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Niewiadomski Jozef: Dankbar für René Girard
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Dankbar für René Girard
(Predigt beim Gedenkgottesdienst der Fakultät für René Girard in der Jesuitenkirche, am 4. Dezember 2015)

Autor:Niewiadomski Jozef
Veröffentlichung:
Kategoriepredigt
Abstrakt:
Publiziert in:
Datum:2015-12-09

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

1
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„Ich erlaube mir, mit einer sehr persönlichen Bemerkung zu schließen. In meinem Gebet danke ich Gott, dass er Ihnen diese Weisheit gegeben hat. Dieses Gebet ist für mich zugleich ‚das Mittel´ nicht einer lächerlichen Rivalität zu verfallen, indem ich Sie als Modell (Meister des Denkens) nehme.“ Mit diesem ehrlichen Bekenntnis, das in der Geschichte der akademisch motivierten Beziehungen doch sehr eigenartig ist, schließt Raymund Schwager seinen Brief ab, den er vor mehr als 35 Jahren - damals noch aus Zürich - an Girard geschrieben hat, den er zu dieser Zeit mit „lieber Herr“ (Cher Monsieur) ansprach (vgl. Briefwechsel mit René Girard, hg. von N. Wandinger und K. Peter. Freiburg 2014 (Raymund Schwager Gesammelte Schriften Bd. 6), 85. Uns allen ist es klar, dass es diesen Gedenkgottesdienst für René Girard in dieser Jesuitenkirche zu Innsbruck nur deswegen gibt, weil es dieses eigenartige Beziehung zwischen diesen beiden Männern gab. Eine Beziehung, in der jeder von dem anderen lernte, eine Beziehung, die bar jeglicher mimetischer Rivalität war. So ist es nur allzu konsequent, wenn heute die Logik von Raymund Schwager den Grundton angibt: für diese Predigt beim Gedenkgottesdienst für seinen wohl wichtigsten Freund.

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„Ich danke Gott“ und auch wir danken Gott, dass er René seine Weisheit gegeben hat. Dass er ihn, wie viele andere Menschen auch, dass er ihn erwählte. Ich selber, so bekennt Raymund heute - wohl schon im Himmel sitzend -, ich selber rang ja mein Leben lang mit mir selber und meiner ganzen Umgebung, weil ich immer wieder und immer wieder neu nach einer konkreten Gestalt meiner eigenen Berufung suchte. Mein Jesusroman („Dem Netz des Jägers entronnen“, in: Raymund Schwager, Heilsdrama, hg. von J. Niewiadomski. Freiburg 2015/ Raymund Schwager, Gesammelte Schriften Bd. 4/, 4001-564) darf ja auf weiten Strecken als autobiographischer Roman gelesen werden, als Bekenntnis eines Menschen, der zunehmend davon überzeugt ist, dass Gott Menschen schon im Mutterleib erwählt (vgl. Jes 49,1). Diese Erwählung ist keineswegs ein Heilsprivileg, vielmehr ist es eine Verpflichtung andere Menschen als Bundesgenossen zu erkennen, als Menschen ,die auch von Gott erwählt sind, stückweise Licht für die Völker zu sein (vgl. Jes 49,6).

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Deswegen danke ich Gott, so bekennt Raymund Schwager, dass er mir damals diese eine Nummer von der französischen Zeitschrift „Esprit“ in die Hände fallen ließ, dass ich dort den mir damals den nichts sagenden Namen René Girard las, dann sein Buch bestellte, las und zur Überzeugung gelangte: dieser Mensch ist mir seelenverwandt, er ist dazu erwählt in der heutigen Zeit seine Stimme der biblischen Botschaft zu leihen. Deswegen schrieb ich ja ihm am 18. März 1974 den ersten Brief, war dabei so aufgeregt, dass ich mich sogar beim Datieren geirrt habe (vgl Briefwechsel 47). „Ich danke Gott“ und auch wir danken Gott, dass er den Mund von René zu einem scharfen Schwert machte, zum spitzen Pfeil (vgl. Jes 49, 2), der die Kruste der liebgewonnenen Zuckergüsse über den „biblischen Gugglhupf“ durchstoßen konnte und Überraschendes ans Tageslicht brachte. Von Gott im Mutterleib erwählt, wurde er dazu bestimmt, Dinge, die seit der Grundlegung der Welt verborgen sind (Des choses cachées depuis la fondation du monde), offen zu legen und neu zur Sprache zu bringen, Menschen herauszufordern, dass sie Farbe bekennen.

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Liebe Schwestern und Brüder, wie oft dürfte der im direkten Gespräch mit Christus geübte Jesuitenpater zu Jesus gesagt haben: „Danke Herr, dass Du dich umgewendet hast und René direkt angeschaut hast (vgl. Lk 22,61). Dass Du - verborgen unter der Gestalt der großen Schriftsteller - ihm Kraft deines versöhnenden Blickes die Macht des mimetischen Begehrens aufgezeigt hast. Wie schon damals, als Du Petrus angeschaut hast, war da nichts von der Macht des Skandals am Werk, nicht der erhobene moralische Zeigefinger. Nein! Vielmehr gab dein versöhnender Blick diesem nach Zugehörigkeit lechzenden Menschen, dem nach Anerkennung gierenden Jüger, dem - der political correctness verfallenen - Peer einer academic society, dein versöhnender Blick gab ihm die Kraft zur conversio, zur Umkehr. So blickte sich auch René um und entdeckte, dass er letztlich doch auch die Puppe seines mimetischen Begehrens ist. „Im Herbst 1958 arbeitete ich an meinem Buch über den Roman (schrieb Girard über seine Erfahrung beim Verfassen von: „Figuren des Begehrens“). Ich dachte über die Analogien zwischen religiöser Erfahrung und der des Romanschriftstellers nach, der sich als systematischer Lügner entdeckt, als ein Lügner zugunsten seines Ichs, das letztlich aus tausend Lügen besteht, die sich über eine lange Zeit hinweg angehäuft haben. Ich habe schließlich begriffen, dass ich gerade dabei war, eine Erfahrhung zu machen, wie diejenige, die ich gerade beschreiben wollte. [...] Auf intellektueller Ebene war ich bekehrt, aber ich war immer noch unfähig, mein Leben mit meinen Gedanken in Verbindung zu bringen.“ Dann beschreibt Girard die Angst vor der vermuteten Krebserkrankung, die Diagnose, dass er gesund ist und seine Reaktion darauf. „Gott hatte mich wieder zur Besinnung gebracht und hatte sich dabei einen kleinen Scherz erlaubt, der im Grunde genommen angesichts der Mittelmäßigkeit meines Falls wohl angebracht war.“ (Girard, Wenn all das beginnt, Münster 1997,180-183). Und Petrus ging hinaus und weinte zwar (vgl. Lk 22,62), doch dann stellte er erstaunt fest, zu welcher Dynamik dieses Erlebnis der conversion befähigt. „Ich danke Dir“, so würde Raymund beim Gedenkgottesdienst für seinen Freund René beten, dass Du René angeschaut hast, ihn durch deinen Blick zu seiner Berufung zurückgeführt hast: in der Welt der Wissenschaft Zeugnis für die Wahrheit abzulegen.

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P. Schwager dankte Gott zeit seiner Freundschaft zu René. Er dankte für diesen außergewöhnlichen Menschen. Heute, nach dessen Tod würde er sein Gebet um eine Bitte ergänzen: und er tut dies auch kraft der in der Kirche lebenden communio sanctorum. Er verbindet den Dank mit der Bitte für den Sünder René. Für den Menschen, der ja halt eben nur ein Mensch war, trotz all seiner Größe, trotz all seiner Begabung, trotz all der Gnade, die ihm zuteil wurde. Erwählung ist kein Heilsprivileg, wohl aber kann sie zu einem Köcher am Buckel werden, in dem allzu viele Pfeile des Hochmuts und des Neides Platz haben. Wer von uns kennt dies nicht? Der sprichwörtlichen Alltagslogik sich bedienend würde Raymund bei diesem Gottesdienst für seinen Freund sagen: Auch René war kein Heiliger, er war ein Mensch in dessen Leben zahlreiche Rechnungen nicht beglichen wurden, dessen Biographie Unvollendetes, ja Sündhaftes, eben Unversöhntes anhaftet. Deswegen betet Raymund für seinen Freund, deswegen beten auch wir für unseren verstorbenen Bruder René: Gott selber, der ihn im Mutterleib erwählte, dieser Gott, der ja die Liebe ist, der Inbegriff der Vergebung, Er möge das Leben von René zum versöhnten, ewigen Leben verwandeln. Christus, der von den Toten erweckt wurde, möge ihm Anteil an seiner Auferweckung schenken und uns alle, die wir ja noch der Macht des mimetischen Begehrens ausgeliefert bleiben, in unserem Leben aber auch atemberaubenden Erfahrungen der conversio machen, weil uns das Geschenk der Gnadenunterbrechungen zuteil wird, Christus möge uns alle einst mit ihm: dem verstorbenen Ehrendoktor unserer Fakultät und mit anderen Verstorbenen zur ewigen communio sanctorum vereinen.

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