In rund drei Jahren soll das weltweit größte optische Teleskop, das Extremely Large Telescope (ELT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) in der chilenischen Atacama-Wüste in Betrieb gehen. Ausgerüstet mit verschiedenen Instrumenten, zwischen denen man innerhalb von Minuten umschalten kann, wird das ELT von der Erde aus Blicke ins Universum in noch nie dagewesener Tiefe ermöglichen. Zwei dieser Instrumente, an deren Entwicklung auch zahlreiche österreichische Expert:innen beteiligt sind, haben nun die abschließende Designprüfung bestanden und damit einen wichtigen Meilenstein erreicht: Die „Multi-AO Imaging Camera for Deep Observations“ (MICADO), eine leistungsstarke hochauflösende Kamera für das ELT, hat die Designphase im Sommer abgeschlossen; der „Mid-infrared ELT Imager and Spectrograph“ (METIS) bereits im Mai. Beide Instrumente sollen bereits beim Start des ELT oder kurz danach in Betrieb gehen.
Beiträge zur Forschung an Exoplaneten
METIS, Kamera und Spektrograph zugleich, ist für die Beobachtung im mittleren Infrarotbereich ausgelegt und eignet sich daher ideal für die Untersuchung kalter oder von Staub umhüllter Objekte. „Während sehr heiße Objekte wie unsere Sonne hauptsächlich sichtbares Licht aussenden, strahlen kältere Objekte wie Planeten oder Staubwolken vor allem im mittleren Infrarotbereich. Durch die Analyse des Lichts in diesem Frequenzbereich wird METIS untersuchen, wie sich Sterne und Planeten in Staub- und Gaswolken bilden, und kann durch den Staub im Zentrum von Galaxien blicken, um deren supermassereiche schwarze Löcher zu untersuchen“, erklärt Kieran Leschinski vom Institut für Astrophysik der Universität Wien. Er ist Teil der österreichischen Expert:innengruppe, an der die Universität Wien, die Universität Innsbruck, die Johannes Kepler Universität (JKU) Linz sowie das RICAM Linz der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) beteiligt sind.
Darüber hinaus wird METIS voraussichtlich spannende Beiträge zur Erforschung von Exoplaneten leisten, indem es kleine, felsige Exoplaneten beobachtet und die Temperatur, das Wetter und die chemische Zusammensetzung ihrer Atmosphären auf der Suche nach bewohnbaren Welten untersucht. „Mit METIS verfolgen wir ein breites Spektrum wissenschaftlicher Ziele, von der Erforschung der Entstehungsgeschichte unseres Sonnensystems über den Blick in das Zentrum von Galaxien bis hin zur Untersuchung ihrer rätselhaften supermassiven schwarzen Löcher. Der wissenschaftliche Schwerpunkt von METIS liegt auf der Untersuchung von Planetenentstehungsscheiben und kürzlich entstandenen – sowie nahen – Exoplaneten“, sagt Norbert Przybilla, Professor am Institut für Astro- und Teilchenphysik der Universität Innsbruck.
Entfernte Galaxien beobachten
Das zweite Instrument, bei dem der Designprozess kürzlich abgeschlossen wurde, ist die „Multi-AO Imaging Camera for Deep Observations“, kurz MICADO. MICADO wird hochauflösende Bilder des Universums liefern und die Entstehungsmechanismen entfernter Galaxien offenbaren. Bei der Entwicklung von MICADO stand der Wunsch nach höchster Präzision und Stabilität im Vordergrund, um die geforderte hohe Empfindlichkeit, Auflösung, astrometrische Genauigkeit und Abdeckung eines großen Wellenlängenbereichs zu erreichen. Um das gewährleisten zu können, wird das Instrument eine stattliche Größe erreichen: Rund sechs Meter hoch, wird es nicht weniger als 20 Tonnen wiegen.
Das Herzstück des Instruments wird, genauso wie jenes von METIS, in einem Kryostaten untergebracht, der es kühl hält, so dass es im nahen Infrarotbereich effektiv und ohne Störung durch andere Wärmequellen arbeiten kann. Dadurch wird es möglich sein, hochauflösende Bilder des Universums zu erhalten, die die detaillierten Strukturen und Entstehungsmechanismen entfernter Galaxien offenbaren und es den Astronom:innen ermöglichen, einzelne Sterne und Sternsysteme in nahen Galaxien sowie Planeten und deren Entstehung außerhalb unseres Sonnensystems zu untersuchen. Darüber hinaus wird MICADO ein einzigartig leistungsfähiges Instrument zur Erforschung von Umgebungen sein, in denen die Gravitationskräfte extrem stark sind, wie etwa in der Nähe des supermassiven schwarzen Lochs im Zentrum unserer Galaxie, der Milchstraße.
„Erdgebundene astronomische Beobachtungen werden durch Turbulenzen in der Erdatmosphäre gestört und können auch mit freiem Auge als Blinken der Sterne wahrgenommen werden. Das Team an der JKU Linz und am RICAM der ÖAW leistet mit der Entwicklung der Algorithmen zur Korrektur dieser Turbulenzen mittels verformbarer Spiegel einen wesentlichen Beitrag, um scharfe Bilder ferner Himmelsobjekte aufnehmen zu können“, erklärt Ronny Ramlau, Professor am Institut für Industriemathematik der Johannes Kepler Universität Linz und Scientific Director am RICAM Linz/ÖAW.
Weitere Expert:innenstimmen:
Kieran Leschinski, Institut für Astrophysik der Universität Wien: „Das Extremely Large Telescope (ELT) wird das leistungsfähigste optische/infrarote Teleskop sein, das je gebaut wurde. Mit seinem enormen 39-Meter-Hauptspiegel wird das ELT es ermöglichen, die schwächsten und entferntesten Objekte im Kosmos zu beobachten – von den ersten Galaxien, die sich nach dem Urknall gebildet haben, bis hin zu potenziell bewohnbaren Exoplaneten, die nahegelegene Sterne umkreisen. Unser Team hier in Österreich ist verantwortlich für die Entwicklung der Software für MICADO und METIS, die es Astronom:innen ermöglichen wird, bahnbrechende wissenschaftliche Ergebnisse aus den Rohdaten zu gewinnen, die direkt von den Instrumenten des Teleskops kommen.“
Werner Zeilinger, Institut für Astrophysik der Universität Wien: „Die räumliche Auflösung, die das ELT erreicht, ist so hoch, dass eine Lego-Figur auf einer Raumstation beobachtet werden kann. Allerdings führt bei einer solch hohen Auflösung selbst die kleinste Turbulenz in der Atmosphäre dazu, dass die Bilder verschwimmen – ähnlich als ob ich ein Objekt am Boden eines Schwimmbeckens betrachte. Um diesem Effekt entgegenzuwirken, integriert das Extremely Large Telescope (ELT) mehrere flexible Spiegel, die sich hunderte Male pro Sekunde verformen und so die atmosphärischen Verzerrungen in Echtzeit beseitigen können. Dadurch wird das ELT in Summe in der Lage sein, Bilder deutlich schärfer aufzunehmen als das Hubble-Weltraumteleskop.“
Manuel Güdel, Professor am Institut für Astrophysik der Universität Wien: „METIS wird unser Verständnis von Planetensystemen revolutionieren. Durch seine hochauflösenden Infrarotbilder und -spektren wird es möglich sein, Exoplaneten und ihre Atmosphären in beispielloser Detailgenauigkeit zu untersuchen. Dieses hochmoderne Instrument wird auch dabei helfen, potenziell bewohnbare Welten zu identifizieren und uns näher an die Beantwortung der tiefgreifenden Frage bringen, ob Leben außerhalb unseres Sonnensystems existiert. Zudem wird METIS Einblicke in die Sternentstehung und die Bedingungen rund um junge Sterne geben, welche wiederum die Planetenentstehung und -entwicklung antreiben.“
Wolfgang Kausch, Institut für Astro- und Teilchenphysik der Universität Innsbruck: „Damit wir mit MICADO die geforderte hohe Empfindlichkeit, Auflösung, astrometrische Genauigkeit und Abdeckung eines großen Wellenlängenbereichs in der ELT-Umgebung erreichen, wird das Instrument nicht weniger als 20 Tonnen wiegen und eine Höhe von sechs Metern haben.“
Roland Wagner, RICAM Linz, ÖAW: „Innerhalb von MICADO wird am RICAM der ÖAW und an der JKU Linz eine Software zur Bewertung der Bildqualität mittels der sogenannten Point Spread Function entwickelt. Damit können in der Analyse der Bilder die Eigenschaften der beobachteten Sterne genauer als bisher bestimmt werden. Die Methode dafür wird gerade an Daten bereits existierender Teleskope getestet.“
Andreas Obereder, Institut für Industriemathematik, JKU Linz: „Die Steuerung verformbarer Spiegel für das ELT stellt aufgrund der Größe des Primärspiegels eine besondere Herausforderung dar. Um die entstehenden Effekte bestmöglich zu kompensieren werden aus den Daten eines Pyramidensensors mit einem neu entwickelten Algorithmus die Kommandos für den verformbaren Spiegel errechnet. In der Simulation erhalten wir damit bessere Ergebnisse als bisherige Methoden.“