h. sein Leben neu ausrichten. In der Taufe geschieht Neuausrichtung: Der Getaufte lebt nicht mehr sich selbst, sondern in und aus einer Schicksalsgemeinschaft mit Jesus Christus. Im Ritus der Taufe wird dem Menschen verheißen, woher die Ausrichtung kommt: nicht aus ihm, sondern von Gott her. Diese Verheißung nimmt konkret Gestalt an in der Gemeinschaft der Kirche. Nach römisch-katholischem (und orthodoxem) Verständnis gehören Kirchen- und Eucharistiegemeinschaft eng zusammen: Durch die Taufe wird der Mensch eingegliedert in die Gemeinschaft der Kirche (Leib Christi); in der Eucharistiefeier wird in einer Feier vollzogen, wozu die Taufe befähigt: Teilhabe am Leib Christi. Die Kirche ist die sichtbare Gestalt dieses Leibes. (31)
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Viertens: Für ungetaufte Kinder, die von christlichen Eltern mit zur Abendmahls- bzw. zur Eucharistiefeier mitgenommen werden, gibt es andere Formen, um ihnen die Heilssorge des trinitarischen Gottes und der Kirche zu verkünden (und, was nicht zu unterschätzen ist, emotional spüren zu lassen): Ein Segensgestus (Handauflegung) mit einem Wort des Zuspruchs drückt sehr viel aus und ist in dieser Situation (im Falle einer Anwesenheit von Ungetauften in einer Abendmahls-/ Eucharistiefeier) angemessener als eine unterschiedslose Zulassung zur Kommunion.
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Fünftens: Die römisch-katholische Kirche weiß um Extremsituationen. Kindern, die sich in Todesgefahr befinden, „darf die heiligste Eucharistie gespendet werden, wenn sie den Leib Christi von gewöhnlicher Speise unterscheiden und die Kommunion ehrfürchtig empfangen können“ (c. 913 § 2 CIC/1983). Voraussetzung für diese Entscheidung ist und bleibt die Taufe (c. 912 CIC/1983). Die Regelung betrifft die Herabsetzung des zur Zeit üblichen Alters für den Empfang der Kommunion. Die gegenwärtig in der evangelischen Kirche diskutierte Frage, was zu tun sei, wenn ungetaufte Kinder zur Abendmahlsfeier und im besonderen zur Kommunion mitgenommen werden, hat nichts mit einer Notsituation zu tun. Hier sei wiederum auf die Sinnhaftigkeit eines Segensgestus (einer Handauflegung mit einem biblischen Wort des Zuspruchs) verwiesen.
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Facit: Aus theologischen und ökumenischen Gründen kann der(n) Evangelischen Kirche(n) nur geraten werden, Ungetaufte nicht zum Abendmahl zuzulassen. Es würde ansonsten der theologische Sinnzusammenhang der Sakramente verdunkelt und der ökumenische Dialog mit der römisch-katholischen (und orthodoxen) Kirche gefährdet.
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Anmerkungen:
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1.
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< http://www.oe-journal.at/Aktuelles/0702/W1/06_1rel020 70807.htm> (S. 1, 13.12.2005).
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2.
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In der evangelischen Kirche wird gegenwärtig über die Konfirmation und ihren Zusammenhang mit dem Abendmahl diskutiert: Die Konfirmation wird nicht bloß als „Eröffnung des Zugangs zum Altarsakrament (admissio)“ (< http://www.ekd.de/EKD-Texte/2118_glaube n_1998_glauben2.html> (S. 1, 13.12.2005) verstanden, sondern in einen größeren, d.h. kirchlichen und anthropologischen Kontext gestellt. Deshalb wird empfohlen, „Abendmahlsfeiern schon in den Prozeß des konfirmierenden Handelns einzubeziehen“. Konfirmationsanwärter und -anwärterinnen können schon vor der Konfirmation am Abendmahl teilnehmen. Die einzige Bedingung für die Konfirmation ist die Taufe. Da immer mehr auch Ungetaufte am Konfirmationsunterricht teilnehmen, müsse pastoral klug entschieden werden, wann die Taufe anzusetzen ist: entweder in der Mitte der gemeinsamen Konfirmandenzeit oder im abschließenden Konfirmationsgottesdienst als gemeinsamem Festakt (ebd. S. 6).
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3.
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Das Abendmahl. Eine Orientierungshilfe zu Verständnis und Praxis des Abendmahls in der evangelischen Kirche.Vorgelegt vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland.Gütersloh 2003, 54. Mit der genannten Argumentation wird allen entgegengetreten, die anführen, dass Kinder noch nicht die entsprechende Reife besitzen.
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4.
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Zu klären ist, was die Orientierungshilfe mit „zweifelhafter Moralität“ meint. Diese sei ihrer Auffassung nach kein Ausschließungsgrund von der Mahlgemeinschaft. Ein offensichtlich sittenwidriges Leben ist m.E. durchaus ein Grund, jemanden nicht zur Kommunion zuzulassen.
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5.
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Ebd.
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6.
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< http://www.evang1.at/index.php?id=12 8&;type=98&backPID=128pS=1096581600...> (S. 1, 21.11.2005).
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7.
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Ebd.
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8.
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Ebd.
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9.
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Stellungnahme von Reinhard Kähler in: < http://www.die-kirche.de/dkdebatte.htm> (S. 8f, 21.11.2005).
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10.
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Von den Befürwortern der Zulassung von Ungetauften zum Abendmahl ist immer wieder dasselbe Argument zu hören: „Gottes Einladung gilt allen Menschen - bis an die Hecken und Zäune -, die sich von IHM einladen lassen, der Herr und Gott ist, sein Volk befreit hat und auch ihnen in Jesus Christus seinen Bund anbietet. Sola gratia. Sind wir berechtigt, Schranken um IHN zu aufzubauen?“ (ebd., S. 10). Eine andere Stimme (unter Berufung auf Paulus, 1 Kor 7, 14): „Wenn...offenbar ungetaufte Kinder durch ein getauftes Elternteil ‚heilig’ sind, wer könnte sich dann das Recht herausnehmen, die ‚Heiligen’ vom Abendmahl auzuschließen - und das noch wegen mangelnden Verstehens?” (ebd. 11). Was die Zulassung von ungetauften Kindern zum Abendmahl angeht, so wird von den Befürwortern der Zulassung von Ungetauften zur Kommunion das Kinderabendmahl für Nichtgetaufte als ein „erster notwendiger Schritt“ bezeichnet, „um heute Glauben zu vermitteln“ (ebd).
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11.
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Ebd. 8.
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12.
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Ebd 9 - Stellungnahme von Friederike von Kirchbach, Pröpstin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg - schlesische Oberlausitz.
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13.
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Ebd.
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14.
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< http://www.dorpskerk.com/engels/kerkor de_pkn_duits.htm> (S. 6, 21.11.2005 - Übersetzung an die neueste niederländische Version angepasst - 21.02.2003).
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15.
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< http://www.seggeluchbecken.de/archiv/za-5-002.htm> (21.11.2005).
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16.
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Grundlegung: Gemeinschaft der Gläubigen und Ordnung kirchlichen Lebens, in: Rechtssammlung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Hg. Landeskirchenrat der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Bearb. v. J. Heinzel. München 2005, 200 LkL, 12f.
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17.
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Ebd. 13.
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18.
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Ebd.
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19.
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Das Abendmahl. Eine Orientierungshilfe zu Verständnis und Praxis des Abendmahls in der evangelischen Kirche. Vorgelegt vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland. Gütersloh 2003.
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20.
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Ebd. 55.
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21.
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Ebd.
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22.
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Ebd. 55f.
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23.
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Als Buchveröffentlichung konzipiert und aus dem Internet abrufbar: <www.sek-feps.ch> (19.12.2005).
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24.
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Ebd. 26.
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25.
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Die reformierte Tradition schweizerischer evangelischer Kirchen läßt sich an solchen Aussagen deutlich erkennen.
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26.
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Ebd.
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27.
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Ebd.
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28.
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Ebd. 27.
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29.
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Vgl. Meßner, Reinhard: Liturgiewissenschaftliche Anmerkungen zum Verhältnis von Taufe und Eucharistiegemeinschaft, in: Taufe und Eucharistiegemeinschaft. Ökumenische Perspektiven und Probleme. Hg. S. Hell / L. Lies SJ. Innsbruck 2002, 28-31, hier 28.
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30.
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Die liturgische Praxis der Orthodoxen Kirche verdeutlicht in ihrer Sakramentenspendung den Sinnzusammenhang von Taufe, Myronsalbung und Eucharistie sehr deutlich: Sie „werden unmittelbar hintereinander gespendet“ (Kleine Konfessionskunde. Hg. Johann-Adam-Möhler-Institut. Paderborn 1996, 116). Siehe dazu auch den heute in der römisch-katholischen Kirche geltenden Ritus der Erwachsenentaufe - Hell, Silvia: Wechselseitige Anerkennung der Taufe und die Frage der Zulassung zur Kommunion, in: Taufe und Eucharistiegemeinschaft. Ökumenische Perspektiven und Probleme. Hg. S. Hell / L. Lies SJ. Innsbruck 2002, 63-86, hier 73 / Anm. 22.
| 90
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31.
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Siehe dazu Lies, Lothar: Das Verhältnis von Taufe zu Eucharistie im 2. Vatikanischen Konzil, in: Taufe und Eucharistiegemeinschaft. Ökumenische Perspektiven und Probleme. Hg. S. Hell / L. Lies SJ. Innsbruck 2002, 35-61; weiters: Hell, Silvia: Wechselseitige Anerkennung der Taufe und die Frage der Zulassung zur Kommunion, in: ebd. 63-86.
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