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Sandler Willibald: Inspiration, Besessenheit oder geistlose Kopie?
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Inspiration, Besessenheit oder geistlose Kopie?
(Überlegungen zu einer Theologie der Mimesis)

Autor:Sandler Willibald
Veröffentlichung:
Kategorieartikel
Abstrakt:
Publiziert in:Sandler, Willibald: Inspiration, Besessenheit oder geistlose Kopie? Überlegungen zu einer Theologie der Mimesis, in: Religion - Literatur - Künste. Perspektiven einer Begegnung zur Zeitenwende (Im Kontext 15). Hg. P. Tschuggnall, Anif/Salzburg: Müller-Spe
Datum:2002-12-17

Inhalt

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1. Ein mimetisches Universum

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1.1 "Alles ist Nachahmung" 

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Unsere Welt ist von Grund auf mimetisch. Wenn Paul Virilio recht hat, daß Beschleunigung ihr zentrales Merkmal ist, dann ist die potenzierte Nachahmung ihr Motor.[1] Von unseren kulturellen Urmüttern und Vorvätern unterscheiden wir uns nicht durch größere Originalität oder Kreativität, sondern dadurch, daß wir schneller, besser und effektiver sind im Nachmachen. Wir leben in einer Repro-Kultur, die das Nachahmen, Vervielfältigen, Reproduzieren automatisiert hat und im großen Stil betreibt. Abbildung, Duplikat, Film, Fotographie, Hologramm, Imagination, Imitation, Klon, Kopie, Nachbildung, Reduplikation, Replikation, Repräsentation, Reproduktion, Resonanz, Scannen, Simulation, Spiegelung, Wiederholung, Zitat: All das sind nur verschiedene Facetten einer potenzierten mimetischen Ausrichtung des einen am anderen, einer ungebremsten Polarisierung, deren Effekt Globalisierung ist.

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1.2 Nachahmung als Tabu

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Dazu kommt ein weiteres: Ein fremder Beobachter – denken Sie sich Saint-Exuperys kleinen Prinz, erwachsen geworden und zum Ethnologen ausgebildet – würde unsere Welt nicht nur als ein gigantisches Spiegelkabinett wahrnehmen, sondern auch bald auf einen höchst seltsamen Umstand stoßen: nämlich, daß sich die Erdenbewohner eben jener Eigenschaft, die sie zutiefst prägt und der sie ihren potenzierten Fortschritt verdanken, schämen. Andere nachmachen ist tabu. Und weil es dennoch unvermeidlich ist, tut man es heimlich. Ich werde dieses paradoxe Zusammenspiel von Bedeutung und Geringschätzung der Nachahmung in drei Bereichen skizzieren.

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  1.  In der Schule: Lernen gründet im Nachmachen, und dennoch ist das Abschreiben verboten. Zudem wird das Imitieren durch subtilere Sanktionen geahndet: Wer allzu sorgfältig den Vortrag des Lehrers in sein Heft kopiert, disqualifiziert sich damit bei den Mitschülern als Streber, und leicht passiert ihm oder ihr obendrein das Mißgeschick, vom verehrten Lehrer nur als brav belächelt zu werden. Trotz dieses fundamentalen Widerspruchs sind unsere Schulsysteme durchaus effektiv. Ihr geheimer Lehrplan enthält die Botschaft: Imitiere auf Teufel komm raus, aber mach das so gut, daß dir niemand dabei auf die Schliche kommt!
  2.  In der Forschung: Es gibt zwei entgegengesetzte Gründe, die eine wissenschaftliche Arbeit für die Öffentlichkeit disqualifizieren. Der eine besteht darin, daß die Arbeit zu offensichtlich Imitation ist, – etwa durch den Nachweis, daß sie abgeschrieben wurde. Der andere Grund besteht umgekehrt darin, daß die Arbeit zu wenig offensichtlich Imitation ist. Ein Werk, das wirklich ist, was originelle Arbeiten zu sein versprechen, ein Werk, dessen Inspiration sich aus Quellen speist, die den anderen, der scientific community, nicht verfügbar sind, ein Werk also, das aus dem Rahmen der herrschenden Paradigmata herausfällt, vielleicht seiner Zeit voraus ist, für das fehlt die Möglichkeit seiner effektiven Bewertung. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, daß es bereits bei der peer-review durchfällt und somit in einer renommierten wissenschaftlichen Zeitschrift gar nicht erst abgedruckt wird. Originalität ist die Würze, die den aufgewärmten Einheitsbrei der Duplikate schmackhaft macht. Aber das meiste muß Brei bleiben.
  3.  In der Wirtschaft: Wirtschaftlichen Erfolg hat nicht mehr nur, wer über die Produktionsmittel verfügt, sondern wer die Macht hat über die Reproduktionsmittel.[2] Dabei geht es nicht nur um Repro-Maschinen und Technologien, sondern immer mehr um Repro-Rechte. Deshalb kauft Bill Gates Museen und Fotoarchive auf: – nicht die Originale, sondern die Kopierrechte.[3] Und Wirtschaftskriege drohen heute weniger wegen Zollpolitik als wegen des Verdachts, bestimmte Staaten bekämpften zuwenig die Herstellung von Raubkopien.
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Nicht nur Produkte sind Gegenstand der Imitation im Sektor der Wirtschaft, sondern auch Konzepte und Strategien. Immer wieder führte der Weg von Nationen zur Wirtschaftsmacht über ein forciertes Nachahmen, das solange belächelt wurde, bis der Schüler den Lehrer mit dessen eigenen Mitteln schlug. England – Deutschland – Vereinigte Staaten – Japan – Korea: Vom 19. Jahrhundert bis heute sind die Erfolgsstories von Wirtschaftsmächten verknüpft durch ein Band der Mimesis.[4]

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1.3 Die Differenz in der Nachahmung: Distanzierung und Innovation

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In einer hoch innovativen Weltgesellschaft könnte Nachahmung nicht diese zentrale Rolle spielen, wenn sie nur geistlose Kopie wäre. Sie birgt in sich ein innovatives Moment. Die perfekte Nachahmung zielt auf die Aneignung der Originalität des Vorbildes.[5] Für das Ideal der vollkommenen Nachahmung – von den Golem-Phantasien bis zur heutigen Robotertechnik – ist die perfekte Reproduktion der äußeren Gestalt nur der erste Schritt. Als nächste Stufe der Vollkommenheit folgt die Kopie der Funktion. Denken Sie an die Faszination des künstlichen Vogels in Andersens Märchen von der Nachtigall: eine kunstvolle Maschine, die nicht nur aussieht wie ein Vogel, sondern auch wie ein solcher singt. Aber selbst diese perfekte Kopie bleibt hinter ihrem Original zurück: Sie singt immer nur dasselbe Lied, ihr fehlt die Spontaneität und Kreativität eines echten Vogels. Mittels neuer Techniken wie Fuzzy Logic versucht Artificial Intelligence, dem Original auch noch diese letzte Bastion des Lebendigen abzuluchsen.[6] Das Lebendige speist seine Originalität aus einer geheimen Quelle, und die Nachahmung ist erst dann perfekt, wenn das Duplikat auf die Spur ebendieser Quelle gekommen ist.

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Ist das grundsätzlich unmöglich? Offenbar hat die Natur in der Fortpflanzung einen Weg dazu gefunden. Denn Töchter und Söhne sind mehr als nur getreue Kopien ihrer Eltern. Gerade weil sie ihnen so sehr gleichen, daß sie auch deren Eigenwillen geerbt haben, unterscheiden sie sich im Effekt oft so stark von ihnen. Aus einer evolutionären Perspektive scheint die technisch-schöpferische Aneignung solcher vollständiger Reproduktion der nächste Schritt einer selbstreferentiellen Potenzierung der Evolution zu sein.[7]

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Es ist nicht nötig, hier ein Urteil über Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit dieses nächsten Schrittes zu fällen. Jedenfalls zeigt die Skizze, daß Nachahmung und Originalität nicht in einem einfachen Gegensatz zueinander stehen, sondern daß vielmehr Nachahmung eine Tendenz aufweist, sich der Originalität des Vorbildes möglichst umfassend zu bemächtigen. So zielt die Verähnlichungstendenz der Nachahmung in letzter Konsequenz auf eine Abhebung vom Urbild. Dieses immanente Differenzierungsprinzip im Nachahmungsprozeß verhindert die Implosion einer durch potenzierte Nachahmung beschleunigten Weltkultur. Die Repro-Weltgesellschaft fördert zwar eine Uniformierung, aber das führt deshalb nicht zum Wärmetod der Geschichte – durch Nivellierung aller geschichtlicher Differenzen – weil Nachahmung in letzter Konsequenz auf Differenzierung zielt. Von der persönlichen Individualität bis zur Eigenart von Kulturen und Nationen wird Selbstunterscheidung deshalb durch potenzierte Nachahmung nicht ausradiert, weil sie selber Gegenstand der Nachahmung ist. Mode und Werbung leben von diesem paradoxen Zusammenhang.

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Nachahmung ist so offen für Kreativität, enthält aber durch eine gegenseitige Zuschärfung von Verähnlichung und Differenzierung auch den Keim des Konflikts.

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1.4 Das Konfliktpotential in der Nachahmung

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Das paradoxe Zusammenspiel von Annäherung und Distanzierung in der Nachahmung bestimmt auch den zwischenmenschlichen Bildungsprozeß und sorgt dort für Sprengstoff. Was ich meine, läßt sich an folgendem Fall drastisch verdeutlichen:[8] Stellen Sie sich einen Schüler (oder eine Schülerin) vor, der seinen Lehrer verehrt. Leidenschaftliches Anliegen ist ihm, so zu werden wie sein verehrtes Idol. Sein Meister ist für ihn über alle Konkurrenten erhaben. Er ist der Star. Der Schüler versucht nun alles, um seinem Lehrer ähnlich zu werden. Er (oder sie) wird große Anstrengungen auf sich nehmen, um die Virtuosität des Vorbildes zu erreichen. Wann aber hat er sein Vorbild wirklich vollständig eingeholt? – Erst wenn er denselben Überlegenheitsanspruch vertritt, der ihm an seinem Lehrer imponierte: Dieser ließ keinen Gleichrangigen neben sich zu. Und eben deshalb wird der Schüler sein Vorbild erst dann wirklich eingeholt haben, wenn er es mit demselben Überlegenheitsanspruch deklassiert hat. Die Logik der Nachahmung befiehlt in letzter Konsequenz, daß der Verehrer sich seinem Vorbild nicht nur angleicht, sondern es vom Thron stürzt.

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Dieses Szenario, das sich an realen Beispielen belegen läßt,[9] zeigt erstens, wie eine forcierte Verähnlichung die Tendenz zur Unterscheidung mit sich führen kann: Es gibt Konstellationen, in die vollständige Angleichung eine Distanzierung verlangt. Zweitens vermittelt es eine Ahnung von dem großen Konfliktpotential, das in der Tendenz zur Nachahmung verborgen ist. Es müßte das Paradigmatische an diesem zugegeben extremen Beispiel herausgearbeitet werden, was hier nicht durchgeführt werden kann: den Zusammenhang mit der Herr-Knecht-Dialektik, die Hegel als unvermeidliche Konsequenz des Strebens nach Anerkennung herausgearbeitet hat,[10] weiters den Bezug zur psychologischen Problematik des double-binds, welches Gregory Bateson untersucht hat,[11] sowie auf die Freudsche Thematik des Ödipus-Komplexes, dessen zentrale psychisch-soziale Tragweite in einer mimetischen Interpretation plausibler wird als in der von Freud durchgeführten sexuellen.[12]

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Solche Überlegungen, die hier wie gesagt nur angedeutet werden können, widerlegen jede ideale oder harmlose Sicht der Mimesis. Sie legen die Vermutung nahe, daß die immer wieder aufbrechenden Gefährdungen des Weltfriedens mit diesem Janusgesicht der Mimesis zu tun haben: daß Nachahmung nämlich zugleich das Miteinander und das Gegeneinander fördert, daß sie Nachbarn zu Gegnern und Gegner zu Nachbarn macht.

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Mehr als jemals zuvor gelten heute die internationalen politischen Bemühungen der Einigung auf immer höheren Ebenen: Man versucht Stabilität herzustellen, indem man die Schwächeren am zunehmenden Wohlstand strukturell beteiligt, sie also nicht nur abspeist, sondern ihnen hilft, zu wirtschaftlich und politisch gleichwertigen Partnern und – muß man hinzufügen – Konkurrenten heranzuwachsen. Es tut wohl, zu beobachten, wie der Einsatz für die Schwächeren zum Gegenstand des Wettbewerbs zwischen den mächtigsten und reichsten Nationen werden kann. Der hochproblematische Aspekt dieser weltweiten Annäherung mit Einebnung von Differenzen besteht im dialektischen Zusammenhang, daß Gleichheit Differenz voraussetzt und auf Differenz hinzielt. Das marktwirtschaftliche System, welches jenen Reichtum erzeugt, der möglichst gleichmäßig auf alle verteilt werden soll, ist ein Differenzsystem, das auf Vergleich, Wettbewerb, Rivalität, auf dem Kampf um den Platz an der Sonne basiert. Selbst der Wettbewerb der Humanität setzt noch die Differenz zu einem Hilfeempfänger voraus. Der Einsatz für verarmte Nationen war erst dann erfolgreich, wenn diese so weit auf eigenen Füßen stehen, daß sie zur ernsthaften wirtschaftlichen Konkurrenz für die Helferländer geworden sind. Differenzen lassen sich verschieben, auch ins Eck drängen, etwa bei einer fast weltweiten Einigung gegen einen erklärten Bösewicht, in dessen Bekämpfung alle zu einer gemeinsamen Aufgabe zusammenfinden. Aber was passiert mit der so motivierten Einigkeit, wenn sie erfolgreich ist, d.h. wenn der Bösewicht besiegt oder – besser noch – bekehrt ist? Der Zerfall der Sowjetunion und damit des kommunistischen Feindbildes hat die optimistischen Visionen frustriert. Die Differenzen verschwinden nicht, sondern brechen andernorts neu auf. Schwinden die Differenzen auf der Makroebene der Internationalität, dann brechen sie auf der innerstaatlichen Mesoebene neu auf: Bürgerkrieg.

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Heißt das, daß die Visionen eines weltweiten Friedens zu begraben sind und Politik sich nicht der Überwindung, sondern allein der geschickten Umverteilung der Differenzen von reich und arm, Freund und Feind zu widmen habe? Bevor so weitreichende Schlüsse gezogen werden, muß der leitende Zusammenhang von Annäherung und Differenz genauer untersucht werden. Fundamental zugrundezuliegen scheint die Eigenschaft des Menschen, daß er über seine Identität – das Wissen, wer er ist und wo er hingehört – nicht einfach schon verfügt, sondern sie sich durch eine Verhältnisbestimmung gegenüber Welt und Mitmenschen erst erarbeiten muß. Nur durch nachahmende Orientierung an anderen kann er seine Identität realisieren. Wenn die Identität des Menschen als Individuum und Person sich allein durch Abhebung von den anderen profilieren läßt, dann ist der fortgesetzte Kampf der Differenzen auf allen Ebenen, von der zwischenmenschlichen Rivalität bis zum weltpolitischen Konflikt tatsächlich unausweichlich. Gibt es aber andere Formen einer positiv-bezogenen Identität, dann besteht Grund für die Hoffnung auf echten Frieden ohne Ausgrenzung anderer.

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Die Weichenstellungen zur Beantwortung der Frage nach Stabilität, Friedensmöglichkeit und letztlich Überlebenschance unseres mimetischen Universums erfolgen also auf dem Feld der Anthropologie. Philosophie und Theologie sind danach gefragt, unter welchen Bedingungen Menschen durch Orientierung an anderen sich selbst zu verwirklichen vermögen.

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2. Geschichte der Mimesis

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2.1 Paideia als Ideal der griechischen Antike

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Fragt man nach den abendländischen Wurzeln der Reflexion auf Nachahmung, so stößt man auf den griechischen Begriff der Mimesis. In seinen vorphilosophischen Ursprüngen bedeutet Mimesis gleichermaßen Nachahmung, Darstellung und Ausdruck, – und zwar nicht nur sprachlich, sondern auch in Musik, Tanz und Gebärde.[13] Platon und Aristoteles erhoben Mimesis zum Zentralbegriff der Ästhetik, wobei Ästhetik allerdings noch nicht als selbständiger Sektor neben anderen begriffen wurde. Dichtung, Philosophie und Politik verbinden sich im gemeinsamen Anliegen der Paideia: in der Kunst, Menschen so zu formen, daß sie als "kalói kai agathói" ihre je einmalige Rolle innerhalb der Politeia wahrzunehmen vermögen.[14] Menschen bedürfen der Führung, Begleitung, Leitung durch andere und vermögen durch Ausrichtung an ihren Lehrern zu jener Größe heranzuwachsen, in der sie sich als Einmalige von allen unterscheiden. Die Orientierung an Vorbildern zielt also nicht auf deren Kopie, sondern soll den heranwachsenden Menschen helfen, die Idee ihres ganz persönlichen Menschseins, ihren je einmaligen charakterlichen Entwurf zu entdecken und zu verwirklichen.

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In diesem Sinn galten die großen Epen von Homer als pädagogische Leittexte. Die in ihnen geschilderten Heroen sind selber im Hören auf weise, alte Männer zu ihrer jeweils unverwechselbaren Einmaligkeit herangewachsen. Und die mitreißende Schilderung von deren heroischem Kampfesmut soll die Zuhörer dazu anregen, es ihnen in Tatbereitschaft und Tapferkeit gleich zu tun. Orientierung an anderen und persönliche Originalität stehen dabei in einem positiven Verhältnis zueinander.

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2.2 Mimesis bei Platon

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Platon hat das vorphilosophische Mimesisverständnis als Nachahmung, Darstellung und Ausdruck in ganzer Breite aufgenommen, aber auch widersprüchlich in unterschiedliche Richtungen kanalisiert. Seine Ontologie unterscheidet scharf zwischen der defizient-abbildlichen Welt mit verschiedenen Stufungen von Erscheinung bzw. Schein und dem Reich der reinen, unveränderlichen Ideen. Innerhalb dieses gestuften Urbild-Abbild-Verhältnisses wird Mimesis begriffen als Nachbildung von Ideen und ist als solche Nachahmung, Ausdruck und Darstellung in einem. Dieser Kontext erlaubt gegensätzliche Bewertungen der Mimesis: Sie kann als Repräsentation der urbildlichen Ideen in der sinnlichen Erscheinungswelt gewürdigt oder als Indiz für einen Abfall in minderwertigere Seinssphären kritisiert werden. Platon beschreitet beide Wege.[15] In manchen Texten schreibt er der Philosophie eine wahre, gute, weil an den Ideen orientierte Mimesis zu.[16] Häufiger aber kritisiert er die Mimesis der Dichter: wie die abbildende Malerei würde sie sich nicht an den idealen Wesenheiten und ihrer Wahrheit, sondern an den sinnlichen Erscheinungen und ihrem minderwertigen Schein orientieren. Überdies würde die Dichtung die Menschen nicht nur täuschen, sondern auch an ihre niedereren Seelenkräfte appellieren und sie damit moralisch nach unten ziehen.[17] So hält Platon die Werke der Dichter nicht nur für kraftlose Abbilder, sondern stuft sie in ihrer Verführungskraft für hochgefährlich ein. Deshalb empfiehlt er, mimetisch begabte Dichter aus seinem idealen Stadtstaat zu vertreiben.[18] So pendelt Platons Mimesis-Kritik zwischen Banalisierung, Dämonisierung und Divinisierung.

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2.3 Mimesis bei Aristoteles

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Aristoteles behandelt die Mimesis im eingeschränkten Kontext seiner Dramentheorie.[19] Platons Anspruch eines exklusiven philosophischen Zugangs zu einer idealen Ideenwelt hat er zwar abgelehnt. Dennoch verwirft er die Ideenlehre nicht ersatzlos, sondern transponiert sie in die Lehre von der Entelechie, d.h. der Formwerdung des Stoffes in der Spannung zwischen Möglichkeit und Verwirklichung. Und im Wechselspiel dieser gegenüber Platon gewandelten Polarität findet sich der Mimesisbegriff wieder. Der Spannung von Idee und Erscheinung entspricht damit in Aristoteles' Poetik das Verhältnis von Charakterentwurf und konkretem Handeln. Mimesis bedeutet für ihn primär die nachahmende Darstellung von Charakteren: Mimesis von Handlung im Sinne einer kohärenten Entwicklung des Verhaltens der Personen aus ihrem jeweiligen Charakterbild heraus.[20] Von daher lassen sich verschiedene Aspekte von Mimesis herausarbeiten, die über die Grenzen der Dramentheorie hinaus eine grundsätzliche anthropologische Bedeutung haben.[21] Jedenfalls handelt es sich bei Mimesis um ein höchst dynamisches Geschehen. Sie ist nicht einfach Nachbildung eines statischen Originals, sondern bezieht sich repräsentierend auf einen Prozeß der Selbstrealisierung einer dynamisch verstandenen Natur.

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Das muß auch berücksichtigt werden für ein richtiges Verständnis von Aristoteles' wirkungsgeschichtlich höchst bedeutendem Satz, daß Kunst und Dichtung Mimesis der Natur sind.[22] Natur meint dabei nicht bloß die statisch in der Erscheinung abgebildete Natur, sondern vielmehr die Natur in ihrer Dynamik der Selbstrealisierung. Kunst und Dichtung sind nicht Mimesis der natura naturata, sondern Mimesis der natura naturans.[23]

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2.3 Mimesis und Subjektivität im Denken der Neuzeit

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Das Mittelalter brachte zunächst mit der Nachahmung hervorragender Personen – religiös: imitatio Christi, literarisch: die imitatio von Vergil und Cicero – neue Aspekte der Mimesis ins Spiel.[24] Die Renaissance führte das Nachahmungsdenken mit einer verstärkten Ausrichtung auf literarische Vorbilder aus der griechischen und römischen Antike weiter. Scharfe Auseinandersetzungen bezüglich Gegenstand, Ausmaß und Art der Nachahmung führten letztlich zu einer Verflachung des imitatio-Begriffs. Der ursprünglich zentrale Gedanke, daß die Nachahmung von Vorbildern eine eigenständige Aneignung und schöpferischen Weiterführung des Gelernten ermöglicht, ging verloren. Die kreative Schöpferkraft des Subjekts, ein Gedanke, der – von Anfang an leitend für die Renaissance – ursprünglich bruchlos mit der imitatio und emulatio von Vorbildern verbunden war, geriet mehr und mehr in Gegensatz zu einer imitatio, die nun als unoriginelle Kopie begriffen und damit als des schöpferischen Genies unwürdig erachtet wurde.

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Die Entgegensetzung von menschlicher Subjektivität und rezeptivem Weltbezug blieb charakteristisch für die folgenden philosophischen Epochen. Einen ersten Höhepunkt bildete der Subjekt-Objekt Dualismus von Descartes, einen weiteren die erkenntniskritische Wende zum Subjekt bei Kant. Die Radikalisierung dieser Gedanken im deutschen Idealismus zeigte, daß ein verabsolutiertes Subjekt den Boden unter seinen Füßen verliert.[25] Die deutschen Idealisten parallelisierten das Erwachen der Subjektivität mit dem biblischen Sündenfall,[26] – eine Behauptung, die zwar generell verstanden theologisch unakzeptabel ist, aber dennoch eine wichtige Einsicht durchscheinen läßt: Für ein bestimmtes Subjektverständnis – nämlich insofern Subjektivität sich konstituiert in kontrastierender Abhebung gegen alles andere – fällt das Erwachen der Subjektivität tatsächlich zusammen mit der Vertreibung aus dem Paradies der fraglosen Selbstgewißheit.

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Die Aussichtslosigkeit einer kontrastierenden Sicherung von Subjektivität wurde von verschiedenen Philosophen thematisiert:

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  •  Hegel beschrieb die Aussichtslosigkeit des Kampfes des Selbstbewußtseins um seine Anerkennung, – eines Kampfes, der sich in das Dilemma der Herr-Knecht-Dialektik verliert.[27]
  •  Kierkegaard untersuchte die Ambivalenz der Verzweiflung: Der Mensch versucht entweder verzweifelt er selbst zu sein, oder verzweifelt nicht er selbst zu sein.[28]
  •  In unserem Jahrhundert reflektierte Jacques Lacan nachhaltig die ziellose Odyssee des Subjekts, das seine Mitte bereits am Ursprungspunkt seiner Bewußtwerdung (dem sogenannten Spiegelstadium) unwiederbringlich verloren hat, und sich seither über endlose Sinnspiegelungen und -verschiebungen von diesem Ziel nur immer weiter entfernt.[29]
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Die verzweifelte Suche nach dem verlorenen Paradies eines fraglos selbstgewissen Daseins peitscht den Fortschritt voran. Ziel des allgegenwärtigen Konkurrenzkampfes ist keineswegs nur die Befriedigung der Primärbedürfnisse, sondern die Sicherung der eigenen Subjektivität, die Überwindung ihrer abgrundtiefen Angst. Das treibt die Menschen immer neu in die Leistungsmühlen, verführt sie dazu, sich miteinander zu messen und heizt so den Fortschritt an. Aber der Kampf um die Anerkennung durch andere ist ein grundsätzlich ungeeignetes Mittel dafür, und deshalb geht es den darin engagierten Menschen nicht anders wie jenem getäuschten Esel: Durch immer schnelleres Laufen versucht er, die lockende Karotte zu erreichen, die ihm der gewitzte Kutscher mithilfe einer Angel vor die Nase hält. Zwar bewegt er sich rasant voran, aber seinem eigentlichen Ziel kommt das gehetzte Tier um nichts näher.

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2.5 Mimesis bei René Girard

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René Girard hat diese Kreisläufe der Verzweiflung unter dem Gesichtspunkt der Mimesis reflektiert:[30] Der Mensch, orientierungslos geworden auf der Suche nach einem Ziel, das ebenso allbedeutsam wie unbekannt ist – sei es nun Sein, Identität oder Selbstgewißheit – dieser verzweifelt umherirrende Mensch ist bereit, sich auf alles zu stürzen, an dem er auch nur die Spuren des unbekannt Ersehnten erahnt. Menschen, die durch ihr Auftreten, ihr Verhalten, ihren Umgang mit den Dingen, ihre Wertschätzung durch andere, den Eindruck erwecken, sie wären dem vermißten Ziel des Begehrens näher als man selber, üben eine Faszination aus, die zwischen begeisterter Anerkennung und neidvoller Ablehnung schillert. Von ihnen geht ein Sog zur Angleichung aus, der sich in allen Facetten von Verehrung bis zur Verteufelung artikulieren kann. Die gegenseitige Angleichung von Partnern in wechselseitiger mimetischer Nachahmung, mit sukzessiver Auslöschung des kreativen Potentials von Mimesis; die Wahngebilde, die aus der wechselseitigen mimetischen Aufschaukelung von Gemeinschaften in den Köpfen der Beteiligten erwachsen können; die Destabilisierung von Gesellschaften und die versöhnend-polarisierende Wirkung einhelliger Ausstoßung von Sündenböcken; schließlich die ebenfalls mimetisch beschreibbare friedvolle Alternative: all diese Aspekte der mimetischen Theorie Girards können hier nicht ausgeführt, nur angesprochen werden.[31]

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2.6 Versöhnende Mimesis

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In der Theorie Girards erscheint Mimesis vor allem als Treibmittel der Entfremdung und als Same der Gewalt. Als ob Mimesis ein Gift wäre, ein Pharmakon, welches in anderer Dosierung nicht die Verschärfung, sondern die Heilung von jener Krankheit bewirkte, die es hervorruft, so gibt es auch Mimesistheorien im 20. Jahrhundert, in denen Mimesis den Weg weist für eine echte Überwindung der als mimetisch diagnostizierten Entfremdung.

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Walter Benjamin beschreibt als Mimesis jene Ursprünge in Kindheitserfahrungen, wo die Abspaltung der Subjektivität gegen die gegenständliche Welt noch nicht vollzogen war und die Dinge noch ihren Zauber hatten.[32] Zwar ist ein Weg zurück in diese Unschuld versperrt, aber es gibt eine Sensibilisierung für die ursprüngliche, in der Reproduktion nicht mittransportierbare Aura der Dinge.

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Theodor Adorno sucht die Überwindung der Subjekt-Objekt-Dualität in der als mimetisch bezeichneten Anschmiegung an den Gegenstand, vorzugsweise das Kunstwerk.[33] Erkenntnis setzt in der ersten Phase eine mimetische Angleichung an die Dinge voraus, der gegenüber die begriffliche Vergegenständlichung sekundär und immer unvollständig ist. Mimesis gibt einen Zugang zur gegenständlichen Welt, welche ihr Mysterium, ihre Uneinholbarkeit gegenüber dem erkennenden Zugriff bewußt macht.

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Warum wird dieser ursprüngliche Dingbezug als Mimesis bezeichnet? Der Mensch ahmt die Gegenstände aus Natur und Kunst nach, schmiegt sich ihnen an, schwingt sich ein in ihren Rhythmus.[34] Die Quelle eigentlicher Erkenntnis ist solches Angleichen. Das urteilende Entgegensetzen ist demgegenüber erst der zweite Schritt, der den ersten zudeckt. Zwar ist dieser zweite Schritt dem Menschen unvermeidlich, aber außergewöhnliche Erfahrungen erlauben einen ahnenden Blick zwischen die Ritzen urteilender Distanzierung auf eine urspringende Versöhntheit von Ich und Welt.

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Die interpersonale Dimension solcher Suche nach heiler Ursprungserfahrung entfaltete – allerdings ohne ausdrücklichen Bezug auf den Mimesis-Begriff – Emmanuel Levinas. Er erarbeitete eine Phänomenologie einer ursprünglichen Begegnung mit dem Anderen, die noch nicht unter dem Gesetz der urteilenden Subjekt-Objekt-Ontologie steht.[35] Subjektivität ist hier ganz dominiert von der Erfahrung des Anderen, wird dadurch aber nicht aufgelöst, sondern erscheint in anderer Form: nicht als wissendes Gegen-anderes-Gestelltsein, sondern als unvordenkliches In-die-Verantwortung-Gerufensein für den Anderen. Benjamins Einswerden mit der auratischen Natur, Adornos Anschmiegen an das Kunstwerk, Levinas' Hingerissensein vom Anspruch des mitmenschlichen Antlitz: Bei aller Unterschiedenheit verbindet diese Ansätze etwas Gemeinsames: Es sind mimetische Konzeptionen, in welchen Erfahrungen beschworen werden, die den von Hegel, Kierkegaard und Lacan thematisierten Kreisläufen der Verzweiflung entkommen. Und es handelt sich dabei um Entfaltungen nicht mit Beweis-, sondern mit Appellcharakter. Wer sich blind zeigt für die thematisierten Erfahrungen aus Natur, Kunst oder Interpersonalität, dem können sie nicht zwingend andemonstriert werden.

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3. Theologie der Mimesis

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3.1 Christentum als zuversichtliche Deutungsgemeinschaft

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Hier ist die Schwelle zur Theologie erreicht. Auch Theologie kann Glaubenserfahrungen und eine gläubige Weltdeutung nicht zwingend beweisen. Ihre Wissenschaftlichkeit bezieht sich im Dialog mit nichtchristlichen Positionen auf die kohärente und konsistente Deutung von Phänomenen, die grundsätzlich jedem Menschen zugänglich sind. Nach diesem Ansatz ist Theologie Wissenschaft durch die phänomenologische Erschließung von Erfahrungen, die auch Nichtchristen zugänglich sind, sowie durch das Angebot der christlichen Glaubenslehre als einem Deutungsangebot dafür, – eines, das rational vertretbar ist, und das sich von anderen möglichen Deutungen dadurch unterscheidet, daß es die Hoffnung auf Sinn und Heil durch den Bezug auf Jesus Christus aufrecht erhält.[36]

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Erfahrungen eines Unmittelbarwerdens zur Welt in der Natur, Kunst und in mitmenschlichen Begegnungen; weiters Erfahrungen, daß die Teufelskreise narzißtischer Selbstbezogenheit oder systemischer Eigengesetzlichkeiten durchbrochen werden, und daß so immer wieder gegen alle Erwartung ein Handeln möglich wird, das mit den gewohnten Kategorien egoistischer Berechnung nicht angemessen gedeutet werden kann: Solche Erfahrungen sind nicht auf das kirchliche Christentum beschränkt, sondern grundsätzlich allen zugänglich. Christliche Theologie ist die Reflexion auf das Christentum als einer gelebten Deutungstradition, in der solche Erfahrungen gepflegt, kultiviert und in die Mitte der Weltinterpretation gerückt werden, so daß auch Erfahrungen, die sich zunächst gegen eine hoffnungsvolle Deutung sperren, aus einer Haltung der Hoffnung wahrgenommen und bestanden werden können.[37]

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3.2 Christentum und Mimesis

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Von daher ergibt sich der Bezug zu beiden Wirkweisen des Pharmakon Mimesis. Christentum ist einerseits angelegt auf die Durchbrechung der individuellen und kollektiven mimetischen Kreisläufe der Verzweiflung. Es ist Religion der Zusage des jüdisch/christlichen Gottes: "Ich habe Dir einen Namen gegeben"[38], die den Kampf um Identitätssicherung – als Kampf – unnötig macht.

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Christentum versteht sich aber nicht ausschließlich kritisch, sondern ist überdies der positiven Option einer mimetischen Verbreitung der heilvollen Erfahrungen verpflichtet: den unplanbar glückenden Vollzügen von Mitmenschlichkeit und Weltbejahung Raum zu geben für ihre Ausbreitung in der ganzen Welt. Hierin gründet die Bedeutung von exemplarischen glückenden Existenzen, allen voran Jesu Christi: nicht nur als Durchbrecher von Zirkeln der Verzweiflung durch Kreuz und Auferstehung, sondern auch als Vorbild, – Vorbild nicht in der äußerlichen Weise eines mit pädagogischer Absicht vorgestellten Orientierungsbildes, sondern als gelebtes, produktives Vorbild durch seine ganz auf den Vater ausgerichtete Existenz.[39] Die Evangelien berichten, wie von Jesus eine Faszination ausstrahlte, der sich weder Anhänger noch Gegner entziehen konnten, eine Faszination, die in seinem ganz spezifischen Gottesverhältnis gründete und die Menschen in ihrem mimetischen Begehren stark ansprach. Die radikale Umkehr, die Jesus den Menschen abverlangte und die leidenschaftliche Ablehnung, die er von jenen erfuhr, die diesem Ruf nicht entsprechen wollten, zeigte, daß Jesus nicht eine geradlinige Erfüllung der tiefsten Sehnsüchte der Menschen versprach, sondern ihnen eine harte Transformation zumutete.[40] Es ging ihm nicht nur um den Wechsel des Gegenstandes der mimetischen Ausrichtung, sondern um eine radikale Transposition der Form dieser Orientierung: volle Verfügbarkeit ohne Anspruch auf die ersten Plätze, Nachfolge in einer Haltung der Proexistenz, bereit, sich gegenüber den Fremden und Schwachen in Dienst zu stellen und ihnen den Vortritt zu lassen. Durch diese geänderte Form der Nachfolge wird aus einem Wettbewerb um die größere Frömmigkeit eine gemeinsame Sammlung um die Mitte Gottes und seines Mittlers Jesus Christus, – eine Sammlung, die sich gegenüber den Anderen nicht abschottet, sondern universal – "kat-holisch" – offen ist für die gesamte Menschheit, – eine Kirche, die stets bereit ist, den eindrucksvollen Fortschritt eines erfolgreichen Kaders aufs Spiel zu setzen, um auf die Schwachen, die Langsamen, die "Bremser" zu warten, ihnen nachzugehen, und sie neu einzubinden.

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Von seinem Wesen her ist Christentum Nachfolgegemeinschaft dieser Art. Und es verfügt über eine mehrtausendjährige Erfahrungsgeschichte mit diesem Anspruch, welche nicht nur positiv/glückender Art ist, sondern eine verschlungene Geschichte mit vielen Erfahrungen des Scheiterns und mit vielen Wegkorrekturen. Aufgrund dieser Erfahrungen hat die christliche Theologie eine sehr nüchterne Sicht von Vorbild und Nachahmung. Ob in Christologie, Gnadentheologie, Theologie der Erbsünde oder Spiritualität: geläufige Vorstellungen von Vorbild und Nachahmung werden in dieser Geschichte nicht einfach auf ein göttliches Vorbild appliziert, sondern einem kritischen Differenzierungsprozeß unterworfen. Das geht so weit, daß in den kirchlichen Dokumenten die Idee der Nachahmung eines Vorbildes für all die genannten Bereiche stärker problematisiert und eher zurückgewiesen als einfach übernommen wird.[41]

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3.4 Ansatzpunkte für eine mimetische Theologie

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Das aus der christlichen Praxis gewachsene Bewußtsein der Chancen und der Gefahren, mithin der Ambivalenz und der Pervertierbarkeit der mimetischen Orientierung des Menschen kann dazu beitragen, die in allen Teilen mimetisch geprägte heutige Welt zu verstehen. Umgekehrt gibt ein vertieftes Verständnis der mimetisch-begehrenden Nachahmung des Menschen Impulse für eine Reformulierung jener theologischen Bereiche, die traditionell durch die Nachahmungsproblematik geprägt sind. Wenn gesehen wird, daß Nachahmung nicht nur die aus freier Entscheidung resultierende Angleichung des eigenen Verhaltens an die Verhaltensform irgendeines Vorbildes ist, sondern ein Geschehen umfassender, durch freien Entschluß weder voll durchschaubare noch steuerbare Resonanz eines umfassenden, realsymbolischen Selbstausdrucks auf den umfassenden, realsymbolischen Selbstausdruck eines Vorbildes, – wenn also das gesehen wird, dann können geläufige Vorbehalte katholischer Theologie gegen Konzepte der Nachahmung fallengelassen werden, – Vorbehalte, die gegenüber einem moralistisch-flachen Nachahmungsverständnis berechtigt sind.

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  •  Wenn das gesehen wird, dann verbietet sich eine imitatio Christi, welche sich auf bloß kopierendes Wandeln in den Fußspuren Christi beschränkt, von vornherein, und es ist nicht mehr nötig, Nachahmung und Nachfolge gegeneinander auszuspielen.[42]
  •  Wenn das gesehen wird, dann kann Gnade begriffen werden als Gnade Christi, welche die Menschen in seine Nachfolge ruft, ohne pelagianistisch zu meinen, das Wissen um das Vorbild und seinen rechten Weg sei bereits ausreichend, um diesen Weg auch aus eigenem nachgehen zu können.[43] Denn das gelebte Vorbild Christi wirkt eben – mimetisch – weit tiefer als es eine oberflächliche Informationsvermittlung vermöchte.[44]
  •  Wenn das gesehen wird, dann kann Erbsünde verstanden werden als mimetischer Nachahmungszusammenhang, der das ursprünglich auf Gott gerichtete Begehren der Menschen, das nur zu sich selber kommt durch mitmenschliche Vermittlung, von Geburt an (wenn nicht noch früher) ablenkt und verwirrt, sodaß die Menschen den Verirrungen mimetischer Rivalität zutiefst ausgesetzt sind. Eine so begriffene Schuldverflochtenheit reicht einerseits so tief, daß sie dem tridentinischen Kriterium ihrer Weitergabe: "durch Zeugung, nicht bloß durch Nachahmung (propagatione, non imitatione)"[45] – gerecht werden kann.[46] Anderseits aber ist sie von einer solchen Form, daß ihre Überwindung durch Christus – im Sinne einer Orientierung an einem durch reine Ausrichtung auf Gott befreienden Begehren – möglich erscheint. So verstandene Erbsünde wäre also kein unüberwindbares Naturverhängnis, und es läßt sich glaubhaft vermitteln, daß ihre Überwindung durch Jesus Christus bzw. durch die Taufe als jenes Sakrament, welches den Christusbezug mimetisch in ein Leben einpflanzt, möglich ist.
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Dies sind nur einige inhaltliche Aspekte für eine mimetische Theologie, deren Relevanz für eine Welt, die selber – wie im ersten Teil aufgewiesen – in hohem Maße mimetisch ist, unschwer aufgewiesen werden kann.[47]

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4. Zusammenfassung: Inspiration, Besessenheit oder geistlose Kopie?

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Inspiration, Besessenheit oder geistlose Kopie? Diese Leitfrage hat der vorliegende Beitrag im Bezug auf die Mimesis gestellt. Mein Anliegen war zu zeigen, wie Formen des Mimetischen unsere heutige komplexe Welt prägen, und zwar mit jeder dieser drei Bewertungen. Sie haben den Charakter von geistloser Kopie, insofern die technologisch potenzierte Nachahmung eine globale Uniformisierung der Welt fördert. Mimesis im Sinne einer Nachahmung, die nicht nur äußere Verhaltensweisen tangiert, sondern menschliche Vollzüge bis in den innersten Kern von Kreativität und Originalität hinein erfaßt, läßt sich aber auch erschließen als eine inspirative Quelle der modernen Fortschrittsdynamik. So wie der Fortschritt selber ist diese mimetische Dynamik allerdings höchst ambivalent. Sie ermöglicht nicht nur die technologische Bewältigung menschheitlicher Probleme, sondern provoziert auch neue Gefährdungen. Dabei verhält sich die mimetische Fortschrittsdynamik, wie gezeigt, nicht neutral gegenüber Frieden und Zerstörung, sondern enthält in sich konfliktiven Sprengstoff, kann also selber Motor einer kollektiven Besessenheit werden. Sie verfügt aber auch über die Möglichkeit, durch eine entsprechende mimetische Ausrichtung Friede und Versöhnung zu verbreiten und vermag so, Quelle der göttlichen Inspiration zu sein. Die mimetischen Prozesse der heutigen Welt sind mithin weder unschuldig wertfrei noch schlechthin positiv oder negativ, sondern ambivalent. Sie sind geprägt durch eine versöhnende oder eine zerstörerische Modalität.

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Diese für das künftige Überleben der Menschheit entscheidenden Modi der mimetischen Fortschrittsprozesse sind den empirisch-technologischen Wissenschaften nicht zugänglich. Sie bedürfen einer philosophischen und theologischen Reflexion. Dafür ist zunächst die Geschichte des Mimesis-Begriffs hilfreich. Zeitdiagnose und Begriffsgeschichte sprechen für ein Verständnis der Menschen als Wesen der Sehnsucht nach einem Ziel, das ihnen nicht verfügbar, aber gleichwohl unverzichtbar ist. Diese Sehnsucht treibt sie den Dingen und Mitmenschen in die Arme, in authentischer Erfahrung oder in pervertierendem Mißbrauch, wobei die Grenze zwischen beidem oft Messers Schneide ist. Diese zentrifugale Bewegung in ihren Interaktionen und Verdopplungen bringt unser heutiges mimetisches Spiegeluniversum hervor.

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Theologie kann begriffen werden als eine Reflexion auf diese Modalitäten, die zugleich einen Weg ihrer heilvollen Transposition weist, indem sie sich im Selbstverständnis des Menschen und seiner schöpferischen Möglichkeiten an der jüdisch-christlichen Offenbarungsgeschichte orientiert. Die heutige Welt, für die die Frage der rechten Modi ihrer sich beschleunigenden mimetischen Entwicklung eine Überlebensfrage darstellt, kann es sich nicht leisten, dieses Deutungsangebot zu ignorieren, zumal es einen Weg weist zwischen kritikloser Affirmation und Totalverteufelung. Wegen dieser Not ist es aber auch eine Sache höchster Verantwortung für die Theologie, die Relevanz christlich-kirchlicher Existenz für die heutige mimetische Fortschrittswelt herauszuarbeiten. Nicht zuletzt wird eine Theologie, die die Menschen mit ihren hochambivalenten mimetischen Orientierungen in den Mittelpunkt ihrer Reflexionen rückt, auch sensibler für die ambivalente Rolle, welche Religion für die so begriffenen Menschen einnehmen kann. Religiöse Praxis, als Rückbindung an einen letzten sinnstiftenden Grund, ist selber in hohem Maße gefährdet. Und von dieser Gefahr ist auch das konkrete, kirchliche Christentum in all seinen Realisierungen – auch denen des immer auch zeitgebundenen Theologisierens – nicht verschont. Mimetische Theologie befaßt sich also mit einem Thema, welches ihren eigenen Horizont mitbetrifft und ist deshalb zur Selbstkritik gerufen. Theologisch begriffene Mimesis, verstanden als gemeinschaftlich-kirchliche Sammlung um die Mitte Jesu Christi und seines Gottes, mit der Aufgabenstellung einer heilvollen Orientierung menschheitlicher mimetischer Dynamik, steht also selber im Zeichen jener Ambivalenz, die mit den drei Alternativen von Inspiration, Besessenheit und geistloser Kopie umrissen wurde. Christliche Praxis kann in der Nachahmung des Bewährten erstarren, kann in leidenschaftlicher Mitgerissenheit von diesem Einen, dem Gott alles war, sich immer noch in teuflische Besessenheiten verirren, aber auch in einer selbstkritischen mimetischen Ausrichtung auf Jesus Christus Quelle für die Verwirklichung einer friedlichen Menschheit sein.

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[1]Paul Virilio vergleicht die Extremwissenschaft mit dem Extremsport. Beiden gemeinsam ist der zu Höchstleistungen anspornende Konkurrenzdruck, der ethische Fragen – beim Extremsportlern die Frage des eigenen Lebens, in heutiger Wissenschaft die Frage des Überlebens der Menschheit – vernachlässigt. Diese Eigenheit moderner Wissenschaft ebenso wie ihre Beschreibung als kybernetisch ergibt einen engen Zusammenhang zum hier beschriebenen Mimetischen. Vgl. P. Virilio, Im Zeitalter der Extremwissenschaft, in: Standard, 24. 1. 1997.

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[2]Vgl. H.J. Seemann, Copy: Auf dem Weg in die Repro‑Kultur. Weinheim-Basel 1992, 11.

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[3]Vor einigen Jahren gründete Bill Gates die Firma Corbis (vgl. im Internet: http://www.corbis.com). Seitdem kauft diese Bildagentur die digitalen Rechte für bedeutende Kunstwerke und Fotos auf der ganzen Welt. So hat er etwa Vereinbarungen zur Verwertung der digitalen Bildrechte mit der National Gallery in London, dem Philadelphia Museum of Modern Art und der Barnes Collection abgeschlossen. Hauptziel ist die Gewinnung eines Foto‑ und Bildmonopols für den Multimedia-Bereich. Vgl. c't Computermagazin 14/97, 94ff, sowie im Internet: http://www.bwl.uni‑mannheim.de/~schorr/ONLINE_9610/k.htm.

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[4] Vgl. R. Girard, Wenn all das beginnt... Ein Gespräch mit Michel Treguer (Beiträge zur mimetischen Theorie 5). Thaur‑Münster 1997, 69f.

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[5] Zwar ist eine vollkommene Nachahmung aus logischen Gründen unmöglich. Selbst wenn das Double seinem Original in allem gliche, so würde es sich doch dadurch unterscheiden, daß es diesem gegenüber das zweite ist. Nur das erste ist ein Original. Dieser Unterschied wird aber dann nivelliert, wenn der Gegenstand der Nachahmung sich selber durch die Nachahmung eines Dritten bestimmt. Nachahmung scheitert also am Original, indem es dieses durch ein Substitut ersetzt. Aber in einer Welt, die durch Nachahmung bestimmt ist und in der die Substitute die Originale weitgehend verdrängt haben, ist Nachahmung wieder adäquat möglich. Substitute werden durch Substitute adäquat ersetzt, verdoppelt und repräsentiert.

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[6] Genauer müßte man von "einer der letzten Bastionen" sprechen. Eine weitere Bastion, die schon lange Thema utopischer Phantasien ist und wohl bald auch technischer Aneignungsversuche sein wird, besteht aus den Selbstreproduktionskräften von Organismen.

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[7] Imitation und Kopie sind seit der Entstehung der ersten Lebensformen ein entscheidender Motor für die Evolution. Innerhalb dieser geweiteten Perspektive erscheint die kulturelle Mimesis, wie ich sie hier in einigen Aspekten beschrieben habe, als eine weitere potenzierende Stufe. Vgl. dazu C. Bresch, Zwischenstufe Leben. Evolution ohne Ziel? Frankfurt a.M. 1979, bes. 177-189.

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[8] Vgl. zum folgenden: R. Girard, Things Hidden since the Foundation of the World. London 1987, 290, 296.

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[9]Einen eindringlichen Beleg für ein solches paradoxes Verhältnis zwischen Schüler und Lehrer gibt das Verhältnis von Elias Canetti zu Karl Kraus (vgl. E. Canetti, Die Fackel im Ohr. Lebensgeschichte 1921‑1931, Wien 1980). Anfänglich von seiner scharfen Rhetorik komplett fasziniert, distanzierte er sich später so stark von ihm, daß er nicht einmal bereit war, an seinem Begräbnis teilzunehmen.

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[10]Vgl. G.W.F. Hegel, Phänomenologie des Geistes, Kap. I.IV.A, sowie dazu A. Kojève, Hegel. Kommentar zur Phänomenologie des Geistes. Frankfurt a.M. 1975.

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[11]Vgl. G. Bateson, Vorstudien zu einer Theorie der Schizophrenie, in: ders., Ökologie des Geistes. Anthropologische, psychologische, biologische und epistemologische Perspektiven, Frankfurt a. Main: Suhrkamp 1981. Zur Rezeption und Modifikation des double-bind-Zusammenhangs bei Girard vgl. ders., Das Heilige und die Gewalt. Einsiedeln‑Zürich‑Köln 1987, 217f; sowie ders., Things Hidden since the Foundation of the World. London 1987, 219-222.

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[12]Man lese nur obiges Beispiel nochmals in veränderter Form, wobei man für Lehrer Vater setzt und für Schüler Sohn! Zu Girards Auseinandersetzung mit Freud vgl. ders. Things hidden (s. Anm. 12) 283-392.

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[13]Vgl. zum folgenden: H. Koller, Die Mimesis in der Antike. Nachahmung, Darstellung, Ausdruck. Bern 1954.

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[14]Vgl. W. Jaeger, Paideia. Die Formung des griechischen Menschen (3 Bde.). Berlin 21954‑1955.

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[15]Vgl. M. Fuhrmann, Die Dichtungstheorie der Antike: Aristoteles - Horaz - 'Longin'; eine Einführung. Darmstadt 1992, 72f.

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[16]Vgl. Platon, Nomoi 817B-C.

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[17]Vgl. Platon, Politeia 10. Buch, bes. 603B, sowie 3. Buch, 395C.

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[18]Vgl. Platon, Politeia, 3. Buch, 393A-398B.

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[19]Vgl. Aristoteles, Poetik.

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[20]Das wurde überzeugend herausgearbeitet von Arbogast Schmitt in ders., Mimesis bei Aristoteles und in den Poetikkommentaren der Renaissance. Zum Wandel des Gedankens von der Nachahmung der Natur in der frühen Neuzeit, in: Mimesis und Simulation. Hg. A. Kablitz, G. Neumann, Freiburg i. Br. 1998, 17‑54. – Beachtet man diese Zusammenhänge, dann erscheint der Streit, ob Mimesis Nachahmung oder Darstellung ist (vgl. Jürgen H. Petersen, 'Mimesis' versus 'Nachahmung'. Die Poetik des Aristoteles ‑ nochmals neu gelesen, in: arcadia 27 [1992] 3‑46) als Ausdruck einer fundamentalen Verkennung der Philosophie von Aristoteles, nämlich durch die falsche Annahme, der Bezugspunkt von Mimesis sei die konkret erscheinende und empirisch erhebbare Wirklichkeit.

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[21]Paul Ricoeur gewinnt aus einer Analyse der Poetik des Aristoteles drei Dimensionen der Mimesis: Vgl. ders., Zeit und Erzählung I: Zeit und historische Erzählung (Übergänge 18/1). München 1988, 87-135.

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[22]Vgl. Aristoteles, Physik 199a 15-17.

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[23]Vgl. Wulf/Gebauer (s. Anm. 14) 84.

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[24]Vgl. Dina de Rentiis, Die Zeit der Nachfolge. Zur Interdependenz von "imitatio Christi" und "imitatio auctorum" im 12. ‑16. Jahrhundert, Tübingen 1996.

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[25]Vgl. die Auseinandersetzung mit J.G. Fichte in: D. Henrich, Fichtes ursprüngliche Einsicht. Frankfurt a.M. 1967.

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[26]Vgl. E. Drewermann, Strukturen des Bösen, Band III. Die jahwistische Urgeschichte aus philosophischer Sicht, Paderborn-Wien 1978. Zu Kant ebd. 43-53, zu Hegel 85-92.

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[27]Vgl. Hegel, Phänomenologie des Geistes, Kap. I.IV.A

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[28]Vgl. Sören Kierkegaard, Die Krankheit zum Tode. Übersetzt von Emanuel Hirsch (Gesammelte Werke 24. und 25. Abteilung). Düsseldorf 1954, v.a. 45-75.

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[29]Vgl. Jacques Lacan, Das Spiegelstadium als Bildner der Ichfunktion, in: ders., Schriften I. Hg. N. Haas u. H.‑J. Metzger, Olten‑Freiburg i.Br. 1973, 61‑70.

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[30]Vgl. René Girard, Das Heilige und die Gewalt. Einsiedeln‑Zürich‑Köln 1987; ders., Das Ende der Gewalt. Analyse des Menschheitsverhängnisses. Freiburg i.Br.‑Basel‑Wien 1983; ders., Wenn all das beginnt ... Ein Gespräch mit Michel Treguer (Beiträge zur mimetischen Theorie 5). Thaur‑Münster 1997.

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[31]Vgl. Wolfgang Palaver, René Girards mimetische Theorie. Im Kontext kulturtheoretischer und gesellschaftspolitischer Fragen (Beiträge zur mimetischen Theorie 6). Thaur-Münster 1999.

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[32]Zum Mimesisverständnis von Walter Benjamin vgl. Veronika Schlör, Hermeneutik der Mimesis. Phänomene, Begriffliche Entwicklungen, Schöpferische Verdichtung, Düsseldorf‑Bonn 1998, 49-64.

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[33]Zum Mimesis-Verständnis von Adorno vgl. Schlör (s. Anm. 33) 64-81, sowie Wulf/Gebauer, Mimesis (s. Anm. 14) 389-405.

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[34]Das Verständnis von Mimesis als gewaltlos-respektierende Anschmiegung an die gegenständliche Wirklichkeit ist leitend für Veronika Schlör (s. Anm. 33).

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[35]Vgl. v.a. E. Levinas, Totalität und Unendlichkeit. Versuch über die Exteriorität. Freiburg i. Brsg. 1987.

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[36]Diese zugleich dialogfähige und identitätswahrende Auffassung von Christentum und Theologie ist vor allem Karl Rahner verpflichtet. Vgl. Willibald Sandler, Bekehrung des Denkens. Karl Rahners Anthropologie und Soteriologie als formal‑offenes System in triadischer Perspektive. Frankfurt am Main 1996. Diese Methodik hat auch einen engen Bezug zum Innsbrucker Forschungsprojekt zur Dramatischen Theologie (Religion – Gewalt – Kommunikation – Weltordnung; vgl. Internet: http://info.uibk.ac.at/c/c2/new/fak/drama), wo ein theologischer Ansatz für den interdisziplinären Dialog als Hypothese zur Diskussion gestellt wird. Vgl. dazu den programmatischen Text: R. Schwager, J. Niewiadomski u.a.: Dramatische Theologie als Forschungsprogramm, in: ZkTh118 (1996) 317‑344; (im Internet: http://info.uibk.ac.at/c/c2/new/fak/drama/xtext/forschungsprogramm‑0.html).

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[37]Hier muß man sofort dazusagen: So ist Christentum in seinem Wesen, von seinem Ursprung her, im Sinne seines Gründers. D.h. so muß es sein, wenn es nicht sich selbst verraten will. Es handelt sich damit also nicht um ein Prinzip der Legitimation, sondern eher der Kritik von faktischen kirchlichen Verhältnissen. – Zum hier skizzierten Zusammenhang von Glaube und Interpretation vgl. W. Sandler, "... da hab ich dich getragen." Auf göttlicher Spurensuche im eigenen Leben, in: Gott finden in allen Dingen. Theologie und Spiritualität (theologische trends Band 7). Hg. Chr. Kanzian, Thaur 1998, 168‑183.

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[38]Vgl. Jes 45,4. Der Gedanke, daß die Personalität des Menschen letztlich in der Seinszusage durch Gott gründet, ist in der Theologie Hans Urs von Balthasars zentral. Vgl. ders., Theodramatik. Band II: Die Personen des Spiels. Teil 1: Der Mensch in Gott. Einsiedeln 1976, 136-240.

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[39]Die Offenheit von Girards mimetischer Theorie für diese Dimensionen positiver Mimesis wird von theologischen Kritikern meist übersehen. Vgl. z.B. die Kritik von M. Herzog: Religionstheorie und Theologie René Girards, in: Kerygma und Dogma 38 (1992) 105‑137. Zur Auseinandersetzung vgl. W. Sandler, Befreiung der Begierde. Theologie zwischen René Girard und Karl Rahner, in: Vom Fluch und Segen der Sündenböcke (Beiträge zur mimetischen Theorie 1). Hg. J. Niewiadomski u. W. Palaver, Thaur 1995, 49‑68.

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[40]Zum folgenden vgl. R. Schwager, Jesus im Heilsdrama. Entwurf einer biblischen Erlösungslehre (IThS 29). Innsbruck-Wien 1990.

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[41]Einige Beispiele finden sich im folgenden Abschnitt.

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[42]Vgl. Art. Nachfolge Jesu, in: LthK 3. Aufl. Bd. 7, 609-613.

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[43]Zur gnadentheologischen Auseinandersetzung zwischen Augustinus und Pelagius vgl. v.a. G. Greshake, Gnade als konkrete Freiheit. Eine Untersuchung zur Gnadenlehre des Pelagius. Mainz 1972.

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[44]Wird damit alle Gnade auf einen ausdrücklichen Bezug zu Jesus Christus zurückgeführt und so die nichtchristliche Welt als gnadenlos disqualifiziert? Diese Konsequenz ergibt sich aus einer mimetischen Christologie dann nicht, wenn das mimetische Vorbild Christi auch als mittelbares zugelassen wird: als Christus-Typos, der sich vielfach innerweltlich widerspiegelt, insbesondere in Menschen, die sich demütig für andere engagieren, auch wenn sie das nicht ausdrücklich im Namen Jesu Christi tun. – Wird damit Jesus Christus in seiner Bedeutung nivelliert zum Exemplar glücklicher mimetischer Vorbildexistenz unter anderen? Diese der ersten entgegengesetzte Konsequenz ergibt sich aus einer mimetischen Christologie dann nicht, wenn sich zeigen läßt, daß die Annahme der Existenz des mimetischen Vorbildes Jesu Christi kriteriologisch und teleologisch unverzichtbar ist für die anderen erlösenden mimetischen Vorbilder: kriteriologisch im Aufweis, daß eine angemessene Unterscheidung mimetischer Vorbilder notwendig auf die Existenz Jesus Christi zurückgreift; teleologisch im Aufweis, daß erlösende mimetische Vorbilder eine innere Hinordnung auf eine gott-menschliche Existenz aufweisen, wie sie allein in Jesus Christus realisiert ist. Zu letzterem vgl. die suchende Christologie von Karl Rahner: ders.; Grundkurs des Glaubens. Einführung in den Begriff des Christentums. Freiburg i.Br.‑Basel‑Wien 1976, 288-291, sowie Sandler, Bekehrung des Denkens (s. Anm. 37) 260-275.

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[45]Vgl. Denzinger/Hünermann, Enchiridion symbolorum 1513.

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[46]Diesem tridentinischen Dogma kann durch eine mimetische Interpretation zumindest dann entsprochen werden, wenn der Schwerpunkt dieser Aussage nicht in einer Fixierung auf eine biologische Vererbung gesehen wird, sondern in der Einforderung einer tieferen Verwurzelung der Erbsünde, als er durch einen oberflächlichen Nachahmungsbegriff erreicht werden kann. Vgl. Raymund Schwager, Erbsünde und Heilsdrama. Im Kontext von Evolution, Gentechnologie und Apokalyptik. Münster 1997, 54-57.

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[47]Der Verfasser arbeitet zur Zeit an einem umfangreicheren Entwurf einer mimetischen Theologie.

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