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Naturkatastrophen: Risiko von Gebäudeschäden besser einschätzen – Universität Innsbruck
Mure im Paznaun

In der Gemeinde See im Paznaun führten Regenfälle am 8. Juni 2015 zu einem starken Murenabgang.

Na­tur­ka­ta­stro­phen: Ri­si­ko von Ge­bäu­de­schä­den bes­ser ein­schät­zen

Ein Forscher*innen-Team mit Beteiligung von Prof. Margreth Keiler vom Institut für Geographie erarbeitete zwei Methoden zur Ermittlung der Anfälligkeit von Gebäuden für Schäden durch Hochwasser und Muren. Gemeinsam ermöglichen sie datenbasierte Risikoanalysen und bieten eine Grundlage der Kosten-Nutzen-Abwägungen für Schutzmaßnahmen.

Hochwasser und Murgänge durch Wildbäche verursachen immer wieder große Schäden, sowohl finanziell als auch humanitär. Durch mitgeführte Steine und Baumstämme fällt das Ausmaß der Zerstörung häufig wesentlich höher aus als bei herkömmlichen Hochwassern. Um die Schadensanfälligkeit von Gebäuden gegenüber diesen hochvariablen Naturgefahren prognostizieren zu können, erarbeitete ein Forschungsteam der BOKU Wien in Kooperation mit der Universität Padua, der Universität Innsbruck und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften so genannte Vulnerabilitätskurven und Vulnerabilitätsindizes.

Diese beiden Methoden evaluierte und präzisierte die Arbeitsgruppe rund um Sven Fuchs und Maria Papathoma-Köhle vom Institut für Alpine Naturgefahren der BOKU Wien nun anhand zweier Fallstudien aus Österreich und Italien. Prof. Margreth Keiler war ebenfalls wesentlich an der Arbeit beteiligt: „Es gibt sehr viele Prozessmodelle, die besagen, welche Fläche von einem Ereignis wie Hochwasser oder Muren betroffen sein kann. Es gibt aber wenige Informationen darüber, welcher Schaden an Gebäuden konkret zu erwarten ist – also zum Beispiel Angaben darüber, wie hoch die Ablagerungshöhe einer Mure an einem Wohnhaus sein wird. Diese Informationen sind aber wesentlich, um die Wirkung des Gefahrenprozesses optimal einzuschätzen und das Schadenausmaß beschreiben zu können. Hier setzen wir mit dieser Studie an und bieten die Grundlage für eine möglichst zielgerichtete Planung von Schutzmaßnahmen.“ Die Geographin ist seit März 2021 Professorin für Interdisziplinäre Gebirgsforschung und Direktorin des Instituts für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

Finanzielle Schäden und Gebäude-Schwachstellen

Die Vulnerabilitätskurven bilden ab, wie stark das Ausmaß des Schadens von der Ablagerungshöhe abhängt. Auf diese Weise ermöglichen sie Prognosen über die Höhe des finanziellen Schadens. Für die Vulnerabilitätsindizes analysierte das Team Parameter, die ein Gebäude anfällig gegenüber Wildbachprozessen machen, etwa die Fensterhöhen, seine Lage im Gelände oder mögliche Abschattungseffekte durch andere Gebäude. Gewichtet nach ihrem Einfluss auf das Schadensausmaß entwickelten die Forscher*innen aus diesen Faktoren einen Vulnerabilitätsindikator. „Man kann Vulnerabilitätskurven und -indikatoren dazu nutzen, Gebäude im Sinne der Prävention so zu errichten, dass sie im Ereignisfall weniger schadensanfällig sind“, ergänzt Maria Papathoma-Köhle von der BOKU.

In der konkreten Studie evaluierte das Team zwei Schadenereignisse: In der österreichischen Gemeinde See im Paznauntal in Tirol führten starke Regenfälle am 8. Juni 2015 zu einem fluvialen Sedimenttransport, der 30 Gebäude beschädigte und einen Sachschaden von 6,21 Millionen Euro verursachte. „Je mehr Daten wir haben, desto robuster können unsere Aussagen sein. Eine gute Dokumentation in Form von Fotos, Videos und genauen Schadensmeldungen von bereits stattgefundenen großen Schadenereignissen ist daher wesentlich, aber keine Selbstverständlichkeit. Oft kann man erst vor Ort sein, wenn vieles schon weggeräumt wurde oder die Bagger schon zu arbeiten begonnen haben. Im Paznauntal 2005 war ich zwei Tage nach dem Ereignis selbst vor Ort und konnte die Schäden entsprechend dokumentieren. Zudem besteht ein sehr guter Kontakt zu den Behörden vor Ort, daher haben wir dazu eine sehr gute Datenlage. Das ermöglicht uns eine Adaptierung der Erkenntnisse auf andere Regionen in den Alpen mit ähnlichen Gebäudestrukturen“, erklärt Margreth Keiler.
Die zweite Fallstudie betrifft die extremen Niederschläge in Dimaro, einem kleinen Bergdorf in den italienischen Alpen, vom 27. und 29. Oktober 2018, welche drei Murgänge auslösten. Dabei kam eine Frau ums Leben, 26 Gebäude wurden beschädigt und etwa 200 Menschen mussten aus ihren Häusern evakuiert werden. Ereignisse dieser Art sollten künftig standardisiert erfasst werden, nur so könne man die Methoden für das Schadenausmaß im Alpenraum weiter verbessern und Unsicherheiten bei der Vorhersage von Schäden reduzieren.

Die Studie ist im Fachmagazin Journal of Hydrology erschienen.

(BOKU/red)

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